Lady Night & Lord Day

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Heute Nacht würde ich dem Mann meiner Träume begegnen.

So hat es mir Neryn vor über einem Blaumond vorhergesagt. Und ihre Prophezeiungen sind bisher immer wahr geworden.

Ich atme langsam aus und betrachte mich im Spiegel. Einige Strähnen meiner Haare hängen mir ins Gesicht, der Rest ist mit einem schwarzen Seidenband nach hinten gebunden und fällt über meinen Rücken. Mein Kleid für die heutige Nacht besteht aus dunklem Tüll und schwarzer Spitze. Der weite Rock bauscht sich um meine Beine als ich aufstehe und näher an den Spiegel herantrete um meinen Ohrring anzulegen.

Erneut wandert mein Blick über mein Spiegelbild. Meine Lider sind mit lilafarbenem Puder bestäubt und wirken so gar nicht wie meine Augen. Ich frage mich, was Lord Arkon von mir halten wird, wenn er mich heute Abend trifft. Wird er in mir nur ein schüchternes Mädchen sehen, dessen Hand ihm angeboten wurde oder wird er mehr sehen?

Seufzend wende ich mich schließlich ab. Es wird langsam Zeit hinunterzugehen.

Meine Schritte hallen von den Wänden wider als ich den langen Flur hinabschreite, in dem schon leise die Musik aus dem Ballsaal zu hören ist. Das jährliche Sommerfestival hat bereits begonnen. Mein Puls beschleunigt sich als ich vor die Wachen trete und mir die Doppelflügeltür geöffnet wird. Ich atme noch einmal tief durch, wappne mich, denn schließlich sehe ich heute zum ersten Mal meinen zukünftigen Verlobten.

Und dann stehe ich auf der Balustrade und überblicke den Saal unter mir. Es ist ein Meer aus schwarzen Röcken und dunklen Anzügen. Die Gäste aus Lydonia sind noch nicht eingetroffen, dennoch drehen dutzende Pärchen ihre Runden auf der Tanzfläche und feiern den Sommerbeginn und diese letzte Nacht, in der unser Königreich noch den Vorsitz im Rat innehat. Heute um Mitternacht wird dieser dann für die nächsten vier Mondzyklen an unsere Nachbarn aus dem Osten übergeben.

Langsam steige ich die Stufen der langen Treppe hinab, darauf bedacht nicht auf den Saum meines Kleides zu treten und mich an diesem so wichtigen Abend vor dem gesamten Hof zu blamieren. Meine Mutter würde es mir ewig vorhalten.

„Adena!"

Ich schaffe es gerade noch mich umzudrehen als ich meinen Namen höre da steht Neryn schon vor mir und hat meine Hand ergriffen. Ihr Lachen streift mein Ohr als sie mich in eine Umarmung zieht.

„Lass dich ansehen." Sie löst sich von mir und tritt einen Schritt zurück. Ihre braunen Augen mustern mich von oben bis unten und ein breites Lächeln umspielt ihre dunkelroten Lippen. Ihre Finger berühren den goldenen Gürtel um meine Taille, an dem kleine metallene Monde und Sterne hängen. „Das Kleid ist traumhaft", sagt sie dann mit Bewunderung in der Stimme.

„Das Gleiche könnte ich von dir sagen", gebe ich zurück und meine es auch so. Ihr Kleid ist schwarz wie die Nacht doch es wirkt fast als würde es blau leuchten, aber was es wirklich außergewöhnlich macht, sind die kleinen nachtblauen Schmetterlinge, die um ihre bloßen Schultern flattern. Ihre Haare umspielen ihr Gesicht in weichen Wellen und ihre Wagenknochen schimmern im Licht der Kronleuchter. Sie könnte glatt als Elfe durchgehen, hätten diese nicht schon vor über einem Jahrhundert unseren Kontinent verlassen.

