Die kommenden Monate vergingen wahnsinnig schnell. Fast zu schnell.

Doch es geschah so viel, dass den Mädchen nur wenig Zeit blieben, das Ganze zu realisieren und zu verarbeiten.

Miga fühlte sich noch dazu schlecht, weil sie kaum noch Zeit für J-Hope fand und Juhee vermisste Jungkook. Das letzte Date mit ihm – wenn es denn überhaupt eins gewesen war- war ewig her.

Doch sie alle waren froh, diese Anstrengungen auf sich nehmen zu dürfen, die Chance zu bekommen, ihren Traum zu erfüllen. Darum waren sie alle motiviert, fast sogar übermotiviert.

Es wurden Songs geschrieben, ausprobiert und vieles wieder verworfen, bis sie schließlich acht Songs für ihre erste EP „Magic happens: Feeling myself" aufnahmen. Darunter befanden sich jeweils ein Intro, ein Outro, ein Acapella-Interlude und der Title-Track.

Als Title-Track wurde der R&B-lastige, vor Selbstbewusstsein strotzende Song „Dream", als Anspielung auf die Debütsingle von BTS, gewählt. Auch wenn man auf den Text achtete, stellte er den Gegenspieler zu „No More Dream" dar, da SixSenses sich in dem Song durchsetzen wollten, davon sangen, nicht aufzugeben und seinem Herzen zu folgen.

Mit „Animal" und „I dislike you" sollte die EP kraftvoll weitergehen, bis das Interlude und „Part of the World", in dem es darum ging, seinen Platz in der Welt zu finden und sich nicht durch Hindernisse unterkriegen zu lassen, die Ruhepole der EP sein sollten.

Anschließend griff „Do what I want" das Thema Selbstbewusstsein, Durchsetzungsvermögen und Selbstbestimmung rhythmisch wieder auf, bis die EP im sanften Outro enden sollte.

Schließlich wurde auf der Internetseite, sowie auf der Twitterseite von Big Hit Entertainment ein paar wenige Informationen und Hinweise zum Debüt und zur Band bekanntgegeben, ein Twitter- und Instagramprofil erstellt, die Debüttrailer für jedes Mitglied gedreht und Bang Shi Hyuk erlaubte den Mädchen zu diesem Zeitpunkt nur Tweets ohne Fotos von ihnen und genauere Informationen. Das Aussehen der Mädchen, sowie alles andere musste noch geheim bleiben.

Ihr Management wusste wirklich, wie man Vorfreude schaffte und Promotion betrieb. Miga erinnerte dies ein bisschen an die Anfangszeiten von BTS, in denen die Jungs nichts von V hatten sagen dürfen, weil er das Ass im Ärmel gewesen war. Diese Formel war grandios aufgegangen.

Außerdem sagte man den Mädchen, dass es einen siebten, letzten Debüttrailer geben sollte, der das genaue Datum des Debüts bekannt geben und im Hintergrund das Intro spielen sollte. Zum Aufheizen der Fans.

Die ersten Debüttrailer, die in regelmäßigen Abständen auf dem Youtube-Kanal von Big Hit Entertainment gepostet wurden, waren die von Mimi, Jiyoon und Sook.

Mimi schwebte in ihrem auf fluffig-weichen Wolken, während Jiyoon in ihrem genüsslich verschiedenste Gerichte und Salate aß. Sook sah man in ihrem Kurzclip mit dicken Kopfhörern, wie sie Musik hörte und dabei vor sich hinträumte. Und am Ende eines jeden Debüttrailers standen auf Englisch die Worte „Fühlen", „Schmecken" und „Hören", sowie der jeweilige Name der Darstellerin.

In dieser Zeit hatte Lyn eine Choreografie entwickelt, die die Mädchen innerhalb von ein paar Tagen erlernen mussten, da sie bald danach das Musikvideo zu „Dream" drehten und am selben Tag die Konzeptfotos für die kommende EP machten.

Besonders Miga und Juhee fühlten sich anfangs unwohl und unsicher, gefilmt und fotografiert zu werden und der Gedanke, dass bald Menschen dies sehen und bewerten würden, machte Juhee zunehmend Angst.

„Hoffentlich mögen die Leute unsere Songs, unsere Botschaft, das Video und alles andere", seufzte Juhee in einer Drehpause. „Was ist, wenn wir ihnen unsympathisch sind?"

Sook legte den Arm um sie und sagte: „Mach dir keine Sorgen. Denk doch nur daran, wie viele Follower wir bereits auf unseren Social-Media-Kanälen haben oder wie viele nette Kommentare wir unter Yoohyeons, Jiyoons und meinen Debüttrailern haben. Wenn morgen der von Miga und nächste Woche der von Yeonyoung kommen, werden es bestimmt noch mehr. Und deiner, Juhee, wird der krönende Abschluss"

„Sook hat Recht", mampfte Jiyoon. Selbst während sie aß, strahlte sie eine unfassbare Coolness aus. „Spätestens bei dir werden alle verzaubert sein. Geschweige denn, wenn sie dich singen hören"

„Es gibt so viele Gruppen, die seit Jahren aktiv sind und weniger Fans auf Twitter, Instagram und Youtube haben als wir", ergänzte Mimi.

