Rehabilitation

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„Die Patientin ist stabil, Sir. Wir mussten sie mehrere Minuten lang reanimieren, aber sie zeigte Willenskraft. Nach all dem was passiert ist braucht sie nun viel Erholung und Ruhe."

Es vergingen vier Tage als Dalia endlich wieder ihre Augen aufschlug. Das warme Licht welches durch das halb geöffnete Krankenhaus Fenster durchschien, erhellte den Raum. Sie hatte keine Schmerzen. Kein Wunder, ihre Medikation hätte einen gesamten Zoo voller Elefanten lahm legen können. Sprechen konnte sie durch den breiten Tubus in ihrem Mund nicht. Aber sie konnte hören, wie ein Stuhl zurecht gerückt wurde. Jemand war bei ihr. Als sich ein Kopf auf Augenhöhe zeigte, blinzelte sie mehrmals um ihre Sicht zu schärfen. „Hey meine Kleine..." sprach der Mann leise zu ihr. Er hatte graues Haar, buschige Augenbrauen und ein nettes, faltiges Lächeln. Sie kannte dieses Gesicht. Sie kannte diesen Mann. Sie kannte ihn bereits ihr ganzes Leben. Es war ihr Vater. War sie etwa tot? Sie konnte zwar nicht sprechen, aber Tränen vergießen war mittlerweile ihre leichteste Übung. Er wischte den kleinen, salzigen Tropfen sanft von ihrer Schläfe und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Schön dass du wieder zurück bist, Dalia." Sie hätte ihm so gerne geantwortet. „Ist sie wach?" Fragte eine weibliche Stimme hinter dem Mann hervor und trat ebenfalls in Dalias Blickfeld. Auch sie kannte sie bereits ihr gesamtes Leben lang. Sie erinnerte sich wie sie zu ihr nach New York kam. Aber wo war Sebastian? War er etwa nicht bei ihr? Und was suchte ihr Dad bei ihr? Als dann eine weitere männliche Stimme ertönte, verstand sie die Welt nicht mehr. Was suchte John hier? Spielten sie ihr gerade einen Streich? War sie wieder in Deutschland? „Hallo mein Liebling. Gott, bin ich froh deine Augen wieder zu sehen." Liebling? Was ging hier nur vor...

„Bitte, lasst ihr etwas Ruhe. Sie war einige Tage nicht bei Bewusstsein. Sie wird sicher sehr verwirrt sein." Dalia erkannte eine Krankenschwester die mit einer kleinen Lampe in ihre Pupillen leuchtete.

„Pupillen sind beide isokor. Sie ist hellwach" sagte sie mit einem stolzem Lächeln. „Hallo Dalia, ich bin Tatjana, deine intensiv Krankenschwester für heute. Du bist hier in guten Händen, hörst du? Ich kümmere mich um dich." Sie sah nett aus. Aber was suchte Dalia auf einer Intensivstation? Und wieso war John hier und nicht Sebastian? Wo war er bloß...Sie strengte sich an, an das letzte zu denken was geschehen war, doch konnte sich nicht wirklich daran erinnern. Sie war in einer Halle mit Dean und Michael und...Thilo? Gott was war nur passiert? Bevor sie weitere Energie in ihre Denkspiralen verwenden konnte, fielen ihr die Augen zu und sie schlief wieder ein.

