11

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Lesz war schweigsam, als er und Vroni Jannis am nächsten Morgen vor der Schule abholten. Er lächelte nicht und erwiderte Jannis' Umarmung nur halbherzig.

„Was ist los?", fragte Jannis, während sie nebeneinander losliefen.

„Meine Oma ist los", knurrte Lesz und klang, als würde er liebend gerne jemanden oder etwas zusammenschlagen.

„Was macht sie?", fragte Vroni.

„Na ja, ich hab's nicht geschafft die scheiß verfickte Dusche zu reparieren und jetzt kann ich mir anhören, dass ich zu nichts zu gebrauchen bin", erwiderte er. „Wir haben nicht genug Geld für einen Klempner und Mama ist mit Zuzi schon genug beschäftigt, da braucht sie sich nicht auch noch darum kümmern ..."

„Was ist mit deinen anderen beiden Schwestern? Können die die Dusche nicht reparieren?"

„Nee, natürlich nicht, aber von denen erwartet Oma das auch gar nicht. Weil ich ja der Mann im Haus bin seitdem mein Vater weg ist. Was kann ich dafür, dass der sich verpisst hat? Am wenigsten von allen. Der dumme Bastard kam einfach nicht auf den Gedanken klar ein behindertes Kind in die Welt gesetzt zu haben und hatte keinen Bock sich um sie zu kümmern. Aber das ist nicht meine Schuld!"

„Natürlich nicht", stimmte Jannis zu. „Und es ist auch ziemlich scheiße von deiner Oma nur dich für so Arbeiten einzuteilen. Wir leben nicht mehr im Mittelalter."

„Das ist Sexismus", stimmte Vroni zu. „Geht auch in die andere Richtung, nicht nur gegen Frauen."

„Sag das meiner Oma und die lacht dich aus", erwiderte Leszek.

„Eltern sind halt scheiße", sagte Jannis.

Lesz schaute ihn an.

„Großeltern sind auch Eltern", sagte Jannis und nickte, dann legte er Lesz einen Arm um die Schultern.


Leszeks Laune besserte sich auch über den Schultag nicht und so zogen er und Jannis nach der sechsten Stunde gemeinsam los. Lust nach Hause zu gehen hatte keiner von ihnen, also liefen sie los ohne ein Ziel zu haben.

Wir bräuchten nochmal so'n Flachmann", meinte Lesz.

„Scheiß mal auf den Flachmann, was wir brauchen ist ein Auto. Wir ziehen einfach irgendwen an der Ampel aus seinem Wagen und klauen den und dann fahren wir einfach immer weiter und halten nie mehr an. Dann gibt's keine streitenden Eltern und keine pöbelnden Omas und keine Lehrer, keine Hausaufgaben ... Es gäb nur uns", grinste Jannis.

Lesz konnte nicht verhindern, dass auch seine Lippen sich zu einem Grinsen verzogen, auch wenn ihm eigentlich gar nicht danach war.

„Wo fahren wir dann hin?", fragte er.

„Zuerst nach Hamburg, weil Hamburg einfach cool ist. Dann suchen wir uns da Freunde, bei denen wir schlafen können, und wenn wir genug von denen haben, steigen wir einfach ins Auto und fahren weiter. Nach ... Ans Meer. An die Ostsee, die Nordsee, nach Holland."

„Solange wir nicht nach Polen fahren."

„Wir marschieren maximal dort ein", lachte Jannis. Er legte seinen Arm um Lesz, während sie das Wohngebiet hinter sich ließen und in den Park abbogen.

„Was für'n Auto wollen wir denn klauen?", fragte Lesz weiter.

„Voll egal", meinte Jannis. „Dann kann Janina das Zimmer für sich haben, deine Oma die Dusche reparieren und meine Mutter kann meine scheiß Hausaufgaben selber machen. Und sich mit meinem Vater streiten so viel sie will, das ist dann nicht mehr mein Problem."

„Warum ist es gut für mich, wenn Janina das Zimmer für sich haben kann?", lachte Lesz.

Sie wechselten von dem Weg auf die Wiese, das langgewachsene Gras streifte ihre Schuhe bei jedem Schritt.

„Sie geht dir nicht mehr auf die Nerven und du hast dann die ganze Welt. Was willst du da mit 'nem kleinen scheiß Zimmer?", fragte Jannis.

Inzwischen waren die beiden am Ende des Parks angekommen und damit bei dem großen, freistehenden Haus, das über und über mit bunten Bildern bemalt war. Eingekreist von der hochgelegenen Bahntrasse auf der einen Seite und der Saale auf der anderen Seite führte nur ein schmaler Weg zu dem altertümlichen Gebäude, das mit allerhand Materialien geflickt und verschönert worden war.

„Das ist doch dieses besetzte Haus, oder?", fragte Lesz und blieb auf der Wiese stehen. Ein Schnellzug rauschte rechts von ihnen vorüber, das laute Sausen wurde von den Bäumen gefangen.

Jannis nickte.

„Ja", sagte er, den Blick auf das Gebäude gerichtet.

„Denkst du es bedeutet Freiheit da drin zu wohnen?", fragte Leszek.

„Ja", wiederholte Jannis. „Da drin gibt's auch keine nervigen Eltern und auch sonst niemanden, der dir sagt, was du zu tun hast."

