Viele Fragen ...

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Erneut stockte Piroska. Ylvigur war wirklich lästig mit seinen Fragen und seinen Halbinformationen. „Was willst du eigentlich von mir?"

Ylvigur zögerte. „Ich weiß es nicht genau", gab er zu. „Aber ich habe das Gefühl, dass dir Gefahr droht. Und ich möchte nicht, dass dir etwas passiert."

„Wieso? Du kennst mich doch gar nicht!"

Er sah überrascht aus, stimmte aber zu. „Das ist wahr. Es kommt mir nur vor, als ob – aber egal. Jedenfalls will ich sichergehen, dass du heil zu deiner Frau Großmutter kommst und wieder zurück zu deinen Eltern."

„Und woher soll ich wissen, dass du die Wahrheit sagst und mich nicht nur in eine Falle locken willst?"

Er zuckte die Schultern. „Ich kann dich nur bitten, mir zu vertrauen. Beweisen kann ich dir nicht, dass ich es ehrlich meine."

Piroska blickte skeptisch zu ihm hoch. „Dein Freund hat bereits meine Freundin belauert, hast du selbst gesagt. Was kümmert es euch?"

„Das kann ich dir sehr genau sagen. Hier im Wald gehen merkwürdige Dinge vor.  Und das gefällt uns nicht. Wir wollen in Frieden leben und es wäre nicht das erste Mal, dass man uns die Schuld an allem gibt. Wir sind nicht daran interessiert, mit den Nachbarn zu zoffen."

„Ich denke, es weiß eh keiner, dass es euch gibt?"

„Nicht keiner. Wenige. Und wir haben in der letzten Zeit schon mehrmals Besuch gehabt."

„Häh?"

„Ich meine, Besuch von Leuten, die gerne wüssten, was wir anstellen und nicht so recht glauben wollen, dass wir nichts damit zu tun haben. So nach dem Motto, wer im Wald lebt, dem kann man alles zutrauen."

Das fand Piroska ungerecht. „Wenn ihr Oger oder Waldschrate wärt, vielleicht. Aber du siehst doch ganz gewöhnlich aus!"

„Danke!" Ylvigur grinste schelmisch. Dann wechselte er unvermittelt das Thema. „Jetzt nimm schon die Kiepe ab, mit dem Joch alleine hast du genug zu tragen. Oder traust du mir immer noch nicht? Obwohl ich doch gewöhnlich bin?"

Piroska musste lachen. Und plötzlich trat sie nahe an Ylvigur heran und sah ihm direkt ins Gesicht, betrachtete ihn ganz genau.

Ihr Vater hatte einmal gesagt, aus den Zügen eines Gesichts könne man ablesen, welche Miene der Mensch am häufigsten zog. Wenn das stimmte, dann neigte Ylvigur eindeutig eher zum Lachen als zum Zürnen; sie konnte entsprechende feine Linien in den Winkeln der weit offenen Augen ausmachen und auch die Vertiefungen um den breiten Mund legten nahe, dass ihm das Lachen näher stand als jede andere Gemütsregung. Und die Mundwinkel zogen sich nicht nach unten, wie es bei Menschen der Fall war, die eher aus Spottlust oder Schadenfreude zu lachen pflegten. Das kantige Kinn machte ihr allerdings den Eindruck, als ob es öfters mal trotzig vorgeschoben wurde.

Aufgrund Ylvigurs Jugend – auch bei näherer Betrachtung schätzte sie ihn auf Anfang Zwanzig – war das zwar nicht allzu ausgeprägt, aber Piroska glaubte doch beurteilen zu können, dass Ylvigur einen freundlichen und ehrlichen, aber störrischen Charakter hatte. Demnach würde sie ihn ohnehin nicht loswerden können; also war es vielleicht doch besser, ihm zu vertrauen. Einigermaßen jedenfalls; einen Rest Misstrauen würde sie sich bewahren. Denn da war ein ungewöhnlicher grünlicher Glanz hinter dem Dunkelbraun seiner Iriden, ein fremder Zug in seinem Gesicht, ein etwas anderer Zungenschlag in seiner Sprache. Es mochte von seiner Abkunft aus einem anderen Dorf herrühren – in diesem dünn besiedelten Landstrich mit relativ wenigen Kontakten untereinander konnte schon das Nachbardorf einen anderen Dialekt aufweisen – oder von seiner Lebensweise mitten im Wald, aber so ganz sicher war sie sich da nicht. Auch wenn sie sich von ihm begleiten ließ, würde sie trotzdem auf der Hut sein.

„Also gut, dann komm mit", gab sie nach und ließ sich von ihm die Kiepe abnehmen. Er keuchte überrascht auf, als er ihr Gewicht spürte. „Hast du da Steine drin? Sie ist noch schwerer als ich dachte."

„Zu schwer für dich?", zog sie ihn auf, aber er kniete bereits nieder und schob die Arme durch die Träger. „Nein, aber ich frage mich wirklich, was du da so Gewichtiges mit dir herumträgst."

„Es macht wohl eher die Menge als das Gewicht der einzelnen Teile aus. Meine Mutter und die Nachbarin schleppten immer noch mehr an, was noch unbedingt mit rein muss."

Ylvigur stand auf und rückte die Träger auf seinen breiten Schultern zurecht. Piroska schulterte ihr Joch und wollte es ausbalancieren; jedoch erwies sich das als unnötig.

„Was ist?" fragte Ylvigur, als er ihre überraschte Miene bemerkte.