Ein sanftes streicheln auf ihrem Handrücken erweckte sie nach einigen Stunden wieder. Es war Tatjana, ihre Krankenschwester. „Guten Morgen Dalia. Hast du gut geschlafen?" Sie summte vor sich hin während sie einen feuchten Waschlappen mit warmen Wasser über ihren Körper streifen lies. Sie wurde gerade gewaschen. So fühlte sich das also an. Dalia versuchte sich irgendwie zu artikulieren oder zu sprechen, doch sie war noch immer intubiert. Lediglich einige Würg Geräusche kamen zum Vorschein. „Du musst dich beruhigen, Liebes. Möchtest du etwas sagen?" Sie versuchte zu nicken, schaffte es aber nicht vollständig. Tatjana verstand sie aber wortlos. Die Kunst der Krankenschwestern. „Okay, wir machen das so: Ein mal blinzeln für Ja und zweimal blinzeln für Nein.." Sie wartete kurz und fragte sie nochmal um sich ganz sicher zu sein. „Hast du mich verstanden?" Dalia blinzelte einmal. „Na also, unsere ganz eigene Kommunikation." Sie lächelte. Sie konnte ihre Herzenswärme spüren. „Hast du schmerzen?" Dalia blinzelte zweimal und sah sie erwartungsvoll an. „Das ist gut. Hast du irgendwelche anderen Körper beschwerden? Juckt dich irgendetwas? Der Gips vielleicht?" Wie bitte, Gips? Was denn bitte für ein Gips.. Sie blinzelte schnell mehrmals hintereinander. „Hm, kannst du dich an irgendetwas erinnern?" Fragte sie während sie ihren Arm mit einem kratzigen Handtuch abtrocknete. Ein deutliches Nein blinzeln. „Soll ich dir erzählen was passiert ist?" Unbedingt.   Sie konnte sich nur noch an die Stichwunde von Michael erinnern. Was danach passierte war einfach weg. „So weit es uns von den Rettungskräften erzählt worden ist, wolltest du für deinen Vater einkaufen gehen und warst mit dem Fahrrad unterwegs. Du hast Musik gehört und dabei den LKW hinter dir nicht gehört. Er hat dich von hinten erfasst und ziemlich übel angefahren."

Dalia sah Tatjana entsetzt an. Das was sie sagte ergab für sie keinen Sinn. Ihre Atmung beschleunigte sich, was ihr natürlich durch den piepsenden Monitor nicht entging. „Du musst langsamer und regelmäßiger Atmen, hörst du? Hier, Machs mir nach.." Sie atmete ihr vor doch Dalia konnte sich nicht beruhigen. Ihr Herz schlug schneller als es sollte und Tatjana fackelte nicht lange und verabreichte ihr etwas Propofol. „Es wird gleich wieder besser werden, Dalia...Es tut mir sehr leid, das war doch schon viel zu viel auf einmal." Es wurde wirklich wieder besser und sie spürte wie ihre Augen stück für stück schwacher wurden bis sie wieder einschlief. Als sie aufwachte, war es dunkel und nur gedämmtes Licht aus dem Flur war zu sehen. War es etwa Nachts? Wo war Tatjana? Sie hörte ein Klingeln von draußen und Schritte die auf sie zu kamen. „Hallo Mrs Mason. Ich bin Stefan und habe heute Nachtdienst. Haben sie schmerzen? Brauchen sie etwas?" Dalia blinzelte, wie mit Tatjana geübt. „Ich glaube das ist ein Nein. Blinzeln sie noch einmal wenn ich damit richtig liege." Wie gewünscht blinzelte sie. Gott sei dank hatte es Tatjana ihren Kollegen erzählt. Ein erleichtertes Lächeln lag auf seinen Lippen. Wenigstens einem konnte sie damit Freude machen.

„Ich würde sie einmal etwas anders hinlegen und nach ihren Schläuchen sehen, okay?" Er zupfte und zog an ihr bis sie für ihn richtig lag und er zufrieden damit war. Leider war diese Art von Lagerung ziemlich unbequem. Wer lag bitte so? Sie blinzelte schnell hintereinander um ihm zu verstehen zu geben, das etwas nicht stimmte. „Ist das nicht angenehm so?" Ein deutlicheres stummes Nein hätte sie wohl nicht von sich geben können. Ihre zusammengekniffenen Augenbrauen sprachen Bände. Er entnahm ihr wieder die Kissen aus ihrem Rücken und machte es ihr damit angenehmer. Er kontrollierte ihren Katheter und die vielen Drainagen. Sie konnte es nicht sehen, aber er kommentierte alles was er tat. Zwischendurch hatte sie das Gefühl, dass er sich eigentlich nur selbst unterhielt. Nachdem er ihr eine Gute Nacht wünschte und sich verabschiedete, konnte sie wieder aufatmen. Nicht, dass es nicht bereits die Maschine hinter ihr für sie tat. Was bedeutete das alles? Träumte sie? Wurde sie in ein Krankenhaus nach Deutschland gebracht? Aber das machte keinen Sinn. Wieso sollte ihr Dad hier sein, er war doch tot seit über einem halben Jahr. Oh Gott, die Hochzeit! Wie sollte sie innerhalb von nur zwei Monaten wieder fit werden? Shit, sie wusste gar nicht ob sie noch in ihr Hochzeitskleid passen würde... Noch viel wichtiger war die Frage, wieso Sebastian nicht neben ihr saß. Sie war traurig und einsam und wünschte sich nichts mehr als seine Berührung. Eine Träne rannte ihr über die Schläfe. Sie kitzelte und sie versuchte sich zu bewegen um sie weg zu wischen, doch es gelang ihr nicht. Außer ihren Fingern konnte sie nichts weiter bewegen. Das machte ihr riesige Angst. Was wenn sie sich nie wieder bewegen konnte? Würde sie ein Pflegefall werden? Oder im Rollstuhl sitzen?

