𝟏𝟐. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 | Die vierte Aufgabe

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Ich tigerte ziellos durch den Raum. Begleitet wurden meine Schritte durch ein flappendes Geräusch, da ich immer noch Flip-Flops und auch einen Bademantel trug. Keine Ahnung, was Julien hier für eine Waschmaschine besaß, aber das neueste Modell schien es nicht zu sein.

Ich durchforstete meinen Kopf, ob mir noch irgendetwas einfiel, aber da war nichts. Ich wusste nur, dass Julien Psychologie studierte. Er wollte einmal Psychologe werden.

Damit er dann besser mit seinen Patienten umgehen konnte, wollte er ausprobieren, wie weit man die menschliche Psyche beeinflussen konnte. Genau deswegen hielt er mich hier fest. 

Um zu testen, wie er mich steuern konnte. Wenn er das herausgefunden hatte, konnte er sich besser in seine Patienten hineinversetzen, ihre Probleme erkennen und ihnen helfen, damit umzugehen.

Das alles wusste ich auf einmal wieder, weil er es mir mal erzählt hatte. Es hörte sich auf der einen Seite total krank an, auf der anderen Seite könnte man denken, dass er ein guter Mensch war und nur helfen wollte.
Aber dann könnte er sich auch auf seine Professoren und Bücher verlassen, die Studien mit Menschen durchgeführt hatten.

Momentan fühlte ich mich wie eine Laborratte. Und das war kein schönes Gefühl. Ich fror, weil meine Haare nur langsam trockneten und ich quasi nackt durch diesen kalten Raum lief.

Eine Heizung hatte ich auf meinen Wegen durch den Raum nicht entdeckt und genauso kalt fühlte es sich auch an. Bestimmt würde ich krank werden. Aber das war Juliens Problem. 

Dann konnte er an der Laborratte nicht mehr so viel ausprobieren. Ich verschränkte meine Arme vor dem Körper und blieb stehen. Mir war wirklich sehr langweilig. 

In den Wänden befand sich leider keine weitere Tür, die einzige, die nach draußen führte, war abgeschlossen, das hatte ich auch schon untersucht.

„Halli Hallo!" Ich zuckte zusammen und wirbelte zu Julien herum, der mit einer Zeitung in der Hand den Raum betrat. Er wirkte gut gelaunt und ich stellte enttäuscht fest, dass er meine Klamotten nicht dabei hatte.

„Ich habe entschieden, heute direkt die vierte Aufgabe auch noch zu machen. Es macht gerade so Spaß." Ich schnaubte empört auf, aber er warf mir nur die Zeitung zu, sodass sie kurz vor meinen Füßen auf dem Boden liegen blieb.

Ich sah mir das Deckblatt an und schnappte nach Luft. Da war ein großes Bild von mir und darüber stand in großen, dicken Buchstaben ein einziges Wort:

VERMISST.

Hoffnung breitete sich in meinem Körper aus. Ich wurde also doch von irgendjemandem vermisst. Vielleicht war die Polizei schon unterwegs und suchte nach mir. Vielleicht würde es gar nicht mehr so lange dauern und sie würden mich befreien.
Vielleicht war doch noch nicht alles verloren und ich war nicht mehr lange Juliens Spielball.

„Die vierte Aufgabe lautet: Schreibe einen Brief." Juliens Stimme riss mich aus meinen Gedanken und holte mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.
Schreibe einen Brief.

Das konnte ja nichts Gutes bedeuten...

Er winkte mich zu sich. Zögernd hob ich die Zeitung auf und lief zu ihm rüber.
Er hatte das Tablett umgedreht, einen Zettel und einen Kugelschreiber darauf gelegt. Er bedeutete mir, dass ich mich auf das Bett setzen sollte. Ich klammerte mich an der Zeitung fest, sie schien mein einziger Lichtblick zu sein, meine einzige Chance, wieder Tageslicht zu sehen.

„Setz dich", forderte er, aber ich blieb weiter stehen. Meine Gedanken überschlugen sich. Wer hatte sich an die Polizei gewendet? Meine Kollegin aus der Bäckerei? Oder mein Vermieter? Mein Nachbar? Irgendwer aus dem Mehrfamilienhaus, in dem ich wohnte?

Irgendwem war aufgefallen, dass ich nicht mehr da war. Ich war also doch nicht so unbedeutend, wie ich noch vor ein paar Minuten dachte.
Es gab wieder einen Sinn für mich, weiterzukämpfen. Ich wollte hier raus, ich wollte dieser Person danken, die mir half.

„Setzt. Dich. Hin." Juliens Stimme klang nicht mehr so freundlich, er starrte mich kaltherzig an. Sonderlich erfreut schien er über diesen Artikel wirklich nicht zu sein, was auch verständlich war.

