48. Erwachte Blutlinie

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

"Your bloodline was marinated in rage"

Allmählich erwachte Victoria aus der all umfassenden Ohnmacht, doch irgendetwas, sie konnte leider in ihrem dämmrigen Zustand nicht den Finger genau in die klaffende Wunde legen, schien auf jeden Fall gehörig anders. 

Und als sich die junge Frau endlich mit zittrigen Beinen in die Höhe erhob, erkannte sie bereits gleich darauf auch das Weshalb. 

Während ihre letzten Erinnerungen gleich einer herab fallenden Lawine auf sie nieder prasselten, so musste Victoria in Windeseile feststellen, dass sich ihr Dasein nun nicht mehr in den Fängen vollkommener Schwärze gefangen fühle. 

Stattdessen hielt sich die Schwarzhaarige in jenem bekannten Raum auf, in dem sie seit ihrer Ankunft stets des Nächtens mehr oder weniger schlummernden Schlaf fand. Rasend schnell pochte nun ihr Herz, sodass sie für ein paar Augenblicke glaubte, unlängst tot umzufallen. 

Allerdings blieb ihr wenigstens dieser Umstand gnädig erspart. 

Verdammt, wie bin ich denn hierhin gekommen? Was ist bloß passiert? Was ist mit Fabian?

Fragen über Fragen suchten ihren momentan verwirrten Verstand ab, während sie sich zur gleichen Zeit hektisch in alle erdenklichen Himmelsrichtungen umsah. Nur wenige Momente später, als sich der gelichtete Vorhang der Bewusstlosigkeit weiter in die Luft anhob, blieb ihr im wahrsten Sinne des Wortes der Atem weg.

Denn ihre nächst liegende Umgebung erschien ihr nicht, wie im Insgeheimen eigentlich erwartet,  klar ausgeprägt. Sondern es schien, als wäre jedes hier gedeihende Fleckchen Erde, von einem ganz und gar nebulöse erscheinenden Schleier umhüllt. 

Bedächtig griff Victoria mit einer bebenden Hand in diesen überaus lichte Gefilde hinein, wollte eine fest Oberfläche auf ihrer nackten Haut spüren - und griff am Ende lediglich in ein kühles Nichts. Sanft bewegte sich der aufgewirbelte Schleier zur Seite, ehe sich die kurz aufgewirbelte Trennung allmählich wieder zu einer Einheit schloss.  

Halluziniere ich? Träume ich?  Leide ich etwa gerade an einer weiteren Vision? Halt, Stopp, so haben sich die letzten erlebten Rückblicke aus Rosmaries Leben definitiv nicht angefühlt... 

Ziemlich ratlos hielt Victoria an Ort und Stelle still, nicht sicher, wie sie jetzt weiter verfahren sollte. Mit ein paar Fingern fuhr sich die junge Erwachsene rasch über das blasse Gesicht, um sich schnell die letzten Spuren des vorübergehenden Schwächeanfalls aus den trockenen Augwinkeln weg zu wischen. 

"Schön, einmal direkt mit dir sprechen zu können!", erklang erneut die Stimme, deren weich ausgewählter Tonfall sich als überaus bekannt heraus stellte. 

Wie vom Hafer gestochen drehte sich sich die höchst ungläubig dreinblickende Urlauberin um die eigene Achse, nur um gleich darauf einem Gesicht entgegen zu starren, welches dem eigenen bis auf die letzte Pore glich. 

Und doch existierten Unterschiede zwischen beider Erscheinungsbilder, die Victoria erst jetzt bei der ersten richtigen Begegnung wahrnehmen konnte. 

Rosmarie, ihre verblichene Ahnin aus dem achtzehnten Jahrhundert, stand jetzt nur wenige Meter von ihr entfernt und erwiderte den Blickkontakt mit einer überraschend sanft ausgestrahlten Intensität. 

Jene Frau, von der Victoria, oder zumindest von deren gesamthafte Familie, ihre eigene zugehörige Blutlinie ableitete. 

Mittlerweile stand der Frau aus diesem Jahrhundert allerdings blanke Verblüffung ins Gesicht geschrieben. 

