37 ✴ Zuhause

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Ich wachte erst wieder in einem weissen, steril aussehenden Raum auf.
Spürte einen grossen Verband an meiner Schulter - ebenso an meiner rechten Hand.
Fühlte mich betäubt.

Ich atmete flach und sah mich mit dröhnendem Kopf um. Ich war alleine in diesem Raum - nein, doch nicht.
Auf der rechten Seite nahm ich verschwommen eine Stimme wahr.

"Scheisse, bin ich vielleicht stolz auf dich, Ayleen."
Johanna.
Sie sass neben mir am Bett.

Meine Augen wurden glasig, als ich sie erblickte - ihre glitzerten ebenso.
Ich bekam kein einziges Wort heraus. Schluchzte schwach und schüttelte einfach verzweifelt den Kopf.

"Ich weiss.",hauchte Johanna nickend - und ich entwich wieder in einen traumlosen Schlaf.

×

"Ayleen Fox. Die Kämpferin."
Abermals wachte ich auf - wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war.

Schon wieder mit etwas mehr Orientierung, sah ich rechts neben mich.
Da sass er - mit seinen strahlend blauen Augen und dunkelgrünem Anzug. Sein Bart war zu einem Tannenwald-Muster rasiert.
Seneca Crane.

Einen Moment starrten wir uns nur in die Augen - ich angespannt und verunsichert. Er entspannt und mit einem wissenden Lächeln auf dem Lippen.

"Ich bin hier, um dir eine Nachricht von Präsident Snow zu überbringen. Mit besten Grüssen, versteht sich."
Ich bekam als Antwort bloss ein unsicheres Krächzen heraus - doch Seneca interessierte dies nicht.

"Du wirst deine Geschichte, wie du zu deiner Narbe gekommen bist - verneinen. Du wirst im Sieger-Interview sagen, dass die Version, welche du in den Spielen erzählt hast - nicht stimmt."
Auch wenn ich es nicht wollte, saugte ich alle seiner charmanten Wörter in mich auf.

"Du wirst Caesar und dem Kapitol, den Distrikten sagen - dass natürlich die Story, welche du damals schon Caesar erzählt hast - stimmt. Dass der Distriktwechsel aus deiner Fantasie entstand, weil du noch so verstört gewesen warst wegen Silijas Tod. Weil du noch so verzweifelt und sauer warst."
Mein Herz klopfte unangenehm schnell in meiner Brust. Zittrig nickte ich, was stechende Kopfschmerzen auslöste.

Ein noch breiteres Lächeln formte sich auf Senecas Lippen, während er zufrieden nickend wieder aufstand.
Einen Moment war wieder Stille eingetreten - man hörte bloss das Piepen der Maschinen neben mir und auf den Gängen ein paar Schritte.

"Gut, dann verstehen wir uns ja. Und falls du dies nicht tun würdest...und das bezweifle ich..." Er hob lächelnd eine seiner perfekt gezupften Augenbrauen. "...dann wirst du deine Familie und Freunde nicht mehr sehen, wenn du nach Hause gehst."

Ich schluckte leer, auch wenn mir mein Mund unfassbar trocken vorkam.

"Auf Wiedersehen, Ayleen. Herzlichen Glückwunsch. Und eine wunderbare Heimreise!"

×

Die nächsten Tage verfiel ich in eine Art Trance. Ich sprach und zeigte Emotionen - aber innerlich war ich leer.

Das Interview mit Caesar war die Hölle - aber ich überlebte es. Erzählte ihm genau das, was mir Seneca gesagt hatte. Log.
Bestand es sogar mit Bravour, wie mir Blight gesagt hatte.
Lachte bei Caesars beschissenen Witzen - spielte die emotionale Siegern, wenn es um die Mittribute ging, die ich geliebt hatte. Und verloren hatte.

Bekam dieses blöde goldene Diadem auf den Kopf gesetzt, während eine Masse an Kapitolsleuten mir applaudierten und Sachen zuschrien wie; "Unsere Siegerin Ayleen!" - "Ayleen - die Kämpferin!" - "Wir lieben dich, Ayleen!" - "Du hast es geschafft, Fuchs!"

×

Doch als wir im Zug nach Distrikt 7 standen, fiel ich.
Ich konnte nicht mehr spielen - konnte keine einzige Sekunde mehr einen Stolz vorspielen - welchen ich nun in keinster Weise auch nur im Entferntesten besass.