„Aber bestimmt nur, weil wir die Juniorgruppe von BTS sind", zweifelte Juhee weiterhin.

„Das wird sich zeigen", sagte Jiyoon und Mimi ergänzte: „Genau. Wenn unsere EP herauskommt, sehen wir, ob es den Leuten gefällt und wer nur wegen BTS da ist"

„Du stresst dich viel zu sehr", murmelte Jiyoon. „Wenn es den Leuten nicht gefällt, dann ist es eben so. Dann haben wirs wenigstens versucht. Das kann auch nicht jeder von sich behaupten, ein Musikalbum veröffentlicht zu haben. Außerdem wird schließlich auch nicht jedes Buch ein Bestseller. So ist das nun mal"

„Vor allem du, Juhee, wirst deinen Weg gehen, egal, ob wir erfolgreich sein werden oder nicht", sagte Bloom, die die ganze Zeit über ruhig zugehört hatte.

„Was? Nein, das werde ich sicher nicht"

Erneut lief Juhee total süß rot an.

„Doch, ganz sicher", lächelte Bloom. „Du darfst dich selbst nicht so unterschätzen. Bang Shi Hyuk wollte dich als Solosängerin, obwohl du noch komplett unbekannt bist. Das ist ziemlich untypisch"

„Du bist was Besonderes. Sehs endlich ein", grinste auch Jiyoon und stopfte sich ein großes Salatblatt in den Mund.

Juhee wurde immer mehr bewusst, dass sie langsam anfangen sollte, an den Erfolg der Gruppe und vor allem an sich selbst zu glauben. Sonst würden auch die Medien auf ihr herumhacken und sie würde nie ihren Frieden finden.

Es würde noch viele, viele Stunden dauern, bis die letzte Szene des Musikvideos gedreht war und die Mädchen endlich in ihre kleine Wohnung durften, die ihnen von ihrem Management zugestellt worden war. Das Wohnheim, in dem sie zuvor mit allen anderen Trainees gelebt hatten, wurde kurz nach der Castingwoche aufgelöst.

Ihre neue Wohnung enthielt drei Schlafzimmer und Miga durfte sich einige wenig ernstgemeinte Beschwerden von J-Hope anhören, wie unfair dies sei. Immerhin hatten die Jungs am Anfang ihrer Karriere eine so klitzekleine Wohnung gehabt, dass sie sich zu siebt ein Schlafzimmer teilen hatten müssen. Sie hatten erst einige EP's verkaufen müssen, bis sie eine Wohnung in der Größe, wie SixSenses sie hatten, bekamen. Doch das waren noch andere Zeiten gewesen. Big Hit war damals eine kleine, unbekannte Firma gewesen, die es sich nicht anders hatte leisten können.

Die Mädchen wurden sich schnell einig, wer mit wem das Zimmer teilte: Miga und Juhee, Jiyoon und Bloom und Sook freute sich sehr, das Zimmer mit der Ältesten zu teilen.

Miga und ich, wenn wir mal Gelegenheit hatten, miteinander zu quatschen, verglichen die Beiden sehr gerne mit Namjoon und Jin. Auch Sook war sichtlich lustiger und weniger ernst, wenn sie mit Mimi sprach. Genauso wie es bei Namjoon der Fall war. Ich spürte es, wenn Namjoon viel Zeit mit Jin alleine verbracht hatte, da er danach immer ruhiger und weniger nachdenklich war. Natürlich liebte ich den nachdenklichen Namjoon, dennoch freute ich mich, wenn ich sah, dass er sich weniger oder gar keine Sorgen machte.

Er war einer dieser Menschen, die einfach zu viel dachten. Eine große Gemeinsamkeit, die die beiden Leader innehielten.

Der nächste Debüttrailer, der veröffentlicht wurde, war nun der von Miga, in dem sie kurz auf einer Bühne Ballett tanzte, um dann in einem dunklen Raum voller Spiegel wieder auf zu tauchen.

Viele Leute in den Kommentaren hegten hier schon die Vermutung, ob nicht Miga die Visual sein würde.

In der darauffolgenden Woche wurde Blooms Debüttrailer veröffentlicht. Sie war auf einer wunderschönen, blühenden Blumenwiese zu sehen, in dem sie sich sichtlich wohl fühlte.

Juhees Trailer wurde wieder ein paar Tage danach veröffentlicht. Auch sie befand sich in einem komplett dunklen und leeren Raum, der nur mit einem normalen Holzstuhl ausgestattet war, auf dem Juhee saß.

Über ihren Trailer gab es am meisten Theorie und Spekulationen, da er laut den Fans am meisten Fragen aufwarf. Wieso wurden Miga und Juhee in dunklen, leeren Räumen gezeigt? Warum ist da nur ein Stuhl und was hat er zu bedeuten? Und was sollte der sechste Sinn sein? Intuition. Was war das schon?