Mit offener Kinnlade musterte sie die vermeintlich Verstobene von Kopf bis Fuß, welche im komplett Kontrast zu ihr ein anmutiges Kleid aus längst vergangenen Zeiten am Leibe trug. Ihre schwarzen Locken steckten hierbei in einer kunstvoll gestalteten Frisur fest, während die frei liegende Haut beinah ätherisch hell funkelte. Kein einziger Makel ließ sich bei näherer Begutachtung entdecken. 

Eingehüllt in blasses Rosa, eine Farbe, die in Victoria sogleich ein schreckafter Rückblick hervor rief.  

Entdeckter Leichnam ... Knochen ...  

Schauder des Grusels jagten in Handumdrehen über ihren Rücken hinweg, als sie verstand, dass Rosmarie einst in jenem getragenen Gewand gestorben sein musste. Doch kein Blutfleck zierte jetzt ihre Körpermitte mehr, es war, als hätte es diese Zeitzeugen des Todes im Vorhinein nie gegeben. 

Vielleicht sehe ich diese Spuren nicht, weil sie als unschuldig Verstorben von ihrem Leid befreit wurde?  Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie jetzt ein Geist ist. Nein, ich hab genug Spukgestalten mittlerweile kennen gelernt um den Unterschied besser zu kennen. 

Nachdem der erste Schock erstmals von der eigenen Seele abgelassen hatte, so sammelte Victoria schließlich all ihren übrig gebliebenen Mut zusammen. 

Jetzt schien endlich der Zeitpunkt gekommen, um sich ihrem dunklen Schicksal stellen. 

Ein Zurück gab es vermutlich eh nicht mehr. 

Soviel war ihr im Geheimen gewiss, daher fackelte die Lebende nicht lange mit ihrer Entscheidungsfindung.

"Warum bin ich hier? Was ist das für ein Ort?"

Erstmals zeigte sich auf Rosmaries bislang kühl gewahrter Miene ein winzig kleines Lächeln.

"Dies ist ein Raum zwischen den Welten",  erklärte die Erscheinung mit einem erstaunlich sicher wirkenden Tonfall, so als würde diese gerade eben über das Wetter oder über eine geteilte Tasse Tee sprechen. 

"Hier treffen Vergangenheit und Zukunft aufeinander. Du bist hier, weil du Antworten suchst  - und ich die Gunst der Stunde genutzt habe, damit ich dir ein paar geben kann!" 

Augenblicklich überschlugen sich Victorias Gedanken.

"Okay, vielleicht muss du in deiner Erklärung näher ausholen. Denn ich verstehe, ehrlich gesagt, nur Bahnhof!"

"Samhain", erwiderte Rosmarie gelassen, ihre aufmerksamen Augen hielt sie weiterhin auf die Abwartende gerichtet. 

Langsam setzte sich die schimmernde Figur in Bewegung und kam nur kurz vor knapp vor ihrer erstarrten Nachfahrin stehen.  Unweigerlich fegte in kühler Windhauch über Victorias Haut hinweg und hinterließ dort nichts als eine sich schnell ausbreitende Gänsehaut. 

"Heute ist der Tag, an dem der Schleier zwischen dem Jenseits und Diesseits besonders dünn besiedelt scheint. Und da ich nicht als unerlöster Geist auf der irdischen Sphäre verweilen kann, bin ich zumeist auf solch magische geprägte Ereignisse angewiesen. Natürlich hat die Blutsverbindung zwischen deinem und meinen physischen Körper bei der Kontaktaufnahme geholfen..."

"Halloween", hauchte Victoria in die bleierne Stille hin, sie konnte die Feststellung kaum fassen.  Wie hatte sie diesen Tag überhaupt übersehen können?

Aber das würde doch bedeuten..

 "Oh mein Gott, in dieser Nacht ist die Familie von Lahnstein  gestorben!" 

"Ja, und daher bleibt uns nicht viel Zeit, um all dem hier gedeihenden Elend ein Ende zu setzten!",  erwiderte Rosmarie flüsternd, ein bitterernster Ausdruck verdunkelte nun ihre vormals  strahlenden Züge."Genau genommen haben wir noch fünf Stunden, bevor die Sonne aufgeht. Wenn wir diese Chance nicht nutzen, müssen wir wieder ein Jahr lang warten!"

