6. Hogro?

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Das, was Zauberer am Zweitstärksten verabscheuten, waren die sogenannten „Zauberkünstler" - die von ihnen auch abfällig „Gaukler" oder „Scharlatane" genannt wurden. Eine Rivalität, die schon seit Jahrtausenden existierte. Es gab sie seit dem Zeitpunkt, als der erste Höhlenmensch damit begann, Kraft seiner Gedanken die Elemene zu beherrschen. „Obacht! Ich habe die Gabe, Blitze aus meinen Händen auf Uggo und seine Frau abzufeuern!" - „Schaut! Ich kann auch Blitze machen tun! Ich brauche nur zwei Feuersteine gegeneinander knallen, damit göttliche Funken entstehen! Ist das nich' doll?" Der alte Weeno, der einst seinem Namen den Suffix „der Mächtige" verpasste, fand diese bunt gekleideten Angeber besonders lächerlich: Leute, die sich ein paar Taschenspielertricks aneigneten, regelmäßig ihre Fingerfertigkeit trainierten und in Zirkussen oder - was noch schlimmer war - auf öffentlichen Plätzen ihre „Kunststücke" vorführten (während meistens ein Komplize die Goldbeutel der abgelenkten Zuseher stibitzte): „Ja, wo ist denn die Karte mit der Herzkönigin?" Auf der anderen Seite beneideten die Gaukler die wenigen „richtigen" Zauberer. Männer und Frauen aus allen Rassen, die mit magischen Fähigkeiten von den Göttern gesegnet wurden - während sie nur mit einer außergewöhnlichen Dreistigkeit geboren wurden. Da Weeno allerdings auch recht dreist sein konnte, hatte er sich in seiner Jugend ein paar einfache Karten-, Münz- und Seiltricks selbst beigebracht. Wozu die eigene Magie verschwenden, wenn es einfacher geht? Außerdem war eine seiner Grundregeln: „Bevor du über jemanden lästerst, sei wenigstens so anständig und sei besser als er!" Gut, er hielt sich grundsätzlich für besser als der gemeine Pöbel... Doch es gibt etwas, das Zauberer noch mehr hassten als Möchtegern-Zauberer. Und das war: Völlig ratlos zu sein!

So langsam begann Weeno damit, sich wieder auf seine eigentliche Aufgabe zu konzentrieren und seine viel zu kurze Begegnung mit dieser anmutigen, frechen und liebenswerten Katze aus seinem Kopf zu verbannen. Auch wenn es ihm sehr schwerfiel. Wie wird sie wohl in ihrer menschlichen Gestalt aussehen? Bestimmt wunderschön!

Nein, Weeno musste sich auf Hogro konzentrieren, einem kleinen, dicken Hobbit-Geschöpf, das so anmutig wie ein beinamputierter Ochsenfrosch war - aber nicht ganz so intelligent. Er hatte die ihm bekannten Gefilde längst verlassen und sollte vielleicht seine Strategie überdenken.

Der Stand der Sonne, die kurz hinter den trüben Wolken hervorkam, verriet Weeno, dass die Mittagszeit schon bald beginnt, aber er konnte seine Suche erst dann beenden, wenn er Hogro gefunden und zu seiner Großmutter zurückgebracht hatte. Es wäre nicht unbedingt so, dass sie dann für ewig in seiner Schuld stünde - ein derartig selbstgerechtes Verhalten überließen Weeno und Blogunde dem gemeinen Volk. Doch Weeno konnte ihr zeigen, wer von beiden der Bessere und Mächtigere sei und diese Gelegenheit konnte er nicht ungenutzt lassen. Also schaute er sich auf dieser Wiese um und versuchte, sich zu orientieren.