Sie versuchte die schweren Gedanken abzuschütteln und erinnerte sich an das Zusammentreffen mit Tom und Sebastian, und an ihren ersten Tag in der Kanzlei. Ihre erste amerikanische Wohnung mit ihrer geliebten Feuertreppe und Tuna, ihren geliebten Kater den sie von der Straße gerettet hatte. Gott, wie sie alle vermisste. Es dauerte nicht lange und sie schlief schneller als gedacht wieder ein. Geweckt wurde sie wieder von einer übermotivierten Tatjana, die gerade irgendetwas im Zimmer sortierte oder aufräumte. So ganz ohne einen Blick darauf zu werfen, war es schwer anhand nur einzelner Geräusche herauszufinden, was sie gerade tat. „Ach, sind wir auch endlich mal wach Schlafmütze?" Sie grinste sie freundlich an. Sie trug einen hellen Lippenstift der ihre blasse, mit Sommersprossen gesprenkelte Haut wie eine Elfe wirken lies. Die Orangefarbenen Haare halfen ihr dabei. Sie war wirklich wunderhübsch. „Sollen wir da weiter machen wo wir gestern aufgehört haben?" Ja bitte! Sie musste wissen, was genau passiert war um dieses gigantische Chaos zu verstehen. „Aber bitte versprich mir nicht wieder auszuflippen, okay? Sonst muss ich dich wieder schlafen legen.." Sie zwinkerte ihr lachend zu. Witzig war sie also auch noch. „Wie du hier her gekommen bist, habe ich dir gestern schon erzählt. Möchtest du wissen was wir hier mit dir gemacht haben, während du dir nicht sicher warst ob du bei uns bleiben wolltest oder nicht?" Einmal blinzeln für Ja. „Du...hast mehrere schwierige Brüche in deinen Beinen. Sie sind beide vergipst. Dein rechter Oberarm und das Schlüsselbein sind ebenfalls gebrochen. Du warst ziemlich schwach und hast mehrere innere Blutungen gehabt, deswegen mussten dich unsere super heißen Ärzte operieren." Das super heiß flüsterte sie grinsend. „Nachdem du wieder draußen warst, hatte dein Körper seinen eigenen...Kopf. Er wollte nicht mitarbeiten, also mussten wir dich intubieren und dich ins künstliche Koma versetzen." Dalia versuchte alle Informationen zu verdauen. Sie überlegte weiter was sie sie ihr noch erzählen konnte. „Insgesamt lagst du etwas mehr als drei Wochen intubiert und schlafend da. Bis vor zwei Tagen. Dein Herz wollte schlapp machen, aber wir haben protestiert und dich wieder zurück geholt und jetzt unterhalten wir uns hier gerade." Ganz schön viele Informationen für ihr momentan matschiges Hirn. Noch immer versuchte sie irgendwie eins und eins zusammen zu zählen, aber es erschien ihr immer noch wie hinter einem Schleier.

„Kommst du soweit mit?" Fragte sie vorsichtig nach. Dalia blinzelte. „Prima. Wenn du weiter so gut mitarbeitest, können wir dir den Schlauch schon morgen rausnehmen. Ich bin gespannt wie deine Stimme klingt." Sie tätschelte ihre Schulter und entschuldigte sich einen Moment nach draußen. Es gab noch immer keinen Zusammenhang zwischen New York und Deutschland.

