Alte und neue Gefühle

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Durch das Fenster konnte Emma sehen, wie die beiden miteinander sprachen. Regina wirkte verlegen, als habe Henry sie bei etwas ertappt. Dann sagte er etwas, das sie sehr zu treffen schien. Sie wehrte sich gegen die Aussage. Was auch immer es gewesen war, sie nahm es sich offensichtlich sehr zu Herzen. Sie redete eindringlich auf ihn ein. Es schien kalt geworden zu sein, der Wind fuhr Mutter und Sohn durchs Haar. Emma beobachtete mit einem Lächeln auf den Lippen, wie Regina dem Jungen die Jacke zuknöpfte. So direkt hatte Emma diese Frau ihre liebevolle Art bisher nicht zeigen sehen.
In Emma entstand eine Sehnsucht nach genau dem. In ihrem Leben hatte sie nicht viel Liebe erlebt, und immer hatte es in endloser Enttäuschung geendet. Sie wollte jemanden, der sich um sie kümmerte. Jemanden, dem es wichtig war, ob ihr kalt war oder nicht.
„Emma?" Sie wurde leicht an der Schulter berührt, was sie zusammenzucken ließ, als hätte sie einen elektrischen Schlag bekommen.
„Fass mich nicht an!", zischte Emma und brachte ein wenig Abstand zwischen sich und Ingrid, obwohl sich zwischen ihnen bereits die Eistheke befand. Jedoch hatte Emma den Eindruck, solange sie sich überhaupt in derselben Straße befand wie ihre ehemalige Gastmutter, sei nicht genügend Platz zwischen ihnen.
Ingrid sah sie daraufhin verletzt an. „Du hast nicht reagiert, ich habe dich mehrere Male angesprochen", erklärte die ältere Frau sich. Dann hielt sie ihr die Servietten hin. In ihrem Gesicht spiegelte sich die Schuld. „Du weißt ja, wo ich bin, wenn du dich jemals bereit dafür fühlen solltest, mit mir über damals zu reden." Ingrid nickte ihr auffordernd zu.
Emma warf ihr einen skeptischen Blick zu, nahm aber die Servietten und reinigte ihre Hose notdürftig. „Irgendwann vielleicht, okay? Aber nicht jetzt. Zurzeit gibt es mehr als genug, das mich beschäftigt."
„Sie?" Ingrid sah hinaus zu Regina, die nun schweigend neben Henry saß und in ihren Pappbecher starrte, als hätte sie Eis noch nie so interessant gefunden wie jetzt. „Ist sie deine feste Freundin?"
Verdutzt schnappte Emma nach Luft. Sie hatte nie darüber gesprochen, dass sie sich auch von Frauen angezogen fühlte. „Nein, aber woher...?"
Ingrid sah sie an, wie nur Mütter es bei ihren Töchtern tun. „Du hast anderthalb Jahre bei mir gelebt, Emma, ich habe durchaus gemerkt, wie du Lily angesehen hast, immer wenn sie zu Besuch kam."
„Weißt du, wo sie jetzt ist?", erkundigte sich Emma, deren Gesichtszüge etwas an ihrer Härte verloren hatten.
Mit dem, was Ingrid antwortete, hätte sie jedoch niemals gerechnet. „Das weiß ich tatsächlich. Sie ist sechs Jahre später als ich nach Storybrooke gezogen. Was sie genau macht, weiß ich nicht, oder wo sie wohnt, aber sie müsste immer noch hier sein."
Diese Worte ließen Emma einen riesigen Stein vom Herzen fallen. Es war schön zu wissen, dass es ihrer Jugendfreundin gut ging. Jedoch...
„Wirst du sie suchen?", erkundigte sich Ingrid.