Denn als er von Blogundes Hütte aufgebrochen war, überlegte er sich Folgendes: Wäre Hogro nach Süden gelaufen, hätten die Leute im Dorf das sofort mitbekommen und Blogunde kurze Zeit später ebenfalls. In östlicher Richtung befand sich sein Magierturm - und wenn Hogro dort vorbeigekommen wäre, würden ihm auf dem Weg zu Blogunde irgendwelche Spuren aufgefallen sein. Immer, wenn Hogro durch das Pflanzengestrüpp lief, das fast ein Labyrinth bildet, hinterließ seine Kleidung irgendwelche Stofffetzen in den Dornen der Pflanzen. Hogros Klamotten, die von Blogunde immer wieder ausgebessert wurden, sahen inzwischen wie ein Flickenteppich aus. Selbst gegen Bäume rannte Hogro - und Weeno ist seit seiner Suche kein einziger Blutfleck an einer Baumrinde oder nicht einmal ein umgeknickter Ast aufgefallen. Während seine Enkeltochter den Weg zu seinem Magierturm selbst im Schlaf erreichen konnte, hatte Hogro ihn nie so richtig begreifen können. Irgendwie schaffte selbst er immer den Weg zu ihm, wenn man ihn darum bat (oder es ihm befahl) auch wenn sowohl Hogro als auch der Weg hinterher nicht mehr dieselben waren.

Also blieb nur noch die westliche und nördliche Richtung. Einen halben Tagesmarsch von Blogundes Hütte entfernt befand sich das Nachbardorf Hirschbuckel - auch hier hätte irgendjemand von Blogundes Leuten früher oder später davon erfahren. Weenos völlig richtige Schlussfolgerung war also, dass Hogro nach Norden gelaufen ist. Und tatsächlich sind ihm nach einiger Zeit (in unregelmäßigen Abständen) Spuren von Hogro aufgefallen. Vereinzelte Stofffetzen an den tiefer hängenden Ästen. Nicht genug, um sie eindeutig mit Hogro in Verbindung bringen zu können, es waren bestenfalls Fitzel gewesen. Aber immerhin. Doch keine einzige Hobbit-Fußspur - was bei dem moosigen Waldboden auch eher unwahrscheinlich war.

Weeno war sich also ziemlich sicher gewesen, dass Hogro den Wald nach Norden hin verlassen hatte, doch diese neblige Wiese war bei seiner Suche sehr kontraproduktiv gewesen. Er bedauerte, dass er keine Gelegenheit hatte, die Katzenfrau nach Hogro zu befragen, aber irgendwie kam er nicht dazu und sie war viel zu schnell verschwunden. Vermutlich hätte er ohnehin wichtigere Gesprächsthemen gefunden wie die Frage, ob diese Schönheit alleinstehend und an älteren Zauberern interessiert sei. (Eigentlich war Weeno nur der zweite Teil der Frage wichtig.)

Tief in seinen Gedanken schlenderte Weeno weiter. Wieder hatte er drei Richtungen zur Auswahl: Nach Osten geht es zu einem von Untoten heimgesuchten Ort namens „Todesnest". Hätte Hogro sich diesen trüben, traurigen und von den Lebenden längst verlassenen Ort auch nur genähert, dann würde er inzwischen längst ein Zombie oder etwas Vergleichbares sein. Wenigstens wäre sein Dasein auf diese Weise um einiges besser als sein jetziger Zustand. Und es gab für Weeno kaum etwas niedlicheres als einen grunzenden Hobbit-Zombie. Wirklich süß. Bissig, aber süß.

Weiter in nordwestlicher Richtung fand man nur weite Ackerfelder und Bauernhöfe. Keine richtigen Ortschaften, nur kleine Ansiedlungen. Dort wäre Hogro vor Langeweile umgekommen oder hätte sich mit einer Kuh angefreundet und wäre mit ihr durchgebrannt. Oder ein Bauer hätte aus ihm einen ziemlich unbrauchbaren Knecht gemacht. Auch kein besonders erstrebenswertes Schicksal. Etwas weiter verdichteten sich dann die Bauernhäuser zu Dörfern. Dahinter gab es dann erneut weites Ackerland. Und die nächste größere Stadt, die man von dort aus nach mehreren Tagesmärschen erreicht hätte, ware „Elfenzorn" gewesen, die Hauptstadt von Ostland.