Ich war nicht stolz.
Dieser Sieg - das hatte überhaupt nichts mit Stolz zu tun. Oder Stärke. Oder Mut.
Dieser Sieg war mein Tod gewesen. Er hatte mich getötet - zerrissen.

Johanna und Blight waren da. Sie waren einfach da.
Trösteten mich nach Albträumen - nach Schreiattacken und Nervenzusammenbrüchen.

Wenn ich keine Luft mehr bekam - wenn ich in der Dunkelheit Silija's demolierter und blutüberströmten Körper sah, welche wieder und wieder lautlos Bitte sagte.

Wenn ich ein Messer beim Mittagessen voller Angst angestarrt hatte und dabei immer wieder auf meine zwei halbabgeschnittenen Finger schaute.

Blight kochte mir Tee - auch wenn dieser Fakt komisch war und nicht zu ihm passte - kochte er den besten Tee, den ich je getrunken hatte. So gut ich es jedenfalls beurteilen konnte.
Klaute sich auch für mich Schokolade, wenn eine Avox gerade nicht aufmerksam war.

Sie hatten all dies beide ebenso erlebt - und wussten, wie schlimm es war.
Wie schrecklich die Erinnerungen waren. Wie sie einem Angst bereitete - Panik.
Wie unfassbar leer und doch voller Emotionen man sich fühlte.

Sogar Tulip schien immer wie mehr zu bemerken, wie unmenschlich all dies war, wofür sie arbeitete.
Hatte sie sogar einmal aufgelöst weinend alleine im Speisewagen gefunden.

Ich ass - aber schmeckte nichts mehr.
Ich redete - aber nahm nur noch das Halbe davon wahr.
Ich schlief - aber fand keine Erholung darin.

Mein waches Leben war ebenso ein Albtraum - wie dies in meinen Träumen.

Was mich weiterleben liess, war der Gedanke daran, endlich Zach und Elio zu sehen. Die Hutchersons. Der Wald von Distrikt 7.
Alles.
Ja, sogar Glenn.

×

Als ich dann aus dem Zug stieg - fühlte ich mich sowohl leer, als auch vollkommen.
Ich war wieder in meiner Heimat - aber ich war nicht mehr Diesselbe, wie als ich damals gegangen war.

Es fühlte sich nicht mehr gleich an - es fühlte sich surreal an, als ich später an unserer Schule vorbeiging, in welcher ich so viele Stunden meines Leben verbracht hatte.
Wer war ich damals gewesen?
Was wollte ich damals in meinem Leben erreichen?
Ich wusste es nicht mehr.

Als ich also von Johanna und Blight in das Bürgermeistergebäude geführt wurde - nachdem mich einige Distriktbewohner applaudierend empfangen hatten - atmete ich zittrig durch.

Ich spürte Johannas Hand auf meiner Schulter, über welche sie sanft und beruhigend darüberstrich.
Bei meiner anderen Schulter besass ich immer noch einen Verband - ebenso waren meine Finger noch verbunden, aber ich würde nun für immer nur noch drei komplette Finger an meiner rechten Hand besitzen.
Aber dies war das kleinste Übel.

Mr. Quentins trat durch den Gang, in welchem ich damals Colyn und Glenn gestört hatte - auf uns zu.
Er trug einen besonders modernen und schönen, hellgrauen Anzug. Seine dunkelblonden Haare perfekt frisiert.

"Ayleen Fox, willkommen zu Hause! Meinen Herzlichen Glückwunsch!"
Er schüttelte mir überaus freundlich die Hand, doch ich nickte als Antwort nur ein wenig.
Herzlichen Glückwunsch.
Er konnte mich mal.

"Ihre Familie wartet schon auf Sie!"
Mein Herz begann wie wild zu klopfen - und es fühlte sich an, als würde sich das nach Wochen nun endlich wieder angenehm anfühlen.

Johanna nickte als Antwort für mich - da ich einen Moment gar nicht reagiert hatte.
"Danke, Herr Bürgermeister.",bedankte sich Blight ebenso auf meiner anderen Seite - wenn da auch wie immer mit solchen Leuten, bei ihm ein sarkastischer Unterton herrschte.