Sie ergreift wieder meine Hand und zieht mich sanft in Richtung eines Tisches auf dem Getränke und Kleinigkeiten zu essen bereitstehen.

„Bist du aufgeregt?" Neryn nimmt zwei schlanke Gläser von dem Tisch und reicht mir eins.

Ich betrachte kurz die violette Flüssigkeit, die im Glas Bläschen wirft. Meine Finger umklammern den Stiel und ich lächle vorsichtig in ihre Richtung. „Eher ein bisschen nervös", gebe ich zu.

Sie führt mich weiter in den Ballsaal hinein, vorbei an Gästen, die sich in Grüppchen zusammengefunden haben. Ich entdecke meine Mutter unweit von uns im selben Moment, in dem auch sie mich sieht. Sie wendet sich von den Leuten um sie herum ab und kommt dann in unsere Richtung.

„Mach dir nicht zu viele Gedanken", sagt Neryn noch und wirft mir ein letztes Lächeln zu. „Erinner dich daran, was ich gesagt habe. Der Abend wird unvergesslich werden." Dann steht meine Mutter neben uns und legt ihren Arm um meine Schulter.

„Adena, Schatz, ich möchte dir ein paar Leute vorstellen."

Meine Augen wandern zu der Gruppe, auf die wir nun zugehen. Drei Frauen und zwei Männer schauen mich erwartungsvoll an. Ich frage mich, ob einer der Männer mein Zukünftiger ist und mein Herz scheint in einen Galopp ausbrechen zu wollen. Ich schlucke und konzentriere mich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Meine Mutter stellt mich vor und ich knickse und lächle wie es sich gehört.

„Und das ist Lord Arkon", sagt sie dann und mein Blick heftet sich auf den großgewachsenen Mann, der seine Hand nach meiner ausstreckt und einen Kuss andeutet. Es sagt nichts und wendet sich stattdessen wieder dem Mann neben ihm zu.

Ich betrachte ihn unauffällig während ich immer noch unsicher mein Getränk in den Händen halte. Seine dunklen Haare sind nach hinten gekämmt und geben den Blick frei auf seine bernsteinfarbenen Augen, sein Kiefer wird umspielt vom Schatten eines Barts. Er trägt eine schwarze Uniform und an seiner Brust glänzen goldene Pins und Abzeichen. Er ist zehn Jahre älter als ich aber attraktiv genug, dass sich die Mädchen, die an uns vorbeigehen, nach ihm umdrehen. Aber scheint völlig uninteressiert an mir.

Mein Herz sinkt wie ein vollgelaufenes Schiff und ich versuche mir die Enttäuschung angesichts seiner Kälte nicht anmerken zu lassen, doch ich spüre wie sich langsam ein Kloß in meinem Hals bildet und mir die Luft abschnürt. Tränen drohen mir in die Augen zu treten. Mit diesem Mann soll ich mich vermählen? Wie soll ich mit ihm zusammenleben und den Rest meines Lebens verbringen, wenn er mich kaum eines Blickes würdigt oder auch nur ein Wort mit mir wechseln möchte?

Ich drehe den Kopf und versuche Neryn in der Menge wiederzufinden. Ich muss wissen, was genau sie in ihrer Vision gesehen hat. Während ich nach einer Ausrede suche, um mich von der Gruppe zu entfernen und meine Freundin suchen zu gehen, ertönen von draußen Posaunen. In der darauffolgenden Stille dringen gedämpft die Schläge von Hufen und ein Gewirr von Stimmen zu uns. Die große Flügeltür, die hinaus ins Atrium führt, wird aufgerissen und weht einen Schwall von lauwarmer Nachtluft in den Ballsaal.

Die Abgesandten aus Lydonia sind eingetroffen.