Vermutlich hätte Hogro allerdings nicht ohne einen wichtigen Grund seine Richtung gewechselt und nach Norden geht es zu einer Gegend, die zwar nicht unbedingt gefährlich war, aber für Weeno etwas zu „abstoßend". Der allseits beliebte „Wunschwald". Sattes Grün und voll von fluffigen Waldbewohnern. Bäh!

Doch für Hogro würde dieser idyllische Wald vermutlich am vrtrautesten sein, daher vermutete Weeno, dass er ihn hier finden würde. (Außerdem wäre Hogro vermutlich zu dämlich gewesen,um die Richtung zu wechseln, er musste daher nach Norden unterwegs gewesen sein.) Also wagte sich Weeno in den „Wunschwald". Dieses Waldgebiet - von der Größe her vergleichbar mit Weenos „Mitternachtsforst" - hieß nicht etwa „Wunschwald", weil er Wünsche erfüllte oder etwa verwunschen war. Nein, er wurde so genannt, weil Besucher, die in ihm spazieren gehen, irgendwann völlig friedlich und wunschlos glücklich werden. Früher oder später. Und dieser Wald - bei Weeno verursachte das gemischte Gefühle - führte mit seinen ordentlichen und gepflegten Waldpfaden jeden immer genau dorthin, wo dieser Person das Glück erwartet. So hieß es zumindest, aber Weeno wollte für sein eigenes Glück immer selbst verantwortlich sein. Obwohl eine gewisse Kätzin ihn bei seiner Suche nach dem Glück ganz sicher unterstützt hätte.

Also blieb Weeno nichts anderes übrig, als sein „Glück" in diesem Wunschwald zu versuchen. Obwohl Einhörner seit ewigen Zeiten ausgestorben waren - es hätte ihn nicht gewundert, wenn ihm eines hier begegnen würde. Was tut man nicht alles, um seiner besten Freundin Blogunde zu beweisen, dass keine Aufgabe zu schwer für einen „mächtigen Weeno" ist?

* * *

„Du, Karl? Mir ist es hier irgendwie ungemütlich. Irgendwie kommt es mir so vor, als ob tausend Augen auf uns gerichtet sind."

„Quatsch, der Einzige, der uns dabei beobachtet hat, wie wir Zack verscharrt haben, ist dieser Einfallspinsel hier!"

„Hogro."

„Woher willst du wissen, dass dieser Hobbitjunge nicht nur so tut, als ob er blöd is'?"

„Das kann ich dir ganz einfach beweisen", antwortete daraufhin die andere der beiden zwielichtigen Gestalten und zog ruckartig an der eisernen Kette, die dank eines Lederhalsbandes untrennbar mit Hogro verbunden war. Mit stumpfsinnigem Blick lauschte er diesen schrecklichen Menschen.

„Stelle dich auf ein Bein und hüpfe!", befahl Karl und Hogro befolgte diese Anweisung ohne zu murren oder irgendeine andere Gefühlsregung zu zeigen. Er bestätigte den Befehl nur mit einem kurzen: „Hogro!"

„Siehst du, Ralph? Dieser Halbling ist komplett schwachsinnig."

Ralph, der zusammen mit Karl an einem Lagerfeuer saßen, auf dem sie Würste brieten, jammerte dennoch weiter - während er Hogros einbeiniges Gehopse kaum beachtete: „Warum musstest du Zack nur töten? Er war von uns Dreien derjenige, der uns das Gold einbrachte! Glaubst du etwa, du könntest seinen Platz einnehmen?"

„Seine billigen Zaubertricks kenne ich in- und auswendig! Ja, Mama hielt ihn immer für den Cleveren von uns Dreien. Doch auch nur deshalb, weil sie mir nie eine Chance gegeben hat, es ihr zu beweisen", mit einem leichten Bedauern starrte Karl ins Feuer. „Und Zack wurde über die Jahre hinweg immer gieriger! Er nahm sich immer den doppelten Anteil unserer Einnahmen, auch wenn wir im Hintergrund immer die Arbeit verrichteten!"

