16. Kapitel - Cora

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Ein Plus war bei vielen Dingen eine gute Nachricht, richtig? Bei Noten in der Schule, bei den meisten Geräten und es verband Zahlen oder Menschen miteinander. Und eine Addition war immer nur ein Vermehren, niemals ein Verlust.

Wieso zeigte sich dann ein Plus auf diesem blöden Schwangerschaftstest? Wieso? Vielleicht war er auch falsch, es gab keine einhundert prozentige Sicherheit für ein positives Ergebnis, oder?

Ich sackte neben der Badewanne zusammen und ließ mich an ihrer Wand heruntergleiten bis ich auf dem Boden saß. Es war nicht ernüchternd, für mich gab es keinen sonst so betitelten Boden der Tatsachen. Das konnte ich nicht hinnehmen. Es durfte nicht sein. Wie sollte ich das nur meinem Vater – richtig, ich würde ihm nichts mehr beichten müssen. Nie wieder. Allerdings war es nicht gerade förderlich in diesem Moment, daran zu denken.

Weinend hockte ich Ewigkeiten im Badezimmer, stützte meine Arme und mein Gesicht auf dem Rand der Wanne ab. Mehr tat ich lange Zeit nicht. Bis mir irgendwann die Tränen ausblieben und ich zitternd an der Wand lehnte, nachdachte und zum ersten Mal realistische Gedanken zuließ.

Müsste ich nicht dem Vater Bescheid geben? Es konnte nur Malcolm sein, denn außer ihm hatte ich nie mit Jemandem geschlafen. So viel zu dem Thema, das ich ihn aus meinem Scheiß heraus halten wollte. Es klappte, wie immer bei mir, super.

Wir hatten seit Tagen nicht mehr miteinander gesprochen, weil ich immer abgeblockt hatte. Mir war nicht nach Reden gewesen. Leider lag dies nicht einmal an ihm, sondern daran, dass er kein Werwolf war und ich ihm die ganze Geschichte nicht erzählen konnte, die mir so viele Schmerzen bereitete. Es war ein schrecklicher Gedanke, dass ich nicht offen mit ihm darüber sprechen konnte und ich ihm bestimmt Sorgen bereitete.

Er schickte mir fast jeden Tag Nachrichten, fragte nach mir oder versuchte kleine Gespräche am Laufen zu halten. Ohne ihn hätten wir seit Wochen keinen Kontakt mehr gepflegt und würden wahrscheinlich nichts mehr vom Anderen hören. Er war echt ein guter Kerl.

Mein Vater hätte ihn bestimmt gemocht, wenn sie sich kennengelernt hätten. Er war allgemein sehr aufgeschlossen gewesen. Allerdings hätte er mich trotzdem wohl einen Kopf kürzer gemacht, wenn er erfahren hätte, dass ich es mit der Verhütung vermasselt hatte. Er hatte mich natürlich darüber aufgeklärt und ganz offen mit mir gesprochen. Mit einem Arzt als Vater hatte man bezüglich dieser Themen wenig Schamgefühl. Zumindest war es mir so ergangen. Auf jeden Fall wäre er nicht begeistert gewesen, aber er wäre im Haus gewesen und wenn ich gewollt hätte, hätte ich ihm davon erzählen können. Er wäre trotz allem für mich da gewesen, das wusste ich gewiss.

„Scheiße", fluchte ich leise vor mich hin. „Mein Leben hasst mich wirklich."

Ein paar bemitleidenswerte Momente und Flüche später, hatte ich mich aufgerichtet, meine Kapuzenjacke übergeworfen und schloss die Haustür hinter mir. Zumindest hatte ich dies geplant, denn nachdem ich den Schlüssel gedreht und abgeschlossen hatte, traf ich auf unerwarteten Besuch.

„Hi, Cora", grüßte er mich vorsichtig. „Sag mal, weinst du etwa?" Er kam auf mich zu, hielt zwischen uns jedoch eine gewisse Distanz, die ich in diesem Augenblick sehr schätzte.

