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Eine solche Wohnung hatte er in diesem alten Gemäuer nicht erwartet. Viel Glas, viel Chrom. Dicke Teppiche, flauschige Flokatis. Im Bad eine Dusche und eine Wanne, schwarzweiß gekachelte Fliesen. In der ganzen Wohnung Dielenfußboden. Kein Plastiklaminat. Echtes Holz. Eine geräumige Küche in Weiß und Metall, mit Kochinsel, Gasherd und allen Küchenhelfern, die man sich nur wünschen konnte.

Am meisten interessierte Arndt jedoch die Zahl der anderen Zimmer. Wenn er sich schon eine Wohnung mit Melinda teilen musste, dann wollte er wenigstens allein schlafen können. Doch seine Sorge erwies sich als unbegründet. Es gab zwei Schlafzimmer in dieser Wohnung!

Melinda hatte ihre Wahl bereits getroffen. Mit ausgebreiteten Armen räkelte sie sich auf einem Riesenbett, in dem eine sechsköpfige Familie hätte übernachten können. Das Zimmer ging zur Straße hinaus. Arndt nahm es Melinda nicht krumm, dass sie Tatsachen geschaffen hatte ohne sich mit ihm abzustimmen. Verkehrslärm war sowieso nicht seine Sache. Eine Bemerkung konnte er sich jedoch nicht verkneifen.

„Was für ein wunderbarer Ausblick auf die Tankstelle!"

Doch Melinda ließ sich nicht stören. Sie blieb liegen und rührte sich nicht.

Das andere Schlafzimmer befand sich genau gegenüber, auf der anderen Seite des Flurs. Es war ähnlich eingerichtet wie das von Melinda. Das Fenster ging hier jedoch auf den Hinterhof hinaus. Arndt zog den Vorhang zur Seite und sah hinunter. Es hatte zu dämmern begonnen. Heruntergefallene Blätter bedeckten das feuchte Pflaster des ehemaligen Schulhofs. Eine braunweiß gefleckte Katze streifte gemächlich um die alten Kastanienbäume.

Arndt gefiel es hier.

Er setzte sich auf das große Bett und dachte nach. Eigentlich war das doch komplett verrückt. Vor ihrem schrecklichen Erlebnis hatten sie sich nicht mal mit dem Hintern angesehen. Er hatte sie hinter ihrem Rücken als das Model in Polizeiuniform bezeichnet, und sie ihn als tollpatschigen Lahmarsch tituliert. Beide hatten sie sich größte Mühe gegeben möglichst wenig miteinander zu tun zu haben. Sie gingen sich aus dem Weg.

Bis man ihnen die gemeinsame Leitung der Soko Waldgeist übertrug. Von da ab mussten sie sich notgedrungen zusammenraufen.

Dann das Martyrium der Gefangenschaft. Niemals hätte er geahnt, dass ein solches Erlebnis Menschen, die sich eigentlich verabscheuten, so eng zusammen schweißen konnte. Ob sie es nun wollten oder nicht. Sie waren eine Schicksalsgemeinschaft eingegangen.

Sie hatten das Martyrium überlebt und waren verwandelt zurück ans Tageslicht gekrochen. Melinda hatte alle Allüren und Affektiertheiten vergessen. Sie kleidete sich nicht mehr in sündhaft teure Maßklamotten, aufwendige Schminke und der wöchentliche Frisörbesuch waren ihr nicht mehr wichtig. Sie trug ihr Haar kurz und verschönerte es täglich mit kleinen bunten Klemmen, die sie nach einem nur ihr bekannten Muster anordnete. Innere Werte waren bedeutsamer für sie geworden, glitzernde Oberflächen fand sie öde und uninteressant. Sie ernährte sich vegetarisch und liebte Tiere. Vor einem Jahr hatte sie noch geglaubt, dass diese hauptsächlich Ungeziefer verbreiteten und man sie sich möglichst auf Abstand halten sollte. Jetzt behauptete sie sogar, ihre Sprache verstehen zu können.

Auch er selbst hatte sich verändert. Er war ein grober Klotz gewesen. Witze auf Kosten der Kolleginnen und so was. So kannte man ihn. Null Manieren. Ungepflegter Umgangston. Kunst und Kreativität, das war nur was für Weicheier und Muttersöhnchen, bei denen im Leben irgendetwas schief gelaufen war.