Mr. Quentins räusperte sich lächelnd - doch es schien bei ihm alles so unfassbar gespielt zu sein.
Und ich wusste nicht, ob er es einfach alles langweilig fand und es ihn nicht interessierte - oder ob es ihn sogar wirklich ehrlich mitnahm. Er Mitleid zeigte. War dies überhaupt möglich?

Er führte uns in einen grossen Speisesaal - an welchem für viele Leute feinsäuberlich der Tisch gedeckt war.
Drei Vasen mit Wiesenblumen - Mohn, Kornblumen, Margeriten und Schafgarben. Ebenso waren Farn und verschiedene Gräser darin.

Ein riesengrosses Fenster gab uns den Ausblick zum Wald - unser aller Zuhause in Distrikt 7.
Das Wetter war schon fast provokant perfekt - die Sonne schien und es war strahlendblauer Himmel zu sehen.

Und dann ging die andere Tür auf.

Meine Familie - Zach, Elio, Tante Augustine, Onkel Wyll und Cassidy.
Sie traten ein - alle entweder mit einem Lächeln auf den Lippen - oder schon weinend.

Elio presste sich sofort als Erster ganz nach vorne - sogar noch vor meinen Bruder zwängte er sich unter zittrigen Atemzügen.
Ich hörte ein amüsiertes, schluchzendes Lachen von meiner Tante.

Er lief schnell auf mich zu und wir fielen einander voller Wucht in die Arme.

Einen Moment stolperten wir ein paar Schritte auf dem perfekten Parkettboden des Speisesaals - doch sofort hatten wir unsere gegenseitige Sicherheit wieder.

Er begann zu weinen - ich begann zu weinen.
Ein unendlicher Druck fiel von meiner Brust ab - sodass es endlich schien, als könnte ich wieder atmen. Trotzdessen, dass ich unter den fürchterlichen Schluchzern immer wieder japsend nach Atem holen musste - und ebenso Elio.

Sein Körper an meinem. Mein Körper an seinem. Vereint.
Wir redeten nicht - und doch sagten wir uns so viel, welches man niemals hätte mit Worten ausdrücken können. Niemals überhaupt ebenbürdig gewesen wäre, um überhaupt mit Wörtern zu beschreiben.

Er war da. Und ich war da. Bei mir. Bei ihm.

"Elio, bitte. Du kannst meine kleine Schwester meinetwegen noch drei Jahre lang ununterbrochen in den Armen halten - aber jetzt bin ich drann!",ertöne Zachs Stimme neben uns - sie hörte sich ebenso weinend an, doch er trug ein unfassbar grosses Lächeln auf den Lippen.
Meine ganze Familie fing schluchzend an zu lachen.

Irgendetwas Unverständliches murmelnd - aber kichernd - löste sich der Schwarzhaarige von meinem Körper und strich sich mit seinem Pulloverärmel über die Augen.

Ich fiel in die Arme meines Bruders und fing sofort wieder an zu weinen. Mein Körper bebte durch die vielen Schluchzer, und es war, als würde sich ein Schutz um mich bilden. Die Sicherheit - mein Bruder.
Er war wieder da.
Er war endlich wieder da.
Ich war wieder da.

Nun war ich zu Hause.

×

Der Einzug ins Dorf der Sieger ging unspektakulärer als gedacht - und vor allem schneller als gedacht.
Unheimlich viel hatten wir ja auch nicht, welches wir auf die Lichtung des Siegerdorfes mitbringen konnten.

Ich merkte, wie sehr Tante Augustine immer wieder überfordert und froh umhersah.
Sie hatte dieses Leben so unfassbar verdient - ebenso Cassidy und Onkel Wyll.

Ich bekam ein recht grosses Zimmer als Schlafzimmer - und als ich in diesen noch leeren Raum trat, fühlte ich mich auf einmal gar nicht mehr so verloren.
Denn Elio würde ebenso in dieses Haus einziehen. Hier sein - und von jetzt an immer.

Es klopfte an meine neue Schlafzimmertür, welche ich vorher noch zugemacht hatte.
Stirnrunzelnd drehte ich mich um und räusperte mich etwas.
"Ja?"

Glenn trat durch die Tür ein und sofort sah ich, wie unfassbar schlimmer er aussah.
Er hatte Augenringe - seine Haltung war ängstlich und angespannt.
Da war nichts mehr vom arroganten Bürgermeistersohn zu sehen - gar nichts mehr.
Er schloss leise die Tür wieder hinter sich, sodass wir alleine im Zimmer standen.