Victoria, die langsam genug von den mysteriösen Andeutungen hatte, wollte jetzt mehr denn je Tacheles reden.

"Alles klar, du willst mir also dabei helfen, den Fluch zu brechen und alle hier spukenden Geister zu erlösen. Verstehe. Jetzt muss ich dir aber ein paar Fragen stellen. Kurz und schmerzlos: Was ist mir dir passiert? Wer hat dich getötet? War es Fabian gewesen?"

Obgleich sie weiterhin einen fürchterlichen Zorn über seine wahnwitzige Idee, für ihn zu sterben und mit ihm an der Seite für alle Ewigkeit hier hausen zu müssen, empfand, so brannte ihr doch gerade diese eine Anliegen auf der Seele. 

Trotz allen Unmuts hegte sie zweifellos Gefühle für den Geist, die sich nicht so leicht zu Asche verkohlen ließen. Und ein Teil von ihr wollte weiterhin in das Gute seiner Selbst glauben, egal ob sinnig oder nicht. 

"Nein, nicht er",  gab Rosmarie preis, deren abgeschweifter Blick tief in der Vergangenheit schwelgte.  "Als meine Familie herausgefunden hat, dass ich damals von ihm schwanger gewesen bin, wurde ich sofort beiseitegeschoben. Wochenlang durfte ich das Haus nicht verlassen,  ehe ich mich zu dem Herrenhaus von Dunkelmoor geschlichen habe. Natürlich in der Erwartung in zu sehen, habe aber stattdessen meinen Tod gefunden."

Von Kopf bis Fuß zitternd, so holte Victoria jetzt ein paar Mal tief Luft. 

"Wer dann? Wer hat dich gemeuchelt? Etwa sein Vater?"

"Nein, es war sein übel gelaunter Drache von Mutter", schüttelte der andere Doppelgänger den Kopf,  blanke Wut flammte gleich einer verzehrenden Flamme in ihren verengte Iriden auf. Unweigerlich ballte die Ahnherrin ihre Hände zu Fäuste, so als gedachte sie jetzt nur zu gerne auf eine unschuldige Wand einschlagen zu wollen. 

"Sie hat mich damals des Nächtens unter einen falschen Vorwand ins Moor gelockt und mich dort nur kurz darauf mit mehreren Messerstichen getötet! Ich glaube mich zu erinnern, dass zu diesem Zeitpunkt kein anderes Familienmitglied im Haus aufgehalten hat.... " 

Zutiefst entsetzt hielt Victoria dem eiserenen Blick stand. 

"Warum ausgerechnet die Mutter?", fragte sie. "Und weshalb hat sie dich nicht für immer im Moor entsorgt? Also, nicht böse gemeint. Ich mein ja nur....", beeilte sich die junge Frau zu sagen, denn sie wollte natürlich ihren gleich aussehenden Zwilling um keinen Preis der Welt  beleidigen wollen. 

Daraufhin seufzte Rosmarie laut auf, so als lastete das Schicksal der Welt auf ihren Schultern.

"Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung verläuft der Sumpf an den meisten Stellen gar nicht so tief wie eigentlich gedacht. Vermutlich wäre mein Leichnam irgendwann zwischen all dem Schlick und Regen hervor gequollen. Und dieses Risiko wollte sie vermutlich nicht eingehen und hat mich daher für alle Ewigkeit im Keller verscharrt."

"Verdammtes Miststück! Ich hab mir, als ich sie das erste Mal höchstpersönlich als Geist gesehen hab, schon nichts Gutes gedacht. Aber das sprengt ja wirklich den Rahmen ", empörte sich Victoria, sich im Insgeheimen den launischen Geist vorstellend. "Dieser abscheulichen Kreatur muss das Handwerk gelegt werden..."

"Ja, seine Mutter war ein Ungeheuer ohnegleichen. Ein hübsches Gesicht, das eine hässliche Seele gut zu verbergen wusste. Sie liebte es tagein und tagaus brüllend Befehle zu geben und regelmäßig die komplette Belegschaft zu tyrannisieren. Sogar vor ihrer eigenen Familie machte sie normalerweise nicht Halt....

