11. Kapitel - Carlos

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Mit einem dampfenden schwarzen Kaffee in den Händen begab ich mich zurück in mein Arbeitszimmer im ersten Geschoss. Heute hatte Kathrin früh das Haus verlassen, weshalb sie das Frühstück mitsamt Kaffee vorbereitet hatte, bevor sie zur Arbeit in der Bücherei aufgebrochen war. Nach der Arbeit würde ihre Arbeitskollegin zu Besuch kommen, die eine langjährige Freundin von Kathrin war. Sie verbrachten ziemlich viel Zeit miteinander und hatten ein enges Verhältnis, obwohl sie ein Werwolf und ihre Kollegin ein Mensch war. Es erstaunte mich nicht, denn einige Mitglieder des Rudels waren gut mit Menschen befreundet. Demnach war es nicht abwegig – gerade, weil wir uns immer noch sehr ähnlich waren.

Bis dahin durfte ich dann das Ein oder Andere vorbereiten, aber für meine Gefährtin würde ich Berge versetzen und ein paar Kleinigkeiten zu erledigen, wäre keinerlei Problem.

Allerdings kam ich nicht bis zu meinem Arbeitszimmer, denn Oben wurde meine Aufmerksamkeit auf meinen Sohn gelenkt, der noch äußerst ungeschickt und auffällig versuchte, mir auszuweichen, wie es schien.

„Pascal", sprach ich ihn direkt an. Es war hörbar, dass er tief durchatmete, bevor er sich zu mir umdrehte. „Hast du einen Moment Zeit?" Anbei deutete ich auf den Raum hinter mir. Wenn wir uns auf mein Sofa setzen würden, könnte man die Dinge sicher entspannter klären.

„Eigentlich nicht." Ihm war bewusst, dass es mich erzürnte, wenn er mich anlog. Er war auf dem Weg in sein Zimmer gewesen und ich konnte das Dudeln seiner Konsole deutlich vernehmen. Ich akzeptierte seine Freizeitbeschäftigung und ließ ihm einige Freiräume, aber wenn er keine Zeit aufbringen konnte, um zehn Minuten mit mir zu sprechen, dann sah es anders aus.

Dies schien er zu bemerken, denn er öffnete erneut den Mund, um seine Aussage zu revidieren: „Für ein Gespräch mit dir habe ich auf jeden Fall Zeit. Was gibt es, Paps?" Obwohl er einknickte, verwendete er diesen nervigen Kosenamen, den ich nicht ausstehen konnte. Man musste ihm Eines lassen, mein Junge hatte Mumm, sich mit mir anzulegen. Allerdings wollte ich nicht mit ihm sprechen, um ihn zu schimpfen, sondern ihn, ganz im Gegenteil, zu loben.

„Setzen wir uns kurz ins Arbeitszimmer. Es ist Nichts, was wir im Flur besprechen sollten." Auch wenn das Haus leer war und Niemand bis auf uns Zwei hier verweilte, mochte ich es überhaupt nicht, wenn geschäftliche oder wichtige Angelegenheiten im Flur besprochen wurden. Man besprach keine wichtigen Dinge an der Türschwelle, dass gehörte sich für mich einfach nicht.

„Okay", stimmte er zu und folgte mir auf das Ledersofa, sodass wir uns gegenübersaßen. Vor uns stand ein kleiner Tisch mit meiner frischen Tasse Kaffee und einer Wasserflasche mit einem dazugehörigen Glas. Nachdem ich es mir im schwarzen Sessel bequem gemacht und einen Schluck von der heißen Brühe getrunken hatte, suchte ich Blickkontakt zu meinem Gegenüber.

„Die Aufgabe, die ich dir aufgetragen hatte", begann ich und nippte nochmals an meinem Getränk. Ich kam Morgens eher beschwerlich aus dem Bett und dementsprechend müde war ich auch noch, bis ich meine erste Tasse getrunken hatte. Pascal schluckte merklich und ich versuchte ihn durch ein Nicken zu beruhigen. „Du hast die Aufgabe perfekt ausgeführt, ich bin wirklich sprachlos."