Es kommt Bewegung in die Ballgäste als sie sich aufgeregt in Richtung des Eingangs bewegen. Dankbar für die Ablenkung, lasse ich mich von der Menge wegtragen, weg von Lord Arkon und seinem offenkundigen Desinteresse an mir, weg von meiner Mutter, die sich den Abend sicher auch anders vorgestellt hat. Trotz der Tatsache, dass meine Eltern diese Verbindung angestrebt haben, weiß ich, dass sie mich niemals zu einer Heirat zwingen werden, die ich nicht möchte.

Ich mache es den Umstehenden nach und recke meinen Hals und versuche über die Köpfe hinweg einen Blick auf die Besucher zu erhaschen. Niemanden scheint es zu stören wie neugierig oder ungeduldig sie sich in der Öffentlichkeit geben und so verschwende auch ich nur einen flüchtigen Moment an die Etikette. Ein paar Mädchen neben mir kichern und fragen sich flüsternd, ob ein gewisser Lord, dessen Namen ich nicht ausmachen kann, wieder unter den Abgesandten sein würde.

Die Neuankömmlinge sind weiß gekleidet und heben sich so deutlich von den übrigen Gästen ab. Meine Augen schweifen über die Gruppe. Das Getuschel der Mädchen wird zu einem undeutlichen, weit entfernten Rauschen als ich zum zweiten Mal an diesem Abend einen Mann betrachte.

Es fällt mir schwer ihn nicht anzusehen.

Sein Haar ist golden. Vom Wind zerzaust, hängt es ihm in die Stirn und als er den Kopf wendet und ihn das Licht von hinten trifft, umrahmt es ihn wie ein Heiligenschein. Seine Jacke spannt sich leicht über seiner Brust und ihr Kragen ist mit kleinen Sonnen bestickt. Ein cremefarbenes Cape liegt um seine Schultern und fällt über seinen Rücken. Alles an ihm ist golden, bis auf seine Augen, die hell und klar sind wie der Himmel an einem Sommertag.

Und die direkt in meine blicken.

Einen Augenblick lang fühlt es sich an als wäre ich gefangen in diesem Moment. Nur er und ich. Mitten im Ballsaal, umgeben von all diesen Leuten. Der Fremde lächelt mich an und die Zeit scheint still zu stehen. Meine Fingerspitzen kribbeln. Die Kerzen in den Kronleuchtern über unseren Köpfen flackern, doch niemand scheint es zu bemerken. Und dann rempelt mich jemand an und der Bann ist gebrochen.

Ertappt wende ich mich ab und sehe zu Boden. Wärme steigt in meine Wangen und ich wünschte, ich könnte mich unsichtbar machen. Zu blöd, dass ich nicht mit so einer nützlichen Magie gesegnet bin. Doch gleichzeitig brennt die Neugier in mir und ich unterdrücke den Drang erneut aufzusehen. Ich lasse mich ein Stück zurückfallen und tauche unter in der Menge.

Die Aufregung legt sich langsam und die Gäste verteilen sich wieder im Saal. Die Musiker setzen zu einem neuen Stück an und ich versuche den Raum zu überblicken, erneut auf der Suche nach Neryn. Ein Knoten schnürt meinen Magen zusammen und ich weiß nicht so recht, was ich denken soll. Von meiner Mutter fehlt zum Glück jede Spur. Ich seufze. Der Abend verlief bis jetzt nicht so wie erwartet und ich will einfach nur meine beste Freundin neben mir haben und ihr alles erzählen.

Ich bemerke, dass ich immer noch mein Getränk unangetastet in der Hand halte und trinke es in einem Zug aus. Süß und prickelnd läuft es meine Kehle hinunter und hinterlässt ein leichtes Brennen. Neryns blauschwarze Haare tauchen für einen Moment in der Menge auf und sind dann wieder genauso schnell verschwunden. Sie ist auf der Tanzfläche und wirbelt an der Hand eines unbekannten Mannes durch den Saal.

Ich tausche mein leeres Glas gegen ein neues aus als ein Bediensteter mit einem Tablett an mir vorbeikommt und ziehe mich an den Rand des Ballsaals zurück während ich darauf warte, dass der Tanz zum Ende kommt.