„Du könntest niemals genauso mit dem Publikum umgehen wie er! Zack hatte immer ein Gespür dafür, wie man die Aufmerksamkeit der Leute in die richtige Richtung lenkt."

„Leider war er selbst nicht besonders aufmerksam gewesen, als ich ihm das Messer ohne Vorwarnung in den Rücken rammte! Hahaha! Ohne den Angeber sind wir besser dran! Er brauchte uns nur für den Höhepunkt seiner Vorstellung. Wenn er durch eine Falltür oder dieses kleine Versteck in seinem ‚verzauberten Schrank' verschwand - und einer von uns dann als er verkleidet ‚Tadaa!' hinter der letzten Sitzreihe rief und den Applaus einheimst. Doch diese Nummer geht auch zu zweit." Dann wandte er sich an den hüpfenden Hogro: „Und du bellst jetzt wie ein Hund!"

Anstelle eines Bellens entwich Hogro nur sein übliches „Hogro! Hogro! Hogro! Hogro!" - und er hüpfte noch immer.

Ralph schluckte, als er diese kaltschnäuzigen Worte von seinem Bruder hörte. Was ist, wenn er ihm irgendwann auch überdrüssig wird? ‚Die Götter rächen solche Taten!', hatte ihm einst seine geliebte Mutter eingetrichtert. Klar, die drei Brüder sahen sich immer sehr ähnlich, das muss er zugeben. Die Zuschauer, die ohnehin nur jemanden mit gezwirbelten Bart, Frack und Zylinder erwarteten, konnte man natürlich in den meisten Fällen täuschen. Doch sein Bruder Karl vergaß ein wichtiges Detail: Karl war einen Kopf kleiner als der verstorbene Zachary (auch „Zack" oder „Zardoz der Prächtige" genannt) - und Ralph wiederum einen Kopf größer. Vorzugeben, Zack zu sein, war also für Leute, die nur oberflächlich auf diese Person achteten, ganz einfach. Doch der Größenunterschied zwischen Karl und Ralph war dann doch etwas auffällig gewesen. Diese spezielle Nummer, wegen der immer so viele Zuschauer in ihre Vorstellung stürmten, war nun um Einiges schwieriger geworden. Hilfesuchend schaute sich Ralph um, das Gras um Hogro herum war inzwischen von seinem noch immer andauernden Gehüpfe längst plattgedrückt.

„Hogro! Hogro! Hogro!", bellte dieser unablässig.

„Halt den Rand, du kleiner...!"

Irgendwie musste er diesen Vorfall aus seinem Kopf bekommen, daher verschlang Ralph schnell den Rest der Wurst, die er auf einem Holzstäbchen aufgespießt und über das Lagerfeuer gehalten hatte, stand auf und nahm die beiden Schaufeln in die Hand, um sie dann zurück in den geparkten Zirkuswagen zu packen. Dieses bunte Gefährt, auf dem mit großen Buchstaben die Worte „Zardoz der Prächtige - König der Zauberer und Zauberer der Könige" stand, war in Sichtweite des Lagerfeuers am Waldrand geparkt, während die beiden Pferde, die es zogen, an nahegelegenen Bäumen festgebunden waren.

Doch er konnte die beiden Schaufeln nur kurz an den Wagen anlehnen, da ihn eine Stimme, die er hinter seinem Rücken vernahm, erschrak. Er zuckte kurz zusammen. Und sicherheitshalber nahm er eine der beiden Schaufeln wieder an sich, man kann ja nie wissen, wann man wieder eine Leiche vergraben muss.

„Wie ich sehe, habt ihr euch einen Hogro zugelegt. Sehr praktisch, nicht wahr?"

Als Hogro seinen Namen hörte, beantwortete er das wie üblich mit einem „Hogro!". Von jemanden beachtet zu werden, machte ihn - zumindest für einen kurzen Augenblick - glücklich.

Der am Lagerfeuer sitzende Karl empörte sich: „Wie lange hast du uns schon belauscht?"