„Jonas", war das einzige, das ich hervor brachte. Ich rieb mir die nassen Wangen und hoffte so, den Tränen endlich Einhalt zu gebieten. Sein Besuch kam sehr ungelegen, aber wie sollte er dies wissen? Er war in den letzten Wochen häufiger einfach vorbeigekommen.

„Was ist passiert?" Plötzlich war er wieder ziemlich mutig, aber wenn er mir mit Unsicherheit entgegengetreten wäre, hätte dies womöglich gar nichts gebracht. Wir brauchten hier nicht Zwei von meiner Sorte.

„Ist kompliziert", wank ich ab und wünschte mir wirklich, dass er es darauf beruhen lassen würde. Zum Einen war ich zu überfordert mit dem ganzen Chaos in mir und zum Anderen wüsste ich nicht einmal annähernd, wie ich ihm diese Botschaft überbringen sollte. Ich hatte es nicht einmal selbst verkraftet und verarbeitet, da würde ich wohl kaum die richtigen Worte dafür finden. „Ich muss dringend Jemanden treffen. Können wir später reden?"

Er schien sichtlich überrumpelt. Ob es an meiner Verschlossenheit, dem ganzen Gefühlschaos zwischen uns oder ob es einfach an der schwierigen Situation lag, wusste ich nicht, aber er brauchte eine ganze Weile, um zu schalten.

„Okay, später. Ist das ein Wort? Rufst du mich auch ja an?" Er war sichtlich besorgt, aber er respektierte meine Grenzen.

„Ja, ich melde mich später. Versprochen." Wie sehr ich mich in ein paar Stunden für dieses Versprechen hassen würde, konnte ich zwar jetzt schon absehen, aber ich wollte weder diskutieren, noch länger warten.

„Halt dich dran, sonst komme ich ungeladen vorbei!", rief er mir noch hinterher. Wir verabschiedeten uns und ich kam endlich dazu, ins Auto, das am Seitenstreifen parkte, einzusteigen und mich ins Sitzpolster fallen zu lassen. Ich war nervlich schon wieder am Ende, bevor ich den Motor überhaupt gestartet hatte und ein paar Meter Fahrstrecke hinter mich gebracht hatte.

Es war schrecklich, aber da Dienstag Vormittag nicht gerade viele Menschen auf den Straßen unterwegs waren, musste Niemand unter meinen Fahrkünsten leiden. Das wäre dann wohl doch zu viel des Guten gewesen, wie ich schätzte.

Ich hatte in meinem gedanklichen Chaos komplett vergessen, Malcolm anzurufen und ihn zu fragen, ob er überhaupt zu Hause anzutreffen wäre. Unsicher stand ich an seiner Türschwelle und wusste nicht, was ich hier eigentlich wollte. Nein, ich wusste es. Es war logisch, aber ich hatte solche Angst. Angst vor seiner Reaktion. Angst vor der Wahrheit. Angst vor der Zukunft.

„Cora?" Hinter mir hatte sich die Haustür geöffnet und Malcolm sah mir fragend entgegen, als ich mich mit dem Handy am Ohr zu ihm drehte. Ich hätte mich inzwischen fast getraut, ihn anzurufen. „Warum stehst du vor der Tür? Im Regen?" Er sah mir wohl an, dass ich aktuell viel zu überfordert mit dem Sprechen war, weshalb er mich herein bat und mir ein warmes Getränk andrehte.

„Möchtest du einen Kaffee? Einen Kakao?" Ich stimmte einem Kakao zu, weil ich nicht wusste, was ich aktuell überhaupt trinken dürfte – und bei Kaffee war ich mir am Unsichersten. Er stellte unsere Tassen in die Mikrowelle, wies mir, mich an den Tisch zu setzen und ging im Anschluss nach Oben, um mir trockene Kleidung zu holen.

Eigentlich war ich froh, dies überhaupt mitbekommen zu haben, denn ich spürte nicht allzu viel im Moment. Es war taub geworden, es fühlte sich alles so surreal an. Ich saß nicht wirklich gerade hier – mit einem positiven Schwangerschaftstest in der Jackentasche – und mit der Nachricht, dass ich ein Baby in mir trug? Sein Baby? Keine Ahnung, wie groß es war, vielleicht wollte ich es auch gar nicht wissen. Aktuell dürfte es nur eine Ansammlung von Zellen sein, wie ich schätzte.

