Nadelarbeiten

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Stirnrunzelnd sah sich Piroska Jolantas Füße an. „Die sehen böse aus. Ein Glück, dass ich bei der Frau Großmutter noch etwas die Küche geplündert hab." Sie holte ein Tuch hervor, in das etwas Weiches, Schmieriges eingewickelt war. „Schmalz", erklärte sie grinsend. „Ich wollte mir nochmal die Hände einreiben."

„Das hast du nach der ganzen Aschenlauge auch nötig", bemerkte Ylvigur. Auf Jolantas fragenden Blick erklärte er: „Sie hat bei der hohen Dame erst einmal das ganze Haus putzen dürfen."

„Nicht das ganze", protestierte Piroska, während sie das Schmalz auswickelte. „Nur die Küche, im Wohnzimmer Staub gewischt und in der Kammer den Boden."

„Das reicht ja auch. Unser Haus ist auch nicht kleiner als das der hohen Dame und wenn ich mit Aufräumen und Saubermachen dran bin, reicht mir ein Eimer Aschenlauge – du hast mindestens vier große Wannen verbraucht."

„Du putzt?" Piroska fischte eines von Ylvigurs Messern aus dem Stiefel und schnitt dem Kohlrabi die großen Blätter ab.

„Natürlich! Ungern, aber im Dreck will ich auch nicht leben."

„Sollten das nicht deine Mutter oder deine Schwester tun?"

„Warum? Die haben mit ihren eigenen Häusern zu tun."

„Oh. Lebst du alleine? Verzeihung", das war für Jolanta gedacht, die zusammengezuckt war, als Piroska das Schmalz dünn auf die malträtierten Fußsohlen aufgetragen hatte.

„Nein, mit Rando. Wir wechseln uns mit dem Saubermachen ab."

„Und euch hilft keine Frau?" Piroska legte nun die Kohlblätter auf Jolantas Sohlen und wickelte vorsichtig die kühlen Tücher um die Füße.

„Nein. Ich weiß nicht, wie das euch ist, aber bei uns dürfen Männer auch fegen und aufwischen", Ylvigur seufzte. „Ihr habt seltsame Sitten. Als Wilko sehe ich vieles anders. Wir sind keine ..."

„Hach, das tut gut", hauchte Jolanta, als die kühlen Blätter ihre Sohlen berührten. „Ja, Ylvigur, wir Dörfler und Städter sind etwas merkwürdig. Bei uns in der Stadt ist das nämlich auch so. Putzen ist Frauenarbeit."

„Wirklich? Mein Schwager Phyllon macht das besser und bereitwilliger als meine Schwester."

„Irgendwie kann ich mir schrubbende Männer gar nicht vorstellen." Piroska rubbelte eifrig an Jolantas Kleid herum, um die Schmutzflecken zu entfernen. „Soll ich es flicken, oder besser Schuhe daraus machen?", fragte sie Jolanta.

„Du bist auch nur glücklich, wenn du was zu tun hast, wie?" Das Stadtmädchen hatte Piroska schnell durchschaut. „Schuhe brauche ich nötiger und solche Kleider habe ich zuhauf. Aber der Stoff ist reichlich dünn."

Ylvigur nickte. „Leder wäre besser. Und Holzsohlen." Er stand auf und zog seine Weste aus. „Die dürfte reichen, denke ich. Ansonsten habe ich noch Hemd und Hose aus Leder mit. Und Sohlen ... hm ...", er ging zum Regal und nahm die Bretter in Augenschein.

„Das Leder ist gut", stimmte Piroska zu. „Aber Holzsohlen? Wir haben keine Säge dabei."

„Ja. Was hast du außer meinen Messern im Stiefel? Der Griff sieht mir nach einem Hirschfänger aus."

„Es ist einer."

„Gut, damit kann man auch schnitzen. Klein genug bekomm ich das Holz schon." Er zog ein dünneres Brett heraus und lehnte es schräg an die Wand.