Könnte es sein dass....daran wollte sie überhaupt nicht denken. Dafür wäre es ein viel zu intensiver Traum gewesen. Aber könnte so etwas möglich sein? Ehe sie noch weiter darüber nachdenken konnte, kam Tatjana auch schon wieder zurück. „Da bin ich wieder und ich habe dir jemanden mitgebracht." Joyce stand in der Tür und sah sie mit einem unsicheren Lächeln an. Die Schwester rückte einen Stuhl für sie zurecht und brachte Dalias Kopfteil in die Höhe sodass sie im Bett saß. Gott war das angenehm mal eine andere Position als liegen beizubehalten. Sie konnte das erste mal den Rest ihres Körpers sehen. Überall Kabel und Schläuche und ihre eingegipsten weißen Beine. „Hey Dal. Wie geht es dir?" Sie legte ihre Tasche auf den Boden und setzte sich hin. „Sie kann dir antworten wenn du ihr Ja Nein Fragen stellst. Einmal blinzeln für Ja und zweimal für Nein. Ladies, Ich bin draußen falls ihr mich braucht" und so schnell wie sie vorher bei ihr war, verschwand sie auch wieder. „Geht es dir gut?" Fragte Joyce. Eigentlich gab es darauf nur eine Antwort, aber sie entschied sich für die einfachere Methode. „Wir haben uns wahnsinnige Sorgen um dich gemacht. Scheisse Dal, du hättest Tot sein können." Okay, also Joyce war immer noch Joyce. „Als der Anruf von deinem Dad kam, bin ich sofort zu ihm und John hat uns hier her gefahren. Wir haben die ganze Nacht auf eine Nachricht aus dem OP gewartet. Du sahst echt mitgenommen aus und mehr Tot als lebendig wie du da so lagst, bewusstlos und an den viele Schläuchen. Ich meine...du hast immer noch viele Schläuche an dir und...in dir, aber du bist wach! Welch ein Wunder..." Sie erwähnte nichts von Sebastian. Verdrängte sie es etwa? „John war krank vor Sorge. Er war kurz davor durchzudrehen, weißt du. Ich habe ihn wirklich noch nie so gesehen. Er liebt dich wirklich sehr Dal." Ugh, John. Wieso redete sie aufeinmal so gut über ihn, sie hasste ihn doch abgrundtief... „Er hat sogar eure Wohnung umgestaltet und dekoriert. Glaub mir, du wirst es lieben!" Unsere Wohnung? Bitte, konnte sie irgendwer kneifen? „Kannst...du dich an den Unfall erinnern?" Dalia muss wohl so verloren geschaut haben, dass Joyce zunehmend nervöser wurde.

Dalia blinzelte zweimal. „Oh, okay...und an alles davor?" Auch wieder nein. „Aber du weißt noch wer wir alle sind oder?" Ein nervöses lächeln definierte ihr Gesicht. Natürlich wusste sie wer alle waren. Sie hatte keinen Gedächtnisschwund. „Hey, lass uns was ausprobieren." Sie zog einen Notizblock und einen Stift aus ihrer Tasche und lehnte sich im Stuhl zurück. „Ich habe das letztens in einem Film gesehen und dachte, vielleicht, können wir das ausprobieren.."  Sie wirkte verändert. Vielleicht war es aber auch nur das Krankenhaus welches ihr zu schaffen machte. „Ich sage dir das Alphabet auf und du blinzelst bei dem richtigen Buchstaben, okay?" Alles was du willst Joyce. Ihr war gerade wirklich nicht nach Spielen. „Vielleicht kriegen wir richtige Sätze zusammen." Moment mal, Sätze? Versuchte sie ihr gerade zu ermöglichen, einen richtigen Satz zusammen zu bekommen? Los gehts...

