5. Flüchtige Begegnungen und schreckliche Zweckgemeinschaften

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Dass die Götter Freude an schlechten Scherzen haben (über die nur sie selbst lachen können), ist wohl jedem bekannt, der jemals quälenden Liebeskummer hatte. Oder jedem, der plötzlich auftauchende Zahnschmerzen zum unpassendsten Zeitpunkt bekam. Oder jedem, dem eine verdiente Gehaltserhöhung verwehrt wurde. Und erst recht jedem, dessen Frau ihn verließ, weil er keine verdiente Gehaltserhöhung erhielt (und sie das ständiges Gejammer über seine Zahnschmerzen nicht mehr ertragen konnte). Die sadistischste Göttin von allen war zweifelsohne Becca, die Göttin des Schicksals. Sie arbeitete Hand in Hand mit der Schlangengöttin Zaphira zusammen, der Mutter aller Monster. Und gemeinsam kreierten sie die neueste Rasse von Mischwesen: Canismenschen! Sie waren praktisch die Umkehrung der Rasse der Werwölfe, oder vielleicht eher eine Parodie auf sie. Hunde, die das Pech hatten, von einem (ziemlich geistesgestörten) Menschen gebissen zu werden. Was zur Folge hatte, dass sie sich an jedem Vollmond in Menschen verwandelten - was man keinem Hund wünschen sollte. Doch bereits innerhalb der kommenden Tage verwandelten sich diese Geschöpfe wieder zurück. Leider nicht schnell genug, wie gerade eine ziemlich genervte Neko, eine Katzenfrau (eine Werkatze also), auf einem Baum feststellen musste. Normalerweise bringt diese Schönheit mit ihrem karamellfarbenen Fell und den blaugrünen, strahlenden Augen nichts so leicht aus der Fassung. Sie hasste es, laut werden zu müssen. „Verständnis" war ihr zweiter (menschlicher) Vorname, weswegen sie in ihrer Kindheit oft gehänselt wurde.

„Miiiiiiaaaaau! Lasst mich in Ruhe! Fort mit euch, ihr reudigen..."

„Haben Sie daran - wuff - gedacht, Ihren Versicherungsschutz erneuern zu lassen? Wuff-Wuff!"

„Yeek! Zu Ihrer Kenntnisnahme senden wir Ihnen die Unterlagen in den kommenden Tagen zu. Wuff-Bark-Wuff!"

Die Kätzin war verzweifelt. Sie hätte ja Mitleid mit diesen armen Kreaturen gehabt, denn sie vereinen alle schlechten Eigenschaften (also alle Eigenschaften) von Menschen und Hunden. Wie kann man so leben wollen? Würde sie nicht dieses dringende und drängende Bedürfnis haben, hätte sie sich vielleicht irgendwie mit diesen Mischwesen arrangieren können. Seit fast einer Stunde konnte sie nicht von dem Baum herunter und so langsam musste sie ... ihre eigenen „Geschäfte" erledigen. Doch diese beiden penetranten Bulldoggen mit ihren menschlichen Gesichtern ließen sie nicht. Diese hässlichen Köter würden wohl niemals verschwinden! Es war zum Verzweifeln.

„Eine Zahnschutzzusatzversicherung erhalten Sie bereits für 35 Goldstücke im Monat! Wuff-Wauwau!"

„Wuff-Wau-Wuff. Wer sich jetzt nicht um seine Altersvorsorge kümmert, wird später nicht die nötigen Mittel zur -wuff- Verfügung haben, um sein Lebensende in Würde bestreiten zu können. Bark. Bark."

„Haut ab!"

„Unsere Kollegen bearbeiten den Antrag frühestens in zwei Wuff-Wochen!"

„Wauwauwau, wir informieren sie, sobald der nächste Mitarbeiter für sie verfügbar ist."

Die Kätzin blickte in alle Richtungen, doch sie fand nichts, worauf sie gefahrlos springen konnte. Wer konnte ihr nur helfen? Vielleicht diese dunkle Gestalt, die gerade aus dem Nebel auftauchte.

Ja, Rettung in Form eines alten Zauberers nahte. Ungewöhnlich an diesem langsam schreitenden Menschen war für sie nur, dass er keinen magischen Wanderstab bei sich trug und auch auf den Zauberhut verzichtete. Doch trotz seines leicht schütteren, schlohweißen Haupthaares und den weit nach unten gezogenen Mundwinkeln sah er irgendwie süß aus, fand sie.

Der Alte sprach zu den Kötern mit ruhiger Stimme: „Ich besuchte mal eine Welt, in der sie Hot Dogs (was in ihrer Sprache, die unserem Anglesischen sehr ähnelt, so viel bedeutet wie: ‚heiße Hunde') den Menschen servierten. War sehr beliebt. Ich wollte schon immer einmal dieses Rezept selbst zubereiten."

Diese - sie empfand es so - lausbübische Art des Alten gefiel der Kätzin ungemein. Sie war sich zunächst nicht sicher, ob es sich bei ihm tatsächlich um einen Zauberer handelte, nur sein schwarzes, mit (wie sie fand) leicht obszönen Symbolen verzierte Gewand erinnerte an jemanden aus diesem Berufsstand. Und dieser schicke lange Bart! Die Kätzin würde gerne ihre Pfoten einmal in ihm versenken.

