Spuk in Leap Castle - Aller guten Dinge sind drei

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Lillian hetzte zum Ausgang. Die weiß getünchten Wände zogen an ihr vorbei, während ihre Augen jede Unebenheit erfassten. Hätte sie nach den Skeletten suchen müssen, die noch immer in diesen Wänden eingemauert waren – sie hätte gewusst, wo sie mit der Suche beginnen würde. Aber das war nicht wichtig.

Lillian nahm es trotzdem wahr.

Ebenso das leise Brummen eines Flugzeuges über dem Schloss, als sie durch die quietschende Eingangstür hinaus ins Freie hastete. Oder das Todesquieken einer einzelnen Maus, als irgendein Jäger sie fing. Lillian hörte alles.

Und trotz der gebotenen Eile war es berauschend. Endlich nicht mehr taub und blind durch die Welt taumeln. Endlich das Leben wieder spüren.

Die Vampirin atmete tief ein. Das frischgemähte Gras kitzelte in ihrer Nase. Und auch der Geruch der Menschen, die hier vor kurzem langgegangen waren, lag noch schwer in der Luft. Freudige Erwartung, Spannung... Leben...

Hunger.

Lillian taumelte. Wann hatte sie das letzte Mal etwas zu sich genommen? Sie wusste es nicht. Der Ring verlieh ihr eine eigene Aura, die sie als tote Kreatur nicht hatte. Und so unterdrückte er den Großteil des Hungers nach den Auren von anderen lebenden Kreaturen. Aber jetzt war er weg. Und sie war hungrig. Viel zu lange schon. Ungewollt glitt ein Knurren durch ihre Kehle.

Ein Schrei, kreischend hoch und voller Panik.

Er klirrte regelrecht in Lillians Kopf, verdrängte den Hunger der Vampirin. Sie hatte eine Aufgabe. Würde sie die nicht lösen, würde sie weitaus größere Schwierigkeiten als ihre Selbstkontrolle kriegen. Also zwang sie den Hunger zurück und rannte das letzte Stück hin zu dem verfallenen Flügel, in dem die blutige Kapelle lag.

Als sie ankam, war es schon fast zu spät. Das wusste die Vampirin, noch bevor sie durch den verfallenen Torbogen hetzte, denn der Gestank von Blut und Verwesung schlug ihr übelkeitserregend entgegen.


Einen Wimpernschlag später sah sie das Chaos. Die schattenhafte Gestalt des Elementars kauerte über dem Mädchen, wie die Eule über der frisch gerissenen Maus. Nichts und niemand würde ihn dazu bewegen, freiwillig von seiner Beute abzulassen. Schließlich besaß auch er keine Aura. Aber wenn er in die physische Welt der Lebenden entkommen wollte, musste er eine stehlen.

Doch die anderen Mäuse schienen es dem Raubtier schwer zu machen. Die Geister der Kinder und Mademoiselle Vallet umschwirrten den Elementar und verwirrten seine noch immer geschwächten Sinne, während die beiden jungen Männer versuchten, mit Steinen auf ihn einzuschlagen. Zwecklos. Ein schwacher Elementar war mehr in der Geisterwelt verankert als in der physischen, sodass die Angriffe direkt durch ihn hindurch gingen. Und er war schwach. Noch. Denn bisher hatte er nur die Auren von ein paar Vögeln verschlungen. Das hielt ihn geradeso in der Freiheit der physischen Welt. So knapp, dass nichts daraus ihn verletzen konnte und die Geister noch großen Einfluss auf seine Sinne nahmen.

Doch er war stark genug, das schreiende Mädchen am Boden zu halten und mit einem scharfen, schnabelartigen Ding, das da war, wo von den Proportionen her ein Gesicht sein sollte, immer wieder auf sie einzuhacken – ein sichtbares Überbleibsel seiner letzten Beute. Und eine heimtückische Waffe. Bei jedem Stoß schrie seine Beute markerschütternd. Lillians Herz zog sich zusammen, als der eisenhaltige Geruch von Blut sich unter den Verwesungsgestank des Monsters mischte.

Sie durfte nicht länger zögern.

Mit einer fließenden Bewegung zog sie ihr Messer und warf es direkt nach dem Elementar, als dieser sich ein weiteres Mal zu dem Mädchen herab beugte. Diesmal war es nicht das Mädchen, das schrie. Physische Dinge konnten ihm keinen Schaden zufügen. Mit einer Geisterklinge sah die Sache schon anders aus.

Als der Elementar den Kopf hob, fixierten Lillian zwei rot glühende Augen. Ein Blick, den sie ungerührt erwiderte. „Eins", zischte die Vampirin leise und trat provokativ an den beiden jungen Männern vorbei, deren aufgewühlte Ausrufe sie direkt ignorierte und ihnen stattdessen mit einer einzigen Geste befahl, zurückzubleiben. Sie waren eh unnütz.

Ganz langsam hob sich die krallenartige Hand des Elementars zu dem Geistermesser in seinem Arm und zog es mit einem Ruck heraus. Schwarze Suppe quoll aus der eben gerissenen Wunde, tropfte schmierig auf das wimmernde Menschenmädchen unter ihm.

Offensichtlich wollte er beide behalten – die Klinge und das Mädchen, deren Aura sein Ticket zur Freiheit sein sollte.

Doch hatte er die Rechnung ohne Mademoiselle Vallet gemacht. Deren Hand zuckte nach vorn und schlug dem völlig überrumpelten Elementar die Klinge aus der Hand. Einen Moment später war Emily herbeigewuselt. Das Geistermädchen schnappte sich den Dolch und warf ihn der Vampirin mit überraschender Präzision zu. Auch Geister konnten Geisterklingen mühelos berühren.

Das Monstrum schrie auf und schlug nach dem Mädchen. Dessen Umrisse lösten sich mit einem Geräusch auf, das wie Kreide auf einer Schiefertafel klang.

„Emily!", schrien die Gouvernante und Lillian gleichzeitig. Doch während die Gouvernante zu der Stelle hastete, wo das Mädchen bis eben noch gestanden hatte, nutzte Lillian die Ablenkung. Sie sprang nach vorn und versenkte ihren Dolch ein zweites Mal in dem Arm des Monsters. Noch während Lillian zurückhechtete und den Dolch mit sich riss, schrie das Vieh erneut auf. Diesmal floss noch mehr von dem schwarzen Zeug.

„Zwei", keuchte Lillian und ging erneut in eine Angriffsposition. „Aller guten Dinge sind drei, Drecksstück."

Es zuckte. Lillian ließ sich ihre Überraschung nicht anmerken – bisher hatte sie nicht einmal gewusst, dass es sie überhaupt verstand. Aber vielleicht war es auch nur Zufall. Oder auch nicht, denn es brüllte noch einmal und hackte wieder auf Amandas Aura ein. Ihre Schreie waren wohl noch kilometerweit zu hören sein mussten – ebenso wie das Brüllen ihrer zwei Begleiter. Dann schwang es sich von dem Mädchen hinunter und zum Fenster hinaus. Lillian rauschte hinterher, doch ein Wimmern hinter ihr hielt sie zurück.

Das Mädchen.

Der Elementar.

Wie schlimm war sie verletzt?

Wie viele Opfer würde es kosten, wenn er entkam?

Das Mädchen schluchzte wieder.

Mit einem Fluch auf den Lippen drehte sich Lillian zu ihr um. Ihre beiden Begleiter hockten schon neben ihr. Wuschelkopf, der ihre Hand hielt und leise auf sie einredete, während der andere an seinem Handy rumfummelte, wohl um einen Notarzt zu rufen. Das war wohl keine schlechte Idee.

Mit wenigen Schritten war Lillian bei ihnen und hockte sich neben das Mädchen.

„Was – was ist passiert?", stammelte der junge Mann.