"Heißt das, sie hat auch ihren Ehemann und Kinder getötet?  Wie geisteskrank kann diese Karikatur von Frau überhaupt sein?", zeterte die junge Erwachsene abermals drauf los, vor dem geistigen Auge bereits rot sehend.  "So eine B...." 

"Und genau diesen Teil kann ich noch nicht verraten", seufzte Rosmarie, die gleich darauf die Hände wie zur Besänftigung in die Luft aufhob. 

"Allerdings wird jene Wahrheit ins Leben treten, wenn sich die Familie erinnert. Und diese Handhabe kannst du nur erreichen, in dem du dein eigenes Blut während eines mächtigen Rituals vergießt." 

"Warum muss denn gerade mein Blut regnen? Und von wie viel Körpersaft sprechen wir denn überhaupt?", hakte Victoria auf der Stelle nach, nun seltsam ruhig und durchaus Böses ahnend. 

"Leider muss viel von deiner frischen Lebenskraft fließen, dies ist unvermeidlich. Du, als die Reinkarnation ihres ersten Opfers, musst hier in meinem Namen agieren. Solch eine rituelle Handlung, die meist die im Verborgen liegende Wirklichkeit fordert, beruht auf blöderweise  unumstößliche Regeln", führte Rosmarie in ihrer ausgeholten Erklärung fort, der Victoria weiterhin wie gebannt lauschte. 

"Dein Blut vermischt mit zwei Objekten, eins mir und eins der Mörderin angehörig,  und ein paar magisch gesprochenen Formeln... und schon wird das Ende für die Dunkelheit eingeleitet. Wenn ihr das Ritual schafft, so wird sich die Familie an ihrem ursprünglichen Todesort versammeln und über die Mutter richten." 

"Also, nur um einen kurzen Zwischenstand zu ziehen: Ich muss quasi wie ein abgestochenes Schwein bluten und die Flüssigkeit über zwei antike Relikte verstreichen.... Auf welche  Gegenstände beziehst du dich?"

"Was mich anbelangt, so kannst du einfach das ausgestellte Portrait auf dem Dachboden nehmen", zuckte Rosmarie geflissentlich mit den Schultern. "Hab das Bildnis eh nie sonderlich gut leiden können."

Kurz stahl sich ein Grinsen auf Victorias Lippen, ehe dieses wieder rasch ins Leere verblasste. 

"Und die Mutter?"

"Konstanze hat zur damaligen Zeit ein Amulett um den Hals getragen, welche sie niemals abgenommen hat. Sie wurde schließlich mit diesem Schmuckstück auch zu Grabe getragen...."

"Und in der Gruft zu Ruhe gebettet", fiel ihr die Lebendige sofort ins Wurt,  deren weit aufgerissenen Augen nun der Größe von zweier Tennisbälle entsprachen. 

"Mist, verdammter. Jetzt muss ich mich also zusätzlich in die nächtliche Höhle eines potentiellen wahnsinnigen Gespenst wagen, ein Kleinod von dem Hals eines vermoderten Skeletts herab reißen und dabei Acht geben, nicht abgemurkst zu werden?"

"Ja."

"Hätte ich dieses Haus doch niemals betreten", stöhne Victoria verzweifelt auf, nicht wissend, ob sie lieber lachen, weinen oder komplett in Raserei verfallen sollte. 

"Ob du es glaubst oder nicht", tröstete Rosmarie die Jüngere und schenkte ihr dabei ein sanftes Lächeln, "du  warst immer dazu bestimmt, das hier lebende Böse zu beenden. Gräme dich nicht, sondern blicke stets voraus. Ich werde dir nun erklären, wie dieses Ritual funktioniert. Und vergiss bitte nicht, dass ich in den nächsten Stunden, egal was auch auch immer passieren mag, nicht von deiner Seite weichen werde. Unser Bündnis macht dich stark. Jetzt können wir gemeinsam unsere Blutlinie rein waschen."

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro