Die Hausfrau

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Sie hielt sich immer aus Diskussionen raus, obwohl sie meist eine sehr herausgearbeitete Meinung hatte. Aber diese zu verteidigen oder herauszustellen gefiel ihr wenig. Auch mit ihrem Mann vermied sie Grundsatzdiskussionen - zum Teil weil diese letztlich nicht sinnstiftend waren, zum anderen jedoch weil sie nicht die Kraft hatte sich mit anderen intellektuell zu messen. Sich generell zu messen. Sie hatte das Gefühl, das vieles anstrengender geworden war in der letzten Zeit. Tage zogen sich wie Kaugummis, oder gingen kaum merklich einfach an ihr vorbei. Sie kämpfte manchmal dagegen an, manchmal gab sie sich dem hin.

Eine Gesprächsrunde hatte sich auf dem Bildschirm gebildet. Sie war nicht sicher, wer genau dort vertreten war, aber es mussten wichtige Leute sein. Sie hörte wieder hin, gerade als ein gut aussehender Mann gelassen das Wort ergriff. Seine blonden Haare zogen immer wieder ihren Blick auf sich. Ruhig sagte er: „Ich finde die Darstellung sehr dramatisch. Um den angeborenen Entdeckungstrieb und die Neugierde der Menschen zu befriedigen und Missgeschicke zu vermeiden, muss auch genug Stoff geliefert werden. Das ist eine Abwiegelung die dort vonnöten ist."

Ein Mann mit hochrotem Kopf brüllte schon los, als die letzten Worte des hübschen Mannes noch nicht ganz gesprochen waren. „Wie kannst du das sagen, Lucius! Von dir hätte ich mir etwas ganz anderes erwartet. Ich bin enttäuscht! Die Menschen müssen im Zaum gehalten werden, und einen angeborenen Trieb zur Neugier gibt es sowieso nicht."

Eine junge Frau mit kalten Zügen warf ein: „Das es unterschiedliche Grundzüge gibt, die evolutionär wichtig sind und waren und weitergegeben wurden, ist aber mittlerweile wirklich genug belegt. Darüber müssen wir hier jetzt nicht diskutieren. Wir wissen genau wie Psychologie funktioniert, und eben auch, wie Menschen sich von Geburt an unterscheiden können. Es wird immer Menschen geben, die mehr forschen wollen als andere. Und ich glaube nicht, dass die in eine sehr menschenfeindliche Richtung der Selektion argumentieren wollen. Jedenfalls weiß ich, dass Sie das nicht sollten."

Die Frau gefiel Philomela. Sie kam auf den Punkt, ohne gewisse Dinge genau aussprechen zu müssen, und wirkte, als könne man mit ihr reden. Es war recht schnell klar, wie die Diskussion laufen würde. Der brüllende Man würde brüllen und sich immer weiter in seine Argumente verstricken, während die anderen beiden mit klaren Argumenten ihren Standpunkt vertreten würden. Die Gegenstimmen gegen die Forschung würden erstickt, und die Forschung weiter betrieben. So wie immer. Aber in einem Rahmen.

„Weiter", sagte Philomela gelangweilt, und ein neues Bild von einem brennenden Haus entstand. Sie stutze, und sah genauer hin. Sie konnte sich absolut nicht vorstellen, das in der Metropole ein Haus brennen würde. Das konnte einfach nicht sein. Sie waren in der sichersten Umgebung, die es gab. Um etwas anzuzünden, mussten viele Sicherheitssysteme ausgehebelt werden, Alea umgangen werden, und schließlich die Substanz der Häuser zum brennen gebracht werden. Was an sich auch nicht möglich war. Wieso brannte dieses Haus?

„Und heute ist der Beginn des zehnstündigen Hausbrandes im Künstlerviertel. Es haben sieben verschiedene Künstlerhäuser zusammengearbeitet, um dies zu ermöglichen. Es wurden komplizierte Programme geschrieben, das Haus leer geräumt und dann mit brennbarem Material verkleidet. Es wird bis heute Nacht brennen, gerade in den Abendstunden sollten Sie sich das nicht entgehen lassen."

Es wurde auf einen jungen Mann mit funkelnden Augen und dunklen, zerrissenen Klamotten gefilmt. Sein ganzer Körper war tätowiert, sein Gesicht, sein Kopf. Auch die Gruppe in der selben Kluft hinter ihm war tätowiert. Es sah aus, als hätten sie alle ähnliche, aber doch individualisierte Masken auf. Es war seltsam ästhetisch, und ihre Finger kribbelten, diese Gruppe skizzieren zu können. Sie wollte gern die Kunst in ihren Gesichtern auf Papier bringen, und jede Faser erforschen. Und eine Studie der Hände wäre eine tolle Idee für eine Serie auf zehn Leinwänden. Aber auch eine Fotografieserie wäre wundervoll. Mit Licht könnte sie mit den ganzen Gesichtern wahnsinnig schön spielen, mit Elementen wie Blumen Akzente setzen...

Sie merkte, dass sie kein Stück zugehört hatte. Die letzten Sätze des Mannes klangen in ihren Ohren: „... Freiheit zu demonstrieren, und darzustellen, was wir für eine Kraft wir mit unserer Kunst haben. Wir wollen ein wenig an die Grenzen gehen und die Schönheit im Hässlichen und in der Zerstörung darstellen. Es gibt nicht nur die Perfektion, die die Blüte der Schönheit darstellen, sondern auch das Feuer, zerbrochene Scherben oder absichtlich veränderte Körper können eine Ästhetik des Hässlichen sein. Wir können mehr, als wir gerade wollen. Die Kunst muss noch weiter denken und die Grenzen sprengen. Neugierde ist ein wichtiger Teil der Menschen."

Es würde wohl den ganzen Tag um die Neugierde und die Befriedigung der Neugierde gehen. Jetzt wurde es zurück in die Bahnen der Kunst gelenkt.

Die Erzählerstimme meldete sich wieder zu Wort: „Die Künstlergruppen werden die ganze Zeit vor Ort sein und Fragen beantworten. Kommen Sie vorbei und führen Sie Diskussionen über Kunst, oder was auch immer sie interessiert."

Philomela nickte. Sie wollte nicht diskutieren, aber ansehen, fotografieren und zeichnen. Vor allem den Initiator dieser Aktion. Irgendetwas an seinen Augen hatte sie fasziniert, sie fragte sich, ob sie das auf Papier bannen könnte. Sie hoffte, dass sie es konnte, sie wollte es gerne können. Wenn ihr Mann eh später kommen würde, hätte sie auch viel Zeit dafür. Vermutlich gerade so genug Zeit.

Sie stand auf, brachte den Teller in die Küche und ging in Richtung Badezimmer, um sich in die duftende Wanne zu legen und sich auf ihren Aufbruch vorzubereiten.

Sie warf die Kleidung zu der Klappe, die sich öffnete, und stieg in die Wanne. Langsam ließ sie sich ins warme Nass gleiten und entspannte sich sofort stark. Ihre steifen Glieder dankten es ihr, und sie schloss kurz die Augen, um mehr und mehr in die Entspannung zu kommen. Ein Bildschirm löste sich aus der Wand vor Philomela, und sie hörte den Ton langsam lauter werden.

„... eine wahrhaft tragische, unerklärliche Wendung, die wir uns nicht erklären können. Die Opfer sitzen vor uns, sie sind Menschen wie wir alle. Es hätte jeden treffen können."

Überrascht von dem ernsten Ton öffnete die Hausfrau ihre Augen wieder, um sich ein Bild machen zu können. Es war eine Frau mit einem Kind, die auf einer weißen Ledercouch saßen. Die Frau hatte etwas zerzauste Haare, braun, graublaue Augen und tiefe Augenringe. Rote Flecken schmückten ihr Gesicht, ihre Lider waren geschwollen, die Hände zitterten in ihrem Schoß. Der Junge sah verstört aus und starrte mit großen Augen in die Kameras, die sich um ihn herum bewegten. Keine Bewegung in seinem Gesicht verriet, wie er sich tatsächlich fühlte.

Die Hausfrau setzte sich unwillkürlich auf und sah in die Ausdrücke, um mehr davon aufnehmen zu können. Als die Frau langsam begann zu sprechen, hing sie an ihren Lippen. Es ging nicht nur ihr so, überall in der Metropole wurde versucht, alles aufzunehmen. Es war lange her, dass das Wort „Opfer" mit einer solchen Nachdrücklichkeit verwendet worden war. Es musste etwas derart aufrührendes passiert sein, dass es die Metropole erschütterte und für Veränderung sorgen würde. Sie erschauerte als sie merkte, dass sich wohl etwas verändern würde.

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