Er war zwar mein Sohn, aber ich hätte nicht gedacht, dass er derart ausgeprägte Fähigkeiten und Möglichkeiten besaß, seine Mission in solch einer Perfektion auszuführen.

„Ach ja?" Mein jüngeres Abbild war perplex, rührte sich kaum noch und starrte mich an. Es war wirklich ein seltener Moment, wenn sich unsere Blicke kreuzten, denn im Normalfall sah er mich nicht direkt an. Die Augen seiner Mutter strahlten mir entgegen und ließen mich weich werden.

„Ja, Niemand konnte deine Spuren nachvollziehen oder hat etwas von dem Gift mitbekommen. Du hast sogar Darius getäuscht und unsere besten Fährtenleser. Das ist eine erstaunliche Leistung und ein durchaus ungeahnter Ausgang gewesen. Es ist besser gelaufen, als ich erwartet hatte."

„Und das ich Mal etwas richtig mache, ist für dich solch eine Überraschung oder was?" Obwohl ich ihn lobte, schien er frustriert über meine Worte. „Ich habe das Gefühl, dass es keine gute Idee war, wenn ich ehrlich bin." Er war ehrlich?

„Ich habe es dir aufgetragen, es ist nicht dein Problem", merkte ich nachdrücklich an. „Ich wollte testen, wie weit du für deinen alten Herren gehen würdest – und ich bin mehr als überzeugt worden. Mehr brauchst du nicht weiter zu beachten."

„Es war mein bester Freund – mein bester Freund. Ich habe sein Leben ruiniert..." Wie hatte er ihm dann noch gegenübertreten können in den letzten Wochen? Kathrin hatte mir mehrfach davon berichtet, dass unser Sohn bei den Kawaharas wäre, um seinen langjährigen Freund zu besuchen. Er wirkte gerade schwach, aber konnte er dies tatsächlich sein, wenn er es noch schaffte, Akio ins Gesicht zu blicken nach all seinen Taten?

„Warum hast du den Auftrag dann nicht abgelehnt? Du hättest es nicht tun müssen." Ich wollte ihn provozieren, da er mein Lob komplett zu Nichte gemacht hatte. Es hätte ein solch schönes Gespräch werden können. Die Betonung lag auf dem Können.

„Weil ich wusste, was mir sonst geblüht hätte." Ach, er spielte das Unschuldslamm und das Opfer? „Außerdem war mir klar, dass du sonst irgendjemand Anderen für diese Scheiße gefunden hättest. Dann müsste jetzt entweder dieser Andere die Gewissensbisse ertragen oder du hättest es Jemanden angehängt, der als Sündenbock gedient hätte, wenn es doch aufgeflogen wäre." Er kombinierte äußerst geschickt. Der Junge überraschte mich immer wieder. Ich kam nicht Umher, mich gedanklich vor seiner Kombinationsgabe zu verbeugen. Allerdings kannte er mich ziemlich gut, deshalb war es eigentlich zu erwarten gewesen. „Du bist ein richtiger Scheißkerl, weist du das?"

Vermutlich wusste ich das bereits, ja.

„Dessen bin ich mir bewusst." Aber es musste sein, um meinen Plan in die Tat umsetzen zu können. „Aber egal, wie weit du das Maul aufreißt, ich weis ganz genau, dass du dich niemals gegen mich wenden würdest. Du gehörst mir und das weist du. Oder, Pascal?"

Sein Blick verfinsterte sich weiter und die einst so strahlenden Augen meiner Liebsten wurden trüb und bedrohlich. Das waren zwar ihre Augen, aber sie hatte mich noch nie mit solch einer Verachtung angesehen, meine Kathrin. Das vor mir, war nicht sie und es waren auch nicht ihre grauen Linsen, die mich da beäugten. Kathrins Augen waren wie Spiegel, doch die meines Sohnes reflektierten keine glücklichen Erinnerungen.