Doch wie Juhee verwundert feststellen musste, gab es in den Kommentaren unter ihrem Debüttrailer viele Menschen, die ihr Komplimente aussprachen, wie hübsch und süß sie sei. Einige nannten sie bereits ihre Bias. Das gab ihr einen enormen Selbstbewusstseinsschub.

Nur zwei Tage nach Veröffentlichung von Juhees Teaser wurde der letzte mit dem Intro im Hintergrund und dem genauen Datum auf Youtube gepostet. Das Debüt sollte im Frühjahr sein, nur wenige Wochen nach Neujahr.

Der 30-sekündige Clip heizte die Fans zusätzlich an. Viele schrieben Dinge wie „Wenn der Song im Hintergrund schon so mega ist, dann... wow!" „Ich bin nicht bereit dafür" oder „Es haut mich jetzt schon um!!".

Endlich, im Frühjahr, hatten SixSenses ihr Debüt in einer Musikshow. In ihren ersten beiden Wochen hatten sie mehrere Auftritte in anderen Musikshows, Talkshows oder Variety-Shows. Kurz darauf durften sie sogar nach Amerika reisen, um ihre EP und sich selbst auch dort zu promoten. Dort waren sie bei zwei Abendtalksshows, in dem sie nicht nur ihr gutes Englisch und ihren Humor präsentieren konnten, sondern auch ihren Title-Track performten.

Für die Mädchen war es spannend und faszinierend zu sehen, wie die Verkäufe der EP in Amerika nach den Auftritten dort, stiegen.

Schon bald erzielten sie – wieder zurück in der Heimat- ihren First Win mit „Dream" und auch die Behind the Scenes Videos, die so genannten „SenseVlogs", die unregelmäßig auf dem Youtube-Kanal von SixSenses gespostet wurden, fanden viel Anklang. Natürlich wurden nach und nach auch andere Videos veröffentlicht: Dance Practice-Videos, ein Cover der Vocal-Line von Bebe Rexhas Song „I'm gonna show you crazy", Juhees Cover von „Spirit" oder auch ein Tanzvideo der Dance-Line, in dem sie zu einem Song von Rihanna ihre Talente darboten. Auch wurde der von Sook und Suga geschriebene Song „Cancer", dem Sook ihrem Vater widmete, veröffentlichte. Dies geschah allerdings über ein halbes Jahr nach ihrem Debüt.

Doch ich greife zu viel Voraus.

Einige Monate nach ihrem Debüt kamen auch noch die „Roommate Medleys" dazu – Coversongs, gesungen und gerappt jeweils von zwei Mädchen, die sich auch ein Zimmer miteinander teilten. Eine lustige Idee von Big Hit.

Sook und Mimi veröffentlichen das Erste, was ein Cover von CL's „Hello Bitches" war. Beide waren große Fans der taffen Rapperin und hofften, sie vielleicht irgendwann mal bei einer Musikshow oder einer Verleihung zu treffen und mit ihr sprechen zu können.

Bloom und Jiyoon waren die Zweiten, die ihr „Roommate Medley" der Welt präsentierten. Sie entschieden sich für „Love Scenario" von Ikon, einen fröhlichen Song, um einen Kontrast zu „Hello Bitches" herzustellen. Außerdem kam in dem Song Vocals und Raps vor.

Miga und Juhee wählten die japanische Version des Kingdom Hearts Songs „Face my Fears" für ihr Video. Er war ruhiger, im Vergleich zu den anderen Beiden schon fast balladig. Doch Juhees wunderschöne Stimme kam so perfekt zur Geltung und die Fans, denen Big Hit Entertainment schon bald den Fandom-Namen Senseless gab, konnten sich an einem japanischem Coversong erfreuen.

Der Fandom-Name wurde ausgewählt, da SixSenses ein Sprachrohr für Menschen mit psychischen Problemen sein wollten, Menschen, die „ihre Sinne verloren haben" und diese wieder durch die Band finden sollen.

Dies waren also die Anfänge von SixSenses, der ersten Girl Group unter Big Hit Entertainment nach all den Jahren. Jahrelang waren BTS die einzige Gruppe von Big Hit gewesen, hatten kaum Chancen gehabt, um erfolgreich zu werden. Und doch hatten sie es geschafft und sind so weit gekommen, wie kaum jemand.

Doch würden auch die sechs Mädchen von SixSenses es schaffen im harten Kpop-Business bestehen zu bleiben und erfolgreich zu werden? Würden Mimi, Sook, Bloom, Miga, Jiyoon und Juhee dem Druck, der als Junior-Gruppe von der derzeit erfolgreichsten Boyband der Welt auf ihnen lastete, standhalten können? Oder werden sie daran zerbrechen?

Denn die Mädchen wussten, dass man es als Girl Group schwerer hatte als wen man eine Boyband war. Sie wussten, dass es nicht leicht werden würde, doch sie alle wollten, die Welt verändern und den Menschen, die ihre Hoffnungen und Lebensfreude verloren hatten, wieder einen Lichtblick geben.

Das war ihr Traum.

Das war der „Dream", der ihnen Stärke gab.