31. Zügellose Wut

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng


"Death leaves a heartache no one can heal, but love leaves a memory that no one can steal."

Äußerst nervös schaute sich Victoria immer wieder über die eigene Schulter, um sich stets Vergewisserung zu verschaffen, noch in mutterseelenalleiner Gesellschaft auf dem schmutzigen und mit abgestandener Luft gefüllten Dachboden des ehrwürdigen Hauses von Dunkelmoor zu verweilen.

Inzwischen hatte der angebrochene Abend in der letzten Stunde seine dunklen Flügel über die hiesige Landschaf entfaltet und tauchte die schroffe Gras-und Moorlandschaft in ein flüssig schimmerndes Pechschwarz. Silbern glänzende Nebelfäden, von Tag zu Tag dichtere Kreise um das alte Gemäuer ziehend, schwebten gleich skelettiert anmutende Finger in der Luft. Jederzeit bereit, nach einer armen Seele zu greifen und diese in ein fern entlegenes Jenseits herab zu ziehen.

Über den Tag hinweg hatten Louisa, Charlotte und sie selbst so manch hitzige Debatte über den neuartigen Knochenfund ausgeführt. Und schlussendlich dabei das trostlose Ergebnis erzielt, den größten Teil der Überreste wieder an Ort und Stelle zu vergraben und vorerst die Familie von Lahnstein nicht über die unerwartete Entdeckung ins Bild zu setzten.

"Das Gebein läuft uns ja hoffentlich nicht weg", hatte ihre blonde Freundin erst im Scherze gemeint, obgleich nach all den übernatürlich aufgetretenen Phänomenen keiner von ihnen Drei diese Option zur hundertprozentigen Sicherheit mehr ausschließen wusste. Im Laufe des grautrüben Nachmittags, nachdem jede Frau fürs Erste ihren eigenen Gedanken nachhängen wollte, schien für alle Drei eine kurz gehaltene Wanderung durch den umliegenden Sumpf sinnvoll. Einzig und allein dem Zweck dienend, frische Luft einzuatmen und all die verworrenen Gedankenknoten abermals in einzelne Stränge aufzutrennen.

Aus sonderbaren Gründen hielt der blütenweiße Atem der Natur weiterhin die nächstliegende Umgebung in Gestalt eines alles abdeckenden Mantels gefangen, an so manch gesonderten Stellen hatte Victoria selbst ihre eigenen Hände vor Augen nicht mehr erkennen können.

Wenn die junge Frau nun zu dieser späten Stunde noch einmal über diesen düsteren Spaziergang nachdachten, dann überkamen unweigerlich Schauder des Gruselns ihr Gemüt. So manches Mal glaubte die Schwarzhaarige innerhalb dieser Schwaden schattenhaft umher huschende Konturen gesehen zu haben, doch ihren Kopf würde sie auf diese Beobachtung sicherlich nicht verwetten. Wie Irrlichter in finstere Nacht, die darauf zu warten schienen, unbescholtene Vagabunden in einen nass schlammigen Tod zu führend und rasch in vergessene Moorleichen umzuwandeln.

Und hier stand Victoria just an Ort und Stelle, das Gewicht aufgrund der innerlich verspürten Unruhe immer wieder von einem Bein auf die andere Stütze verlagernd. Während die auf dem Rücken angelegte Hand eine kühle Rippe inklusive dem dazugehörige altrosa modrigen Stofffetzen festhielt, umklammert die anderen Finger das malerische Gemälde von Rosmarie.

Selbst auf den zweiten Blick jagte ihr die unverwechselbare Ähnlichkeit fürchterliche Schauder über den Rücken, die wohl in Anbetracht der Umstände wohl nimmer mehr ein Ende finden würden. Der mit hölzernen Verzierungen versehene Rahmen hielt das pergamentartige Bildnis zu allen Seiten komplett in Schach, auf dem sich unzählige dunkle als auch helle Pinselstrich vereinten und dabei einen stetigen Flair der längst zu Staub zerfallenden Vergangenheit verströmten.

Unweigerlich entfuhr der jungen Frau ein Schnauben, während diese das Gemälde wieder in ihrem ursprünglichen Ruheplatz verstaute.

Nach einer weiteren geführten Diskussion mit ihren Freundinnen hatte die Schwarzhaarige vor ein paar Stunden schließlich das finale Machtwort gesprochen, Fabian möglicherweise reinen Wein über die frische Knochenausgrabung einzuschenken und das Kennenlernen zwischen ihm und ihren Freundinnen auf eine deutlich entspanntere Situation zu verschieben.

Immerhin schien ihr der hauseigene Geist vollkommenes Vertrauen zu schenken und diese schreckliche Nachricht, die sie ihm gleich unangekündigten Mutes um die Ohren hauen würde, benötigte unleugbar eine gute Portion an Glauben. Zudem wähnte sich die Urlauberin auch gewillt, dem ursprünglichen Erben des Herrenhauses genauer auf den Zahn zu fühlen, denn es stand weiterhin der Verdacht im Raum, dass er vielleicht nicht doch Schuld für Rosmaries Ablegen trug.

