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Insgesamt sechs leer stehende Zimmer zählten sie, doch die Wahl fiel ihnen nicht schwer. Weder Arndt noch Melinda konnte sich ernsthaft vorstellen, den ganzen Tag unter künstlichem Licht zu verbringen. Nur zwei der Räume besaßen ein großes Fenster, das genügend Helligkeit herein ließ. Beide gingen auf den Parkplatz, den ehemaligen Schulhof hinaus. Die Büros waren miteinander verbunden und nur durch eine dünne Lamellentür getrennt. Man konnte sie jederzeit aufziehen wenn es einem zu einsam wurde.

In der Mitte der Büros thronte jeweils ein mächtiger Eichenschreibtisch. An den Wänden reihten sich mehrere leere Regale aneinander. In Arndts Zimmer hing ein riesiges Gemälde, das von einem prunkvollen Rahmen eingefasst war. Er fragte sich weshalb der Besitzer es beim Auszug nicht mitgenommen hatte. Vielleicht hatte es aber auch schon immer hier gehangen.
Auf dem Bild war ein spärlich bekleideter Mann zu sehen, der  mutterseelenallein durch einen düsteren Wald lief. Auch wenn der Mann einen sehr einsamen und verlorenen Eindruck auf ihn machte, Arndt gefiel das Bild auf Anhieb. Er fand, dass das Motiv auf treffende Weise die Arbeit eines Kriminalbeamten widerspiegelte. Immer auf der Suche, immer dieser Wunsch, Licht ins Dunkle zu bringen, letzten Endes stets auf sich gestellt.

Er wollte das Bild unbedingt behalten. Melinda verstand das nicht und verzog nur angewidert das Gesicht.

Draußen auf dem Flur hörte man ein Räuspern. Bullerjahn tauchte im Türrahmen auf. Sein Blick sendete Entschuldigungssignale. Wahrscheinlich hatte er eben erst bemerkt, dass die Kollegen nicht mehr bei ihm waren.

„Jan, unser Administrator, ist leider erst morgen wieder da. Er wird Ihnen einen Rechner aufstellen und den Netzanschluss regeln."

Bullerjahns Stimme klang versöhnlich. Arndt fiel auf, dass sein Mundwinkel leer war. Die Zigarre hatte er in seinem Büro gelassen.

„An Pflanzen brauchen Sie gar nicht erst zu denken. Die gehen hier alle ein!"

Melinda runzelte die Stirn.

„Man muss sie nur richtig pflegen! Da sind sie den Menschen sehr ähnlich, wissen Sie!"

Arndt nickte, zeigte auf seine Kollegin und reckte einen Zeigefinger in die Höhe.

„Sie hat einen grünen Daumen!"

Bullerjahns Gesicht blieb ausdruckslos.

„Wir beschäftigen uns hier mit sehr unerfreulichen, manchmal auch sehr lebensfeindlichen Dingen. Die Pflanzen merken so was. Früher oder später lassen sie alle ihre Köpfe hängen."

Arndt trank den Kaffeebecher aus und stellte ihn auf seinen verstaubten Schreibtisch.

„Hier muss ja ein super Arbeitsklima herrschen!"

Er zeigte auf die Botschaft, die jemand mit schwarzem Marker in Großbuchstaben auf die Tischplatte geschrieben hatte. FUCK YOU CHRISTIANSEN!

Bullerjahn zuckte mit den Schultern.

„Nicht alle Kollegen waren mit der Verkleinerung der Mordkommission einverstanden!"

Arndts Gesicht war ein einziges Fragezeichen.

„Verkleinerung. Aha. Weshalb hat man uns dann hierher geholt?"

Melinda spielte in Gedanken durch,  wie es wohl wäre, wenn sie jetzt sofort in ihren Wagen springen und mit Vollgas zurück nach Goslar fahren würde, um nie wieder hierher zurück zu kommen.

„Wollen sie meine ehrliche Einschätzung hören? Lena Christiansen ist jung. Sie hat eine Menge erreicht. Doch Osterode ist für sie nur eine Zwischenstation. Sie will mehr. Das ganze Land hat damals ihren Fall verfolgt. Die gelungene Wiedereingliederung von zwei der bekanntesten Kriminalbeamten Niedersachsens passt ihr ganz gut ins Konzept. Zumal sie weiter nichts mit ihnen zu tun haben wird. Ihr reicht die Berichterstattung der Medien!"

Arndt und Melinda hatten fürs Erste genug. Ohne eigenes Büro, ohne Computer und Netzanschluss, ohne vernünftiges Büromaterial wie Papier und Schreibwerkzeuge, eine Pinnwand, einen Schrank, ganz zu schweigen von einem vernünftigen Schreibtischsessel, konnten sie hier erst einmal nichts ausrichten.