Der hinter den Büschen auftauchende Alte antwortete ruhig: „Ach, nicht sehr lange. Ich habe nur diese Hogro-Rufe gehört und nahm an, dass es der Hogro sei, der mir abhanden gekommen ist."

„Hogro."

„Was stimmt mit diesem Schwachkopf nicht?"

Daraufhin sagte Weeno: „Es ist nichts Schlimmes, er hat nur einen extrem begrenzten Wortschatz. Ihr könnt ihn gerne behalten, wenn ihr ihn regelmäßig füttert und seine Hinterlassenschaften beseitigt."

Inzwischen war Ralph bei Weeno angekommen und stützte sich auf seine Schaufel. Er musterte ihn und wusste nicht, was er von ihm halten sollte. Und Karl, dem der Alte auch nicht geheuer war, stand von seinem Platz am Lagerfeuer auf und musterte diesen arroganten Besucher. Er erinnerte ihn an einen dieser Zauberer, doch ein Zauberer hätte sich nicht mit ihm und Ralph abgegeben und die meisten von ihnen wären - zumindest in seiner Vorstellung - nicht ganz so verlottert wie dieser Zausel gewesen.

Weeno, der den beiden nur wenige Armlängen entfernt gegenüberstand, blickte auf den etwas weiter entfernten Zirkuswagen. „Wer von euch beiden ist ‚Zardoz der...'" - Weeno kniff seine Augen zusammen und tat so, als ob es ihm Mühe bereiten würde, den Rest der Aufschrift zu lesen. Doch seine Sehkraft war noch immer so gut wie vor 25 Jahren. Das behauptete er zumindest. „Also wer von euch ist ‚Zardoz der Lächerliche'?"

Gleichzeitig antworteten Karl und Ralph hämisch grinsend: „Wir sind Zardoz!"

„Ah, natürlich. Na, dann will ich euch nicht weiter stören, bis d..."

„Du bleibst schön hier, alter Mann!", drohte Karl und demonstrativ streckte ihm Ralph seine Schaufel entgegen.

„Von mir aus. Wenn ihr so viel Wert auf meine Gesellschaft legt."

„Der Typ verarscht uns doch, ey!", teilte Ralph seinem Bruder mit.

„Das ist mir schon klar. Leider haben wir beide etwas dagegen, von alten Opis verspottet zu werden."

Weeno nickte verständnisvoll: „Das kann ich gut verstehen. Also wenn ich hier im Wald irgendwo einen alten Opa sehe, richte ich es ihm aus."

„Ich glaube, dazu wird es nicht kommen."

„Na schön", antworte Weeno - ihm waren die beiden ohnehin zuwider. Er wollte nur so schnell wie möglich mit Hogro zu Blogunde zurückkehren und sich dann in sein Bett legen. Oder Imps quälen. Obwohl... In seinem Magierturm befand sich noch immer das rosa Grauen...

Wie man es von Weeno gewohnt war, aktivierte er seine „Primärwaffe". Auf seine Feuerbälle war immer Verlass. Er konzentrierte sich wie immer auf einen kleinen Punkt in seiner Handfläche und fokussierte all seine Energie auf ihn. Dem Hass und Bosheit der gesamten Menschheit entsprach dieses Feuer und er schleuderte es mit voller Wucht auf Ralph, dessen Körper sich in eine brennende Säule verwandelte, die rasch in sich zusammensackte. Weeno hätte auch beide Brüder gleichzeitig verbrennen können, doch er mochte es, wenn eines seiner Opfer dabei zusah, wenn ein anderes starb. Doch Weeno hatte es eilig.

Karl, der noch immer den hüpfenden Hogro an seiner Kette festhielt - der wenige Schritte entfernt Weenos Feuermagie kaum Beachtung schenkte - starrte angsterfüllt den Zauberer an. Er wusste, dass er der Nächste sei. Das Blut gefrierte in seinen Adern, er wagte nicht, wegzulaufen.

„Bitte, bitte töte mich nicht!", flehte Karl - der letzte der drei Zardozze.

„Hüpfe auf- und ab für mich."