Unweigerlich kehren meine Gedanken zurück zu Lord Arkon, dem Mann, mit dem ich heute Nacht verlobt werden sollte. Er ist ein Captain der königlichen Armee und ein enger Vertrauter des Königs, so hat es mir mein Vater erklärt. Angeblich hat der König selbst seinen Segen für die Verlobung gegeben. Doch so sehr ich mich auch bemühe dem Ganzen optimistisch entgegenzusehen, es will mir nicht gelingen. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, hätte ich nicht gedacht, dass ich den Abend allein und in mich gekehrt am Rande der Tanzfläche verbringen würde.

Ich war Lord Arkon begegnet und hatte nichts dabei gespürt. Nichts außer Enttäuschung.

Ein leises Räuspern ertönt neben mir und reißt mich aus meinen Gedanken. Ich schüttle unmerklich den Kopf, wie um ihn davon zu befreien und versuche zu lächeln, mir das Durcheinander, das in mir herrscht nicht anmerken zu lassen. Als ich aufblicke, macht mein Herz einen Satz. Der goldhaarige Fremde steht neben mir.

„Mylady", sagt er und verbeugt sich. Seine Lippen sind warm als er sie auf meinen Handrücken drückt. Es ist eine winzige, flüchtige Berührung, doch sie genügt, um ein Flattern in meinem Bauch hervorzurufen. Er blickt mich hoffnungsvoll aus seinen blauen Augen an. „Würdet Ihr mir die Ehre erweisen mit Euch zu tanzen?"

„Aber ich kenne doch noch nicht einmal Euren Namen, Lord ...?" Ich kann den Blick nicht von ihm abwenden und meine Hand fühlt sich immer noch warm an dort, wo er sie geküsst hat.

„Corin. Nur Corin." Er reicht mir seine Hand, abwartend und ich gebe mir einen Ruck und ergreife sie. Seine Finger umschließen meine, seine gebräunte Haut ein Kontrast zu meiner Blässe. Ich will mich schon in Bewegung setzen und Richtung Tanzfläche gehen, doch er hält mich plötzlich zurück. „Ihr habt mir noch nicht Euren Namen verraten."

Ein Lächeln stiehlt sich auf seine Lippen und dieses Mal erwidere ich es.

„Adena", entgegne ich. „Aber Lady Adena für Euch."

Er lacht und sein warmer Atem lässt die widerspenstigen Härchen über meinem Ohr flattern als Corin mich näher zieht und wir endlich auf die Tanzfläche treten. Meine Finger beginnen wieder zu kribbeln und ich bin mir seiner Nähe überdeutlich bewusst, sowie der Blicke, die ich auf mir spüre. Ich bin nicht sicher, ob sie Neryn oder doch meiner Mutter gehören aber ich wende mich auch nicht um um es herauszufinden.

„Also, was führt Euch auf diesen Ball, Lady Adena?" fragt Corin als wir geschickt eine Drehung vollführen und mein Rock wie ein Schweif um meine Beine schwingt. „Geschäftliches oder Vergnügen?"

Sein Blick ruht auf mir. Ich überlege einen Augenblick. Eigentlich bin ich nur aus einem Grund hier, aber dieser scheint sich immer mehr in Luft aufzulösen. Mir wird erst jetzt bewusst, dass ich eigentlich mit einem ganz anderen Mann tanzen sollte, statt mit einem Unbekannten vom anderen Ende des Kontinents. Corin mustert mein Gesicht während ich noch abwäge, ob es ihn überhaupt etwas angeht.

„Ein bisschen von beidem, schätze ich", sage ich dann mit einem Schulterzucken. „Ich bin die Großnichte des Königs, da ist es Pflicht solchen Veranstaltungen beizuwohnen. Eigentlich sollte heute Abend jedoch meine Verlobung bekannt gegeben werden."

„Aber die auserwählte Person ist nicht Eure erste Wahl?"