„Nur wegen Madre", zischte er, „nur wegen ihr, tue ich mir das Alles hier jeden Tag an." Er tat es also nur für seine Mutter? Nicht für Macht? Es war beinahe naiv, wenn man Etwas nur für eine andere Person tat. Das brachte einem doch Nichts, keinen Profit, rein gar Nichts. „Weil ich weis, dass sie es nicht ertragen würde, wenn sie von all dem hier wüsste!"

Ich musste mich in diesem Moment wirklich zusammenreißen, um nichts Unüberlegtes zu tun. Tatsächlich hätte ich dem Bengel gerne eine gelangt. Er traute sich, so über seine Mutter zu sprechen? Sie gegen mich zu verwenden? Ganz gleich, was er behauptete, sie würde immer auf meiner Seite stehen. Immer. Genauso, wie ich ihren Rücken immer frei hielt. Immer.

„Deine Mutter ist hier kein Argument und nicht das Thema", atmete ich krampfhaft aus und beruhigte mich zum Glück langsam. Es wäre, wie erwähnt, nicht gut für meinen Sohn ausgegangen, wenn ich die Fassung verloren hätte.

Außerdem hätte es Kathrin beunruhigt, Pascal verletzt nach Hause kommen zu sehen. Und die Lügen, die er ihr nie auftischte, brachen ihr jedes Mal das Herz. Er log nicht, aber er sprach gar nicht über den anscheinenden Ursprung seiner Wunden, sondern leckte sie sich lieber selbst im Verborgenen. Zwar verloren wir Beide nie ein Wort darüber, aber ich glaubte, dass Kathrin nicht hinterm Mond lebte und es bereits begriffen hatte.

Dennoch hatte auch sie es bisher totgeschwiegen, wie wir.

„Ich sagte ja selbst, dass ich sie da raus halten will", fuhr er mich an, jedoch sichtlich weniger aufbrausend, wie noch Minuten zuvor. Er schien bemerkt zu haben, dass er eben beinahe eine Grenze überschritten hatte und war vorsichtiger geworden. „Sie würde deinen Irrsinn nicht ertragen, deshalb sei glücklich darüber, dass ich dir ohne Murren helfe" - er erhob sich und starrte mir unentwegt in die Augen, während er langsam an mir vorbei ging –„aber lobpreise diese Taten nicht, sie sind Nichts als Scheißdreck. Gib mir Bescheid, wenn ich etwas für dich erledigen soll, aber sprich sonst nicht mit mir."

Er verließ den Raum und ließ die Tür hinter sich ins Schloss knallen, sodass es im ganzen Haus lautstark zu hören war. Dieser Junge! Wie konnte er es wagen?

Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis ich nicht mehr hinter ihm herlaufen und ihm den Kopf abreißen wollte, aber als mein Handy klingelte, verdrängte ich jegliche Emotionen in mir und schenkte Darius meine Aufmerksamkeit.

„Guten Morgen", grüßte ich ihn. „Worum geht es?"

„Morgen, hast du gerade Zeit?" Er schien auf der Durchreise zu sein, denn im Hintergrund konnte man einen laufenden Motor hören und wie er die Gänge langsam nach und nach höher schaltete. Er schien mit dem Wagen unterwegs zu sein – und testete anscheinend das Autotelefon, denn mir wurden auf dem Display unsere Kontaktdaten angezeigt. Ich war bisher noch nicht dazu gekommen, den Namen zu ändern, seitdem ich Darius den Wagen geschenkt hatte.

„Für dich doch immer", spaßte ich. „Bist du gerade unterwegs?"

„Auf dem Weg zu dir, wenn es dir passt." Dies war dann wohl der Grund für seinen Anruf. Er hätte auch einfach unangekündigt vorbeikommen können, bei Darius hatte ich damit keinerlei Schwierigkeiten. Er war fast mein kleiner Bruder, so nahe standen wir uns. Kathrin kannte ihn auch bereits seit Ewigkeiten, deshalb war er mehr Familie, als die meisten wohl glaubten.