Karl folgte dieser Anweisung und bei jedem Hüpfer klirrte die Eisenkette, mit der er Hogro festhielt. Er vergaß völlig, dass da noch ein Hogro war, den er ein Messer an den Hals hätte halten können, um Weeno unter seiner Kontrolle zu bekommen. Allerdings hatte er keine Ahnung davon gehabt, ob ihm dieses Druckmittel hätte helfen können, sodass er davon absah. Tausend Gedanken kämpfen in seinem Kopf um die Vorherrschaft, doch keinen davon konnte er lange genug festhalten.

„B-B-Bitte tu mir nichts! Ich flehe dich an!"

Nach etwas 30 Hüpfern - inzwischen hüpften Karl und Hogro fast synchron - wurde es Weeno zu langweilig. Weeno überlegte noch kurz, wie die letzten Worte sein würden, die er Karl noch auf dem Weg in die Niederhölle geben könnte. Ihm fiel etwas Passendes ein. Nun war es soweit! Gleich würden Karls Überreste genauso vor sich hin glimmen wie die von Ralph.

„Schon bald wirst du keine großen Sprünge mehr machen können."

(Weeno war schon einmal kreativer gewesen, doch er wollte nun alles schnell hinter sich gebracht haben. Und ihm fiel ein, dass er so langsam auch mal wieder etwas Anständiges essen sollte - Waldbeeren können zwar nahrhaft sein, aber Weeno sehnte sich nach etwas Abwechslung. Und eine halbe Wurst lag neben dem Feuer auf dem Boden - vielleicht hatten die beiden zwielichtigen Kerle in ihrem Wagen noch andere Fressalien!)

Die Feuerkugel in Weenos Handfläche begann, sich zu formen und er richtete sie auf Karl aus. So wie er es gewohnt war. Dass er etwas mehr Anstrengung dazu benötigte, erklärte sich Weeno damit, dass er ja erst vor Kurzem Feuerbälle produziert hatte und sich seine Magie wieder aufladen musste. Zuerst die Feuerbälle, mit denen er die beiden Canismenschen von dieser hinreißenden Katzenfrau vertrieben hatte und dann eben der Feuerball für diesen Komiker. Doch irgendetwas stimmte nicht! Die kleine Kugel erlosch so schnell wie eine ausgepustete Kerzenflamme. Nun war es Weeno, der sich verwirrt und ratlos die nächsten Schritte überlegen musste. Er starrte mit offenem Mund seine Handfläche an. Man konnte es nicht einmal als „Ladehemmung" bezeichnen! Seine Energie hatte sich verflüchtigt! Er starrte abwechselnd seine Hand und seinen - nun würdigen - Gegner an. So etwas war ihm noch nie passiert!

Nun war es entscheidend, wer von beiden als Erster zur Besinnung kam. Weeno oder Karl. Es war Karl gewesen. Irre grinsend und mit Zorn in den Augen kam er langsam auf Weeno zu. So ganz sicher war er allerdings nicht gewesen, ob der Alte seine Zauberkraft verloren hatte oder sich nur einen Scherz mit ihm erlaubte. Ein Zauberer ohne Zauberkraft? Gibt es so etwas?

Weeno musste improvisieren! Irgendwie! Irgendetwas musste er machen, um auch den morgigen Tag noch erleben zu können! Ohne Magie konnte er weder den Geist dieses Widerlings beeinflussen noch ihn in irgendetwas Harm- und Hilfloses verwandeln! Dazu bleibe ihm ohnehin keine Zeit. Weeno fühlte sich so nackt und schwach! Ohne seine Feuerbälle war er nichts!

Schnell beugte sich Weeno nach unten zu der am Boden liegenden Schaufel, ein letztes Überbleibsel von Ralph. Doch er war nicht schnell genug gewesen - doch schnell genug, damit es zu einem Gerangel kam. Weeno hatte gegenüber Karl den Vorteil, wesentlich größer als er zu sein - was seine vergleichsweise fehlende Körperkraft etwas ausglich. Karl zerrte verbissen an dem einen Ende der Schaufel und Weeno hatte das Ende mit dem Griff in beiden Händen.