Ich wage es nicht zu nicken und damit zuzugeben, was mir schon den ganzen Abend im Kopf herumspukt. Die Überraschung darüber, dass er in der Lage war, es mir so unvermittelt anzusehen, obwohl er mich nicht einmal kennt, überkommt mich plötzlich und heftig. Ich kenne ihn nicht einmal eine Stunde und er weiß bereits von Dingen, die ich noch nicht mal meinen engsten Vertrauten verraten habe. Mein Herz schlägt so unruhig, dass ich seinem Blick ausweiche und ihn stattdessen über die Menge gleiten lasse.

Als würde sich irgendein alter Gott einen Spaß daraus machen mir diesen Abend so unangenehm wie möglich zu machen, landen meine Augen ausgerechnet auf Lord Arkon. Er steht am anderen Ende des Saals, weit weg von der Tanzfläche und ist ein weiteres Mal in ein Gespräch vertieft mit mehreren Personen, die nicken und ihn ernst anblicken. Keiner von ihnen scheint der Musik und den Feierlichkeiten viel Beachtung zu schenken. Corin steuert mich sanft in eine weitere Umdrehung und ich wende dem Captain nun den Rücken zu.

„Hinter mir. Der dunkelhaarige Mann in der Uniform." Ich bin nicht sicher, wieso ich das Gespräch wieder aufnehme, doch irgendwas in mir hat sich gelöst und es fühlt sich tatsächlich gut an über die Enttäuschung und die Erwartungen, die ich für diesen Abend hatte, zu reden. Insbesondere mit einem Fremden, der mich nicht gut genug kennt, um mich zu verurteilen.

Corin blickt an mir vorbei und seine Augen verweilen einen Moment, bevor sie wieder zu meinem Gesicht zurückkehren. „Ein Soldat, also." Ein nachdenklicher Ton schwingt in seiner Stimme mit.

„Seid Ihr auch im Militär?", frage ich, weil ich meine Neugier nicht länger unterdrücken will und ertappe mich dabei, wie ich ihn mir in Uniform vorstelle. Stattlich genug wäre er auf jeden Fall. Auch wenn er mich sanft berührt, kann ich die Kraft, die von seinem Körper ausgeht, spüren. Ich kann es in seiner Haltung erahnen.

„Ich war für viele Jahre im Militär, als ich jünger war. Dann habe ich mich stattdessen der Diplomatie verschrieben, als ich beschlossen habe lieber Kriege zu vermeiden, als sie auszufechten."

„Also ein geschäftlicher Besuch für Euch." Ich frage nicht was ihn dazu bewogen hat seine Karriere zu wechseln und ich weiß nicht, warum ich bei dem Gedanken Erleichterung verspüre. Habe ich denn erwartet er wäre hergekommen, um eine Geliebte auf dem Ball zu treffen? Auch wenn Cilion und Lydonia sich friedlich gegenüberstehen, kann ich mir nicht vorstellen, dass die anwesenden Adelsfamilien bereit wären eine ihrer Töchter an einen Lydonianer abzugeben. Man bleibt lieber unter sich.

„Ich vertrete die Allianz der Träger", sagt Corin jetzt und seine Stimme reißt mich aus meinen Überlegungen. „Sagt, habt Ihr magische Fähigkeiten?" In seinen Worten schwingt deutlich Neugier mit und er schaut mich erwartungsvoll an.

„Das ist eine ziemlich persönliche Frage." Ich lache leise und schaue ihn mit gespieltem Entsetzen an. Er hebt nur eine Augenbraue.

„Ist es? Ich hörte, die Veranlagung sei hier in Cilion sehr viel häufiger... und allgemeiner akzeptiert."