Nach kurzem Überlegen schüttelte Emma den Kopf, sehr zu ihrem eigenen Erstaunen. „Nein", sagte sie, den Blick ins Leere gerichtet. „Wir sind beide älter geworden. Vermutlich ist es besser, sie so in Erinnerung zu behalten, wie ich sie kannte." Das war feige, sie wusste es, aber sie plagte die irrationale Angst, alte Gefühle könnten wieder aufblühen. Dabei wäre das genau das, was sie emotional wieder von Regina wegtreiben könnte... „Ich will sie nicht suchen", sagte Emma entschlossen. Es war verrückt, eine verurteilte Schwerverbrecherin der entfremdeten Jugendfreundin vorzuziehen, aber sie tat es.
„Wie du willst", meinte Ingrid. „Auf Wiedersehen, Emma."
Die Blonde ließ ihr ein schmallippiges Lächeln zuteilwerden, ehe sie die Eisdiele verließ und zu Regina und Henry zurückkehrte. „Hey", begrüßte Emma die beiden. „Besteht Bedarf an Servietten?"
„Ja, bei mir!", verkündete Henry, der aussah, als habe er das Eis mit absoluter Sorgfalt nur um den Mund herum verteilt.
„Herrgott", murmelte Regina und nahm mit einem kleinen Schmunzeln eines der Papiertücher von Emma entgegen.
Sie gingen noch auf einen Spielplatz, wo Henry sie mit allerlei Faxen erheiterte, auch wenn einige Aktionen von Regina eher besorgt aufgenommen wurden. Emma aber hatte jede Menge Spaß und irgendwann, als Henry ihnen mal eine längere Zeit für sich alleine ließ, erzählte sie Regina das Grundlegende aus ihrer Unterhaltung mit Ingrid. Den Grund, warum sie Lily nicht wiedersehen wollte, behielt sie für sich.
Regina wirkte unschlüssig, als Emma wissen wollte, ob sie genauso entschieden hätte. „Ich weiß nicht, vermutlich kann das niemand Außenstehendes bewerten", sagte die Brünette nachdenklich. „Du kanntest sie, also wirst du am besten wissen, was du tun sollst. Wenn du sie zufällig siehst, dann ist das großartig, sprich mit ihr, aber wenn das Schicksal es so nicht will, dann nicht."
Auf Emmas Gesicht machte sich Verwunderung breit. „Du glaubst an Schicksal?" Das war das Letzte, was sie von einer zum Tode verurteilten Serienmörderin erwartet hätte.
„Ist das so schwer zu glauben?", fragte Regina mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Ich denke, Schicksal existiert. Wir können davor wegrennen, solange wir wollen, irgendwann, und sei es Jahre später, holt es einen ein." Den letzten Satz sagte sie sehr leise, sodass Henry sie nicht hören können würde.
Das schlechte Gewissen erwischte Emma unvorbereitet. Schließlich war sie in diesem Kontext sozusagen die Vollstreckerin des Schicksals. Sie war dafür zuständig, dass Regina von den Cops verhaftet und ihrer Hinrichtung zugeführt werden konnte. Emma kam nicht umhin, sich zu fragen, ob sie ein schrecklicher Mensch war, aufgrund des doppelten Spiels, das sie trieb?
Das Vibrieren ihres Handys riss sie aus ihren Gedanken. Sie schloss kurz entnervt die Augen. „Entschuldige", sagte sie an Regina gewandt.
„Kein Problem", erwiderte diese. „Es macht mir nichts aus."
Immer noch von schlechtem Gewissen geplagt, nahm Emma das Telefon aus ihrer Jackentasche und sah auf den Bildschirm. Anruf von DN. David Nolan. Hastig stand sie auf und entfernte sich ein paar Meter von Regina, da die um keinen Preis etwas von diesem Gespräch verstehen durfte. Still hoffend, dass David sie nicht zu komischen Ausweich-Antworten zwingen würde, nahm sie den Anruf an. „Hey, ist es wichtig?"
„Ja, Emma?", kam es nicht so erheitert wie erwartet vom anderen Ende der Leitung. „Ich habe die Informantin hier. Dein Chef meinte, du hättest die Fähigkeit, Lügen nahezu fehlerlos zu erkennen. Entspricht das der Wahrheit?"