Wie man es von dem alten Weeno kannte, konnte ihn jetzt nur noch seine angeborene Fiesheit retten. Wenn dieser Karl unbedingt die Schaufel haben wollte, dann kann er sie kriegen...

Weeno ließ los, nachdem Ralph seine ganze Kraft einsetze, um an der Schaufel zu ziehen - und so wie er es vergesehen hatte, fiel dieser rückwärts auf den Boden. (Leider nicht nahe genug an dem Lagerfeuer, wie Weeno hoffte. Wenn er schon jemanden tötete, dann sollte nur noch Asche von ihm übrigbleiben. Auch beim Morden sollte man so etwas wie Stil besitzen, fand er.)

Der Waldboden war weich und bevor Ralph aufstehen konnte... nahm Weeno schnell wieder die Schaufel an sich um rammte sie in Ralphs Unterleib. Er krümmte sich vor Schmerzen, aber besiegt war er noch lange nicht.

War da nicht noch jemand, der Weeno vielleicht helfen könnte?

„Hogro, erdrossele diesen Möchtegern-Bösen Menschen mit deiner Kette."

Hogros Fluch sorgte dafür, dass er immer jede Anweisung - so gut wie es ihm möglich war - befolgte. Man konnte ihm nicht befehlen, Poesie zu rezitieren oder ihn gefahrlos darum bitten, in einem Porzellanladen zu fegen. Doch er nahm das andere Ende der Kette an sich, die Ralph schon seit einiger Zeit losgelassen hatte und wie eine metallene Schlange auf dem Moos lag. Schaute sie kurz an und hüpfte mit ihr zu Weeno. Dabei stolperte er über den Rest der Kette und lag genauso wie Ralph irgendwo unterhalb von Weenos Hüfte.

Blitzschnell nahm Weeno diese massive Eisenkette an sich und sie um den Hals von Ralph, der sich noch immer schmerzerfüllt und gekrümmt an den Bauch faste. Weeno erwürgte nun zum ersten Mal einen anderen Menschen - und fand Gefallen daran. Es müssen ja nicht immer Feuerbälle sein!

Ralphs Befreiungsversuche und die gurgelnden Laute aus seiner Kehle nützten ihm nichts. Wenige Augenblicke später sank Ralph kraftlos zu Boden - und Weeno bekam eine kurze Verschnaufpause.

Und auch Hogro, der keine Ahnung hatte, ob er sich über das vertraute Gesicht von Weeno freuen sollte oder nicht, richtete sich wieder auf.

„Ich würde mich ja gerne bei die bedanken, aber du hast offensichtlich ‚Erdrosseln' mit ‚auf der Erde herumtollen' verwechselt", moserte Weeno - der sich ohnehin nicht bei Hogro bedankt hätte.

„Hogro."

„Und höre mit dem lächerlichen Gehüpfe auf. Oder mach weiter. Egal. Ich habe gerade andere Probleme."

„Hogro."

* * *

Wenige Minuten später saßen der alte Zauberer Weeno, der inzwischen alle Gesten und Zaubersprüche, die ihm bekannt waren, ohne Erfolg ausprobierte und Hogro (der es ausprobierte, sich die restlichen Schweinswürste der beiden Zardoz-Typen, die er im Wohnwagen fand, in die Nasenlöcher zu schieben) betrübt und ratlos am Lagerfeuer.

Als Weeno für kurze Zeit zur Besinnung kam, erledigte er noch zwei Dinge: Den leblosen Ralph versteckte er in einem nahegelegenen Gebüsch und die ersten Würmer bekundeten bereits Interesse an ihm. Und er befreite Hogro von der bei jeder Bewegung klirrenden Eisenkette - deren Geräusche seine Konzentration immens störte. Hogros Anwesenheit war schlimm genug! Dann saß er sich erneut ans Lagerfeuer, das an diesen Spätnachmittag ohnehin nutzlos war - in diesem verdammten Wald war es hell genug!

Weeno starrte in das Glimmen des schon bald erloschenen Feuers und fühlte sich so leer. Sein eigenes, inneres Feuer existierte nicht mehr! Er fühlte sich so ausgelaugt. Kraftlos. So müsse sich ein alter Zauberer am Ende seines Lebens fühlen, doch Weeno hatte noch nicht einmal ein dreistelliges Alter erreicht! Lag es vielleicht daran, dass er zu spät in seinem Leben die dunkle Seite der Magie studierte? Die vielen Jahre, die er als Heiler verschwendete, bevor sein Herz gebrochen wurde, bedauerte er zutiefst. Er konnte nur noch seufzen, selbst sein Hunger war für ihn unwichtig gewesen. Was konnte er nur tun? Und Blogunde könnte er so, in diesem Zustand, niemals unter die Augen treten! Was soll sie nur von ihm denken? Vermutlich hätte sie ihn hämisch verspottet und so etwas gesagt wie: „Ich habe es dir doch gesagt! Du hast dich von der hellen Seite auf die dunkle Seite der Magie begeben, als dein Stiefsohn und deine Schwiegertochter starben! Und dann wieder kurzzeitig auf die helle, als deine Enkelin bei dir einzog! Und kurze Zeit später kapiertest du, dass die Dunkelheit für dich vorgesehen ist! So etwas rächt sich! Die Magie vergisst niemals! Du warst schwach!" Weeno musste sogar kurz bei dem Gedanken zittern - zumindest innerlich.

Selbst Hogro war die Veränderung an Weeno aufgefallen. Er reichte Weeno eine Schweinswurst (die sich kurz vorher noch in seinem linken Nasenloch befand) - doch dieser lehnte ab.

„Pah!"

Während die beiden noch eine Weile am bereits verglimmenden Lagerfeuer am Rand des „Wunschwaldes" saßen, bemerkten sie nicht die zwei Reiter angeritten kamen und ihre beiden Zossen nahe des Zirkuswagens zum Stillstand brachten. Weeno achtete allerdings nicht auf sie - er konnte nur daran denken, dass er nun ein Zauberer ohne Magie ist. Ein Niemand! Ein Hanswurst! Fast so bemitleidenswert wie Hogro! Es waren zwei Männer in Uniform, vermutlich die Stadtwachen eines Nachbardorfes, die hier patrolierten.

„Ihr da! Man sucht nach euch!"

Weeno drehte langsam seinen Oberkörper in die Richtung der beiden Uniformierten.

Weeno schnaufte und murmelte resigniert: „Niemand hat jemals nach mir gesucht."

„Sie müssen der Zauberkünstler und sein Assistent sein. Man erwartet sie. Keine Sorge, wir werden sie eskortieren."

„Was? Wer? Wieso?"

„Sind Sie nicht Zardoz der Zauberkünstler?"

„So scheint es."

Nicht nur Hogro hatte keine Ahnung davon, was los war - er konnte den beiden Fremden nur ein „Hogro?" entgegnen. Weeno hatte absolut keine Ahnung, wie er diese Leute abwimmeln konnte - er war ihm alles so verdammt egal gewesen. Wo ist nur seine geliebte Magie?

Also sah man kurze Zeit später einen resignierten Ex-Zauberer beim Lenken der Pferde eines fremden Zirkuswagens mit einer lächerlichen Aufschrift und neben ihm auf dem Kutschbock einen unterbelichteten Hobbitjungen, der verliebt das letzte Würstchen in seinen Händen wie einen Schatz hielt. Rechts und links neben ihnen ritten darüberhinaus zwei Stadtwachen und ließen es nicht zu, dass Weeno den Weg verließ.

Schlimmer war für Weeno nur, dass ihn die Magie, der er immer treu gewesen ist, verlassen hatte. Warum? Wozu? Wieso nur? Er kam sich so vor wie ein Mann, dessen große Liebe für immer fort war - um sich mit minderwertigeren Männern zu vergnügen! Zum ersten Mal in seinen 89 Jahren erlebte Weeno, was Angst wirklich war. Seine vergangenen Sorgen und Ängste waren Amöben im Vergleich zu dieser Angst!



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