In mir schürte sich plötzlich wieder Panik, als ich daran dachte, was ich tun würde. Wäre ich bereit für eine Abtreibung? Und wenn nicht, war ich bereit dazu, ein Baby aufzuziehen? Würde ich es überhaupt behalten? Wäre Adoption eine Lösung?

„Ich hoffe, es ist nicht schlimm, wenn du einen meiner Pullover tragen müsstest, oder?" Er hatte gelächelt, bevor er zu mir gesehen hatte. Vielleicht waren ihm meine Tränen vorher nicht aufgefallen im Regen und er hatte sie für Wassertropfen gehalten, doch jetzt erstarrte er förmlich. „Was ist los?"

Er war nicht der Erste, der mich dies heute fragte und dennoch war es so schwer, erneut eine Antwort darauf zu finden. Allerdings schien er viel gelassener als Jonas damit umzugehen und strahlte eine angenehme Ruhe aus, während er unsere aufgewärmten Tassen mit Kakao aus der Mikrowelle nahm und sich neben mir auf demStuhl niederließ.

„Lass dir ruhig Zeit, wenn du drüber reden möchtest."

Er wirkte so entspannt neben mir, obwohl ich wusste, dass er innerlich aufgewühlt war. Allgemein war er einer der wenigen Menschen, die ich in meinem Leben bisher kennengelernt hatte, die Stimmungen gut zu deuten wussten und aus einem unbestimmten Grund ein besonderes Gespür dafür besaßen, wie man zu reagieren hatte. Malcolm reagierte mir gegenüber immer richtig. Er drängte mich nie zu etwas, aber gleichzeitig hatte ich das Gefühl, ich könnte ihm wirklich Alles erzählen.

„Möchtest du dir zuerst was Trockenes anziehen?"

Aber anstatt dies zu tun oder ihm zu antworten, umfasste ich den Test in meiner Tasche und drückte ihn im nächsten Moment mit dem Plus nach Unten auf den Tisch. Meine Hand bedeckte ihn nahezu komplett, sodass man nicht so schnell erkennen dürfte, um was es sich handelte. Wobei die Möglichkeit, die Meinung noch einmal zu ändern, bereits lange verfolgen war.

„Dreh nicht durch, okay?" Er bejahte nach einem tiefen Atemzug. Dann schob ich den Test zu ihm herüber und entfernte langsam meine Hand.

Zu Beginn schien er gar nicht zu verstehen, was er da vor sich hatte, allerdings wurde ich eines Besseren belehrt, als er die Augen aufriss. Doch, er wusste ganz offensichtlich schon, was da vor ihm auf dem Tisch lag. Er wagte es sogar, ihn umzudrehen und sich das dicke, fette Plus auf der anderen Seite anzusehen.

„Du bist schwanger", stellte er stockend fest, aber weil er praktisch sah, wie ich kurz vom Durchdrehen stand, fügte er noch hinzu: „Wir kriegen das auf die Reihe. Es wird alles gut."

Für diese Worte war ich ihm ungemein dankbar. Er nahm mich in den Arm, ließ mich weinen und sagte nichts Weiteres dazu für den Augenblick. Irgendwann bat er mich nochmals darum, die nasse Jacke auszuziehen und schlussendlich wechselte ich in seinen warmen, orangen Pullover.

„Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Also bin ich zuerst hier her." Ich ließ den ganzen Part mit meiner verspäteten Periode, dem Test, den unzähligen Nervenzusammenbrüchen und das Treffen mit Jonas lieber aus. Tatsächlich fragte Malcolm nicht allzu viel, um Rücksicht auf mich zu nehmen, wie ich glaubte. „Das ist gerade einfach zu viel. Muss ich jetzt nicht so unendlich viele Dinge entscheiden?"

