13 Der Puma und das Mädchen

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So, jetzt hörst du auf damit.'

Auf einmal war Samiya direkt neben ihm. Vor ihm. Und nicht nur das, ihre Hände hatten das Fell links und rechts vor seinen Schultern gepackt und hielten verdammt noch mal ziemlich fest.

Wie hatte sie das gemacht?! Er hatte sie überhaupt nicht kommen sehen! Andererseits, er war ja auch sehr auf seine blöden Krallen und die ach so angenehme Rinde fixiert gewesen.

Carag war klug genug sich nicht zu rühren, schließlich waren sie hier wer weiß wie hoch auf einem Baum und er hatte keine Lust, gleich einen wenig eleganten Abgang zu machen. Noch weniger Lust hatte er, für den Absturz eines Mädchens verantwortlich gemacht zu werden. War sie eigentlich verrückt geworden? Oder lebensmüde?! Carag starrte entgeistert auf dieses hellblonde Geschöpf, das wie aus dem Nichts auf seinem Ast aufgetaucht war...

Sag mal spinnst du?!' Endlich hatte er seine Sprache wieder gefunden. Er starrte auf Samiya vor sich - wirklich wirklich nah vor sich - sie schaute ihn jetzt aus großen, weit aufgerissenen Augen an. Die Wut, die er gerade noch darin gesehen hatte, schien verschwunden zu sein.

Jetzt erst merkte er, wie schnell sein Herz klopfte. Es hämmerte geradezu in seiner Brust. Konnte sie das spüren?!

Samiya schüttelte unmerklich den Kopf und löste sich aus dieser Starre, in der sie beide so plötzlich gefangen waren. Schnell ließ sie Carag los. Irgendwie hatte sie nicht bedacht, in welch gefährliche Situation sie sich beide mit dieser Aktion bringen würde. Was hätte da passieren können! Wie hatte sie vergessen können, dass sie viele viele Meter über der Erde waren?! Zum Glück war Carag einfach nur still sitzen geblieben! Ja das war wirklich ein Glück...

Samiya biss sich auf die Lippen und schaute - irgendwie verlegen - zur Seite. Ihr Atem ging schneller, wie nach einer großen Anstrengung.

Sie ließ sich gegen den Stamm sinken und kam auf dem Ast zum Sitzen. Carag beobachtete sie fasziniert. Er hatte sich schon von seinem ersten Schock erholt und fand es nun ziemlich komisch, dass Samiya sich offenbar selbst mindestens genau so sehr erschreckt hatte. Sie sah ziemlich durcheinander aus.

Ist alles okay?' Mit zur Seite geneigtem Kopf musterte er sie genau.

Ich weiß nicht. Ja, schätze schon.' Samiya zuckte hilflos die Schultern und sah ihr Gegenüber dann unsicher an.

Entschuldige. Ich hab nicht nachgedacht.'

Ja das hab ich gemerkt... Mann, wir könnten jetzt ein paar Stockwerke tiefer liegen...' Carag warf einen unbehaglichen Blick nach unten, was sehr komisch wirkte in seiner Gestalt als Puma. Wie eine Katze, die nicht mehr wusste, wie sie den Baum wieder herunter kommen sollte...Samiya musste schmunzeln.

Gut, dass du mich wirklich so richtig erschreckt hast, ich hätte mich gar nicht rühren können.' Carag erinnerte sich an diesen Moment und musste nun innerlich über sich selbst den Kopf schütteln. Ein Mädchen, dass einen Puma überrumpelte. Hatte die Welt so was schon erlebt? Vermutlich nicht. Zum Glück hatte das keiner seiner Freunde mitbekommen. Oder Jeffrey. Der ganz besonders. Jahrelang würde er sonst diese Geschichte zu hören bekommen...

Dir wäre ja als Puma wohl auch nichts passiert, irgendeinen Ast hättest du schon noch erwischt auf dem Weg nach unten,' Samiya schaute ebenfalls am Stamm entlang nach unten, einige Äste waren da zu sehen.

Vermutlich schon. Aber du? Du hättest vielleicht nicht so viel Glück gehabt, so als Mensch, meine ich. Sind schon viele Leute abgestürzt...' Carag blickte das Mädchen vor sich vorwurfsvoll an, was ihm sogar als Puma ganz gut gelang.

Ach was. Ich hätte mich genauso --' Abrupt brach Samiya mitten im Satz ab. Besser, sie war ab jetzt still. Fast hätte sie was von Verwandeln gesagt. Das fehlte noch. Sie balancierte sowieso schon die ganze Zeit auf diesem sehr schmalen Grat zwischen Kontrolle und Panik. Wenn Carag wüsste, wie leicht er sie auf diese andere Seite bringen konnte...

Am liebsten wäre sie jetzt direkt vom Baum herunter und einfach abgehauen. Aber irgendetwas hielt sie zurück. Vielleicht wollte sie Carag nicht vor den Kopf stoßen, schließlich war er die ganze Zeit richtig nett zu ihr gewesen. Bis auf die Sache mit den Krallen... aber er konnte ja nicht wissen, dass es diese Auswirkungen auf sie hatte... Trotzdem, sehr viel länger konnte sie für nichts mehr garantieren. Samiya war durchaus bewusst, wie sehr dieser Puma vor ihr ihre Entschlossenheit, sich nicht mehr zu verwandeln, ins Wanken brachte. Einfach nur weil er direkt vor ihrer Nase saß...

Warum willst du dich eigentlich nicht verwandeln?' So, nun war es heraus. Carag grübelte schon tagelang über diese Sache, wenn er Samiya jetzt nicht fragte, wer wusste schon, wann er überhaupt wieder die Gelegenheit dazu bekommen würde? Die Chancen standen vermutlich nicht so schlecht, dass sie ihm nach dieser Nacht wieder völlig aus dem Weg gehen würde, auch wenn er genau das Gegenteil hoffte...

Samiya schaute kurz auf und Carag erhaschte diesen einen Moment, dieses kurze Blitzen, das sich in ihre Augen schlich. War das Wut? Vielleicht mit einer Spur Traurigkeit? Schwer zu sagen...

Falls Carag auf eine Antwort gehofft hatte wurde er jedenfalls enttäuscht.

Ich denke, ich geh jetzt besser...' Samiya ließ ihre Beine zu einer Seite des Astes herunter und griff mit beiden Händen nach dem nächsten Ast schräg vor ihr. Sie ließ sich fallen und war schon eine Etage tiefer.

Was? Aber warum denn? Komm schon, alle rätseln herum und ich versteh überhaupt nicht, warum du so ein Geheimnis daraus machst?!' Carag war mit zwei kurzen Sätzen um den Baum herum und folgte Samiya auf der anderen Seite nach unten.

Du musst es ja auch nicht verstehen!' Samiya war gerade auf einem etwas dickeren Ast angekommen, etwas entfernt vom Stamm, mit einer Hand hielt sie sich noch an dem dünnen Ast über ihrem Kopf und schien zu überlegen, welches nun der schnellste Weg zum Boden war. Weit war es nicht mehr.

Und sie kam auch nicht mehr weit...

Mit einem Satz landete dieser unmögliche Puma vor ihr und versperrte den Weg in Richtung Stamm und damit den Weg weiter nach unten.

Du kannst mir dein Geheimnis einfach verraten und ich lass dich vorbei,' in Carags Stimme lag ein provozierendes Lächeln. Er meinte es bestimmt nicht böse, nur hatte Samiya gerade ganz andere Probleme. Es war verdammt schwer, Carags leichte und geschmeidige Kletterei mitanzusehen, dieses wunderbare Gefühl, das er dabei haben musste - sie spürte, wie ihr Körper sich danach sehnte, einfach mit einem Satz - -

Samiya wagte einen Schritt in Carags Richtung - sie musste jetzt irgendwie an ihm vorbei und zwar schnell - da drang ein kurzes Fauchen an ihr Ohr...

Bist du verrückt geworden?! Du lässt mich jetzt sofort vorbei!!' Samiyas ganzer Körper fing an zu kribbeln, ihre Sinne wurden schärfer, da half Carags ‚ich bin nur neugierig'

in ihrem Kopf auch nicht mehr. Mit letzter verzweifelter Entschlossenheit erinnerte sie sich an dieses Gefühl, als sie auf einem Konzert ihrer Lieblingsband war, inmitten all der tanzenden, singenden Menschen...

Sie bedachte Carag mit dem wütendsten Gesichtsausdruck seit langem - was in ihrer jetzigen Stimmung nicht sehr schwer war - warf einen Blick nach unten - na also, so weit war es nun auch nicht mehr, vielleicht knapp zwei Meter. Oder ein bisschen mehr. Dann war das eben ihr Ausweg. Kleinigkeit...

Samiya - NICHT!' Carag erkannte zu spät, was das Mädchen neben ihm vorhatte.

Samiya ließ sich aus der Hocke einfach nach vorne fallen und landete einen kurzen Moment später auf dem Waldboden. Sie fing sich mit den Händen ab und blieb einen Augenblick ganz still.

Bist du okay?!' Carag machte sich schon zum Sprung bereit, da war Samiyas Stimme schon in seinem Kopf.

Bleib wo du bist!'

Sie richtete sich auf und rieb sich das linke Handgelenk. Jetzt nur schnell weg hier. Samiya konnte einfach nicht mehr. Noch einmal Carag der Puma aus der Nähe, und es wäre endgültig aus mit ihrer Beherrschung. Jede Stunde Kampf und Überleben wäre lächerlich dagegen.

Lass mich jetzt einfach gehen, ja?' Samiya drehte sich um und lief mit zügigen Schritten über die vom Mond leicht erhellte Wiese. Das schwache Licht ließ ihre Haare fast silbern erscheinen, leicht wippten sie hin und her.

***

Carag saß wie vom Donner gerührt noch immer auf dem breiten Ast und versuchte zu begreifen, was eben geschehen war. Warum war sie nur so wütend? Er verstand es einfach nicht. Für ihn war das Wegabschneiden wie ein Spiel gewesen, vielleicht ein bisschen mehr, aber da hatten sie sich wohl gründlich missverstanden. Wie sollte es nun weitergehen? Würde sie überhaupt noch einmal ein Wort mit ihm wechseln?

Und dabei war auf dem Baum fast schon so etwas wie Vertrautheit zwischen ihnen gewesen, Carag konnte nicht genau sagen warum, aber irgendwie war Samiya ihm nicht mehr fremd erschienen, er hatte das Gefühl, sie schon lange zu kennen. Was natürlich völliger Unsinn war, jetzt hatten sie gerade mal ein paar Sätze miteinander gesprochen.

Ja Carag, und das vermutlich auch nur, weil Samiya auf dem Baum in der Falle saß und dir nicht ausweichen konnte...

Seine innere Stimme war wie immer gnadenlos.

***


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