Wir drehen uns ein letztes Mal bevor die Musik langsam ausklingt und der Tanz zum Ende kommt. Die Paare gehen auseinander und es werden neue Partner gesucht für den nächsten Tanz, doch ich zögere, mich von dem Mann an meiner Seite zu entfernen. Er scheint zu bemerken, was ich vorhabe und so folgt er mir ohne ein Wort als ich mich an herumstehenden Gästen vorbeischlängele und schließlich durch eine Glastür hinaus auf die Terrasse trete.

Die Luft ist kühler hier draußen und trotz der lauen Sommernacht, fröstele ich als wir aus dem stickigen Ballsaal kommen und eine leichte Brise über meine nackten Arme streicht. Ein leises Rascheln dringt an mein Ohr und im nächsten Moment spüre ich das Gewicht von Corins Umhang um meine Schultern. Ich blicke zu ihm auf.

„Hast du magische Kräfte?" Meine Stimme wirkt sehr leise in der Stille der Nacht, nachdem meine Ohren so an die Geräuschkulisse aus Musik und hunderten von Stimmen gewöhnt sind.

Er nickt. Im Schein der Kronleuchter, der durch das Fenster hinausdringt, leuchtet sein Haar wieder und mir geht auf wie schön er ist. Es ist mir schon als ich ihn sah aufgefallen, aber erst jetzt gestehe ich es mir ein.

Ohne darüber nachzudenken, rede ich weiter. „Zeigst du es mir?"

Das Lächeln, das er mir als Antwort schenkt, lässt mein Herz einen Schlag aussetzen, bevor es doppelt so schnell weiterschlägt. Oder vielleicht ist es auch nur die Tatsache, dass er so dicht vor mir steht, dass ich seinen Geruch wahrnehme.

„Nur, wenn du mir zeigst, was du kannst."

Ich sollte vermutlich wieder zurück zum Sommerfestival gehen, doch ich kann mich nicht dazu durchringen den Rest des Abends damit zu verbringen mir Geschichten über die neueste Mode am Hof oder die nächste Hochzeit anzuhören. Also raffe ich meine Röcke auf, steuere stattdessen auf die Treppe zu, die hinunter in die Palastgärten führt und bedeute Corin mir zu folgen.

Winzige Laternen beleuchten den schmalen Weg mehr schlecht als recht, doch auch im Dunkeln hätte ich den verlassenen Tempel gefunden, der sich in der hintersten Ecke des Gartens versteckte hinter einer Ansammlung von Platanen. Ich erinnere mich, wie oft ich als Kind hierhergekommen bin, um die Fresken und Statuen zu bewundern.

Die Pforte ist, selbst nach all diesen Jahren, unverschlossen und quietscht leise als ich sie aufdrücke. Das Innere des kleinen Gebäudes ist dunkel bis auf das Mondlicht, das in einem breiten Stahl durch die runde Öffnung in der Decke fällt und alles in ein kühles Silbergrau taucht.

„Was ist das für ein Ort?", höre ich Corin hinter mir mit Bewunderung sagen. Seine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, fast so als wollte er die Ruhe dieses heiligen Ortes nicht stören.

Mir geht es genauso und so antworte ich ebenfalls in einem Flüsterton. „Das ist ein Tempel der alten Göttinnen Nyssanra und Iselia." Ich deute mit dem Finger nach oben durch das offene Dach auf die zwei Monde, die am Firmament hängen, einer silbern, der andere, kleiner und blassblau. „Iselia war die Göttin der Nacht und ihre Tochter, Nyssanra, die des Mondes. Eine brachte Menschen sanft den Schlaf, während ihre Mutter die Verstorbenen ins Reich der Toten begleitete. Oder so sagt man zumindest, sie werden hier bei uns nicht mehr verehrt."

Corin sagt nichts und schaut stattdessen weiterhin in den Himmel über uns und ich entnehme daraus, dass auch in Lydonia diese alten Götter nur noch Stoff aus Mythen und Märchenbüchern sind.