Dalia versuchte sich zu konzentrieren und beim richtigen Buchstaben zu blinzeln und Joyce schrieb fleißig auf. Es funktionierte tatsächlich. Dalia, beziehungsweise Joyce, schrieb ganze Sätze die auch noch Sinn ergaben aufs Papier. Sie las ein „Schön dass du da bist" vor und ein „Viel ist massiert" obwohl das eigentlich passiert hätte heißen müssen. Joyce strahlte und freute sich über jedes Wort. Dalia wollte weiter gehen. Sie wollte verstehen, ob sie sich das alles bloß vorgestellt hatte oder es tatsächlich passiert sei. Ich hatte einen Traum stand als nächstes auf dem Papier. Ich lebte in New York getrennt von John.

Joyce sah auf bei dem letzten Satz und weitete die Augen, sagte aber nichts weiter. Das war bloß ein Traum, richtig? Nun war es Dalia, die Fragen stellte.

Joyce nickte. Es fühlte sich alles echt an. Sie legte ihre Hand auf ihre Schulter und streichelte sie liebevoll. Dad war tot und auch deine Mom. Joyce schluckte deutlich bei dem Satz. „Sie sind beide wohl auf." Du bist zu mir nach New York. „Pff, Ich und New York? Das war wirklich ein komischer Traum." Sie lachte und streifte sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Ich war verlobt. „Uhh, mit wem denn?" Fragte sie euphorisch. Tränen verschleierten Dalias Sicht. Sie sah weg von Joyce und fühlte einen riesigen Stein in ihrem Herzen. „Oh, Süße. Das muss wohl ein toller Traum gewesen sein." Fühlte sich an wie mein echtes Leben.

„Das tut mir sehr leid Dalia. Aber vielleicht...war das ein Zeichen? Vielleicht wird noch irgendetwas wunderbares in deinem Leben passieren!" Sie wandte erneut den Blick ab. Alles wunderbare war ihr bereits in ihrem Traum passiert. Sie wollte nichts anderes. Selbst Dean oder Michael oder Thilo. Alles war vergessen. Sie wollte nur Sebastian. Sie behielt es schlussendlich für sich mit wem sie imaginär verlobt war. Es war die bittere Realität die sie nun alleine verkraften musste. Tatjana kam herein und bemerkte ihre Tränen. Als sie auf Joyce Block hinuntersah, wurde sie ungeduldig. „Ich glaube das reicht. Wir sollten sie nicht aufwühlen. Sie wird ihre Kraft noch brauchen." Sie sah nochmal nach dem Monitor und legte Dalia wieder auf den Rücken. Damit machte sie Joyce deutlich, dass es nun Zeit für sie war zu gehen. Joyce gab Dalia noch einen Kuss auf die Stirn und drückte ihre Hand. „Ich freue mich schon von diesem Traum zu hören" flüsterte sie ihr ins Ohr und verabschiedete sich von Station. Dalia musste sich nun ausruhen. Morgen würde ihr der Tubus entfernt werden und sie würde alleine atmen. Zum Sprechen war sie noch nicht in der Stimmung.

Alles verlief nach Plan. Ihre Lunge hatte sich nach dem Lungenödem wunderbar erholt und die Thoraxsaugdrainage leistete hervorragende Arbeit. Sie fühlte sich, nachdem das Teufelsding endlich draußen war, wirklich etwas besser. Alle warteten auf die Logopädin die mit ihr das Sprechen üben sollte. Dalia hatte überhaupt keine Lust dazu. Sie war noch immer zu tief in ihren Gedanken. Es war noch immer undenkbar für sie, dass ihr Gehirn sich das alles nur ausgedacht hatte um sie in der Zeit während dem Koma auf Trab zu halten. Mittlerweile hatte sie auch wieder sämtliche Erinnerungen zu dem letzten Vorfall in der Halle. Sie wurde ebenfalls wiederbelebt. Vielleicht hatte der Schock des Defibrillators dazu geführt, sie aus ihrer Traumwelt rauszuholen. Egal wie sehr sie versuchte das ins positive umzuwandeln, hasste sie es mit jeder Sekunde mehr in dieser Welt. Und die Tatsache dass Sebastian Stan zwar existierte, aber keinen blassen Schimmer hatte dass Dalia überhaupt existierte, machte es ihr umso schwerer. Dabei haben sie doch ein gemeinsames Leben miteinander geteilt. Im Traum, zumindest.

Die Logopädin hatte am Ende vom Tag ihr Ziel erreicht und Dalia konnte ihren Namen sagen. Ihre Stimme hörte sich tief und kratzig an. Als wäre sie Kettenraucherin seit vierzig Jahren. Nach einigen Mutmachenden Sätzen verschwand Katie, die Logopädin mit den Riesen Brüsten, auch wieder. Sie bemerkte wie Tatjana sie beim rauslaufen anstarrte und grinste. Als ihre Blicke sich trafen, zog Dalia spielerisch die Augenbrauen schnell hoch und runter und machte ein anzügliches Gesicht. „Ach, hör doch auf." Tatjana wirkte beschämt und wurde sofort rot. Fast so rot wie ihre Haare. Erwischt. Ein Krankenhaus scheint wirklich der beste Dating/Verkupplungsort zu sein. Nachdem sie ihr die Medikament über die Magensonde verabreicht hatte und das Bettlaken zurecht gezogen hatte, verabschiedete sie sich in ihren wohl verdienten Feierabend und ihre nächsten drei freien Tage. Dalia wollte um ehrlich zu sein niemand anderes als Schwester.

Sie mochte Tatjana sehr und hat ihr mit ihrem interessanten Humor in der Zeit sehr geholfen. Nachdem sie auch diesen Tag wieder mit Bravur gemeistert hatte und unzählige Komplimente von ihren Ärzten bekam was für wunderbare fortschritte sie doch machte, versuchte sie sich zurück in ihren Traum zu träumen. Es gelang ihr jedoch nicht sofort, sodass sie entmutigt aufgab und sich ihrer Müdigkeit geschlagen gab. Die nächsten Tage verliefen quälend langsam. Sie übte mehrmals täglich mit den Pflegern, mit der Logopädin und mit sich selbst. Ihr Vater hatte sie besucht und sie war unheimlich froh ihn zu sehen und ihn sprechen zu hören. Auch wenn es etwas komisch war, da sie zutiefst um ihn getrauert hatte, monatelang. Aber er stand vor ihr in Fleisch und Blut. Das musste sie erstmal verkraften. John war heute an der Reihe. Es war befremdlich ihn neben ihr sitzen zu sehen. Auch von ihm hatte sie sich ein ganzes Traumjahr entfernt. So fühlte es sich auch tatsächlich an. Sie wusste aber noch immer nicht, an welchem Punkt ihrer Ehe sie gerade standen. Ehrlich gesagt war ihr das sowas von egal. Jegliche Gefühle die sie für ihn hatte waren verschwunden. Ihr Gehirn hatte ganze Arbeit geleistet. Dalia war vor ihm resigniert und redete nicht. Sie wollte sich nicht mit ihm unterhalten. Das war viel zu schräg. Auch wenn es John wirklich bewundernswert und mit einer Engelsgeduld versuchte, sie konnte sich nicht aufrappeln ihn noch als ihren Ehemann zu sehen. „Erinnerst du dich überhaupt noch an unser gemeinsames Leben?" Fragte er irgendwann nach geschlagenen zwanzig Minuten unangenehmer Stille. Sie schüttelte den Kopf. Das war nicht gelogen, sie wusste wirklich nicht wo sie gerade standen. John senkte den Blick und sah traurig zum Boden. „Ich liebe dich Dalia, weißt du das?" Sie würdigte ihn keines Blickes. Zu groß war der Schmerz der in ihrem Herz hauste. „Bitte sag doch was. Oder sieh mich wenigstens an" flehte er und wollte ihre Hand nehmen die sie gekonnt wegzog, wenn auch langsam. Sie hatte gerade erst wieder ein Gefühl in ihren Gliedmaßen.