Schließlich würde er im Gefängnis landen, wenn die Polizei hier ankommen würde.
„Was soll ich denn schreiben?" Skeptisch sah ich ihn an, die Zeitung mittlerweile fest gegen meine Brust gedrückt.

„Einen Brief an die Polizei. Mit dem Inhalt, dass du nicht gesucht werden musst, weil du kurzfristig zu deiner Tante gefahren bist, da sie krank ist.
Sie brauchte deine Hilfe und es war alles sehr plötzlich, sodass du dich bei niemandem abmelden konntest. Aber es geht dir gut und die Polizei kann die Ermittlungen wieder einstellen. Dann unterschreibst du noch und ich werfe den Brief für dich in den Briefkasten."

Mit jedem Wort, was er sagte, verflüchtigte sich meine Hoffnung immer weiter. Ich hätte es mir denken können. 

Er würde es mir nicht leicht machen, er würde dafür sorgen, dass mich niemand finden würde. Ich würde vermutlich für immer hier bleiben. Ihm ausgeliefert.

„Nein, das kannst du nicht von mir verlangen." Ich war den Tränen nahe, gerade hatte ich mich noch so gefreut und war euphorisch. Und jetzt lag alles in einem Scherbenhaufen vor mir.

„Oh doch, das kann ich." Er drückte mich auf das Bett und ich biss mir auf meine zitternde Unterlippe. Ich wollte diesen Brief nicht schreiben. 

Damit verbaute ich mir alles selbst. Dann würde ich nie hier raus kommen. Julien legte mir das Tablett auf die Oberschenkel, aber ich weigerte mich den Kugelschreiber in die Hand zu nehmen, den er mir hinhielt.

Die Zeitung war mir aus der Hand gerutscht und lag aufgeschlagen auf dem Boden.

„Leyla, du hast keine Wahl. Diese Aufgabe wirst du machen. Und wenn ich dich dazu zwingen muss." Ich zuckte zusammen, als er mich mit meinem Vornamen ansprach.

Aus seinem Mund hörte er sich anders an, so fremd. Julien nahm meine Hand in seine, drückte meine Finger auseinander, legte den Kugelschreiber hinein und schloss meine kalten Finger darum.
Dann trat er zufrieden zurück, als erwartete er, ich würde diesen Brief wirklich schreiben. Aber das tat ich nicht. Ich war ja nicht blöd.

Wütend warf ich den Stift nach ihm, er duckte sich rechtzeitig weg. Schnell knüllte ich den Zettel zusammen und warf ihn ebenfalls auf ihn.

Tränen brannten in meinen Augen, als ich aufsprang und mich auf ihn stürzte. Irgendwo musste er doch diesen verdammten Schlüssel versteckt haben!

Mit diesem Angriff hatte er nicht gerechnet und so landeten wir auf dem Boden. Bevor ich jedoch eine Hand in eine seiner Hosentaschen stecken konnte, hatte er mich an den Handgelenken gepackt und wollte mich auf den Rücken drehen.

Vor Wut schreiend riss ich mich los und sprang wieder auf. Den Schlüssel hatte ich logischerweise nicht, aber er hatte diesen gefährlichen, wilden Ausdruck in seinen Augen.
Ich stolperte fast über den Bademantel, konnte mich aber fangen, wickelte ihn wieder um meinen Körper und rannte auf die Toilette zu. Vielleicht könnte ich mich darin verstecken. 

Blind vor Tränen lief ich, meine Füße berührten nackt den kalten Boden, meine Schuhe waren mir unterwegs verloren gegangen. Es war nicht weit bis zu dieser dämlichen Tür, hinter der sich ein Spiegel befand.

Ich war mir sehr sicher, dass ich Julien mit einer Scherbe töten würde, wenn ich die Möglichkeit dazu bekommen würde, so wütend war ich gerade auf ihn.

Insgeheim ärgerte ich mich, dass ich nicht bevor er gekommen war, den Spiegel schon kaputt gemacht hatte, dann hätte ich jetzt schon eine Scherbe als Waffe.
Aber ich war dumm gewesen. 

Ich hatte mich von ihm blenden lassen, durch sein kurzes, freundliches Auftreten.

Plötzlich spürte ich, wie er mein Fußgelenk packte und mir den Fuß wegriss. Ich verlor das Gleichgewicht und knallte auf dem Boden auf.
Dabei schürfte ich mir meine Handflächen und auch die Knie auf. Ich fluchte und trat wild mit meinen Füßen um mich, aber er sprang anscheinend immer rechtzeitig zur Seite, da ich ihn nie traf.

„Du bist so dumm!", sagte er aufgebracht und warf sich auf mich, damit ich mich nicht mehr bewegen konnte.
„Anstatt einfach auf mich zu hören, machst du hier wieder einen Aufstand! Ich hätte dich doch fesseln sollen!"

Er drehte mich auf den Rücken und setzte sich breitbeinig auf meinen Bauch. Meine Handgelenke fixierte er auf dem Boden, mit den Füßen konnte ich so viel um mich treten wie ich wollte, ich traf ihn nicht mehr.

„Ja, das hättest du vielleicht. Aber du warst ebenfalls dumm und hast es nicht getan!" Ich wusste nicht woher ich den Mut nahm, ihm diese Worte an den Kopf zu schmeißen, aber ich tat es.

Dazu erwiderte ich seinen Blick ebenso feindselig, wie er mich ansah. Ich sah an seinen Augen, wie er langsam die Kontrolle verlor. Seine Lippen hatte er zu einem schmalen Strich zusammengepresst.

„Ich bin vielleicht nicht so einfach zu kontrollieren wie die Nutten, die du sonst immer für deine Experimente benutzt.
Die, die gegen Geld ihre Beine breit machen. Auch noch hier. Ich bin nicht so eine. Vielleicht vergisst du das manchmal."

Diesmal war er es, der von den Worten getroffen zusammenzuckte. Dann verstärkte sich der Druck auf meine Handgelenke und er beugte sich langsam zu mir herunter.

„Woher weißt du das?" Er presste den Satz zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und ich wandte automatisch mein Gesicht ab, als er sich mir immer weiter näherte.

Der Druck von seinem Gewicht auf meinem Bauch sorgte dafür, dass mir mittlerweile kotzübel war. Schließlich hatte ich ja gerade erst etwas gegessen.

„Tja, das wüsstest du wohl gerne!" Provozierend sah ich ihn nun doch wieder an, sein Gesicht war so nah vor meinem, dass ich seinen Atem auf meiner Wange spüren konnte.

Ich war selbst verwundert, warum ich das gesagt hatte, aber anscheinend entsprach es der Wahrheit. Langsam bekam ich mein Gedächtnis zurück.
„Was weißt du noch?", zischte er.
„Genug", log ich und ein drohendes Knurren kam aus seiner Kehle.

Der erste Schlag traf mich unerwartet, meine Lippe platzte auf. Schützend hielt ich mir meine Hände vor das Gesicht, da er mich loslassen musste, um weiter auf mich einzuschlagen.

Aber er riss wie wieder herunter und hielt sogar meinen Kopf so fest, dass er ihn seitlich auf den Boden drückte.

Ich zählte die nachfolgenden Schläge nicht. Ich war es ja selbst schuld, schließlich hatte ich ihn provoziert. Und ein bisschen hatte ich es auch darauf angelegt, ich wollte herausfinden, wie weit ich gehen konnte, bis er die Kontrolle verlor.

Jetzt hatte er sie eindeutig verloren, ich wand mich unter seinem Gewicht, aber erreichte dadurch nichts. 

Ich schmeckte den metallischen Geschmack von meinem Blut im Mund, hörte das laute Knacken, als seine Faust meine Nase traf.

Der Schmerz kam einen Sekundenbruchteil später und mir liefen die Tränen haltlos über die Wangen.
Als er sich ausgetobt hatte, stand er auf, packte meine Handgelenke und schleifte mich über den Boden.
Ich hatte keine Kraft mehr, meinen Kopf oben zu halten, also fiel er nach hinten.

Mein ganzer Körper wurde von den Schluchzern geschüttelt, ich spürte mein Gesicht nicht mehr, es tat alles nur höllisch weh. Er warf mich unsanft auf das Bett und legte mich auf den Rücken.

Meine Augen waren zugeschwollen, ich kniff sie aber auch noch zusammen, damit kein Blut in sie hinein lief. Auch meine Ohren dröhnten, weswegen ich ihn nicht verstand, als er mit mir sprach.

Immer wieder wurde mir kurz schwarz vor Augen, aber ich schaffte es, nicht ohnmächtig zu werden.
Vielleicht sorgte auch der Schmerz dafür, dass ich das Bewusstsein nicht verlor.

Julien platzierte meine Arme seitlich neben meinem Kopf, ich hörte das metallische Klicken, als er die Handfesseln um beide Handgelenke schloss.
Mit letzter Kraft versuchte ich meine Arme nach unten zu biegen, aber es ging nicht. Die Ketten waren zu kurz, ich konnte die Arme kaum anheben.

„Das hast du nun davon!", schrie er laut genug, sodass ich ihn verstand. Noch einmal traf seine Faust mein Gesicht, ich stöhnte gequält auf.
Dann robbte er sich von mir runter und deckte mich zu.

Er ließ mich allein.

Mit meinem Schmerz, meiner Enttäuschung.

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