„Weißt du", beginnt er, „es ist schon erstaunlich wie bereitwillig und inbrünstig Menschen einen allmächtigen Göttervater verehren können, doch wenn es um die außergewöhnlichen Dinge geht, die wir selbst vollbringen können, stoßen wir nicht selten auf Ablehnung." In seinen Worten bemerke ich eine Traurigkeit und mir fallen seine letzten Worte ein, die er auf der Tanzfläche gesagt hat.

Als ich mich zur Seite drehe, um ihn anzusehen, stirbt alles, was ich hätte sagen wollen, auf meiner Zunge. Ein warmes Licht erfüllt den Raum zwischen uns; nein, unzählige kleine Lichter, die wie Glühwürmchen um ihn herumtanzen und ihn in eine goldene Aura tauchen. Seine Augen sind zwei Topase, die meinen Blick gefangenhalten. Es ist atemberaubend. Er ist atemberaubend.

Ich trete näher an ihn heran und hebe die Hand um einen der Lichtpunkte zu berühren. Er schwebt über meiner Handfläche und als meine Finger hindurchgehen, durchfährt mich ein Schauer. Gänsehaut breitet sich auf meinem Arm aus. Das Licht löst sich vor meinem Gesicht auf und das einzige was zurückbleibt, ist ein warmer Hauch auf meinen Wangen.

„Das ist nur ein Trick um Leute zu beeindrucken", sagt Corin mit einem Grinsen aber sieht mich mit unveränderter Intensität an, die das Blut in meinen Ohren rauschen lässt. Da ist etwas Aufforderndes in seinem Blick und ich weiß, er erwartet von mir auch einen solchen Trick zu sehen.

Ich drehe mein Handgelenk und lasse die Schatten über meine Handfläche fließen bis meine ganze Hand in schwarzen Nebel gehüllt ist, er wabert und pulsiert sachte im Takt meines Herzschlags. „Es ist bei mir nicht so ausgebildet", sage ich entschuldigend und bedauere, dass ich ihm nicht mehr zeigen kann. „Meine Magie ist nicht stark genug um sie zum Beispiel als Waffe einzusetzen. Ich kann höchstens Kerzen damit löschen."

Doch er scheint nur mit halbem Ohr hinzuhören und starrt wie gebannt auf meine Hand. Er greift nach ihr und ich gewähre es. Seine Berührung ist so sanft, so vorsichtig, als würde er befürchten etwas zu zerbrechen, seine Finger sind warm auf meiner Haut als sie über meine Handfläche streichen und den Nebel aufwirbeln.

Ich sehe auf und Corin steht plötzlich wieder so nah vor mir, dass ich mich nur nach vorne lehnen müsste, um ihn zu küssen. Und ich stelle zu meiner Überraschung fest, dass ich genau das tun will. Kaum habe ich den Gedanken gefasst, merke ich wie sein Blick auf meine Lippen fällt. Mir ist heiß und kalt zugleich und ich wage nicht mich zu rühren, aus Angst den Moment zu zerstören.

Ganz langsam neigt er den Kopf, wie um mir Zeit zu geben ihn aufzuhalten oder wegzuschieben, doch ich greife nach seiner Jacke und umklammere seinen Kragen in meinen Fäusten, ziehe ihn zu mir hinunter. Und dann liegen seine Lippen auf meinen. Leicht wie ein Windhauch zuerst und dann warm und schwer. Seine Arme legen sich um meine Taille und er zieht mich an sich, bis ich spüre wie jeder Zentimeter seines Körpers sich an meinen drückt. Meine Hände wandern über seine Brust zu seinem Nacken und meine Finger versinken in seinen weichen goldenen Haaren.

Corin löst sich von mir, um Luft zu holen. „Adena...", haucht er, doch ich weiß nicht, was er sagen wollte, denn ich ziehe ihn wieder hinunter zu mir und küsse ihn wie im Traum.

Plötzlich kommen mir Neryns Worte zurück ins Gedächtnis. Und die Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag.

Der Abend wird unvergesslich werden. 

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