„Du wirst nach dem Krankenhaus in eine Reha gehen. Dort können sie sich besser um dich kümmern als ich es kann." Hatte sie überhaupt noch Mitspracherecht in ihrem Aufenthaltsort? Aber sie wollte nicht diskutieren. Abstand tat ihr sicher gut. Nachdem sie weitere Minuten schwiegen, stand er irgendwann auf, richtete sich sein Jackett und fing an Schmutzwäsche in eine mitgebrachte Tasche zu stopfen. Er kümmerte sich noch immer um sie, auch, wenn er selbst spürte, dass es nicht mehr so werden würde wie es wohl vor dem Unfall gewesen mag. Als er fertig war lief er um ihr Bett und beugte sich zu ihr. Er legte eine Hand auf ihre, diesmal zog sie sie nicht weg. „Ich werde immer für dich da sein, Dal. In guten wie in schlechten Zeiten, weißt du noch?" Er küsste sie auf die Stirn und ging ohne weiteres zu sagen aus dem Zimmer. Sie wartete bis er aus dem Blickfeld war und lies ihren Tränen freien Lauf. Ungebremst fielen sie auf ihr Krankenhaus Nachthemd und durchtränkten es. Sie wollte das alles nicht mehr. Sie konnte es nicht ertragen. Wieso wurde sie so bestraft? Wurde es ihr denn nicht gegönnt dass sie glücklich war? Selbst wenn es nur in ihrer Traumwelt war? Sie kämpfte noch weitere Minuten mit ihren Gefühlen bis ein Pfleger das Zimmer betrat und das grelle Licht einschaltete um sie zu versorgen. Schnell versuchte sie ihren Kopf weg zudrehen damit er sie nicht direkt ansah. Ihr war es immer noch unangenehm dass Leute sie weinen sahen. Auch wenn sie wusste, dass diese Menschen sie bereits in einer viel schlimmeren Verfassung gesehen hatten.

In dieser Nacht träumte sie tatsächlich von Sebastian. Sie kam aus ihrem Urlaub zurück und er erkannte sie nicht mehr wieder. Er wusste nicht mehr wer sie war. So, wie es auch jetzt tatsächlich sein würde. Es war ein furchtbarer Alptraum von dem sie auch erwachte.

Ihr Herz raste und der Monitor spielte verrückt. Dieses piepsen ging ihr mittlerweile gehörig auf die Nerven. Eine junge Schwester kam ins Zimmer um nach ihr zu sehen. Sie war noch keine 25. Sie wirkte unsicher und sah nervös auf den Monitor. Wahrscheinlich ein Lehrling. „Guten Morgen Mrs Mason. Was ist los?" Fragte sie und lies ihren Blick über sie schweifen. Dalia nahm tief Luft um zu sprechen, atmete aber fehlerhaft ihren eigenen Speichel ein. Sie hustete wie am Spieß und bekam zwischenzeitlich keine Luft mehr. Ihr Hals brannte wie Feuer und sie wollte sich nur noch aufsetzen. Klasse Dalia, noch nicht einmal atmen kannst du. Die junge Frau stand etwas überfordert neben ihr am Bett und richtete das Kopfteil nach oben. Na Gott sei dank. „Ich hole eine Schwester, nicht bewegen!" Rief sie und wollte gerade verschwinden, als Dalia sie wieder zu sich zitierte. Nicht bewegen, wiederholte sie in ihrem Kopf. Wo sollte sie denn hin mit zwei gebrochenen Beinen? Sie musste tatsächlich schmunzeln. „Nicht nötig" sagte sie krächzend nachdem sich ihr husten beruhigt hatte.

„Was ist los?" Fragte sie erneut. Dalia sah verstohlen auf das Namensschild und bestätigte ihren Verdacht von einem Lehrling. Das junge Mädchen hieß wie ihre Mutter. Ein wunderschöner Name. „Nur ein Alptraum" brachte sie leise, und ohne ihre Stimmbänder zu beanspruchen, von sich. „Kann ich was für sie tun? Brauchen sie etwas?" Dalia schüttelte ihren kopf und lächelte ihr freundlich zu. Die arme muss bestimmt einen Schreck bekommen haben. Sie lies ihren Oberkörper wieder nach unten und kontrollierte die Vitalwerte. „Scheint sich wieder alles zu normalisieren. Wenn sie...das nächste mal einen Alptraum haben, versuchen sie sich einen Ort vorzustellen, an dem sie lieber sein würden. Vielleicht hilft das etwas... Gute Nacht Mrs Mason." Sie verschwand schnellen Schrittes und zog die Schiebetür etwas zu. Netter Einfall, hatte sie nur bereits über drei Wochen getan. Okay, stopp. Sie versucht nur zu helfen, ermahnte sie sich selbst nicht so negativ zu denken. Dalia dachte wie jede Nacht an Sebastian. Sie stellte sich ihr wiedersehen vor und wie er am Altar auf sie warten würde. Sie dachte an sein lächeln und an die vielen Momente die sie mit ihm gedanklich hatte und versank wieder in einen ruhigeren Schlaf als davor.