„Wohnt da überhaupt noch jemand drin?"

Einige Minuten verstrichen. Weder Jannis noch Lesz noch irgendwas im oder am Haus rührte sich.

„Bestimmt", sagte Jannis.

Noch immer kein Lebenszeichen aus dem Haus.

„Lass wieder abhauen." Lesz legte seinen Arm um Jannis und zog ihn mit sich. Weg von dem besetzten Haus, von dem dieser seinen Blick nicht so recht lösen konnte, zurück in den Park und zurück in eine Welt, die viel weniger magisch wirkte als die frischere Luft und die grüneren Bäume, die das besetzte Haus umgaben.

Nebeneinander liefen sie über die Wiesen zurück, bogen an der Schule vorbei in ihr Wohnviertel ein.

„Wir könnten noch in den Wald. Vielleicht sind Leo und so ja da und -"

„Ich glaub, ich geh nach Hause", unterbrach Lesz ihn.

„Jetzt schon?", fragte Jannis, zog die Augenbrauen zusammen und schaute in den Himmel, der noch keine Anzeichen von beginnender Dunkelheit zeigte. „Wir könnten auch irgendwo im Wald pennen oder –"

„Ich hab keinen Bock auf noch mehr Stress, okay?" Lesz blickte ihm für einen Moment in die Augen und bog dann in Richtung des Mehrfamilienhauses ab, in dem er lebte. „Wir sehen uns."

Jannis blieb stehen und schob die Hände in die Taschen seiner Jeans.

„Ja, wir sehen uns", stimmte er zu und schaute Lesz hinterher, wie er langsam kleiner wurde und dann hinter den hohen Wänden der Eigenheime verschwand.

Jannis war sich sicher, dass seine Mutter sich freuen würde, wenn er nach Hause kommen würde. Wenn er sich in sein Zimmer setzen und Hausaufgaben machen würde. Vor Anbruch der Dunkelheit sicher Zuhause war, damit sie sich keine Sorgen machen musste.

Er wandte sich nach rechts und lief alleine Richtung Wald. Die Chance, dass Leo, Kian und die anderen beiden am Lagerfeuer saßen oder in naher Zukunft sitzen würden war immer noch da.

Er lief durch die Straßen und betrat den Wanderweg, der mit seinen kleinen Steinchen eine Schneise durch die hohen Bäume zog. Bei Tag sah alles anders aus als in der Nacht und Jannis ließ seinen Blick über die gleichaussehenden Stämme schweifen, während er den Weg hinablief. Überall versperrten Dornen den Weg ins Unterholz, auch sie sahen alle gleich aus. Grün und nach Kratzern.

Es gab sicher einen Trampelpfad oder sowas, immerhin hatte es so geklungen, als verbrachten Leo und seine Freunde öfter Zeit im Wald.

Es gab keinen. Nach einer halben Wanderung bog Jannis einfach ab, schob die Ranken beiseite und trat ins Unterholz. Es fühlte sich zumindest genau an wie in der Nacht. Trockene Blätter raschelten unter seinen Vans, dünne Äste knackten, größere versuchten ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Jannis war sich ziemlich sicher, dass er mit Leo viel früher in den Wald abgebogen war und lief deshalb wieder in die Richtung, aus der er gekommen wär. Kein roter Schein leitete ihm heute den Weg.


Es war nicht Leo, dem Jannis in die Arme lief. Auch nicht Kian oder Yasin oder André. Es war Levent, der Typ aus Leos alter Stufe.

„Ey, Kleiner", begrüßte Levent ihn. Seine Füße steckten ihn ziemlich weißen Schuhen, an seiner Jeans hing ein kleines Stückchen Brombeerbusch.

Jannis blieb stehen und hob die Augenbrauen. Ein guter Meter trennte die beiden noch voneinander.

„Du gehst auf meine Schule, oder?", sagte Levent.

„Ja", sagte Jannis.

„Was machst du hier im Wald?"

„Nicht zur Schule gehen." Jannis schob seine Hände in die Hosentaschen, er schaute Levent ins Gesicht. Der fuhr sich mit einer Hand durchs Haar.

„Ja, schon klar, hältst mich für dumm oder was?", fragte er. Sein Blick glitt durch den Wald, immer hin und her, blieb nicht ruhig an einem Ort.

„Was machst du hier im Wald?", erwiderte Jannis.

„Pilze suchen. Ey, du bist doch mit Leo befreundet, oder?"

„Du nicht, oder?"

„Ist halt 'n scheiß Punk der Typ", grinste Levent. Er räusperte sich und wurde wieder ernst. „Ich muss dann", sagte er und zeigte hinter sich in eine undefinierte Richtung, schaute Jannis kurz ins Gesicht und drehte sich dann um. Lief mit seinen weißen Schuhen durch den braunen Wald, die Äste knackten unter seinen Schritten. Die Dornenranke fiel ins Dickicht.

Jannis schaute ihm einen Moment hinterher, dann zog er die Hände aus den Hosentaschen und setzte seine Suche nach der Feuerstelle fort. Langsam kündigte die Dunkelheit sich an. Von außen fiel weniger Licht an den Stämmen vorbei ins Innere des Waldes, auch die einzelnen Strahlen, die sich durch die Blätter schoben, verschwanden.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro