Mittwoch - 8.1 - auf historischen Pfaden

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Don't forget - it's fiction!

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Auf diesen Tag freue ich mich ganz besonders. Es ist nicht mehr Angst und noch nicht Abschied. Wir haben einfach einen ganzen freien Tag in Frankfurt vor uns, den wir nach Herzenslust genießen können. Die Jungs haben wieder früh trainiert, dann genussvoll geduscht. Anschließend haben wir seeehr gemütlich gefrühstückt. Da am Abend vorher die Einkäufer sich von der immer kleiner werdenden Auswahl der letzten Tage haben leiten lassen, steht heute ausnahmsweise auch ein großer Pott Nutella auf dem Frühstückstisch. Unter den staunenden Augen der Maknae-Line und Kopfschütteln von Yoongi öffnen wir das Glas feierlich mit unserem Familien-Nutella-Ritual: Es muss ganz still sein, damit man gut hört, wie beim langsamen Aufdrehen des Deckels die Folie darunter knackt. Dann wird mit dem Griff eines Messers diese Papierfolie durchstochen mit einem kurzen, kräftigen Stoß, dabei ist tunlichst das platzende Geräusch zu bewundern. Und das Messer darf nicht so weit ins Glas geraten, dass hinten Nutella dran ist, man muss rechtzeitig bremsen! Ist die Folie dann runtergepult, möglichst rückstandslos!, darf der braune „Schlamm" nur aus der Mitte des Glases gebohrt werden, denn dann rutscht der Rest durch sein Eigengewicht glatt an den Glaswänden runter in das entstandene Loch rein. So gibt es keinen Verlust der Köstlichkeit in den blöden Kurven vom Glas. Naja - normalerweise. Heute leert sich das Glas so schnell, nachdem die Jungs einmal probiert haben - da ist nix mehr zum Rutschen. Genussvoll verdreht Namjoon die Augen, greift sich noch ein Brot und wieder das Nutella.
„Ich platze gleich, aber ich kann einfach nicht aufhören. Das ist echt die Marmelade des Teufels!"
Das hat er jetzt nicht gesagt, oder? Jam of the Devil! Wie cool ist das denn???

Und dann brechen wir auf. Maja muss leider sofort wieder arbeiten. Und auch Markus muss an seiner Arbeitsstelle antreten. Also lassen wir Simon zurück, weil der nicht mehr ins Auto passt, und steuern als erstes das koreanische Konsulat an. Dort sind wir angekündigt und werden darum bereits erwartet. Derselbe junge Mann, der auch die Koffer zu uns gebracht hat, empfängt uns und lotst die Jungs durch die entsprechenden Büros, bis alles geregelt ist. Chen Kwon-Soo spricht fließend Deutsch und ist insgesamt ein sehr sympathischer Mensch. Ganz spontan laden wir ihn ein, uns heute zu begleiten. Er hat aber leider später keine Zeit mehr.

Als nächstes steuere ich das Geburtshaus von Goethe im Großen Hirschgraben an. Zu meiner grenzenlosen Freude bestätigt sich meine Hoffnung, dass die Innenstadt schlicht wie ausgestorben ist, weil alle Menschen zur Zeit etwas völlig anderes als Sight Seeing im Kopf haben. Die Geschäfte und Ämter sind offen. Aber die Menschen nicht da. Wir haben freie Bahn, die Jungs müssen sich nicht verstecken. Und ich auch nicht.

Das Goethehaus ist ein typisches bürgerliches Stadthaus aus dem 18. Jahrhundert - gediegen, verwinkelt und voll. Und - oh Wunder - im Gegensatz zu seinen Nachbarn heile aus dem Bombardement des zweiten Weltkrieges hervorgegangen. Nachdem Tae ohne mit der Wimper zu zucken, seine Kreditkarte gezückt und unbesehen den geforderten Pauschalpreis gezahlt hat, werden wir auf Englisch hereingebeten und willkommen geheißen. Wir erleben vom winzigen Innenhof über die antike Wäschemangel bis zu Goethes Bibliothek voller uralter Bücher, wie das Leben damals war, und die Jungs haben viel Freude daran. Sie haben Spaß an dem kleinen Seitenfenster im zweiten Stock, durch das Goethes Mutter nach ihrem Sohn Ausschau gehalten hat, wenn er wieder mal spät abends den Weg nicht nach Hause fand. Sie staunen über die Regelung, dass die Menschen nachts Laternen trugen, weil es noch keine Straßenbeleuchtung gab, und je nach gesellschaftlichem Stand eine, zwei oder drei Kerzen in der Laterne hatten. Wenn sich zwei begegneten, musste der mit weniger Kerzen runter auf die Fahrbahn, wo im Zweifelsfalle alles voll Schlamm und Kot war.

Und sie schauen sich interessiert die ausgestellte zeittypische Kleidung an.
„Wisst ihr, warum ich das MV von Blood, Sweat and Tears so mag, obwohl ich die Story überhaupt nicht verstehe? Weil ich dahin schmelzen könnte wegen der Location und der Klamotten, vor allem wegen dem Jacket von Jimin. Ich meine - alle eure Outfits in dem MV sind toll. Aber das edle Jacket mit dem ganz zarten Spitzenkragen und dazu die grauen Haare - das ist fast barock, aber sehr männlich und es steht ihm unglaublich gut."
Ich schwätze einfach drauflos und kapiere erst anhand von Jimins Gesichtsfarbe, was ich grade von mir gegeben habe. Dann geht die peinliche Stille aber doch in allseitigem Gelächter unter. Und Jimin versteckt kurz sein Gesicht in meinem Jackenärmel.
„Sorry!"
Ich flüstere in sein Ohr.
„Ich wollte dich nicht blamieren. Das ist mir so rausgerutscht. Und es stimmt auch. Es ist eines der schönsten Outfits, die du je hattest."
Er lächelt mich an und kriegt allmählich wieder eine normale Gesichtsfarbe.
„Danke!"

Namjoon möchte sich am liebsten einschließen lassen bei den ganzen Büchern, aber nachdem er vergeblich versucht hat, auch nur ein paar Buchstaben einer alten Handschrift in deutscher Kurrentschrift von 1781 zu entziffern, können wir ihn doch bewegen weiterzugehen.

Vom Goethehaus bummeln wir an den wenigen vom Krieg verschonten alten Häusern entlang und durch die Fußgängerzone, bis wir vor der Paulskirche stehen. Hier gibt es eine kleine Abhandlung über die europäische und deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts, denn in der Paulskirche hat sich ja 1848 die erste deutsche Nationalversammlung gegründet und eine Weile getagt. Bismarck, der als junger Mann aus Berlin Abgeordneter in der Paulskirche war, hat in seinen Briefen an seine Frau ein paar sehr nette Anekdoten verewigt, die ich zum Besten gebe (geben kann, weil meine Mutter die oft und gerne zitiert hat ...).

Nur wenige Schritte weiter reisen wir weit in die Vergangenheit zurück, denn nun stehen wir vor dem historischen Rathaus von Frankfurt, dem Römer, in dem ab 1147 die deutschen Kaiser gewählt wurden. Gekrönt wurden sie dann in Aachen, der Lieblingsstadt Karls, des Großen. Aber 1562 fand die Wahl mitten im Winter statt, niemand wollte da nach Aachen reisen. Und ab da wurden die Kaiser dann auch in Frankfurt, im Dom, gekrönt.

Wir haben das Glück, dass man uns in den Römer auch reinlässt. Und so können wir die 52 Portraits deutscher Kaiser an den Wänden des imposanten hohen Saales bestaunen. Ich genieße es zu sehen, wie die Jungs sich alles zu eigen machen. Sie sehen die zum Teil mit Ritterrüstungen gemalten steifen Herren, und schon versuchen Guk, Tae, Hobi und Jimin sich vorzustellen, wie man sich darin wohl bewegt hat. Oder auch nicht. Wir haben viel zu lachen dabei. Der Führer lacht allerdings nicht mit ...

Wieder raus aus dem Römer stehen wir auf dem großem gepflasterten Platz mit dem Justitia-Brunnen, der Nikolaikirche und den nach den historischen Vorbildern gebauten schmalen Häusern gegenüber dem Römer. Die Jungs wundern sich, WIE schmal diese Häuser sind und wie man darin wohl leben konnte. Ich mache sie darauf aufmerksam, dass sie sich in Amsterdam unbedingt die noch viel schmaleren Häuser an den alten Grachten ansehen sollen. Dagegen sind die hier nämlich riesig.

Hier ist es nun auch Zeit für eine ausgiebige Fotosession und Jeongguks filmisches Tagebuch ihrer deutschen Abenteuer. Er hat schon die ganze Zeit immer wieder die Kamera ausgepackt, aber nun fangen sie an, auf dem Brunnenrand zu balancieren und rumzualbern, und so bekommt er jede Menge Stoff für seinen letzten Report aus Deutschland. Morgen Abend wollen wir den Abschied nicht dadurch verkürzen, dass wir uns auf sowas konzentrieren. Ich habe den Jungs zwar freie Fahrt für jede Linse gegeben, aber strikt unter der Bedingung, dass das nur für ihre eigene Erinnerung ist.

Dann bummeln wir weiter und landen schließlich am Dom. Die enge Bebauung um den Dom - mit zum Teil wirklich abgrundtief hässlichen Nachkriegsneubauten - lässt leider keinen Gesamtblick von ferne zu. Man steht relativ plötzlich vor der steilen Fassade aus rotem Sandstein. Asien hat ja viele imposante Tempelanlagen zu bestaunen. Aber nirgendwo auf der Welt wurde so sehr steil in die Höhe gebaut wie im Mittelalter und der Rennaissance in Europa. Zum einen glaubten die Menschen, dadurch dem Himmel näher zu kommen. Und zum anderen waren diese großen Kirchen für die Bistümer und Städte auch Prestigeobjekte - je höher der Turm, desto weiter zu sehen, desto reicher die Stadt! Und das alles lange, bevor man statische Berechnungen anstellen konnte.

Plötzlich ruft PD an und fragt, ob es den Jungs recht ist, wenn er die Gelegenheit nutzt und für Freitag früh 6:00 Uhr Flüge für sie bucht. Er hat wohl eine verlässliche Quelle aufgetan. Die Jungs nehmen dankend an.
Geht doch!

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23.11.2018 - 16.6.2019 - 30.10.2019
29.3.2020

"Jam of the Devil!" ist, wie ich betonen möchte, ein Originalzitat!
Das hat Namjoon wirklich so gesagt.

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