𝟏𝟑. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 | Erinnerungen

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Ich wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war. Ich wusste auch nicht, ob ich träumte oder ob es Realität war, was um mich herum passierte. Ich sah alles nur durch einen Schleier, hörte alles gedämpft.
Mein rechtes Auge schwoll zu, meine Ohren piepten. Allgemein fühlte sich mein Gesicht ziemlich heiß und geschwollen an. Meine Lippe war aufgeplatzt und meine Handgelenke wund gescheuert. Aber das Wichtigste war: Ich lebte.

Als Julien völlig ausgerastet war und wild auf mich eingeschlagen hatte, dachte ich kurzzeitig, er würde mich tot prügeln. Aber er hatte rechtzeitig aufgehört und kümmerte sich jetzt um mich. Regelmäßig kam er zu mir, schaute, ob ich Fieber hatte und schmierte mir irgendwas auf die geschwollenen Stellen in meinem Gesicht. Das tat er ganz sanft und fürsorglich, die Salben die er benutzte halfen, den Schmerz zu lindern.

Nachdem er ein paar Mal gekommen war, wurde ich irgendwann unsicher, ob ich es nicht nur geträumt hatte. Meine Gedanken spielten verrückt, sie machten mich wahnsinnig.

Ich erinnerte mich an Szenen von früher, wusste aber nicht, ob sie wirklich passiert waren oder ob ich sie nur träumte. Ich wusste gar nichts mehr und das machte mich traurig, trieb mir Tränen in die Augen. In meinen Armen hatte ich schon längst kein Gefühl mehr, da sie nach oben gebogen neben meinem Kopf lagen.

Wie gerne würde ich sie runter nehmen, neben meinen Körper legen, aber es ging nicht. Dafür waren die Ketten zu kurz, mit denen sie an das Bettgestell gekettet waren.

Ich war gezwungen auf dem Rücken zu liegen, wenn ich die Augen öffnete, sah ich nur die graue, fast schon schwarze Decke über mir. Oder zumindest bildete ich mir ein, diese Decke zu sehen, da die Dunkelheit sie verschluckte.

Entmutigt schloss ich meine Augen. Ich hatte versucht, mich nicht unterkriegen zu lassen. Ich hatte versucht zu kämpfen und jetzt lag ich gefesselt hier in diesem Bett, Julien hilflos ausgeliefert. Ich hasste ihn.

───•✧•───

Mit einem Glas Cola in der Hand saß ich mit angewinkelten Beinen auf einer gemütlichen Couch. Vor mir stand der Fernseher an der Wand, es lief irgendeine Komödie, ich hatte schon lange nicht mehr richtig hingehört.

Ich zog mein Top ein Stückchen tiefer, sodass es auf der Höhe meines BHs hing. Mit der freien Hand fuhr ich mir durch die Haare, sodass ich ein bisschen mehr Volumen hinein brachte. 

Als Julien das Wohnzimmer wieder betrat, trank ich schnell einen Schluck. Tief und verführerisch sah ich ihm in die wunderschönen, glänzenden Augen.

Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, ließ seine Grübchen an den Wangen hervortreten. Auch ich musste Grinsen und lehnte mich an ihm an, als er sich neben mich auf die Couch fallen ließ.

Als ob es das selbstverständlichste auf der Welt wäre, legte er einen Arm um mich und zog mich so noch näher an sich heran.

Ich spürte die Wärme seines Körpers, hörte seinen Atem und lächelte glücklich. Seine Finger strichen geistesabwesend über meine nackte Schulter, ich erschauerte unter dieser Berührung, sie jagte mir eine Gänsehaut über den Körper. Mein Unterleib zog sich zusammen, ich wollte mehr von diesen Berührungen.

Ich wollte mehr von ihm, von Julien spüren. Langsam wandte ich ihm mein Gesicht zu und meine Augen trafen auf seine.

Ich versank in seinem Blick, der so liebevoll war. Sanft strich er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und hinter das Ohr.
Dann ließ er seine Hand auf meiner Wange liegen.

Mein Blick wanderte über seine gerade Nase, zu seinen geschwungenen Lippen. Alles in mir sehnte sich danach, diese Lippen zu küssen.
Endlich die paar Zentimeter Abstand zu überwinden, die noch zwischen uns waren. Einfach meine Augen zu schließen und mich ihm hinzugeben.

Er war nett, er sah heiß aus und ich war schon oft hier bei ihm zu Hause gewesen.
Warum traute ich mich also nicht, ihn zu küssen? Warum tat er es nicht einfach? Warum machte er nicht den ersten Schritt?

Meine Haut prickelte an der Stelle, an der seine Hand lag. Das Glas mit Cola zitterte leicht in meiner Hand.

Ganz langsam näherte er sich meinem Gesicht. Kam Millimeter für Millimeter näher. Mein Herz schlug mir bis zum Hals.

Gleich war es so weit. Endlich.

Auf diesen Moment, auf diesen Kuss hatte ich schon so lange gewartet.

In wie vielen Nächten, in wie vielen Träumen hatte ich mir ausgemalt, wie es sich anfühlen müsste, ihn zu küssen? Ich konnte es nicht mehr zählen. 

Nun würde ich endlich erfahren, wie es sich wirklich anfühlte. Ob es so atemberaubend wie in meinen Träumen war. Mittlerweile spürte ich seinen Atem auf meiner Wange.

Meine Gedanken überschlugen sich, ich konnte keinen einzigen von ihnen mehr festhalten, sie flutschten mir durch die Finger.

Dann, ganz plötzlich, spürte ich seine Lippen auf meinen. Sanft, fragend. Ich stockte, mein Körper versteifte sich kurz. Ich hatte noch nie einen Jungen geküsst.
Würde es ihm auffallen? Würde er merken, dass ich noch keine Erfahrung hatte? Dass er der erste Junge war, den ich an mich heran ließ? Würde er mir helfen oder es eher abstoßend finden?

Ich wusste es nicht, aber es lag jetzt nicht mehr in meiner Hand. Es lag in seiner. Ich entspannte mich und schloss meine Augen. Dann erwiderte ich seinen Kuss vorsichtig, unsicher, ob ich es auch richtig machte. Anscheinend schien ich es richtig zu machen, da er sich nicht zurück zog. 

Er nahm mir das Glas aus der Hand und ich fand mich einige Augenblicke später auf seinem Schoß wieder. Meine Hände lagen in seinem Nacken, ich spürte unter meinen Fingern, wie angespannt seine Muskeln waren.
Eine Hand von ihm lag auf meiner Wange, die andere auf meinem Rücken, er zog mich näher an sich heran.

Unsere Oberkörper stießen gegeneinander, ein leises Stöhnen entwich mir, weil es faszinierend war, was für Gefühle er in meinem Körper auslöste.
Ich wollte nicht aufhören, ich wollte mehr.

Ich wollte ihn immer so nah bei mir haben. Ihn spüren können, die gleiche Luft wie er atmen, seine Lippen auf meinen spüren.

Ich wünschte mir nichts mehr, als für immer mit ihm zusammen zu sein. Irgendwie wusste ich, dass das naiv war.

Ein typischer Gedanke von einem Teenager, der das erste Mal richtig verliebt war.
Aber ging es nicht jedem so? Wünschte sich nicht jeder manchmal, die Zeit anhalten zu können, in ein Glas zu stecken und den Deckel zu öffnen, wenn das Schicksal zuschlug, einem den Boden unter den Füßen wegriss?

───•✧•───

Keuchend fuhr ich hoch, wurde aber nach einigen Zentimetern von den Ketten zurück gerissen und landete wieder auf dem inzwischen platt gelegten Kissen.
War diese Szene wirklich passiert? War ich wirklich einmal in Julien verliebt gewesen? Was war passiert, dass er mich eingesperrt hatte? Wieso hatte er das getan? Hatte er mich damals auch geliebt, als ich noch jung und unerfahren war? Als ich in einer Traumwelt lebte, in der nichts Böses passierte?

So viele Fragen, doch ich fand keine Antworten. Diese Erinnerung brachte mich völlig aus dem Konzept. Oder war sie doch nur ein Traum gewesen?

Es hatte sich so real angefühlt.
Bevor ich meine Gedanken sortieren konnte, kam Julien herein.
Langsam kam er zu meinem Bett rüber. Er setzte sich auf die Bettkante und legte seine Hand unter mein Kinn, drehte mein Gesicht zu sich und betrachtete meine Verletzungen, die er mir zugefügt hatte.

Jetzt ekelte ich mich vor dieser Berührung, am liebsten hätte ich meinen Kopf zur Seite gedreht. Hatte ich mich wirklich einmal so nach seinen Berührungen gesehnt?

Ich hörte Schlüssel aneinander schlagen und auf einmal waren meine Arme frei.
Mit zusammengebissenen Zähnen schaffte ich es, sie nach unten zu biegen.
Sie pochten, als endlich wieder Blut in die hineinlief, fühlten sich aber noch taub an.

Sie hielten mein Gewicht nicht, als ich mich aufsetzen wollte, sondern knickten ein.
Entmutigt landete ich wieder auf dem Kissen, wie schon so oft in den letzten Tagen. Mein Kreislauf war so gut wie nicht mehr vorhanden.

„Es tut mir leid", hörte ich Julien leise sagen und sah ihm skeptisch in die Augen. Er packte mich an den Schultern und setzte mich wie eine Puppe so hin, dass ich mich an der Wand anlehnen konnte.

Vor mir drehte sich alles und ich kniff meine Augen zusammen. Als ich sie wieder öffnete, sah ich ihn Juliens ernstes Gesicht. Ihm schien es scheinbar wirklich leid zu tun.
Aber warum hatte er sich dann nicht unter Kontrolle gehabt? Warum rastete er aus und verprügelte mich, nur damit es ihm dann später wieder leid tat?

Ich verstand ihn nicht, wollte ihn um ehrlich zu sein auch gar nicht mehr verstehen. Meine Vergangenheit und er wurden zu einem immer größer werdenden Rätsel.

„Wirklich Leyla. Es tut mir leid." Ich presste meine Lippen aufeinander. Ein bisschen Gefühl war in meine Arme zurückgekehrt. Julien saß nicht weit von mir entfernt auf dem Bett.
Ohne drüber nachzudenken, holte ich mit meiner Hand aus.

Meine Bewegungen waren stockend und langsam, er sah es kommen, blieb aber ruhig sitzen. Er ließ es zu, dass meine Hand klatschend auf seiner Wange landete. Dann rutschte sie kraftlos herunter.

In mir regte sich sofort die Angst, zu weit gegangen zu sein. Ihn wieder verärgert zu haben. Schnell zog ich meine Beine an meinen Körper, machte mich so klein wie möglich und wartete darauf, dass er mich wieder schlug. 

Aber es passierte nichts. Vorsichtig öffnete ich meine Augen, sah, wie er sich die Wange hielt, aber sonst nichts machte.
Wut rauschte durch meinen Körper.
Wenn er doch so lieb war und es ihm leid tat, wieso hatte er es mir dann erst angetan? Wieso hielt er mich hier gefangen?

Ich war eigentlich kein Mensch, der den gleichen Fehler zwei Mal kurz hintereinander machte, aber mein Körper tat, was er wollte. Schwungvoll stürzte ich mich auf ihn, sodass er zur Seite kippte.

Ich lag auf ihm und trommelte wütend auf seine Brust, schrie ihn an, was für ein kranker Idiot er doch war.
Meine Schläge waren nutzlos und nicht kräftig, aber es tat gut, die Wut aus mir herauszulassen. Julien versuchte ein paar Mal, sich meine Arme zu schnappen, aber ich wich ihm rechtzeitig aus.

„Hör auf mit dem Scheiß! Ich halte das nicht mehr aus, mal bist du nett zu mir, dann wieder das größte Arschloch, das ich jemals getroffen habe. Du bist krank Julien, du bist krank. Du braucht Hilfe! Lass mich einfach gehen, ich sage auch niemandem etwas. Lass mich doch bitte einfach gehen." Ich brach ab, es kam kein Wort mehr aus meinem Mund. 

Meine Kehle war wie zugeschnürt, kraftlos brach ich zusammen. Ich landete auf ihm, auf seinem Oberkörper und fing an zu weinen.
Ich hatte mir geschworen, nicht die Fassung vor ihm zu verlieren. Die Fassade von der starken, jungen Frau aufrecht zu erhalten, aber es ging nicht mehr. Ich hielt es nicht mehr aus. 

Mein Körper wurde von Schluchzern geschüttelt, ich weinte so sehr, dass ich manchmal dachte, keine Luft mehr zu bekommen und zu ersticken.

Warm und beruhigend spürte ich Juliens Hand auf meinem Rücken, er hielt meinen zuckenden, bebenden Körper fest. Wenn ich nach Luft schnappte, roch alles nach ihm. Aber auch das war mir egal.
Mir war alles egal.

Seine Nähe fühlte sich nur sehr vertraut an.

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