Seine unmittelbare Reaktion würde hoffentlich Erklärung genug darstellen wenn vermutlich auch keine Ausgeburt der schier empfundenen Freude. Merkwürdigerweise verspürte Victoria angesichts ihres zweifellos waghalsigen Vorhabens dennoch keinerlei Anflug von zittriger Angst oder beißendem Zweifel.

Würde Fabian mich tot sehen wollen, so hätte er diese Korrektur schon längst in die Tat umsetzen können. Nein, ich glaube nicht, dass er mich zu einer weiteren Geißel dieses Hausfluches verwandeln will, grübelte die gedankenverlorene Frau im Stillen nach, bevor ein eiskalter Windhauch ihre Locken in der Luft auf-und abtanzen ließ und ihrem wachsamen Selbst die sofortige Ankunft des Neuankömmlings preis gab.

"Guten Abend, meine Teuerste", begrüßte Fabian von Lahnstein mit geflüstertem Tonfall die Heimgesuchte, aus seiner aufgesetzten Miene sprach durchaus aufrichtig erscheinende Freude. Mit einer schwebenden Eleganz, die jeder silbernen Faser seines Daseins zu eigen schien, glitt der Geist durch die Luft, dabei ständig frische Kältebrisen verströmend.

Victoria, der nun mehr denn je ein riesiger Frosch im Hals saß, suchte nach entsprechenden Worten, die sich trotz größter an den Tag gelegter Anstrengung einfach nicht auf ihre Zunge legen wollten. Stumm wie ein Fisch stand die junge Frau an Ort und Stelle, sich keinen Millimeter von ihrem Standpunkt entfernend.

Es tat ihr in der Seele weh, dem jungen Mann die zentnerschwere Last der Kunde aufzuerlegen, doch blieb ihr in diesem Moment der Wahrheit keine andere Wahl übrig. Tief ein- und ausatmend, rang Victoria verzweifelten Mutes um ihre Stimme, welche sich nach innerlichem Flehen tatsächlich bald schon wieder wie ein aufgedreht brummelnder Motor in Gang setzte.

"Hör zu, Fabian. Unter anderen Umständen hätte ich dir jetzt den Ratschlag ans Herz gelegt, dich erst einmal auf den Hosenboden zu sitzen, doch da du ein Gespenst bist...Nun ja. Keine Ahnung. Also, hast du davon Kenntnis gehabt, dass Rosmaries Überreste in eurem hauseigenen Keller verbuddelt waren? Ja oder Nein?"

Äußerst gespannt auf die Antwort, hielt Victoria augenblicklich die Luft an, unfähig nur einen weiteren klaren Gedanken zuzulassen. Mit vorsichtiger Beherrschung nahm die schwarzhaarige junge Frau den bislang verborgenen Arm vom Rücken und streckte jenen samt seinem umklammerten Hab und Gut in Richtung des Untoten aus. Hoffentlich um ihren ausgesprochenen worten ausreichend Gewicht und Aufrichtigkeit zu verleihen.

Bei dem schieren Anblick des bronzeschimmernden und mit altrosa Fetzen verhangenen Knochens, begann sich augenblicklich ein Wechselbad der unterschiedlichsten Gefühle auf dem Gesicht des Geistes abzuzeichnen, der sich scheinbar im Moment kaum in der Lage dazu sah, simple Wörter wie Ja oder Nein in entsprechende Silben einzukleiden.

Wut, Schmerz, Unglaube und Schock vermochte die bis in die Haarspitze aufmerksame Frau ständig in seinen silbrig gefärbten Augen aufflackern zu sehen, in derem eignen Innenleben das empfundene Unbehagen über die Situation stetig mehr anwuchs. Einen tiefen Luftzug einholend, versuchte Victoria mit zittrig ausgewählten Sätze die letzten Geschehnisse in eine entsprechende Erzählung einzuhüllen - der unheimliche Traum, die morgentliche Ausgrabungsexpedition im Kellergewölbe.

Kein Detail wurde dabei ausgelassen, bloß die nackte Wahrheit als schwerverdauliche Mahlzeit auf dem Tisch der Wahrheit auf kredenzt.

"Es tut mir so leid, Fabian. Aber ich muss dich folgenden Satz fragen ... Hast du bei ihrem Tod, oder besser gesagt bei allen Morden, deine Finger im Spiel gehabt, oder nicht?"

Obwohl sie im Insgeheimen lieber tausend andere Sachen tun wollte, so musste sie ihn jetzt vor vollendete Tatsache stellen. Quasi den Sturm direkt ins Auge sehen.

"Wie vermagst du mir solch eine beleidigende Aussage an den Kopf zuwerfen! Ich habe Rosmarie geliebt, nimmer im Leben hätte ich ihr nur einen Kratzer des Leidens zufügen können! Über all die Jahrhunderte hinweg habe ich mich an die winzig kleine Hoffnung geklammert, dass sie trotz meines Todes bestimmt ein ehrenwerte Existenz geführt hatte. Und jetzt...", brüllte Fabian, der in diesem klaren Moment mehr denn je einem wütenden Drache mit weit aufgerissenem Maul glich, Victoria sofort entgegen. Beide Hände hielt er dabei in Form von geballten Fäusten weit in die Luft gerissen.