„Du musst dich nicht sofort entscheiden", lenkte er beschwichtigend ein, „aber vielleicht solltest du einen Termin beim Arzt vereinbaren, um es bestätigen zu lassen."

„Ich habe auch gehört, dass diese Tests nicht ganz sicher sind." Er hatte recht. Ich müsste das zuerst abklären und schauen, ob nicht doch ein Irrtum vorlag. „Aber wenn es stimmt, was mache ich dann?"

„Wenn du es zulässt, dann bist es nicht du, sondern wir beide. Ich würde dich damit nicht alleine lassen. Es gehören doch immer Zwei dazu, oder etwa nicht?"

„Das würdest du machen?" Ich war ein wenig überrascht, aber ich konnte selbst nicht mehr definieren, was ich für eine Reaktion von ihm erwartet hatte. Wahrscheinlich hatte ich mir in meinem Kopf wahrscheinlich Mal wieder das nächste Worst-Case-Scenario ausgemalt.

„Ich werde dich unterstützen, wo es nur geht. Wir können auch gerne gemeinsam zum Termin gehen, wenn du nicht alleine gehen möchtest. Das ist im Moment wahrscheinlich eh alles ein bisschen viel, aber wir schaffen das, okay?"

„Okay."



Nach dem Kakao und einem langen Gespräch ging es mir bereits um Einiges besser. Es war merkwürdig, aber seine Worte konnten viel bewirken. Emotional war ich zwar immer noch aufgewühlt und wusste auch, dass sich dies nicht allzu schnell ändern würde, aber ich fühlte mich nicht mehr komplett verloren und allein gelassen mit der Last auf meinen Schultern.

„Ich muss gleich leider zur Arbeit", merkte er traurig an, während er mir einen frischen Kakao übergab. „Soll ich dich vorher nach Hause fahren?"

„Ich bin selbst mit dem Auto da." Er nickte. „Soll ich fahren? Du musst dich bestimmt noch fertig machen, oder? Ich möchte nicht stören."

„Ach Quatsch, du störst nicht. Ich gehe nur kurz hoch, du kannst in aller Ruhe deinen Kakao austrinken und hier warten, ja?" Jetzt war ich es, die nickte.

Malcolm stieg die Treppe hinauf, während ich am Küchentisch verblieb und mich meinen Gedanken überließ.

Ich hatte wohl echt Glück gehabt, wenn ich ihn vor seiner Schicht erwischt hatte. Es hätte bei seinen Arbeitszeiten auch schnell anders aussehen können. Durch den festgelegten Plan hatte ich noch nie durchblicken können, allerdings hatte ich mich noch nie damit beschäftigt. Wir waren immerhin kein Paar – und wir würden es wahrscheinlich auch nie sein.

Aber zwei Freunde, die ein Kind aufzogen? Ohne das Gefühle im Spiel waren? Zumindest war dies meine Ansicht auf die Dinge. Ich hoffte nur, dass er nichts für mich übrig hatte, sonst würde es bald noch sehr unangenehm werden. Könnte ich ihm diese Last überhaupt aufbürden? Er war Polizist, hatte am Wochenende Fußballspiele und Training in der Woche. Würde ein Kind nicht sein Leben ruinieren? Er war erfolgreich im Job, hatte Freunde und sein Hobby. Wie sollte er in diesen engen Zeitplan noch Zeit für ein Kind haben?

Ging ich mit meinen Überlegungen nicht bereits viel zu weit? Übertrieb ich es? Allerdings konnte ich nicht davon absehen, wenn ich tatsächlich am Freitag erfuhr, wie es in Zukunft wohl weiter ging?

Ich hatte beim Frauenarzt angerufen – nachdem Malcolm mir über eine Stunde gut zugesprochen hatte. In drei Tagen würde ich ein wenig mehr Gewissheit darüber haben, wie die Dinge standen.

„So, da bin ich wieder." Er war im Türrahmen erschienen, trug seine makellos sitzende Uniform und lächelte mir aufmunternd zu. „Bist du sicher, dass ich dich nicht lieber fahren soll? Es wird bereits dunkel." Er spielte viel mehr darauf an, dass ich nervlich eigentlich nicht im Stande war, mich in ein Auto zu setzen. Ich war schon oft heulend Auto gefahren, wenn das die Polizei wüsste, hätte ich längst keinen Führerschein mehr. So viel zum Thema, das Emotionen beim Autofahren vermieden werden sollten.

„Ja, es wäre vielleicht doch ganz schön, wenn du mich wegbringen könntest." Deshalb gab ich mich geschlagen. Eine weitere Misere, wie einen Autounfall, könnte ich wirklich nicht verkraften. Und bei meinem Anti-Glück wollte ich das Leben nicht herausfordern. Ich würde nur wieder eine Niederlage einstecken.

„Gut, dann komm." Nachdem ich den Kakao geleert hatte, schnappte ich mir meine nasse Jacke und wir liefen gemeinsam zu seinem Auto. Er hatte darauf bestanden, dass ich seinen Pullover mitnahm, als ich ihn darauf angesprochen hatte.

Es war kurz nach halb Sieben, als wir am Straßenrand vor dem Zielort hielten. Wir hatten die Fahrt über geschwiegen, aber jetzt ergriff er als Erster das Wort: „Ich spreche meine Kollegin gleich an, ob wir am Freitag die Schichten tauschen können. Dann können wir am Freitag Vormittag alles ganz ruhig angehen lassen."

„Und das bereitet dir keine Umstände?" Er musste immerhin die Schicht wechseln und wer wusste schon, wie einfach sich dies gestalten würde? Knapp zwei Tage vorher würde es bestimmt nicht leicht sein, Jemanden zum Tauschen zu finden.

„Klar, ich hab noch was gut bei Maya", lächelte er, „und außerdem arbeitet sie lieber in der Frühschicht, da wird sie bestimmt gerne mit mir tauschen." Bevor ich etwas erwidern konnte, fügte er noch hinzu: „Und jetzt rein mit dir. Mach dir deswegen keinen Kopf, es ist nur eine Kleinigkeit mit der Arbeit. Ich melde mich morgen, ja?"

Mit einem zustimmenden Nicken umarmte ich ihn zum Abschied und stieg aus dem Wagen. Ich wollte ihn nicht noch länger aufhalten, sonst würde er noch zu spät zu einer Schicht erscheinen – und dafür wollte ich nicht verantwortlich sein.

Auf dem Weg zur Tür atmete ich tief durch. Was für ein Tag. Doch als ich näher trat, konnte ich im Dunkeln eine Gestalt auf der Türschwelle erkennen. Das Licht hatte ich immer noch nicht repariert, obwohl nur eine kaputte Glühbirne ausgetauscht werden müsste.

„Hi", wurde ich knapp begrüßt.

„Jonas? Warum sitzt du hier draußen in der Dunkelheit?" Es sollte mich nicht stören, aber das tat es ein wenig. Er konnte mir doch nicht solch einen Schrecken einjagen! Außerdem hatte er bestimmt Wichtigeres zu erledigen, als Abends vor meiner Haustür auf mich zu warten, oder?

„Ich habe gesagt, ich komme unangekündigt vorbei, wenn du dich nicht meldest. Hab ein paar Mal versucht, dich anzurufen und dann bin ich her." Während ich bei Malcolm war, hatte ich mein Handy auf lautlos gestellt. Ich hatte ihn für die Zeit komplett verdrängt und vergessen.

„Tut mir Leid, ich habe es vergessen." Schuldbewusst ging ich auf ihn zu und begann damit, meine Hände zu kneten.

„Dachte ich mir schon", merkte er lachend an. „Wie es aussieht, möchtest du nicht mit mir darüber reden, habe ich recht?"

„Ich weis es nicht", druckste ich herum. Sollte ich ihm davon erzählen? Es gab noch keine richtige Bestätigung und eigentlich war es mir nur unangenehm. Es gab Vieles, das ich ihm mittlerweile erzählen würde, aber meine ungewollte Schwangerschaft? „Hab das Alles selbst noch nicht verkraftet, was heute passiert ist."

„Du musst wirklich nicht drüber reden, es geht mich wahrscheinlich eh Nichts an." Damit hatte er recht. Dennoch schmerzten seine Worte ein wenig, er sollte es nicht so klar formulieren. Er war mir inzwischen wichtig geworden. Wir hatten uns so viele Geschichten aus der Vergangenheit und unserem Leben erzählt, da war es nicht abwegig, dass wir eine Verbindung aufgebaut hatten.

„Ich habe einfach nur Angst", murmelte ich schließlich. „Vielleicht willst du Nichts mehr mit mir zu tun haben, wenn du es weist." Ich könnte es verstehen und es erschien mir – in Anbetracht der gewaltigen Nachricht – als gar nicht so unwahrscheinlich. Es war kompliziert und dies würde es wohl auch bleiben. Bis auf Weiteres könnte ich es jedenfalls nicht unter den Teppich kehren und vergessen.

„Hast du Jemanden umgebracht?", fragte er geradewegs heraus. Seine Gesichtszüge waren im schummrigen Licht des Mondes nur schwer zu deuten.

„Was?", entfuhr es mir pansch. „Nein, natürlich nicht!"

„Dann ist es bestimmt nicht so schlimm." Wenn er nur wüsste.

„Willst du mit rein kommen? Es wird langsam kalt." Und ich hatte keine Lust, dass die halbe Nachbarschaft unserem Gespräch beiwohnen konnte. Wir waren zwar nicht laut, aber ich hatte es im Gespür, dass einige meiner menschlichen Nachbarn nur darauf warteten, sich über die Waise das Maul zu zerreißen. Es sollte nicht noch mehr über mich gesprochen werden. Zumindest vorerst nicht.

Kurz darauf befanden wir uns im Wohnzimmer und saßen vor der Couch auf dem Fußboden. Jonas und ich taten dies häufiger. Wir saßen nebeneinander, starrten vor uns uns Leere und betranken uns. Ich hatte ihm tatsächlich den letzten Schluck vom Whiskey meines Vaters angeboten, den ich ihn aber auch ohne Zustimmung eingeschenkt hätte. Er würde es gleich sicher brauchen.

„Wenn du mir so direkt Alkohol aufdrängst, dann darf ich Angst haben, richtig?" Er lachte nicht mehr, sondern schien wirklich misstrauisch zu werden. „Du musst nicht darüber reden, ehrlich nicht. Ich habe auch Dinge, die ich nicht erzählen möchte. Das ist ganz normal."

„Ich kann das aber nicht einfach ignorieren." Jetzt war Jonas wirklich nicht mehr wohl bei diesem Gespräch, das bemerkte ich. „Möchtest du vorher was trinken oder hebst du es dir für danach auf?"

„Was zur Hölle? Cora, ich habe langsam wirklich Angst." Dies glaubte ich ihm. Und die hatte ich auch. Eigentlich konnte es mir zwar egal sein, was er darüber dachte, aber ich wollte ihn deswegen auch nicht verlieren. Er wusste mehr über mich, als jeder Andere im Rudel. Sogar mehr als Malcolm.

Trotz meiner Angst vor seiner Reaktion, konnte ich ihn nicht anlügen. Er würde es sowieso irgendwann erfahren, spätestens wenn man es sehen konnte. Oh Gott, alle würden es sehen!

„Cora?" Mein Nebenmann ließ das Glas auf dem Tisch unberührt und wandte sich mir zu. „Komm erst mal runter." Er griff zum Glas und wollte es mir anbieten.

„Ich bin schwanger."

Jonas gefror zu einer Eisstatue. Er wurde auch beinahe so bleich, wie Schnee. Es dauerte, bis er das Glas sicher vor sich abgestellt hatte. Wie es aussah, nahm er wohl erst Mal keinen Schluck.

„Was?", hakte er völlig perplex nach. „Wie?"

„Du weist bestimmt, wie", brachte ich scherzhaft hervor, doch bei seinem panischen Blick, wurde mir bewusst, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Späße war. „Ich hab einen Test gemacht und der war positiv."