Die nächsten Monate in der Reha waren die Hölle. Die Gipse an den Beinen wurden ihr abgenommen und sie musste ihre Beinmuskulatur wieder aufbauen. Durch die parenterale Ernährung und gelegentliche Sondenkost, hatte sie gut 14 Kilo verloren. Sie hatte einen regelrechten Schock bekommen als sie sich das erste mal in den Spiegel gesehen hatte. Sie erkannte sich nicht wieder. Es war höchste Zeit wieder die alte zu werden. Doch Motivation hatte sie dafür noch immer nicht. Wenn sie nicht bei ihren Therapien war, versauerte sie in ihrem Zimmer im Bett. Hauptsächlich an die Decke starrend und vor sich her grübelnd. Manchmal redete sie mit sich selbst. Außer sie bekam Besuch. John besuchte sie anfangs einmal in der Woche, bis die Besuche weniger wurden und final ausblieben. Sie erkundigte sich aber auch nicht nach ihm. Das Interesse an ihm hatte sie mittlerweile vollständig verloren. Sie sprach aber auch mit niemanden darüber, auch nicht mit Joyce. Ihre Gesprächsthemen kreisten hauptsächlich um ihre Reha Fortschritte und um Joyce neuen Freund Oliver. Sie kannte ihn seit wenigen Wochen und strahlte natürlich bis über beide Ohren wenn sie von ihm erzählen durfte. Sie war wie ausgewechselt und wollte sich dementsprechend nicht mit düsteren und traurigen Themen beschäftigen. Auch wenn das ziemlich egoistisch von Dalia war, nur über sich und ihrer Traumwelt sprechen zu wollen, gab es für sie nichts anderes was sie interessierte. Sie trauerte einem Leben hinterher welches nur in ihrer Fantasie entstanden war. Traurig, aber sie wollte es nicht wahrhaben.

Joyce hatte ihr auch bereits einmal ihre Meinung darüber gesagt und dass sie fand, dass Dalia ihr echtes Leben aus den Augen verlor um etwas nach zu jagen, was nicht existierte. Nachdem sie sich deswegen angekeift hatten und zwei Wochen nicht mehr miteinander gesprochen hatten, sprang Dalia über ihren Schatten und versuchte echtes Interesse an ihrer Freundin und ihr Leben zu zeigen. Die dicke Luft zwischen den beiden war schnell wieder verflogen und sie waren wieder dort, wo sie davor stehen geblieben waren. Nur die John Problematik hing ihr noch im Magen. Dalia grauste es, zu ihm zurück gehen zu müssen. Sie wollte sich nicht ausmalen wie der Alltag mit ihm werden würde. Hier und da hatte sie bereits mehrere Ideen wie sie flüchten konnte, aber das waren alles nur Spielereien. Einen richtigen Plan hatte sie noch nicht. Erst einmal musste sie weitere Wochen Reha ertragen und hoffen, dass ihr Körper dass durchstand und wieder mitspielte. Durch einen Nervenschaden ihrer Beine hatte sie mittlerweile Sensibilitätsstörungen. Die Ärzte sagten es würde sich nach einigen Wochen Training wieder legen. Doch auch nach zwei weiteren Monaten blieb alles unverändert. Bis auf unschöne große Narben blieb nur die Erinnerung an diese Zeit. Bekanntlich würde die Zeit alle Wunden heilen, doch die riesige, offene Wunde in ihrem Herzen wird sich niemals schließen.

Nicht so lange sie nicht herausfinden würde, ob das Leben ein Alternatives Ende für sie bereit hielt...

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