Jolanta beobachtete die Vorbereitungen interessiert. „Ihr denkt beide sehr praktisch." Sie nahm die Weste in die Hand und befühlte sie. „Die willst du mir opfern?", erkundigte sie sich ungläubig.

Der junge Mann winkte ab. „Das ist keine Sache, ich kann sie leicht ersetzen. Ich bin ..."

„Autsch!"

„Entschuldigung", Piroska zog das Leder wieder von Jolantas Fuß fort. „Ich wollte nur die Größe feststellen."

„Macht nichts. Mach weiter und scher' dich nicht um mein Gejammere. Auch wenn ich nicht so schön heulen kann wie Ylvigur. Das war doch dein Gejaule in der Höhle, oder?"

Der junge Mann lachte. „Ja. Die sind mir immer wieder überraschend an die Nase oder an den Hinterkopf gekommen oder ich bin gegen Stalaktiten gelaufen."

„Am Jaulen habe ich schon bemerkt, dass uns ein Wilko begleitet. Niemand sonst kann so heulen. Manchmal hätte ich am liebsten mitgeheult, aber bei mir hört sich das nicht so schön an."

Ylvigur lachte leise. „Du bist ja auch kein ..." Er zögerte einen Moment und dann war es zu spät.

„Das war auch sicher schmerzhaft", meinte Piroska mitfühlend, während sie Jolantas Fuß sehr vorsichtig auf das Leder stellte und mit einem Messer eine Linie darum einritzte. „So, einmal genügt, ich kann es ja doppelt legen."

„Kann ich helfen?"

„Ja. Lege dich mit den Armen hier drauf, richtig schwer, damit es beim Schneiden nicht verrutscht. Ich habe leider keine Schere dabei."

Während Jolanta sich bäuchlings auf den Boden legte und mit den Armen das Leder fixierte, begutachtete Ylvigur ihre zerschundenen Fußsohlen. Dann zog er kurzerhand sein zweites Messer aus Piroskas Stiefel und ritzte das Holzbrett auf beiden Seiten in der gewünschten Länge ein. Beide Mädchen drehten sich um und sahen ihm zu. Der junge Mann lehnte das Brett an die Wand und trat kräftig knapp unter der eingeritzten Stelle zu. Beim dritten Tritt brach das Holz genau am Ritz entlang.

Nun griff Ylvigur nach einem großen Stein, der in einer Ecke lag, legte das abgespaltene Stück mit einer Seite darauf und ritzte zweimal die Breite von Jolantas Fuß ein. Nach einigen weiteren gut gezielten Tritten hatte er tatsächlich zwei Bretter in der ungefähren Größe von Mädchenfüßen ausgebrochen.

„Geschickt", bemerkte Jolanta. „Und kräftig. Treten kannst du."

Ylvigur grinste. „Meine Füße sind bei meinen Gegnern gefürchtet." Er legte Piroska das Messer hin und griff sich den Hirschfänger.

„Du kannst auch fragen, bevor du mir einfach an die Stiefel gehst", mokierte sich das Mädchen.

„Ist doch besser als wenn er dir an die Wäsche geht", bemerkte Jolanta trocken und Ylvigur wandte sich rasch ab. Jolanta hatte seine roten Wangen trotzdem noch gesehen und schmunzelte. Offenbar war dem Waldbewohner dieser Gedanke auch schon gekommen.

„Was wird denn das?" Ylvigur legte Piroska die geschnitzten Sohlen hin und sah stirnrunzelnd zu, wie sie das Messer ins Leder bohrte.

„Ich komm mit der Nadel nicht durch. Ich brauche Löcher zum Nähen. Ich hoffe, mein Garn reicht, ich werde es vierfach nehmen müssen."