Doch die Vampirin konnte nicht antworten. Blut. Da war überall Blut.

Das Wimmern des Mädchens dröhnte im Kopf der Vampirin. Hunger.

Es wäre ganz leicht. Erst den jungen Mann ihr gegenüber mit einem Schlag betäuben, dann den anderen überwältigen. Schnell und dreckig sein Blut nehmen. Seine Aura. Alles, was er hatte. Dann der Betäubte. Bei dem könnte sie sich ein bisschen mehr Zeit nehmen, ein bisschen mehr genießen ... und das Mädchen ... das würde so oder so keine Gefahr mehr darstellen. Vermutlich hatte der Elementar eh fast alles genommen, um sich zu stärken. Ohne Hilfe würde der hohe Auraverlust sie in den nächsten Stunden umbringen.

Die Vampirin blinzelte. Zog tief die Luft ein und ignorierte den süßen Duft des Blutes. Nein. Selbstkontrolle. Sie war darauf trainiert. Mit fahrigen Fingern tastete sie nach dem Puls des Mädchens. „Ihr habt den Elementar gefunden", antwortete sie schließlich heiser.

„Er hat- Vallet!"

Keine Antwort.

„VALLET!", brüllte die Vampirin und übersah geflissentlich, wie die beiden Männer erschrocken zusammenzuckten.

Einen Moment später tauchte die Gouvernante neben ihr auf. Ihr Gesicht ernst und starr. Lillian ignorierte auch das. „Wie sieht die Aura aus? Emily?"

Das tote Medium starrte auf den zusammengekrümmten Körper des Mädchens. „Komplett zerrissen. Und Emily. Sie hat Schmerzen. Das ist ein Schock für sie. Sie hatte seit Jahrhunderten keine Schmerzen. Aber das wird schon wieder, hoffe ich."

Lillian kniff die Lippen zusammen. „Bon. Dann kontaktier den Orden. Sag ihnen, dass die Kleine dringend Hilfe braucht. Danach bleib bei den Dreien und hab ein Auge auf sie. Ich muss gleich weiter."

Die Vampirin wartete gar nicht auf das bestätigende Nicken von Mademoiselle Vallet, sondern fischte schon nach dem Ring in ihrer Tasche. „Wuschelkopf. Dieser Ring hier." Überdeutlich schwenkte sie das Schmuckstück vor der Nase des Mannes. „Wird die Aura der Kleinen halten. Bis jemand vom Orden kommt, darf er nicht abgenommen werden! Hast du das verstanden? Sie stirbt sonst."

Noch während Lillian sprach, schob sie den Ring über den Mittelfinger des Mädchens.

Augenblicklich hörte der Körper vor ihr auf, zu zittern, das Wimmern blieb.

Wuschelkopf nickte und Lillian erhob sich. „Wenn der Rettungswagen kommt, den dein Kumpel gerade ruft, dann erzählt ihm was von angreifendem Ungeziefer. Ratten, Schock, epileptischer Anfall, irgendwas. Mir egal. Aber kein Wort von dem Elementar. Kein Wort von mir. Ihr werdet eine Erklärung bekommen. Aber wenn ihr anderen davon erzählt, kann niemand mehr für euch garantieren. Hast du auch das verstanden?"

Wieder nickte der Wuschelkopf.

Dann stand Lillian auf und rannte aus dem Schloss heraus. Mehr konnte sie nicht tun.
Sie musste den Elementar finden. Weit konnte er noch nicht sein. Mit einem widerwilligen Knurren zückte sie ihr Smartphone. Ein Tippen und es klingelte am anderen Ende der Leitung.

Einmal.

Dann nahm Raik ab. „Na los. Sag es...", säuselte seine Stimme in ihrem Ohr.

Manchmal hasste sie ihn noch mehr als sonst.

Trotzdem verschwendete Lillian keine Zeit mit Machtspielchen. „Ich brauche deine Hilfe."

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