"Ehm...Victoria kommt Zach besuchen, und ich..." Er schien mit den Worten zu kämpfen. Schien viel sagen zu wollen - aber er wusste nicht, wie. Oder ob er es überhaupt konnte.

Mir fiel ebenso auf, dass seine linke Wange auffällig rot war. Unter seinem Auge färbte sich sogar eine ganz leichte bläuliche Farbe ab.
In der Schule war einem immer erzählt geworden, dass er sich sehr oft mit anderen Kindern prügelte.
Doch war dies wirklich die Wahrheit gewesen?

"Ich meine...Hey...Ayleen."
Er nannte mich das erste Mal bei meinem Vornamen.
"Glenn...",sagte ich bloss knapp - jedoch war meine Stimme eher ein Hauchen, als sonst was.

Einen Moment standen wir schweigend in dem leeren Raum. Es fühlte sich an, als würden wir beide um jeden Preis miteinander reden wollen - doch konnten selbst nicht mehr die Kraft aufbringen, dies auch zu tun.

Doch dann fing Glenn stockend an zu weinen und vergrub seine Augen angespannt in seinen Händen. Sah Schürfwunden an seinen Knöcheln - getrocknetes Blut.

Überfordert trat ich einen Schritt näher zu ihm - doch wusste nicht, was ich tun sollte.
Also blieb ich stehen und runzelte dann mit schmerzverzerrtem Gesicht meine Stirn.
Ein Gedanke kam mir auf. Durchschoss mein Kopf wie eine Pistole. Diese eine Frage.

"Hast du dich von ihm verabschiedet? Nach der Ernte?",fragte ich ihn - ruhig. Ich musste es wissen. Dies war die Frage. Die Frage, welche mir die ganze Zeit schon auf der Seele brannte.
Glenn quetschte ein weiteres Schluchzen hinaus und schwieg weiterhin.

"HAST DU DICH VON IHM VERABSCHIEDET, HABE ICH DICH GEFRAGT!",schrie ich ihn sogleich laut an - all die Wut brach aus mir heraus. All der Schmerz um Colyn.
Colyn.

Er schwieg wimmernd.
Er schwieg.
"Du verdammtes Arschloch! Du Feigling!",schrie ich ihn weiterhin an - aber mittlerweile ebenso weinend wie er.

Colyn war tot.
Und sein Freund - der Mensch, welcher er über alles geliebt hatte - hatte sich nicht einmal von ihm verabschiedet gehabt.
Ihn einfach so gehen lassen.
In den Tod hinein.
Weil er Angst gehabt hatte.
Weil er zu feige gewesen war - ihm seine Gefühle mal ehrlich ins Gesicht zu sagen.

Weil er selbst sein Leben nicht im Griff hatte, die ganze Zeit litt und verzweifelt war - und Colyn genauso.
Er hatte Colyn nicht retten können - und Colyn hatte Glenn nicht retten können.
Und er hat sich deswegen in den Tod begeben.

Ich stiess Glenn in die Brust, schlug an seine Schultern - aber ich konnte nicht die Kraft aufbringen, ihm wirkliche Schmerzen zu bereiten.
Er wehrte sich auch nicht dagegen - als wäre es nichts Neues für ihn. Als wäre er sich dies durchaus gewohnt.

Ich war zu erschöpft.
Ich hatte keine Kraft mehr dafür.
Und würde sie wohl auch niemals mehr haben.
Niemals mehr.

Also zog ich ihn irgendwann schluchzend an mich - und er schlang ebenso weinend und wimmernd sofort die Arme um meinen Körper.
Sein Körper bebte vor Schmerz und Verzweiflung - hätte niemals gedacht, dass Glenn so sehr weinen konnte.
So viele Gefühle in sich trug. Versteckt - verborgen.
Als hätte sich eine überflutende Wellen angebannt und ihn nun erfasst.

Ich suchte Trost bei einem Menschen, welchen ich noch nie leiden konnte - geschweige denn irgendwann mal umarmen hätte wollte.
Und doch tat ich es.
Denn ich brauchte es.
Und er brauchte es.

Ich wusste nicht, wie lange wir in den Armen des jeweils anderen geweint hatten.

Trost gesucht hatten - weil wir beide den gleichen wundervollen Menschen verloren hatten.

Und wir beide daran zerbrochen waren.

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