33. Schrei der Verzweiflung

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"Now I am wearing this smile I don't believe in, inside I feel like screaming"


Wie ein geölter Blitz bahnte sich sogleich Victoria einen zielstrebigen Weg in Richtung der gerade ebenvernommenen Geräuschquelle, tauchte dabei zugleich mit zunehmenden Schritten stetig tiefer in den dunklen Schlund des Herrenhauses von Dunkelmoor hinab. Nur spärlich vorhandene Lichtkegel geleiteten ihren Weg, doch die unheimliche Finsternis scherte die junge Frau in jenem Augenblick nicht im Geringsten. Ihre aufgewirbelten Gedanken, nun mehr keine Ruhe finden, schiene von einem sich ständig wiederholenden Mantra geplagt.

Hoffentlich geht es Charlotte und Louisa gut!

Obgleich der Atem der jungen Frau rasselte und nach Luft röchelte, so als hätte sie gerade unter Höchsttemperaturen einen anstrengenden Marathonlauf absolviert, so ließ diese nicht von ihrem verfolgten Vorhaben ab. Stattdessen bündelte die Schwarzhaarige sogar all ihre verbliebenen Kraftreserven, um so schnell wie möglich Charlotte und Louisa aufzusuchen und sich Vergewisserung zu beschaffen, dass es hoffentlich beiden gut ging.

Trotzdem schmeckte das flaue Gefühl der aufgestiegenen Panik wie bitteres Gift auf der Zunge, ein fürchterlicher Geschmack, den Victoria unter anderem Umständen liebend gerne mit einem Glas Wasser herunter gespült hätte. Unweigerlich rückten die letzten Geschehnisse in den Hintergrund, versteckten sich unter dem lichten Schleier des Vergessens.

Victoria, die weiterhin wie vom Hafer gestochen zahlreiche Gänge passierte, näherte sich schon bald einem gewissen Schlafgemach an. Mit einer Hand hielt die Urlauberin den mit rubinroten Blutstropfen befleckten Knochen fest umklammert und kam sich dabei im Geheimen wie eine weibliche Version eines untoten Indiana Jones vor, der angesichts seiner zahlreichen Feinde unbedingt die Weite suchen musste.

Aus einiger Entfernung erkannte die junge Frau auf einen Schlag, wie sich eine unbeschadet aussehende Charlotte wohl gleichfalls auf den Weg machte, um die Ursache des gellenden Schreis genauer unter die Lupe zu nehmen. Schlagartig drosselte die Heimgesuchte ihr rastloses Tempo, damit sie ja nicht ihre andere Freundin über den Haufen rannte.

In ihrer Geschwindigkeit langsam erlahmend, so ähnelte Victorias Geschwindigkeit nun durchaus dem Gang eines alten Gaul, der nach einem harten Tag der Arbeit zu seinem gemütlichen Stallgehäuse spazierte. Stampfenden Schrittes trottete die Schwarzhaarige schließlich in Richtung des Rotschopfs, der jetzt auch ihre Anwesenheit entdeckt hatte. Blanke Verblüffung spielgelte sich auf beider Mienen wieder.

Zumindest scheint Charlotte wohl auf zu sein, das ist schon mal ein Anfang.

Beide Hände fest auf ihre Hüftengestemmt, so bediente sich die Rothaarige nun eines geflüsterten Tonfalls, bereits ihr ruhendes Schlafgewand am Leibe tragend.

"Wie lief dein Treffen mit Fabian...und überhaupt ... hast du Louisas Ausruf auch vernommen?"

Sich in beruhigender Manier den Nasenrücken reibend, so überlegte Victoria für einen Augenblick, ehe sie schließlich mit der Sprache herausrückte.

"Die Klärung der ersten Frage müssen wir definitiv auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Lass dir nur gesagt sein, dass sich der Stapel unserer Probleme weiter anhäuft. Aber ja, ich ab selbst vom Dachboden aus ihr Gekreische vernehmen können. Doch jetzt dürfen wir keine Zeit verlieren, vielleicht befindet sich unsere Blondine in höchster Gefahr!"

Charlotte, auf deren gefurchte Stirn sich sämtlich vorhandene Falten augenblicklich verstärkten, sprach zu Victorias ausgesprochenem Glück keinerlei Widerworte aus, obgleich ihr sichtbar quälende Fragen unter den Fingernägel brannten. Zum x-ten Male in ihrem Leben bedankte sich die Schwarzhaarige in Gedanken für die pragmatische Ader, die ihrer Nachstehenden stets zu eigen schien.

"Na, dann. Dein Wille geschehe. Wehe das Haus krümmt ihr nur ein Haar...",rief Charlottes mit einer durchaus drohend erklingenden Stimme in die vorherrschende Dunkelheit hinein, so als erwartete sie durchaus eine entsprechende Reaktion des besagten Gemäuer.

Aber nichts geschah.

Rasch setzten sich die Zwei daraufhin in Bewegung, ließen kein ungenutzte Sekunde mehr verstreichen. Nicht mehr als ein paar Minuten zogen ins Land, ehe die Freundinnen endlich Halt vor Louisas ausgewählten Zimmer machten. Unsicher lieferten sich beide einen kurz gehaltenen Blickaustausch, nicht wissend, welch grausamer Anblick sich hinter der verborgenen Türe offenbaren würde.

Tief ein- und ausatmend, so nickte Victoria zitternd in Richtung ihrer Kumpanin. Dabei das nonverbale Signal vermittelnd, sich nicht der kriecherischen Angst zu unterwerfen und sich stattdessen lieber den gestrafften Zügel des Mutes hinzugeben. Louisa benötigte vermutlich schnellstens ihre Hilfe und sie würde lieber einen Teufel tun, als ihre andere Weggefährten auf höchst feige Art und Weise im Stich zu lassen.

Bebende Finger griffen nach einem gülden schimmernden Türhenkel, drückten jenes Gestell nur wenige Sekunden später nieder. Mit einem ratternden Ächzen flog das massive Portal sperrangelweit auf und offenbarte sogleich eine freie Sicht auf das Innenleben des dahinter befindlichen Raumes.

"Ach du heiliger Strohsack", entkam es keuchenden Tonfalles der ziemlich erstaunt dreinblickenden Schwarzhaarigen, die im Insgeheimen zwar mit allerlei schauderhaften Szenarios gerechnet hatte, aber wieder einmal eines Besseren belehrt wurde.

"Das kanns du laut sagen", pflichtete ihr Charlotte mit weit aufgerissenen Augen bei, ihre Gesichtsfarbe glänzte nun so weiß wie ein frisch gewaschenes Bettlaken.

Louisa, deren ausgestreckte Hände weit in die Höhe reichten, fluchte, ohne überhaupt das Eintreffen ihrer Gleichgesinnten zur Notiz zu nehmen, scheinbar Zeter und Mordio.

"Verdammt, was läuft bloß schief bei mir? Innerhalb weniger Stunden habe ich nur zweit Seite schreiben können. Ich raste aus, diese vermaledeite Schreibblockade bringt mich noch in mein frühes Grab!"

Innerhalb eines flüchtigen Wimpernschlags wurden sich Victoria und Charlotte der recht unrühmlichen Erkenntnis gewahr, dass ihre blonde Freundin nicht wie zuvor angenommen in einer möglichen Geisterklemme steckte, sondern lediglich aus vollstem Halse über ihre eigenen Schreibfähigkeiten lamentierte.

Schneller als der Wind drehte sich die Blondine, gleichfalls in ihr Nachthemd eingekleidet, um die eigenen Achse. Zu Tode erschreckt, denn scheinbar hatte die beschäftigte Schriftstellerin das knarrende Öffnen der Türen geflissentlich überhört und nicht im Entferntesten mit einem spontanen Besuch gerechnet.

Weit aufgerissene Iriden und hochgezogene Augenbrauen stellten unverkennbar ihre empfundene Überraschung dar. In ihrer aktuell händeringenden Bewegung innehaltend, so entwich den Lippen gleich darauf folgende Worte.

"Um Himmels Willen, was macht ihr denn beide zu dieser Uhrzeit hier? Klopft beim nächsten Mal gefälligst an, ihr habt mir ja um Haaresbreite einen Infarkt beschert!"

Victoria, die in jenem Moment kaum Augen für das unbekannte Ambiente der guten Stube zu haben schien, verspürte unweigerlich eine intensiv züngelnde Wut in ihrem Geist aufsteigen. Ähnlich einer funkensprühenden Flamme, deren brennende Form in Richtung einer bereits schwarz angekokelten Hausecke begehrlich züngelte und leckte.

Ihr mittlerweile höchst strapaziertes Nervenkostüm zerbrach im Nu in tausend imaginäre kleine Splitter. Sogleich reckte sich die hässliche Fratze des Ingrimms in ihrem Gemüt, hierbei den Willen verspürend, sich den erspürten Unmut über die offensichtliche Leichtfertigkeit seitens Louisa frei Luft zu verschaffen. Unweigerlich verwandelte sich der sprichwörtliche Geduldsfaden in Staub, hinterließ nicht ein Korn, so als hätte es diesen im Vorhinein überhaupt gar nicht gegeben.

Wie ein geschmeidiger Panther auf leisen Sohlen näherte sich die Schwarzhaarige der aufgesuchten Frau in Windeseile an, ihr Ziel keineswegs aus den verkniffenen Augen lassend. Schließlich nur einen Schritt entfernt, so blieb Victoria schließlich mit einem kühl aufgesetzten Ausdruck vor der Literatin stehen.

"Was...", wollte eine nun sorgenvoll dreinblickende Louisa von ihrer sichtbar verärgert erscheinenden Freundin in Erfahrung bringen, wurde aber von dieser deutlich über den Mund gefahren.

"Du und deine ignorante Nonchalance können mich einmal kreuzweise, aber so richtig! Jener fürchterlicher Schrei hat Charlotte und mich in Angst und Schrecken versetzt! Hast du dir vielleicht nur eine Sekunde lang Gedanken darüber gemacht, wie dein Ausruf auf unser Selbst gewirkt haben muss? Wir wollten dir sofort zur Hilfe eilen, doch scheinbar umsonst. Bist du einfach nur natürlich blond oder einfach selten dämlich?", steigerte sich Victoria in eine regelrechte Raserei, ihr Auftreten erinnerte nun beinahe an ein wildes, Zähne fletschendes Tier.

Unerwartet zuckte Louisa bei jedem ausgesprochenen Wort zusammen, die Silben bohrten sich offenbar gleich abgeschossenen Pfeilspitzten tief in ihr Herz und ließen jenes pochende Organ blutige Tränen der Reue weinen.

Nachdem die geifernde Verärgerte endlich ihre kleine Tirade erreicht hatte, so legte sich buchstäblich das Tuch der mucksmäuschenstille Ruhe über aller Häupter nieder und überschattete für eine gute Weile den goldenen Glanz der Freundschaft.

Tief ein-und ausatmend gelang der von Kopf bis Fuße zitternden Victoria nach einig unternommenen Versuchen endlich das Vorhaben, wieder ihren logisch denkenden Verstand walten zu lassen und all jene wütenden Gefühle wieder in eine tief gelegene Ecke ihres Geistes wegzupacken. Blanke Leere und drückende Schuld bildeten auf der Stelle einen anklagenden Knoten in ihrer Brust, schwer wiegend auf Körper und Geist. Einerseits hatte es ihr durchaus gut getan, den Ärger zu verkünden, aber das Wie...

Bekanntlich macht ja die Musik den Ton. Und leider hab ich hier die Noten ganz und gar verfehlt, erkannte die erschrockene Frau in Gedanken, währenddessen eine zutiefst erschüttert anmutende Louisa ihren stählernen Blick mied, so wie es der Teufel zumeist dem Weihwasser aus dem Weg ging.

„Es tut mir so leid, ich habe mir bei meinem Ausruf einfach nichts gedacht", flüsterte die Blondine, ehrlich gemeintes Bedauern blitzte auf der Stelle in den halb geschlossenen Augen auf. Sogar ihre sonst so stolze Haltung glich nun mehr einem Häuflein Elend.

Zuerst unterlag Victoria knapp der verleitenden Versuchung, ihr aus den eigenen Worten einen tödlichen Strick zu drehen. Genau diese leuchtende Selbsterkenntnis stellte nämlich das große Problem dar. Doch im rechten Moment verkniff sich die Schwarzhaarige den auf ihrer Zunge bereit gelegten Kommentar, um die Flamme des kochenden Streits keinesfalls weiter zu schüren.

Im Handumdrehen entwich Victorias Lippen ein laustarkes Seufzen, so als lastete das Gewicht der Welt auf ihren Schultern.

"Jetzt muss ich mich entschuldigen, gerade für den letzten Satz. Da hat wohl mein Mund schneller gerattert als mein Gehirn gedacht hat. Entschuldige vielmals. Versprich einfach, unsere aktuellen Situation mit mehr Ernst zu begegnen. In Ordnung?"

"Angenommen", akzeptierte Louisa mit einem kleinen Lächeln das dargebotene Angebot und versuchte sic sogleich das Gewand ihrer üblichen Selbstsicherheit überzuwerfen. "Und ich werde mir Mühe geben, ein bisschen mehr Acht zu geben!"

"Wenn ihr schon dabei sind.... apropos ernste Situation. Wie ist jetzt eigentlich Gespräch mit Fabian gelaufen?", erkundigte sich Charlotte mit dem buchstäblich erhobenen Zeigefinger. "Immerhin bedeutet aufgeschoben nicht aufgehoben, capiche? Rück also lieber gleich mit der Sprache heraus, bevor wir dich fesseln müssen..."

"Gut, ihr habt es so gewollt", murmelte Victoria und hielt bereits wenige Momente später zu einer umfassenden Erklärung an, doch nicht der leiseste Ton wollte ihr entweichen. Wie auf das Stichwort gerufen ruckelte die blockierte Schublade in ihren Verstand, sich stetig mehr befreien. Donnernder Pein pulsierte in all vorhandenen Synapsen, es war, als bräche sich etwas Gewaltsames aus ihrem Inneren frei.

Und Victoria wusste beileibe nicht mehr, ob diese aufbrechenden Erinnerungen die ihren oder ganz und gar einem völlig fremden Leben angehörten.

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