Und wie war es jetzt? Ein Leben ohne seine Skizzenbücher wollte er sich nicht mehr vorstellen. In seiner Wohnung in Goslar stapelten sie sich mittlerweile bis zur Decke, randvoll mit Tuschezeichnungen, Aquarellstudien und Bleistiftimpressionen. Das meiste von dem was er in den letzten zwölf Monaten gesehen, gehört und gedacht hatte, war in diesen Büchern von ihm verewigt worden.

Es fiel ihm auf unheimliche Weise leicht die Dinge treffsicher aufs Papier zu bannen. Früher wollten ihm nicht einmal Strichmännchen gelingen. Seine Noten im Kunstunterricht: nie besser als ausreichend.

Wenn nur nicht immer wieder diese unvorhergesehenen Kreativattacken von ihm Besitz ergreifen würden, bei denen er über fünf, zehn Minuten völlig unkontrolliert in seinen Büchern herumkratzte. In solchen Situationen half ihm Melinda mit beruhigenden Worten und unendlicher Geduld zurück in die Wirklichkeit. Hinterher saßen sie immer zusammen und versuchten sich einen Reim auf das kryptische Gemenge aus Mustern, Symbolen und zerrissenen Versatzstücken der Wirklichkeit zu machen.

Er schreckte aus seinen Gedanken hoch. Melinda stand im Türrahmen. Sie hatte sich ein großes Handtuch um den Körper geschlungen. Ein zweites Handtuch trug sie wie ein Turban auf dem Kopf.

„Was hältst du von diesem Bullerjahn?"

„Er steht kurz vor der Rente. Motivationstechnisch kann man da wohl nicht mehr viel erwarten!"

Melinda schnaubte durch die Nase.

„Verdammt, er soll uns nicht wie lästige Praktikanten behandeln! Wir sind erfahrene Kriminalbeamte. Haben immer unsere Arbeit gemacht. Und nicht mal die schlechteste."

Bis auf das eine, aber entscheidende eine Mal, dachte Arndt. Bis auf das eine verfluchte Mal. Da haben wir uns verdammt unprofessionell verhalten, und uns von einem Serienkiller in den Keller sperren lassen.

„Sieh es mal so Melinda. Wir kriegen hier die Chance zu einem Neustart. Das ist nicht wenig!"

Melinda zog eine Schnute und griff sich in die Haare. Eine ihrer Spangen war auf den Boden gefallen.

„Ich hatte drei grüne. Eine muss hier irgendwo ... Hilf doch mal suchen!"

Sie ging auf die Knie und begann hektisch im Raum herum zu rutschen.

„Er ist ungepflegt und er raucht zu viel!"

„Leben und leben lassen!"

„Na und!"

„Vielleicht ist er einfach nur alt, ausgelaugt und müde. Ich glaube, im Grunde seines Herzens ist er in Ordnung."

Melinda war jetzt fast unter seinem Bett verschwunden.

„Übrigens Melinda. Deine Klemme liegt da vorn auf der Türschwelle!"

„Danke!"

Als sie unter dem Bett hervorgekrochen kam, hielt sie eine staubige Männerunterhose und einen schwarzen Spitzen-BH zwischen den Fingern, in dem man mühelos zwei Honigmelonen hätte unterbringen können.

„Diese Wohnung scheint noch für andere Anlässe genutzt zu werden!"

Fünf Minuten später war Arndt wieder allein, und er nutzte die Zeit um seine Klamotten in den Schrank zu sortieren. Drei Taschen hatte er mitgebracht. Eine davon enthielt seine Zeichenutensilien. Darunter fünf weitere, leere Skizzenbücher. Für den Fall, dass es in Osterode so etwas nicht zu kaufen gab.

Als er mit Einräumen fertig war, schmiss er die Taschen auf den Schrank und legte sich mit einem Buch aufs Bett. In letzter Zeit las er gern französische Krimis. Diesem hier mangelte es an Spannung, doch er hatte die dumme Angewohnheit ein einmal angefangenes Buch zu Ende lesen zu müssen, auch wenn er es für noch so misslungen hielt.

Nicht einmal eine halbe Seite hielt er durch, dann fiel ihm das Buch aus der Hand und er war eingenickt.

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