Ein wenig ernüchtert nickte Emma, obwohl David sie ja nicht sehen konnte. „Ja, tut es. Wann soll ich da sein?"
„Jetzt, nach Möglichkeit?"
„Dein Ernst?", nörgelte Emma. Sie wollte noch nicht gehen. Nicht jetzt, wo die Stimmung aufgrund des Themas Schicksal so gekippt war. In diesem Sinne wollte sie dieses Treffen nicht verlassen.
„Sag mir nicht, du amüsierst dich!", sagte David ironisch. Wie sehr er ins Schwarze traf, ahnte er nicht. Bis die Unterhaltung eben ein wenig düsterer geworden war, hatte Emma die Zeit mit Regina tatsächlich genossen. So unglaublich es auch klang.
„Nicht wirklich", schwindelte Emma, „nur... Meinetwegen. Bin in fünf Minuten da." Resigniert legte sie auf und ging zurück zu Regina, die augenscheinlich bloß ihrem Sohn beim Turnen am Klettergerüst zugesehen hatte. Doch Emma ahnte, dass sie das Telefongespräch Wort für Wort mitverfolgt hatte. Jedenfalls das, was sie von Emmas Seite hatte hören können. Was nicht viel war.
„Worum ging es?", erkundigte sich Regina.
Emma verdrehte die Augen und log: „Ein Bekannter. Es geht um ein mögliches Jobangebot."
„Ach, wo denn?"
Ja, Emma, wo denn? Sie verfluchte sich für diese Ausrede. In ihrem Gehirn ratterte es. Das Einzige, was ihr auf die Schnelle einfiel, war: „Bei der Polizei. Die brauchen eine Sekretärin." Das war noch nicht einmal ganz gelogen. Sie arbeitete ja für die Polizei, und das würde ihr eine Ausrede für häufiges Erscheinen auf der Wache geben. Und im Moment deckte es den wahren Grund dafür, dass sie nun gehen musste. „Ich soll sofort zu einem Vorstellungsgespräch kommen. Das tut mir so leid. Vielleicht wollen wir unser Gespräch demnächst nochmal weiterführen?", bot sie mit einem vorsichtigen Lächeln an.
Dieses wurde breit erwidert. „Gerne doch." Regina machte einen Schritt auf sie zu und legte eine Hand an Emmas Wange, was deren Atem stocken ließ. Doch statt sie zu küssen, strich Regina ihr eine blonde Haarsträhne hinters Ohr und sah sie an. „Hat dir schon mal jemand gesagt, wie wunderschön du bist?"
Das war direkt, aber nichts anderes war Emma von dieser Frau gewohnt. „Äh, nein, nicht wirklich", gab sie zu. Sie wusste nicht, wohin mit ihren Händen, also ließ sie sie zur Seite runter hängen.
„Dann", erwiderte Regina, „lass es dir von mir sagen. Noch nie habe ich jemand so Atemberaubenden und Herzensguten wie dich getroffen. Du bist schön, Emma. Innen und außen."
Sie wusste gar nicht, was sie dazu sagen sollte. Reginas Worte taten ihr unglaublich gut. Denn auch Emma hatte sich, wie fast jedes Kind, das in einem Heim großgeworden war, ihr Leben lang gefragt, weshalb ihre Eltern sie nicht gewollt hatten. Alles, was sie daher hervorbrachte, war ein ersticktes „Danke".
Dies entlockte Regina ein belustigtes Schnauben. Ihre Hand lag immer noch in Emmas Haaren. Auf einmal erfüllte sie das Bedürfnis nach Nähe. Sie zögerte nicht, sondern zog Emma einfach an sich heran und küsste sie endlich. Sehr zu ihrer Freude legte Emma die Arme um Reginas Hüfte und erwiderte den Kuss leidenschaftlich. Trotz der vielen Lügen war es zwischen ihnen nie echter gewesen.

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