„Falls noch was ist, kommen sie einfach in mein Büro. Oder rufen sie an."

Er streckte ihnen eine verknitterte Visitenkarte entgegen.

„Haben sie schon eine Wohnung finden können? Oder wohnen sie im Hotel?"

Melinda nahm die Karte und sah zum Fenster hinaus während sie sprach. Der Himmel begann sich orange zu färben.

„Keins von beidem. Frau Christiansen hat uns eine Dienstwohnung angeboten. Bis wir was Geeignetes finden."

Arndt fühlte den Schlüsselbund in seiner Hosentasche. Bullerjahns Neugier schien geweckt.

„Drüben im Nebenhaus? Da hat bis in die Achtziger der Schulhausmeister gewohnt. Soll ein übler Kerl gewesen sein. Wusste gar nicht, dass wir noch so was wie Dienstwohnungen haben!"

Irgendetwas an Bullerjahns Blick sagte Melinda, dass er log.

Nachdem sie an der Kantine Halt gemacht hatten, um den Speiseplan von morgen zu studieren, luden sie ihr Gepäck aus den Autos und trugen es hinüber zum Nebenhaus.

Die Eingangstür klemmte, und wenn man genauer hinsah entdeckte man die zahlreichen Spinnweben, welche sich rund um den Türrahmen spannten. Die Fenster im Erdgeschoss waren schmutzig, zwischen den Gehwegplatten wucherte das Gras. Wirklich gepflegt sah es hier nicht aus!

Arndt und Melinda standen in einem langen, dunklen Flur, an dessen Ende eine schmale Treppe ins Obergeschoss führte. Arndt suchte vergeblich nach einem funktionierenden Lichtschalter. Also zog er sein Handy heraus und benutzte das leuchtende Display als Taschenlampe. Neben der Treppe fand er einen Sicherungskasten. Die Hauptsicherung war ausgeschaltet.

„Ob es hier wohl eine Heizung gibt?"

Melinda zog sich ihre Jacke enger um den Körper.

Als die Lampen angingen und sich das Innenleben des Hauses zeigte, konnten Arndt und Melinda ihre Überraschung nicht verbergen. Hier sah es freundlicher aus als sie vermutet hatten. Auf dem Boden lag ein blauweiß gestreifter Läufer. Die Wände waren mit einer zarten Blumentapete verziert. Zahlreiche große und kleine Bilderrahmen zogen sich über die Wände des gesamten Flurs. Arndt erkannte fein gearbeitete Radierungen, auf denen verschiedene Stadtansichten und Landschaften des Harzes zu sehen waren. Fachwerkhäuser, das Osteroder Rathaus, eine Kirche. Berge, Wälder, Wildschweine und Wanderer in luftigen Höhen. Unwillkürlich dachte er an das Bild im Präsidium.

Melinda betrachtete den Schlüsselbund genauer.

„Ein Haustürschlüssel und zwei weitere Schlüssel. Hat Christiansen heute Morgen gesagt wo die Wohnung ..? Ich tippe ja auf 's Obergeschoss!"

Damit hatte Melinda schon ihre Koffer geschnappt und begann die Treppe hinauf zu stapfen.

Arndt nutzte den Augenblick und warf einen kurzen Blick in die Räume, die sich im Erdgeschoss befanden. Eine große Küche, ein Besprechungsraum und ein Lesezimmer, in dem auch ein Fernseher und ein Laptop standen.

Neben der Treppe befanden sich zwei weitere Türen. Die eine führte auf den Hinterhof hinaus, die andere war verschlossen. Arndt vermutete, dass sich dahinter die Kellertreppe befand.

Von oben erklang ein Juchzen.

„Meine Herren! Nicht schlecht!"

Arndt griff sich seine Reisetaschen und stieg nun ebenfalls hinauf ins Obergeschoss. Hier gab es nur einen kleinen Treppenabsatz, auf dem ein kümmerlich aussehender Gummibaum sein Dasein fristete. Die Wohnungstür stand offen. Drinnen hörte er Melinda von Zimmer zu Zimmer laufen. Sie schien entzückt.

„Was für ein Bad! Diese Küche! Zwei Schlafzimmer!"

Eigentlich hatte er gedacht, dass seine Kollegin solch profanen Dingen wie einer schick eingerichteten Wohnung nichts mehr abgewinnen konnte. Doch vielleicht war ihre Genesung weiter vorangeschritten als er geglaubt hatte. Schade eigentlich. Er kam so viel besser mit ihr zurecht.

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