Der Großteil des Rudels war nicht von vorneherein ein Bestandteil dieser Siedlung gewesen, sondern hatte sich aus vielen Abtrünnigen und Werwölfen ohne ein Rudel gebildet. Man konnte davon sprechen, dass wir ein bunt zusammengewürfelter Haufen waren. Die Meisten entsprangen sogar aus verschiedenen Ländern. Wir hatten Japaner, Engländer, Amerikaner, Spanier, Deutsche und sogar Iren und Jamaikaner in unserem Rudel. Wir hatten uns alle hier her verflüchtigt und zusammengeschlossen. Wir waren alle Flüchtige, Werwölfe, die eine Heimat und eine Zugehörigkeit gesucht hatten. Hier hatten wir sie gefunden, gemeinsam als ein Rudel.

Darius, Kathrin und ich kannten uns bereits seit etwas mehr als dreißig Jahren. Ryo kam mit Zwanzig etwa dazu und Isaac mit Emma und seiner Schwester ein paar Jahre später. Und auch Emmas Schwester Felicia war auch von Anfang an mit ihrem Mann dabei gewesen. Irgendwie schlossen sich nach und nach die Bindungen und irgendwann hatte sich dann bis heute unter Rudel mit fast einhundert Mitgliedern gebildet.

Es war ein ganz schön langer Weg bis dahin gewesen – und diesen würde ich mir nicht zu Nichte machen lassen von ein paar ungehorsamen Teenagern.

„Dann bin ich in fünf Minuten da, bis gleich." Er legte auf, ohne eine Antwort zu erwarten. Gerade war ich überhaupt nicht dazu fähig, denn meine Gedanken kreisten um ein ganz anderes Thema. Es stimmte, ich durfte mir nicht unsere ganze Arbeit von unbedeutenden Schachbrettfiguren ruinieren lassen. Es hatte Alles seinen höheren Sinn, dagegen würden sich die notwendigen Opfer nicht aufwiegen lassen können. Sie mussten ausgebremst werden, bevor es zum Umsturz kommen könnte. Wenn auch noch nicht jetzt, sie waren und würden eine Gefahr für das Rudelleben darstellen, das wir bisher führen. Es war alles in Ordnung, sie mussten nur ein paar Steine in den Weg gelegt bekommen.

Um Akio hatte ich mich gekümmert, indem Pascal ihn nach seinem Rangkampf mit Pierre vergiftet hatte. Pierre hatte ich unter Kontrolle, er stand Samuel sehr nahe. Dieser wiederum war einer meiner engsten Vertrauten, also hatte ich ein leichtes Spiel. Erik wollte ich in den nächsten Tagen in den Rat einladen, damit ich auch ihn abgedeckt hatte.

Jonas wurde ausreichend von Isaac in Zaun gehalten, ohne das ich bisher jemals eingreifen hätte müssen. Er war bereits zwei Mal sitzen geblieben und bei seiner Familiensituation würde er es wohl kaum zu etwas bringen. Seine jüngere Schwester genauso wenig.

„Es gibt da nur noch Einen", dachte ich laut. Entgegen meiner Erwartung klingelte es Unten an der Tür und ich musste feststellen, dass ich die letzten Minuten in meinen Überlegungen versunken gewesen war und dabei komplett die Zeit vergessen hatte. Ich lief die Treppen hinunter und öffnete meinem Beta, der mich lächelnd begrüßte.

„Setzen wir uns ins Wohnzimmer", entschied ich und führte ihn den Flur entlang, obwohl er den Weg wohl mit geschlossenen Augen gefunden hätte. „Bringst du gute oder schlechte Nachrichten?"

„Je nachdem, wie man es nimmt", meinte er schulterzuckend. „Einmal geht es um Cora, sonst um Lloyd und Akio und mir ist auch etwas von den Winterfields zu Ohren gekommen." Er kam mit den hoffentlich guten Nachrichten, dass hätte er doch gleich erwähnen können. Das war der spannendste Teil der ganzen Woche, wenn es neues Informationsmaterial für mich gab.

„Dann lass mal hören." Ich war wirklich gespannt, was er zu berichten hatte. Zumindest hatte sich Isaac beruhigt, also konnte es über Lloyd wohl nicht allzu viel Neues geben.