Instinktiv auf der Hut, so stolperte die Schwarzhaarige unweigerlich ein paar Schritte zurück, bevor sie mit Mühe und Not ihre Contenance zu wahren wusste.

Möglicherweise spricht Fabian die Wahrheit. Oder das Gespenst stellt lediglich einen exzellenten Schauspieler dar, der mir wieder einmal einen Bären zu aufbinden versucht. Ich benötigte mehr Informationen, wenn ich auf des Rätsels Lösung stoßen will.

"Um deiner Erklärung Glauben schenken zu können, so musst du mir endlich deine gesamte Geschichte von Grundauf erzählen! Wann hast du das letzte Mal Rosmarie zu Gesicht bekommen und wer, deiner Meinung nach, hatte überhaupt ein entsprechendes Motiv für deren frühzeitiges Ableben? Welche Person hatte schlussendlich dir und deiner Familie ein Ende gesetzt?"

Anstelle einer ausgeholten Auflösung des verzwickten Geschichtsknotens, schien Fabian aufgrund seiner verspürten Qualen nun vollkommen die Kontrolle verloren zu haben. Schreiend, weinend und klagend, so benahm er sich nun wie von Sinnen getrieben. Mit gekrümmten Rücken und herabhängenden Kopf ähnelte seine Gestalt nun mehr einem verletzten Tier, das ein Jäger in die Ecke gedrängt hatte. Auch die schimmernde Wut, wie rote Glut in seinen beider Augen glimmend, war für Victoria mit keinem menschlichen Verhalten mehr zu vergleichen.

Und dann nahm die Katastrophe buchstäblich ihren Lauf.

Fabian, dessen feine Gesichtszüge sich in der Zwischenzeit nun einer abstoßenden Fratze des Zornes bedienten, legte nun eine um sich schlagendes Gebaren an den Tag, welches Victoria unleugbar eine Heidenangst einjagte. Schreck und Angst schwappten in Form von riesigen Wellen über ihrem überforderten Geist nieder, welcher unter dem ausgeübten Druck um Haaresbreite zu ertrinken drohte. Ihr Körper zitterte nun wie Espenlaub, die Körperhaare standen zu Berge und ihr Herz raste so schnell, so als wollte es ihr sofort aus der Brustspringen.

Kartons, Truhen und ein paar Sperrmöbel begannen auf einen Schlag wie wuchtige Geschosse in der bloßen Luft auf- und abzutanzen, mit deren Gewicht sich ein unbescholtener Zuschauer besser nicht anzulegen hatte. Ruhelos, wie der schmerzerfüllte Fabian höchstpersönlich, zogen die Gegenstände weite Kreise durch den Raum, so als gelänge auch ihnen nicht das Kunstwerk, nur für einen Momentan Ort und Stelle zu verweilen.

Ähnlich wie bei dem schauderhaften Unfall in der Familiengruft, so klirrte und klackte das Fensterglas mit schrecklich anmutenden Geschrei auf, so als stünde die zusammen gepresste Beschaffenheit kurz vor dem unleidigen Schicksal, in tausende Stücke zu bersten. Gerade noch zur rechten Zeit duckte sich Victoria unter einer heran brausenden Truhe hinweg, um im wahrsten Sinne des Wortes nicht den Kopf zu verlieren. Mit beiden Beinen fest auf der Plattform stehend, nahm die junge Frau sogleich eine Habachtstellung ein, um schnellstmöglich die Flucht nach hinten antreten zu können.

Die Tür ist geschlossen, vielleicht schaffe ich es aber in Windeseile dorthin. Fabian scheint mir gerade wenig Zurechnungsfähigkeit innezuhalten. Soll sich doch seine Raserei an diesem Mobiliar gütlich tun, aber nicht mit mir.

Doch manchmal waren Träume schlichtweg bloß Schäume, ein Umstand, der Victoria bereits in der nächsten Millisekunde abermals vor Augen geführt wurde. Fabians blinde Wut machte nun auch für der bislang verschonten Schwarzhaarigen nicht mehr Halt. Mittels eingesetzter Telekinese hob eine unsichtbare Kraft die junge Frau in die Luft und ließ ihren Leib unwillkürlich gegen die nächstgelegene Wand krachen. Mit einer schwerfällig anmutenden Bewegung fiel Victoria wie eine niedergeklatschte Fliege auf den Boden herab.

Schon bald das Bewusstsein verlierend, so bemerkte nur noch ein kleiner Teil ihres Selbst, wie eine winzig zugefügte Wunde an ihrer Hand rubinrote Flüssigkeit ausspie, die wiederum den festgehaltenen Knochen mit ihrer blutigen Konsistenz in Form von kleinen Tropfen benetzte.

Und dann zog eine allumfassende Dunkelheit ins Lande, die Victorias halb wachen Verstand sogleich in die Arme des umfassenden Schlafes sendete.


Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro