47. Ausbruch von Wahnsinn

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"The Edge... There is no honest way to explain it because the only people who really know where it is are the ones who have gone over."

"Wir sind da. Geh ein paar Schritte weiter voraus und bleib dann an Ort und Stelle stehen! Um alles Weitere kümmere ich mich dann !"

Trotz ihrer höchst beunruhigten Gefühle folgte Victoria dem vorausgegangenen Befehl ohne zu murren.

Immerhin, so hoffte die junge Frau in Gedanken, schien zumindest der nass kalte Spaziergang durch die dustere Unterwelt fürs Erste passé.

Als die Schwarzhaarige endlich Halt machte, schnipste Fabian unweigerlich mit ein paar Fingern laut auf.

Wie von Geisterhand geführt, so waberten augenblicklich hell glänzende Kerzen auf, das flackernde Licht enthüllte auf der Stelle das verwitterte Innenleben eines großflächig angelegten Raums.

Ein düsteres Refugium, gezeichnet von dem Einfluss der Zeit.

Unwillkürlich warf der unruhige Schein unzählig tanzende Schatten auf das spärlich vorhandene Mobilar herab. Nur wenige Regale, Tisch und Stühle hielten sich an diesem geheimnisvollen Ort herab, welche sich angesichts der schweren Last der Jahrhunderte bereits deutlich krümmten.

Übel riechender Moder ging fortwährend von dem vor Feuchte triefenden Holz aus, das bereits hier und da zahlreich klaffende Löcher aufwies.

Keinerlei Zierde schmückte das felsige Unterreich, sodass diese unterirdische Stube einen mehr als ungemütlichen Anschein erweckte. Zögernd schritt Victoria ein wenig umher und ließ ihre Sicht weiter umher gleiten.

Des Weiteren standen auf den klapprigen Stühlen die lodernden Kerzen, allesamt fast zur Hälfte herunter gebrannt. Rote Wachstropfen klebten gleich kleinen Blutstropfen auf der aufgewiegelten Oberfläche und schimmerten angesichts der herab fallenden Schallen in einem gruseligen Scharlach auf.

Neben den entzündeten Lichtspendern ließen sich daraufhin auch ein paar gülden glänzende Alkoholflaschen entdecken, deren verblasste Etiketten kaum mehr lesbar schienen. Wie vergessene Seelen, die einst einem Trinkenden so manchen Trost geboten hatten, standen die Gefäße seelenruhig an Ort und Stelle.

An den hinteren Nordseiten standen hingegen ein paar brüchig anmutende Regale, mit allerlei unterschiedlich geprägten Büchern versehen. Verrottete Lesewerke, deren nieder geschriebene Geschichten schon seit ein paar Jahrhunderten von keiner Menschenseele mehr gelesen wurden.

Wie auch bei anderen beobachteten Dingen zuvor, so hatte der Zahn der Zeit an den vergilbten Hüllen und Seiten genagt und überall seine bissigen Spuren hinterlassen. Nichtsdestotrotz spürte Victoria, das die dustere Vergangenheit auch am heutigen Tag noch zwischen den unteririschen als auch oben gebauten Mauen widerhallte und ihr beinah zum Greifen nahe schien.

Nachdem sich die junge Frau von Kopf bis Fuß schüttelte und ihren verloren gegangenen Fokus auf ihren Nächstehen ausrichtete, stellte sie schließlich nach ein paar Momenten des Zögerns die alles entscheidende Frage.

"Was willst du mir denn hier unten unbedingt zeigen?"

Regungslos schwebte Fabian in der Luft umher, so als wäre er geradewegs zu einer Salzsäule erstarrt. Weit entlegen schien sein Blick, ehe er ihr nach ein paar Augenblicken des Schweigens mit seinen silbrig schimmernden Iriden direkt ins Gesicht sah. Ein paar Mal atmete der Untote tief durch, so als würde er im Geheimen all seinen Mut zusammen zu sammeln.

Doch dann siegte scheinbar sein Mut über alle gehegten Zweifel.

"Hierbei handelt es sich in erster Linie um einen früheren Fluchtraum unserer Familie", erzählte der Geist leise, seine Stimme kaum mehr als ein raunendes Flüstern. "Vor langer Zeit hat ein bedeutsamer Vorfahre diesen unterirdischen Raum anlegen lassen, damit unsereins im Kriegsfall oder wegen eines unrechten Bauernaufstands rechtzeitig hätten fliehen können. Doch seit langer Zeit hat kein Lebendiger mehr diesen Fleck Erde gesehen oder gar betreten. Abgesehen von dir, natürlich."

Ziemlich gespannt hing Victorias Blick an den fleischlosen Lippen, wollte kein ausgesprochenes Wort ungehört lassen. Wie ein nasser Schwamm sog sie jede wohl überlegte Silbe in sich auf, obgleich sie den dahinter versteckten Sinn noch nicht zur Gänze verstehen konnte.

"Und welche Bedeutung hat dieser Bereich für dich persönlich?", hakte die Schwarzhaarige sanft nach, wenngleich ein Teil ihrer Selbst bereits eine konkrete Ahnung verspürte. Allerdings wollte sie auch hier seiner laut ausgesprochenen Erklärung lauschen.

"Rosmarie", gab Fabian nach einer gefühlten Ewigkeit endlich preis.

Ein gehauchter Schatten von Schmerz huschte unweigerlich über sein gepeinigtes Antlitz hinweg, ehe er wieder seine jahrhundertalte Contenance zurück gewann. "Ich glaube mich zu erinnern, dass ich sie hier das letzte Mal gesehen habe. Und dann nie wieder."

"Was ist passiert?"

"So genau weiß ich es leider nicht mehr. Ich glaube, sie hat einst eine Ohnmacht erlitten. Wir wollten heiraten, sie und ich. Doch dieses Schicksal war uns wahrlich nicht vergönnt. Natürlich habe ich sie in Sicherheit gebracht, doch danach hat sie sich nimmer mehr bei mir gemeldet. Und dann ...."

".... hast du und eine Schwester in naher Zukunft den Tod gefunden?", vervollständigte Victoria schaudernd seinen letzten Satz. Im Nu legte sich ein unerklärlicher Herzschmerz wie eine eiserne Faust um ihre Seele. Augenblicklich erschwerte sich ihr Atmen, das pochende Blut stockte gleichfalls in den fröstelnden Adern.

Die abgeschlossene Tür in ihrem Geist rüttelte nun lauter denn je, so als würde sich das dahinter Versteckte jetzt mit aller Macht freibrechen wollen. Es war, als würde die Grenze zwischen Rosmaries und ihrer eigenen Persönlichkeit verschmelzen, als ob sich die trennenden Jahrhunderte auf einen Schlag miteinander verbanden.

Unlängst verdichtete sich die bereits finstere Atmosphäre im Raum, während Fabians Worte weiterhin wie ein unsichtbares Fallbeil über beider Körper schwebten.

Sobald Victoria ihren blitzenden Blick wieder auf Fabian richtete, wusste sie ebenfalls um seine offenkundige Verzweiflung Bescheid. Er war ein Geist, gefangen zwischen den Zeiten. Und seine Liebe zu Rosmarie und seine pervertierten Gefühle für ihre Selbst trieben ihn und sie langsam aber sicher in den Wahnsinn.

"Ja", pflichtete der Geist ihr bei, bevor bei ihm unwillkürlich ein Sinneswandel einsetzte. In seinen bislang trüben Augen flackerte unweigerlich die unverhohlene Flamme der Leidenschaft auf, so als hätte sein Denken gerade einen Schalter umgelegt. Stetig näherte er sich ihr mit hoch erhobenen Händen an, so als würde er ein in die Ecke gedrängtes Tier beruhigen wollen.

"Für Rosmarie und mich war scheinbar eine gemeinsame Ewigkeit nicht vorgesehen. Doch für uns Zwei stehen die Chancen deutlich besser..."

"Was meinst du damit?", erschrak die junge Frau, während sie instinktiv ein paar Schritte rückwärts sprang. Gruselige Schader jagten schlagartig über ihren zitternden Körper hinweg, kalte Angst manifestierte sich allmählich in ihrem Herzen und verwandelte das schnell schlagende Zentrum ihrer Mitte rasch in einen Klumpen Eis.

"Nun, wir können für immer zusammen sein, Dummerchen", raunte der Geist, während neben den lodernden Flammen in seinem Blick nun auch der Funke des Irrtums aufsprühte.

"Wenn du für mich stirbst, können wir eins sein. Deine Seele wird an dieses Haus gebunden sein, so wie die meine. Nicht einmal die Zeit kann uns dann mehr trennen..."

"Das ist keine Liebe", stieß eine entsetzt dreinblickende Victoria mit bebender Stimme hervor. "Sondern purer Wahnsinn!" Ihr kompletter Leib bebte nun wie Espenlaub, als der furchtbare Tenor seiner Aussage bis in ihr Knochenmark herab sickerte.

"Vertrau mir. Das Schicksal hat dich zu mir geführt, Liebste! Wir sind für einander bestimmt! Siehst du das denn nicht? Ich kann verstehen, dass du an deinem Leben hängst, doch bedenke unsere Verbundenheit. Mit deiner Ankunft habe ich endlich die Chance erhalten, wieder glücklich zu werden. Willst du mir wirklich diese Erleichterung versagen? Bist du wahrhaftig so grausam, Victoria?"

Ein paar Mal atmete die junge Frau tief ein und aus, ehe die schreckliche Wahrheit sie auf einen Schlag Schlag traf. All die Zeit hatte die Heimgesuchte sich ihre wachsenden Gefühle für den Unsterblichen schön geredet und tatsächlich geglaubt, dass sie seine arme Seele vor dem Untergang retten konnte, doch nun....

"Bitte lauf nicht weg, Victoria", flehte Fabian, sein Arm griff unweigerlich nach ihr.

Doch Victoria drehte sich um und rannte um ihr Leben.

Weg von den Schatten der Vergangenheit, hin zu einer ungewissen Zukunft.

Fortwährend flackerte das Kerzenlicht unruhig auf, so als würde deren Schein ihre angetretene Flucht begleiten wollen.

Und irgendwo in der Dunkelheit hörte sie Fabians verzweifelten Ruf verhallen.

"Rosmarie!"

Allerdings wusste die junge Frau, dass sie nicht Rosmarie darstellte.

Sie war nicht die Doppelgängern, die er so verzweifelt suchte.

Konnte keine Reinkarnation sein.

Blind wie ein Maulwurf rannte die Urlauberin durch den unterirdischen Gang hindurch, nicht für eine Sekunde achtete Victoria auf den eingeschlagenen Weg.

Kalter Wind schlug ihr fortwährend ins Gesicht, doch in ihrem fiebrigen Zustand vermochte sie auf solch nebensächliche Kleinigkeiten keinerlei Acht zu geben. Dröhnend laut echoten ihre hastigen Schritte durch die Luft, verkündeten zu jeder Zeit ihre vorbei ziehende Anwesenheit.

Stetig führte der Tunnel sie tiefer in das Gedärm der Finsternis hinein.

Und dann geschah das Unfassbare.

Eine fremde Präsenz erwachte in ihrem Inneren, breite sich dort in Windeseile gleich einem wuchernden Krebsgeschwür aus.

Augenblicklich überfluteten Rosmaries Erinnerungen wie eine hoch angesetzte Welle ihren Verstand, rissen den Steg ihres logischen Denkens hinweg und spülten diesen weit fort. Victoria spürte, wie die Grenzen zwischen ihr und der anderen verschwammen und sich rasch in Luft auflösten. Sie war nun nicht mehr Victoria - sie war auch Rosmarie. Geschwächt ließ sich die junge Frau auf der hohen See der herein gebrochenen Rückblicke treiben.

Allmählich umfing die Dunkelheit ihrer Selbst, die Mauern des Tunnels kamen gleichfalls immer näher.

Fabian lag weit hinter ihr und doch konnte sie ihn auf Teufel komm heraus nicht vergessen.

Nein, vor den Geistern der Vergangenheit vermag niemand zu fliehen. Und besonders vor sich selbst nicht. Denn egal wohin man auch ging, so schleppte man sich doch stets mit durch die Welt.

"Rosmarie", flüsterte Victoria, die Worte schienen nicht ihre eigenen und schmeckten fremd auf der belegten Zunge.

Definitiv gehörten die geflüsterten Silben einem ganz und gar einem anderen Leben. Und während die Schwarzhaarige weiterlief, nahm sie war, wie die Finsternis sie mit Haut und Haar.

Und irgendwo in ihrem Inneren hörte sie augenblicklich eine weiblich erklingende Stimme sprechen.

"Schön, einmal mit dir direkt sprechen zu können."

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