In der Zwischenzeit hatte er doch das Glas angesetzt und sich einen großen Schluck genehmigt. Ganz ehrlich, hätte ich an seiner Stelle wohl auch getan. Ging nur leider nicht.

Er nahm noch einen Zug, bevor er etwas sprach: „Nein, ich weis wie – sorry, dumme Frage." Aus einem mir nicht erklärlichen Grund, schien er betrübt, vielleicht sogar wütend zu sein. „Gehört der Pullover dem Vater?"

„Hm?" Stimmt, ich trug seinen Pullover. „Ja." Ich stimmte ihm einfach zu. Wie ich darauf reagieren hätte sollen, wusste ich auch nicht.

„Wer ist er? Niemand aus unserem Rudel, oder?" Er konnte es sicherlich riechen. Wir hatten alle gute Nasen und kannten die Fährten der meisten Mitglieder. Es gab darunter auch, neben der Familie, einen Anteil für das Rudel. Wir erkannten uns gegenseitig, ohne großartige Probleme.

„Nein, er gehört nicht zum Rudel. Er ist kein Werwolf." Wie viele zukünftige Schwierigkeiten auf dieser Tatsache beruhen würden, ahnte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht. „Er ist ein Mensch."

Inzwischen hatte er den Whiskey geleert und starrte auf den Boden vor uns. Ich wusste, wie schwer das Alles für ihn zu begreifen sein müsste, aber ich hatte nicht erwartet, dass es ihn so stark aus der Bahn warf. Mit geballten Fäusten saß er an meine Seite und sprach für elendig lange Minuten nicht mehr.

„Wie ist der Plan bisher?" Verdutzt sah ich ihm in die Augen. Das sonst matte Grau schimmerte mir Blau entgegen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich ihm nicht einmal richtig in die Augen gesehen. Zumindest hatte ich das Gefühl, mich würde ein völlig anderer Mensch ansehen.

„Am Freitag habe ich einen Arzttermin, da gibt es dann mehr Klarheit über das Ganze. Aktuell ist das Alles noch nicht sicher." Dieser Termin würde über so Vieles entscheiden. Allem voran, mein Leben und meine Zukunft.

„Warst du heute bei ihm? Wie hat er reagiert?" Er schien ernsthaft interessiert zu sein, obwohl er innerlich wohl aufgewühlter war, als ich. Seinen lauten Herzschlag wusste ich nicht zu deuten. Seine glasigen Augen mussten wohl eine Folge des Alkohols sein.

„Er kommt am Freitag mit", murmelte ich und spürte, wie sich etwas in mir verkrampfte. „Aber ich weis noch nicht, wie es dann weitergehen soll."

„Seid ihr kein Paar?" Mein Herz begann zu rasen bei dieser direkten Frage. „Tut mir Leid, ist wohl ziemlich unangebracht, das zu fragen." Er musste meine Reaktion sofort gespürt haben. Mein Herzschlag war auch mehr als eindeutig gewesen.

„Wir sind kein Paar", stellte ich dennoch klar, obwohl ich dies nicht tun müsste. „Ist kompliziert."

„Bei dir ist alles kompliziert", versuchte er mich zu necken und die Stimmung etwas zu lockern. „Aber im Ernst, du kannst auf mich zählen. Egal was, ich bin dabei, wenn du das willst."

„Das will ich", bestätigte ich sofort. „Danke, dass du – du weist schon - nicht abgehauen bist." Die schlimmste Befürchtung, die ich gehegt hatte, war jene, dass er mir nach diesem Gespräch den Rücken zukehren würde. Ihn zu verlieren wäre momentan wohl mein schwerster Verlust.

„Dafür bist du mir viel zu wichtig."


*****

Hallo zusammen! Ja, das Kapitel kommt wieder verspätet und das tut mir Leid. Ich bekomme es mit meinem Donnerstag nicht ganz so vereinbart, deshalb verlege ich das Update lieber auf Freitag, glaube ich. Da werde ich eher dran denken können.
Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen und nochmals danke dafür, dass so Viele von euch noch dabei sind und diese Geschichte unterstützen. Das bedeutet mir echt viel! :)

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