„Unsinn", Ylvigur nahm ihr die Lederteile aus der Hand. Piroska hatte zwei Sohlen und zwei komplette Schuhe zurechtgeschnitten. „Mit dem Messer bekommst du keine Löcher hin. Und das Garn ist da nutzlos, du brauchst Lederbänder. Hier, schau mal, ob das so passt." Er gab ihr eine Ledersohle zurück und Piroska probierte die Holzsohle darauf aus. „Da muss noch was ab", sie griff nach dem Hirschfänger und machte sich an die Arbeit. So bekam sie nicht mit, wie der Mann die zweite Ledersohle in den Mund nahm und mehrmals kräftig zubiss. Erst als er ihr eine Sohle und ein Schuhteil reichte und die andere Sohle an sich nahm, wurde sie aufmerksam.

Sohle und Schuhteil waren mit einer Reihe runder Löcher versehen, die aufeinander abgestimmt waren. Und zwischen die die Holzsohle genau eingefügt werden konnte. Bewundernd drehte Piroska die Teile in den Händen. „Wie hast du das gemacht?"

„Ich habe sie gemeinsam gelocht, damit sie zueinander passen." Die anderen beiden Teile flogen dem Mädchen in den Schoß, dann löste Ylvigur den Gürtel und entwirrte das Geflecht. „Nimm von den Bändern, was du brauchst. Den Rest binde ich mir wieder um."

„Praktisch", stellte Jolanta fest. „Ist das Absicht?"

„Dass ich immer Bänder dabei habe? Ja. So kann ich meine Beute besser transportieren."

Jolanta nickte verstehend und blickte zu Piroska, die gerade ein Dutzend Schichten des Kleiderstoffes zusammennähte. „Kann ich nicht helfen? Hast du eine zweite Nadel?"

„Nein." Piroska fiel plötzlich etwas ein. „Es sei denn, du kannst die hier nutzen." Sie fischte die winzige Nadel aus ihrer Schürzentasche.

Überrascht wickelte Jolanta den Anhänger aus. „Meine Nadel! Wie kommst du dazu?"

„Deine?" Piroska starrte das Stadtmädchen an. „Ich fand sie in einem der Äpfel, die ich der Frau Großmutter brachte. Und hab mich gewundert, was das für ein komisches Teil ist. Nähen kann man damit doch nicht?"

„Nein, nur anhängen", Jolanta lächelte traurig. „Zu meinem vierzehnten Geburtstag schenkte Onkel mir ein Armband; es besteht lediglich aus einfachen, ziemlich groben Gliedern. Aber an jedem Glied kann man einen Anhänger anbringen. Und zu jedem besonderem Ereignis, zu jedem meiner Erfolge bekam ich einen neuen Anhänger. Das Armband ist sozusagen die Geschichte meines Lebens."

„Das ist eine sehr schöne Idee", bemerkte Ylvigur anerkennend. „Ich habe nicht übel Lust, meiner Nichte auch so eines zu schenken. Allerdings tragen W..."

Jolanta betrachtete die Nadel mit schimmernden Augen. „Ganz sicher, das ist einer meiner Anhänger! Onkel Tiborek hatte sich einmal beklagt, dass die wenigsten Gasthäuser eine saubere Decke auf dem Bett hätten und da habe ich eine für ihn gefertigt, aus roter Seide und mit Goldstickerei. Es war meine erste größere Arbeit und dafür schmiedete er mir diese Nadel. Und die Decke führte er seitdem auf jeder seiner Reisen mit!"

Piroska und Ylvigur tauschten einen verwunderten Blick, dann fragte Ylvigur: „Dein Onkel mag Katzen?"

„Oh ja, und wie!" rief Jolanta. „Wir haben mehrere daheim und die meisten brachte Onkel von einer seiner Reisen mit. Woher weißt du das?"

„Weil die Decke mit Katzen bestickt war", erwiderte Piroska leise. „Sie war zuoberst in meiner Kiepe, die ich zur Frau Großmutter brachte."

„Ja, das stimmt! Aber wie kamst du zu meiner Decke?"

„Ich weiß es nicht", Piroska wirkte verwirrt. „Diesen Anhänger fand ich in einem der Äpfel, die ich ebenfalls dabei hatte. Und als der eine Mann – der bullige Kerl mit der hellen Stimme – in eine von Ilonas Pasteten biss, fand er eine Perle. Ich verstehe das überhaupt nicht."

Ylvigur und Jolanta sahen sich an, dann setzte sich Jolanta neben Piroska und nahm sie in den Arm. Ylvigur kauerte sich an ihre andere Seite und sagte behutsam: „Ich kann mir das durchaus erklären, Piroska. Aber ich vermute, du möchtest meine Theorie nicht hören?"

„Ich kann es nicht glauben!" rief Piroska. „Aber es kann doch fast nicht anders sein! Die Leute aus meinem Dorf müssen irgendwie mit den Wegelagerern zu tun haben."

„Wenn sie nicht ..." begann Jolanta, aber Ylvigur legte den Finger auf die Lippen und schüttelte leicht den Kopf. Das Stadtmädchen verstand. Piroska musste von alleine darauf kommen. Die Dorfleute kannte Piroska seit achtzehn Jahren, Jolanta und Ylvigur hatte sie gerade erst kennengelernt. Es war unwahrscheinlich, dass sie ihren neuen Bekannten glauben würde, wenn diese Piroskas Familie verteufelten.

„Und wenn sie die Wegelagerer gefunden und unschädlich gemacht haben?" überlegte Piroska. „Unser Jäger Göran hat sich vor einigen Tagen verletzt, wollte aber nicht sagen, was ihm passiert ist. Er könnte mit den Räubern aneinander geraten sein. Wie damals, als Stepan verschwand. Marian hatten sie gerade mit der Beute heimgeschickt und wollten noch einmal getrennt Ausschau halten, Göran und Stepan", erzählte sie aufgeregt. „Und Göran traf auf Wegelagerer und konnte sich nur mit Mühe befreien. Stepan kehrte niemals wieder und Göran meinte, dass er wohl das gleiche Pech gehabt hatte, auf sie zu stoßen, aber gegen sie nicht angekommen war."

„Es wundert mich, dass es diesem Göran gelungen ist, ihnen zu entkommen", bemerkte Ylvigur sinnend.

„Oh, es ist ihm nicht leicht gefallen. Ich half Katinka später, ihn zu verarzten, er hatte ziemlich etwas abbekommen. Vor allem hatte er mehrere tiefe Kratzer quer über Schulter und Brust und über Bein und Hüfte. Jeweils vier nebeneinander, als sei das ein Raubtier gewesen. Aber er sagte nur, sein Gegner sei sehr schnell mit seinen Messern gewesen und habe immer gleich mehrmals zugestoßen."

„Dann muss das aber ein wahrer Messerkünstler gewesen sein", Ylvigur klang nicht so, als ob er diese Geschichte glaubte. Jolanta sah, dass der junge Mann nachdenklich auf seine rechte Hand sah und die Finger etwas krümmte und grinste verhalten.

„Ja, aber es gibt solche geschickten Messerkämpfer", Piroska war nichts an dem Verhalten des Waldbewohners aufgefallen; sie sinnierte unbefangen weiter. „Die Frau Großmutter ist überall gut angesehen und meine Leute dachten dann sicher, sie kann auch die Beute der Wegelagerer an deren Besitzer zurückgeben, ohne dass man sie verdächtigt. Uns einfachen Bauern glaubt man ja nie."

Jolanta nickte. „Ja, diesen Ruf hat die Frau Großmutter bei uns auch. Vor zwei Jahren gelang es durch ihre Vermittlung, ein entführtes Mädchen gegen Lösegeld freizubekommen. Alle waren ihr so dankbar, aber jetzt habe ich den Verdacht, dass sie auch vom Lösegeld profitiert hat." Jolanta lachte bitter. „Natürlich hat sie damals jede Belohnung abgelehnt und gemeint, sie hat es nur für die trauernde Familie getan. Aus lauter Herzensgüte. Ich habe nur ihre Stimme hören können, aber die klang absolut nicht danach."