„Ich war bei Ryo und habe die Angelegenheit mit Isaac geklärt. Er hat seinen Sohn belehrt und es dürfte zu keinen Problemen mit Isaac mehr kommen." Schade. „Und ich war gestern bei Cora." Das er betrübt war, stand für mich nicht eine Sekunde außer Frage, weshalb ich hellhörig wurde, um mir seine Sorgen anzuhören. „Ich glaube, sie kommt nur sehr schwer mit dem Tod von Thomas zu recht, aber ihr Verhalten - wahrscheinlich ist das ganz normal, wenn man seinen Vater verliert, aber - ehrlich gesagt, habe ich die Befürchtung, dass sie sich etwas antun könnte."

„Das ist überaus beunruhigend", stellte ich daraufhin fest. „Vielleicht können wir ihr irgendwie helfen, ihren Verlust besser zu verkraften?" Tatsächlich wollte ich ihr helfen. Sie hatte in ihrem Leben sehr viel Unrecht erfahren. In frühen Jahren der eigenen Mutter beraubt, dann mit zarten Achtzehn verlor sie ihren Vater, den einzigen und letzten Anhaltspunkt, den sie noch hatte. Jetzt war sie ganz allein auf der Welt – und dies war der Zeitpunkt, in dem ich mich als Anführer behaupten und dem Rudel aufzeigen musste, wie wichtig unser Zusammenhalt war.

„Sie hat keine Verwandten mehr und auch keine Freunde innerhalb des Rudels", klärte er mich auf. Sein Blick senkte sich zu unseren Füßen. „Es wird schwer werden, an sie heranzukommen."
„Wir müssen abwarten und vielleicht sollte auch ich Mal nach ihr sehen? Sie soll wissen, dass das Rudel hinter ihr steht und sie nicht allein ist."

„Ich weis nicht, was wir sonst tun könnten. Es ist einen Versuch wert und ich hoffe wirklich, dass es ihr hilft." Für Darius. Ihm schien ihr Wohlergehen sehr am Herzen zu liegen, deshalb wurde es nun auch zu einem meiner engsten Anliegen.

Vielleicht hing es damit zusammen, dass er Eleonore gut gekannt hatte? Bevor Cora auf die Welt kam, hatten die Beiden viel Zeit miteinander verbracht. Dann war sie abrupt aus dem Leben gerissen worden und hatte nicht nur Cora und Thomas, sondern auch Darius zurückgelassen. Ich hatte nie verstanden, was die Beiden für eine Verbindung zueinander hegten, aber die Tatsache, dass sie befreundet gewesen waren, genügte mir, um ihm helfen zu wollen.

„Wahrscheinlich braucht sie etwas Zeit und dann werden wir weiter schauen, versprochen."

„Danke." Er nickte und lächelte schwach, mehr aufgesetzt, als alles andere, aber ich wusste, um die Echtheit seiner Dankbarkeit. „Sonst habe ich etwas zu Lloyd und Jonas herausgefunden. Wusstest du, dass die Beiden befreundet waren?"

„Inwiefern befreundet?" Das warf meinen Plan durcheinander. Wieso interagierten diese Beiden miteinander? Normalerweise dürften sie kaum gemeinsame Nenner aufweisen, die zu einer Kontaktaufnahme führen dürften.

Jonas war ein Außenseiter, zwar einer der besonderen Art, aber er hatte nie richtig Fuß gefasst, weshalb er sicherlich erneut und wohl das letzte Mal beim Versuch, das Abitur zu schaffen, scheitern würde. Er war kein Opfer, sondern viel mehr die Person, die Andere zu seinem Opfer machte. Das dieser Nichtsnutz von Schulschwänzer tatsächlich mit Lloyd befreundet war, war eine äußerst befremdliche Vorstellung. Da hätte ich eher damit gerechnet, dass Lloyd eines von seinen Opfern wäre, aber ein Freund? Niemals.

