1 - Das Problem mit der Hochzeit

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Eis ist wie ein Zaubertrank. Er macht Sorgen klein und den Bauch groß.

Außerdem ist Eis die einzige Medizin, die man sowohl bei gebrochenem Herzen als auch bei akutem Heißhunger einnehmen kann.

Und wie sagt man immer so schön? Ach ja, richtig: Ein Löffel Eis gegen den Kummer, zwei Löffel Eis für die gute Laune!

„Oh man ... Bemitleidest du dich etwa immer noch, Hails?", reißt mich ein genervtes Seufzen aus meinen eisigen Gedanken in die Realität zurück. „Deine wievielte Eispackung ist das jetzt schon? Die Dritte? Also nicht, dass du auf dein Gewicht achten müsstest oder so, aber wenn du so weitermachst, bekommst du noch einen Hirnfrost!"

Kinsley kickt sich ihre Stiefel von den Füßen, ehe sie sich neben mich auf das Sofa plumpsen lässt und mir den pinken Plastiklöffel aus der Hand reißt.

„Hey!", beschwere ich mich sofort. „Ich war noch nicht fertig!"

Kinsley zieht ihre Augenbrauen nach oben, sodass sie beinahe unter dem Ansatz ihrer wasserstoffblonden Locken verschwinden. „Du siehst aber verdammt fertig aus, Hailee!", erwidert sie besorgt. „Es ist wegen Juliets Hochzeit, habe ich Recht?"

Allein schon die Erwähnung ihres Namens reicht aus, damit sich schwere Eisenketten um mein Herz schnüren.

Obwohl meine Schwester und ich kein sonderlich gutes Verhältnis zueinander haben, möchte ich sie nicht enttäuschen. Ihre Hochzeit ist ein besonderer Tag und da kann ich gut verstehen, dass alles perfekt sein soll. Ein schwarzes Schaf wie mich, das aus der Reihe tanzt, ist das Letzte, was sie aktuell gebrauchen kann.

„N-Nein", lüge ich. „Tyler ... Er-"

„Ach komm schon, Hails!", unterbricht mich Kinsley, indem sie ihre Augen verdreht. „Du bist eine verdammt miese Lügnerin! Wahrscheinlich sogar die Schlechteste, die ich kenne."

Ob das ein Kompliment sein soll? Keine Ahnung.

Ich seufze, bevor ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorpresse: „Die Hochzeit ist schon übermorgen und ich habe immer noch kein Date gefunden."

Da ich viel zu schüchtern bin, um Männer auf der Straße oder in Bars anzusprechen, habe ich mir verschiedene Datings-App runtergeladen und mir die Finger wund geswiped. Leider habe ich aber nur verstörende Nacktfotos erhalten und keinen Mann gefunden, der als potenzielle Hochzeitsbegleitung in Frage kommen würde.

„Willst du meine ehrliche Meinung hören, Hails?" Im Einklang mit ihren Worten klaut mir Kinsley auch noch das Schokoladeneis aus dem Schoß und schiebt sich genüsslich einen Löffel mit der braunen Konsistenz in den Mund. „Hm", schmatzt sie. „Schmeckt gut."

Tatsächlich zupft nun ein minimales Schmunzeln an meinen Mundwinkeln.

Wenn Kinsley eine Superkraft hat, dann ist es, mich auf andere Gedanken und zum Lachen zu bringen.

Es gibt nicht viele Menschen, die das schaffen. Umso dankbarer bin ich dafür, dass Kinsley nicht nur meine WG-Mitbewohnerin, sondern auch eine gute Freundin ist.

Ohne sie hätte ich die Trennung von Tyler bestimmt nicht so einfach weggesteckt.

Kinsley verdrückt noch zwei weitere Löffel von dem Schokoladeneis, bis sie meinen Blick auffängt und ernst sagt: „Ich an deiner Stelle würde einfach ohne Begleitung auf der Hochzeit aufkreuzen. Ich meine, was soll Juliet schon machen? Dich wieder ausladen? Oder rausschmeißen?"

Während Kinsley spöttisch schnaubt, werden die Eisenketten, die um meinem Herzen liegen, immer schwerer. Wie ein unsichtbares Gewicht ziehen sie an mir und lösen ein Gefühl des Unwohlseins in meinem Inneren aus.

„Ich würde es mir nie verzeihen, Juliets perfekten Tag zu ruinieren", gebe ich leise zu. „Es ist ihre Hochzeit und wenn sie sich wünscht, dass jeder Gast ein Date mitbringt, muss ich das akzeptieren."

„So ein Schwachsinn!" Kinsley schiebt sich den nächsten Löffel Eis in den Mund. Sie leckt sich die Schokoladenreste von den Lippen und schaut mich misstrauisch an. Sobald sie realisiert, dass ich meine Schwester wirklich nicht verärgern möchte, seufzt sie und bietet mir an: „Wenn du unbedingt eine Begleitung mitbringen musst, dann komme ich halt mit."

Was? Hat sie das gerade ernsthaft gesagt? Das unschuldige Funkeln in ihren babyblauen Augen verrät mir, dass ich mich nicht bloß verhört habe.