„Ja, ich denke jetzt auch ganz anders über sie", stimmte Piroska zu. „Aber ich weiß immer noch nicht, wie du und deine Decke in die Geschichte passen." Ihr Gesicht hellte sich plötzlich auf. „Wenn die Frau Großmutter mit den Räubern unter einer Decke steckt und deren Beute verkauft – wie nennt man das?"

„Hehlen", sagte Ylvigur mit dunkler Stimme. „Die hohe Dame ist eine Hehlerin!"

„Ja", fuhr Piroska fort. „Dann muss die Beute ja irgendwie zu ihr kommen, ohne dass die Wachen am Fluss Verdacht schöpfen. Vielleicht benutzen die Wegelagerer meine Leute, um die Sachen zu ihr zu schaffen. Vermutlich glauben meine Leute nur, dass damit der Zoll betrogen werden soll. Mein Vater schimpft immer über die Steuern und die Zollgebühren, die viel zu hoch sind. Einen Schmuggel würde er sicher gutheißen. Wegelagerei hingegen nicht."

„Aber die Wache am Rötelfluss ist keine Zollstation", wandte Jolanta ein. "Sie kontrollieren die Warentransporte zwar, aber nur, um sicherzugehen, dass kein Diebesgut oder große Mengen Waffen oder sowas hin- oder hergesandt wird."

„Du weißt das. Ich wusste es nicht. Woher soll es dann mein Dorf wissen?"

„Stimmt auch wieder." Jolanta blickte zu Ylvigur. Sie hatte einen ganz anderen Verdacht und sie sah ihm an, dass auch er nicht an Piroskas Theorie glaubte. Aber er zuckte nur die Achseln und breitete die Hände in einer hilflosen Geste aus, als er Jolantas Blick spürte. Sie begriff. Sie hatten keine Beweise, weder für die eine noch für die andere These. Und bis nichts eindeutig bewiesen war, würde er Piroskas Glauben an ihre Leute nicht zerstören.

Noch etwas ängstlich schlüpfte Jolanta in die neuen Schuhe. Vorsichtig stand sie auf, von Ylvigur unterstützt. Dann strahlte sie auf. „Es fühlt sich gut an. Wie gut, dass du mein Kleid zur Polsterung genommen hast. Du solltest Schuhmacherin werden."

Piroska errötete bei diesem Lob. „Ich glaube, das liegt auch an diesem Leder."

„Ja, das trägt seinen Teil bei", stimmte Jolanta zu. „Wo hast du das eigentlich her, Ylvigur?"

„Ich habe ... fall nicht!" Er griff gerade noch rechtzeitig zu, denn Jolanta war ins Straucheln gekommen. „Du solltest erst wieder laufen, wenn sie uns holen kommen."

„Meinst du, sie tun das?"

„Ganz sicher. Sonst hätten sie sich gar nicht erst die Mühe gemacht, uns mitzuschleifen."

„Stimmt auch wieder. Sie hätten sich ja auch damit begnügen können, mich abzuernten."

„Abernten?" Piroska und Ylvigur fragten es gleichzeitig.

„Sie haben mir alles abgenommen, was irgendwie von Wert sein könnte", berichtete Jolanta. „Und meine Stiefel waren mit Goldknöpfen und goldenen Tressen verziert, darum musste ich sie ausziehen. Ein Wunder, dass sie mir das Kleid gelassen haben. Auch den ganzen Schmuck nahmen sie mir ab, meinen Gürtel und die Haarspangen."