„Ich dachte, es sei rechts schwerer", antwortete sie. „Aber der Hirsesack scheint ebenso schwer zu sein wie der Schmalztopf. Die beiden Beutel, die Katinka dazu gebunden hat, gleichen das wohl aus."

„Was sind das für Beutel?"

„Weiß ich nicht, ich hab's nicht gesehen, als sie die auch noch zugefügt hat."

„Und was trage ich da herum, außer einer bemerkenswert kostbaren Decke?"

„Hm, Wein und Kuchen."

„Und das alleine ist so schwer?."

Piroska lachte. "Nein, es ist noch Öl und Honig dabei, Äpfel und Pasteten, Wolle und weitere Decken, Salz und Brot und noch ein paar Kleinigkeiten."

„Die paar Kleinigkeiten müssen aus Blei bestehen", murrte Ylvigur. „Ich verstehe immer weniger, warum du das alleine schleppen solltest. Da wäre es doch wirklich angebracht gewesen, zwei Leute zu schicken!"

„Wir können nicht so viele Leute entbehren, nicht inmitten der ersten Ernte und der zweiten Aussaat", erklärte Piroska. „Und außerdem möchte die Frau Großmutter nicht von mehreren Personen überrannt werden. Es wird zuviel Arbeit für sie und sie hat auch nicht soviel Platz. Wer zu ihr kommt, muss ja bei ihr übernachten."

„Sie wird doch soviel Boden frei haben, dass man sich dort hinlegen kann! Ich habe schon unbequemer geschlafen als auf Küchenfußböden."

Piroska zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht. Sie will es eben nicht und wir achten das."

„Wer ist in dem Fall eigentlich wir?" erkundigte sich Ylvigur, als sie weitergingen.

„Naja, die vier Dörfer."

Er nickte. „Also die Süd-Ost-Fraktion."

„Häh?"

„Sag mal, heißt das nicht, wie bitte?"

„Willst du mir jetzt Manieren beibringen?"

„Nee, ich hab ja selber keine, wenn ich meiner Mutter glauben darf. Wir nennen die vier Dörfer, die du meinst, die Süd-Ost-Fraktion, schließlich gibt es noch mehr Dorfgemeinschaften rings um den Hünenwald."

„Ach so."

„Und ihr unterstützt also diese Frau Großmutter? Wessen Großmutter ist sie eigentlich?"

„Das weiß ich gar nicht", gestand Piroska. „Sie wird eben schon immer so genannt."

„Und was ist 'schon immer'?"

„Weiß ich auch nicht. Aber als ich noch ganz klein war, gingen schon die Mädchen zu ihr in den Wald."

„Dann muss die Dame aber schon ziemlich alt sein. Ihr unterstützt sie doch, weil sie nicht mehr alleine zurechtkommt? Dafür lebt sie aber schon ganz schön lange allein, ohne dass ihr etwas passiert ist."

Darüber hatte Piroska noch nie nachgedacht. Die Frau Großmutter war eine Institution in den vier Dörfern; sie war einfach da, man achtete sie hoch, brachte ihr regelmäßig Vorräte und half ihr im Haushalt. Und genau das erklärte sie auch Ylvigur, doch der schüttelte nur zweifelnd den Kopf.

„Bei uns nehmen wir die Alten bei uns auf und lassen sie nicht eine halbe Tagesreise weit entfernt alleine hausen. Warum zieht eure Frau Großmutter nicht zu euch, wenn sie Hilfe braucht? So könntet ihr sie wesentlich einfacher versorgen."

Piroska pustete sich die widerspenstige Locke aus dem Gesicht. „Keinen Schimmer. Vielleicht ist noch niemand drauf gekommen, weil sie schon immer da gewohnt hat."

„Das kann ich mir sogar vorstellen", Ylvigur lachte. „'Das haben wir schon immer so gemacht' und ‚Das war schon immer so', sowas kann ich schon nicht mehr hören. Und wenn man vorschlägt, es einmal anders zu machen, kommt höchstens ein ‚Als ich so jung war wie du, wollte ich auch Dinge verändern. So ist die Jugend nun mal, im Alter wird man vernünftig'."

„Oh ja!" Darin erkannte Piroska sich wieder. „Ich habe Vater einmal vorgeschlagen, die Weinkiepen zweiteilig zu machen, damit ich die Weinbeeren und die Wolfsbohnen, die dazwischen wachsen, gleichzeitig ernten kann. Aber er war dagegen, weil man schon immer beides getrennt geerntet hat."

„Ich würde da eher die Gefahr sehen, dass dann die Früchte im falschen Teil landen."

„Stimmt auch wieder", Piroska kicherte. „Die Erkenntnis kam mir dann auch, darum habe ich die Idee auch aufgegeben. Aber Vater wollte nicht einmal darüber nachdenken, er sagte immer nur, ‚Es wird gemacht wie immer, basta!'."

„Kann ich mir lebhaft vorstellen", Ylvigur lachte. „In unserem Dorf gibt's einen alten Mann, der sofort zu zetern beginnt, wenn jemand eine Neuerung vorschlägt. Hat die sich allerdings durchgesetzt, ist er der erste, der sie nutzt."

In Piroskas belustigtes Glucksen hinein sagte Ylvigur dann: „Ich verstehe aber immer noch vieles nicht. Es wäre nett, wenn du das erklärst."

Er wollte einfach nicht lockerlassen. Piroska seufzte und machte sich auf weitere nervende Fragen gefasst.

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