„Ich kenne keine genaueren Details, aber sie waren befreundet, soweit ich das erkennen konnte. Wie es aussah, gehört das allerdings schon der Vergangenheit an. Jonas hat mir bei einem Gespräch ziemlich klare Signale für diese Annahme gegeben." Zum Glück gehörte ihre Freundschaft der Vergangenheit an. Wenn sich die Beiden verstanden und verbündeten, dann - „Ich habe das Gefühl, dass vielleicht auch Isaac dahinter stehen könnte. Es wäre nicht gerade abwegig, dass er seinem Sohn die Kontakte zu den Kawaharas verbietet."

Ich hatte inzwischen damit aufgehört, mitzuzählen, wie oft mein Gamma mir ungewollt zuvorgekommen und ein Problem gelöst hatte, dass bis dahin noch gar nicht in mein Blickfeld gerückt war. Der Kerl war zwar eine Nummer für sich, aber wenn er mir den Weg ebnete, gebührte ihm mein Dank.

„Lloyd und Jonas – das war eine interessante Kombination. Ich hätte nie gedacht, dass die Beiden sich verstehen würden. Auf mich wirkten sie, wie Feuer und Eis, vollkommen verschieden."

„Ich war auch überrascht", teilte Darius mir nickend mit. Er war nicht so überrascht, wie ich, schätzte ich. Das Ganze hätte schließlich fast Alles ruinieren können, dass ich mir seit Jahren mühsam aufgebaut hatte.

„Eigentlich haben persönliche Gefühle bei der Arbeit keinen Platz, aber nach Cora war der gute Vorsatz wohl eh vorbei. Tut mir Leid, wenn ich das sage, aber es hat sich so angefühlt, als hätte die Freundschaft sowohl Jonas, als auch Lloyd, sehr gut getan." Genau das war das Problem. „Und zumindest Jonas erschien mir äußerst bedrückt darüber zu sein." Nicht so bedrückt, wie ich in diesem Moment. 

Wie hatte es dazukommen können? Was hatte ich übersehen? Jonas und Lloyd waren zwei Variablen, die niemals miteinander in Berührung hätten kommen dürfen. Es war fast unmöglich gewesen, dass sich ihre Wege kreuzten. Wie hatten sie der Unmöglichkeit getrotzt?

Wie hatten sich der zurückhaltende, schmächtige Knirps von Ryo und Alannah und der unter Isaacs Machtspielen unterdrückte, rebellische Jonas in einem freundschaftlichen Verhältnis begegnen können?

„Da muss etwas Größeres zwischen ihnen vorgefallen sein", mimte ich den Nachdenklichen, um mich nicht zu verraten. „Kannst du es vielleicht herausfinden?" Es würde mich nur allzu sehr interessieren, wie es zu dieser Freundschaft kam und welchem Umstand ich es zu verdanken hatte, dass dem nicht mehr der Fall war?

„Ich könnte mich umhören", merkte er vorsichtig an, „es wird bestimmt nicht einfach sein, aber ich werde es versuchen."

„Der Versuch reicht völlig", log ich, aber ich wollte Darius zeigen, dass er sich für diese Information nicht beide Beine ausreißen müsste, wie er es im schlimmsten Fall wohl tun würde. Wenn man ihm etwas auftrug, kam es nur selten dazu, dass er scheiterte. Solange er einen Auftrag annahm und nicht ablehnte, erfüllte er ihn nahezu immer.

„Gut." Wir spürten, wie das Gespräch nach und nach auslief und wir uns schließlich anschwiegen.

„Möchtest du etwas Anderes trinken? Einen Tee?" Mein langjähriger Freund war weniger für Kaffee zu begeistern. Er diesen nur, wenn er müde war und neuen Schwung benötigte, sonst griff er lieber auf Tee zurück.

„Nein, ich habe sowieso keine weiteren Neuigkeiten und würde mich dann erst einmal verabschieden. Vielleicht komme ich später nochmal vorbei, wenn es etwas zu berichten gibt." Er erhob sich und ich geleitete ihn, wie es sich gehörte, zur Haustür.

„Wir sehen uns dann spätestens Übermorgen bei der großen Versammlung." Stimmt, da war ja noch was. Die Sitzung in der ich alle meine Problemkinder auf einmal betreuen und zu Gesicht bekommen würde.

„Bis dann, Darius. Komm gut Heim."

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