„Ich nehme an, das war auch alles nicht gerade vom Bandlkramer", bemerkte Ylvigur und bezog sich damit auf die fahrenden Kleinhändler, deren gesamter Warenbestand in einer Kiepe Platz fand und in der Regel von den weniger gut Bemittelten gekauft wurde.

„Natürlich nicht! Ich war ja sozusagen das lebende Aushängeschild für Onkel Tiboreks Goldschmiedekunst, die Edelsteine meines Vaters und Großvaters Lederarbeiten. Die Frauen sahen mich an und bestürmten dann Onkel, ihnen auch solche Ware zu beschaffen. Er hatte bereits Aufträge für ein ganzes Jahr beisammen." Jolanta seufzte. „Das meiste können sie von mir aus behalten, wenn ich nur wieder nach Hause komme. Nur mein Armband vermisse ich wirklich."

„Das ist ja auch ein sehr persönlicher Gegenstand", stimmt Piroska zu. Jolanta nickte und rollte ihren Sack zu einem Kissen zusammen. „Entschuldigt, aber ich bin sehr müde. Ich habe seit Tagen nicht richtig geschlafen." Sie streckte sich aus und war einen Moment später eingeschlafen.

Ylvigur stand auf und breitete seinen Sack über das Mädchen. Dann setzte er sich neben sie und winkte Piroska zu sich. „Du solltest auch schlafen. Nimm deinen Sack als Decke." Er zog bereits Hemd und Hose aus seinem Rucksack und bildete aus ihnen weitere Kissen.

„Und du?" Piroska legte sich dicht neben ihn, damit sie ihren Sack über sie beide ziehen konnte. „Stört dich das?"

„Natürlich nicht. Komm ruhig näher, dann können wir uns gegenseitig wärmen." Er bot Piroska seinen Arm als zusätzliches Kissen an.

Das Angebot nahm Piroska gerne an. Es war ja nicht anders, als wenn sie sich mit Stepan und Kriszta unter einen Busch kuschelte, um den Regen abzuwarten.

Oder doch nicht? Als sich Ylvigur zu ihr wandte und sein Gesicht dem ihren plötzlich sehr nahe war, schlug ihr Herz trotz ihrer Müdigkeit schneller. Mit Stepan oder Marian war ihr das nie passiert.

„Piroska", sagte Ylvigur leise. „Ich habe dir noch nicht alles über mich erzählt."

„Solange du kein Wegelagerer bist", sie gähnte. Nach all den Aufregungen und der vielen Arbeit fühlte sie sich in seinem Arm nun herrlich geborgen. Sonderbar, sie kannte den jungen Mann doch keine zwei Tage.

Er lächelte. „Nein, das nun wirklich nicht. Aber da ist noch etwas, das du wissen solltest ..."

Piroska sah direkt in zwei dunkelbraune, warme Augen hinauf und wurde sich bewusst, dass sie ihre eigenen kaum noch aufhalten konnte. Dabei wäre sie gerade jetzt gerne hellwach gewesen, um den Moment genießen zu können. „Willst du mir nun dein ganzes Leben erzählen?"

„Nein. Nur etwas über mich – Piroska, du weißt nicht genau, was ein Wilko ist, oder?"

Piroska schloss nun doch die Augen, um sie wenigstens auszuruhen. Wenn Ylvigur ihr noch näher käme, würde sie es eh spüren, dazu musste sie ihn nicht sehen.

„Waldbewohner, hast du doch gesagt", murmelte sie. „Ihr lebt sicher ziemlich anders als wir. Aber das muss ja nichts Schlimmes sein." Ihre Stimme wurde immer schleppender." Im Grunde seid ihr Menschen wie wir, auch wenn ihr euch anders kleidet ... was solls ..."

„Aber genau das ist es ja", Ylvigur stockte, setzte dann von neuem an. „Ich bin kein ... oh!" Leises Schnarchen unterbrach ihn. Piroska war eingeschlafen.

Und was immer ihr der junge Mann hatte mitteilen wollen, blieb ungesagt.

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