„Das ist total süß von dir, aber du hast doch am Samstag deinen wichtigen Schwimmwettkampf. Ich will nicht, dass du meinetwegen darauf verzichtest."

Ich kann Kinsley ansehen, dass sie etwas erwidern möchte. Also komme ich ihr zuvor, indem ich mit einem möglichst überzeugenden Lächeln säusele: „Mir wird schon noch etwas einfallen. Jetzt gehe ich aber erstmal schlafen." Kaum sind meine Worte verklungen, reiße ich sowohl das Schokoladeneis als auch den pinken Plastiklöffel wieder an mich.

Warum Eis vor dem Schlafengehen so wichtig ist? Ganz einfach: Weil man nicht träumen kann, wenn man nicht schläft, und man nicht schläft, wenn man nicht glücklich ist.

„Na schön. Wie du meinst, Hails", seufzt Kinsley alles andere als überzeugt. „Mein Angebot steht."

„Danke."

Während ich mich vom Sofa erhebe, schaltet Kinsley den Fernseher ein. Bestimmt schaut sie sich jetzt wieder irgendeinen Horrorfilm über Dämonen oder Teufel an.

Da ich überhaupt kein Fan von diesen gruseligen Gestalten bin, tapse ich in meinen Kuschelsocken in Richtung Flur. Im Türrahmen bleibe ich noch einmal stehen und drehe mich um.

„Kinsley?"

Die Angesprochene hebt fragend den Kopf. „Hm?"

Ich grinse. „Das ist übrigens schon meine vierte Eispackung!"

***

Ein lauter Knall lässt mich aus dem Schlaf hochschrecken.

Ich sitze senkrecht in meinem Bett und spüre das viel zu schnelle Pulsieren meines Herzens.

Was zum Teufel war das gerade? Habe ich mir den Knall nur eingebildet?

Ich knipse meine Frosch-Nachttischlampe an und lasse meinen Blick vorsichtig durch mein Zimmer schweifen. Obwohl meine Möbel unheimliche Schatten auf den Boden werfen, kann ich nichts Ungewöhnliches erkennen. Alles ist so, wie immer.

„Okay, Hails", rede ich mit mir selbst, um mich zu beruhigen, „wahrscheinlich hast du nur geträumt."

Ich möchte die Nachttischlampe gerade wieder ausschalten, da sehe ich plötzlich schwarze Nebelschwaden, die wie gefährliche Raubtiere unter meinem Türschlitz hindurchkriechen. Ganz langsam breiten sie sich in dem Raum aus und vernebeln mir die Sicht.

Scheiße! Was ist das?

Der Nebel brennt nicht nur in meinen Augen, sondern auch in meinem Hals. Röchelnd strampele ich mir die geblümte Bettdecke vom Körper und tapse dann blind durch mein Zimmer. Zum Glück kenne ich mich hier so gut aus, dass ich schon nach wenigen Sekunden die Tür erreicht habe und sie energisch aufstoße.

„Kinsley?!", brülle ich panisch in die Wohnung hinein.

Überall sind diese schwarzen Nebelschwaden, die sich wie eine giftige Substanz in der Luft festgesetzt haben.

Ich ziehe mir den Stoff meines Nachthemdes über die Nase und stolpere dann in den Raum, der sich gegenüber von meinem Zimmer befindet. Alles ist dunkel und schwarz und vernebelt.

„Kinsley?!", wiederhole ich mich, doch es folgt keine Antwort.

Obwohl mein Hals wie Feuer brennt, kämpfe ich mich Schritt für Schritt vorwärts, bis ich vor Kinsleys Bett zum Stehen komme.

Es ist leer. Nur ihre Plüsch-Fledermaus Flappy sitzt auf ihrem Kopfkissen und grinst mich schief an.

Verdammt! Wo zum Teufel steckt Kinsley?

Hustend eile ich zurück in den Flur. Meine nackten Füße lotsen mich über die kalten Fliesen und führen mich wie von selbst ins Wohnzimmer.

Auch hier ist der ganze Raum von schwarzen Nebelschwaden erfüllt, allerdings sieht es so aus, als würden sie sich langsam in Luft auflösen.

„Kinsley?" Meine Stimme zittert und mein Herz schlägt schneller.

Ich erkenne schwarze Kerzen, die im gesamten Wohnzimmer verteilt sind, und mystische Zeichen, die mit Kreide auf den Boden gemalt wurden. Außerdem stehen überall Schalen, die mit merkwürdigen Flüssigkeiten und komischen Steinen gefüllt sind.

Ich wünschte, es wäre anders, doch ich habe keinen blassen Schimmer, was hier passiert ist.

Ganz langsam gehe ich zu der letzten schwarzen Kerze, die noch brennt, und möchte sie auspusten, als plötzlich Kinsleys Stimme durch das Wohnzimmer hallt.

„Hailee? Du kommst genau richtig!"

Ich drehe mich ruckartig um und erstarre, denn Kinsley ist nicht allein.

„W-Wer ist das?", stammele ich ängstlich und verwirrt zugleich.

Kinsleys Lippen formen sich zu einem Grinsen. Mit der Hand deutet sie auf die gruselige Gestalt neben sich und säuselt dann voller Unschuld: „Das, meine liebe Hails, ist Lucifer höchstpersönlich!"

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