Der Alte blieb völlig entspannt, als sich die geifernden, zähnefletschenden Tiere auf ihn zubewegten und blickte herablassend zu ihnen herab.

„Wuff-Wuff! Ich muss doch sehr bitten, wir befinden uns in einer Besprechung mit der Dame da oben auf dem Baum! Grrrr...", knurrte die eine Bulldogge während ihre Kollegin kläffte: „Wir werden Ihr Anliegen selbstverständlich -wuff- als Nächstes prüfen und in einem Monat bearbeiten."

„Ich denke, das wird nicht nötig sein", antwortete der Zauberer und schleuderte der ersten Bulldogge einen Feuerball entgegen. Der Kätzin beeindruckte die geschmeidige Bewegung, die der Alte dabei ausführte; er hätte auch ein magisches Katzentier sein können, so fließend war sein Feuerball-Wurf! Weil ihre menschlichen Gesichtszüge noch nicht zurückgekehrt waren, hatte die Werkatze Schwierigkeiten gehabt, den Alten zuzulächeln. Doch innerlich schmunzelte sie.

Die erste Bulldogge jaulte, als ihre Schnauze in Flammen aufging und sie entschied sich dazu, sich zurückzuziehen und durch heftige Kopfbewegungen die Flammen zu löschen. Als die zweite das Leiden ihrer Mitstreiterin beziehungsweise Mitkläfferin sah, trat sie sicherheitshalber den Rückzug an und verschwand rasch im Nebel. Ein Feuerball traf vorher dennoch ihre Rückseite, was die Kätzin dann doch für eine unnötige Grausamkeit hielt. Ebenso verstand sie es nicht, warum der Alte den Canismenschen hinterherrief: „Ihr habt nicht zufällig hier in der Gegend einen entlaufenen Hogro gesehen?" Wer oder was ist ein Hogro? Man hörte nur noch das Jaulen der Tiere und ihr Bürokratengeschwätz, es ging wohl darum, sich baldmöglichst krankschreiben zu lassen. Oder so. Es konnte der Kätzin egal sein.

Die Kätzin freute sich, als der Alte auf Kätzisch miaute und ihr vorschlug, in seine ausgebreiteten Arme zu springen. Na, einem geschenkten Zauberer sollte man nicht ins Maul schauen. Und sie hatte es wirklich eilig, was sie ihm nicht verraten wollte.

In der Sprache des Alten antwortete die Kätzin: „Äh, in Ordnung, ich springe dann am besten von dem Ast da drüben. *purrrr* Ich danke euch vielmals dafür, dass ihr die Bestien vertrieben habt. Die Hundis jagten mich quer über die Wiese, bis ich dann auf diesen Baum hier Zuflucht suchte, ich hing hier schon seit Ewigkeiten fest", bemerkte die Kätzin und lachte: „Wie ich hinauf gekommen bin, weiß ich selbst nicht mehr..."

Regungslos schaute der Alte zu der Werkatze. Träumte er? Wusste er nicht, was er erwidern sollte? Es dauerte eine Weile, bis er antwortete: „Dir zu helden, helfen, ist äh, eine Selbstverständlichkeit für jemanden wie mich. Äh."

„Würdet Ihr dann bitte so freundlich sein und Eure Arme etwas öffnen, damit Ihr mich auffangen könntet?"

„Äh, stimmt. Äh."

Sie sprang in seine Arme - und für einen Moment fühlte sie dort eine Geborgenheit, die sich vorher noch nicht kannte. Und wie alle Katzen in dieser Situation zeigte sie ihre Dankbarkeit mit einem kurzen Lecken über den Bart ihrer „Retters". Dabei bemerkte er das Halsband der Katzenfrau, eine goldene Anhängerkette, an der drei winzige, goldene Fische herabhingen. Er starrte es an, so als ob er es sich einprägen würde. Wollte er sie wiedersehen? In ihrer menschlichen Gestalt? Nein, natürlich nicht. Menschen und Werkatzen?

„Das ist -äh- sehr liebensgewürzig von ihnen", entfleuchte dem Mund des mutmaßlich verwirrten Alten - doch die Kätzin war schon längst verschwunden und erleichterte sich weit entfernt von ihm im tiefen Gras.

Sie konnte daher nicht mitbekommen, wie der Alte zu sich selbst sprach und anmerkte: „Habe ich eben tatsächlich ‚liebensgewürzig' gesagt? Hmpf. Ich hoffe, dass sie noch eine wichtige Rolle in dieser Geschichte spielen wird und kein öder Statist ist. Es wäre unverzeihlich, wenn sie nur dazu dient, alles auszubremsen..."

***

„Schipsa! Schipsa!" So allmählich begann der Halb-Imp Buttay die „Sprache", falls man diese tiefen, brummenden Laute des Monsters so nennen konnte, zu verstehen und warf dem schleimigen Tier noch mehr getrocknete Blätter in den weit geöffneten Schlund, die es umgehend zerkaute. Blätter, die irgendwann in die Höhle vom Wind hineingetragen worden waren und die den Ratten - die von der Kreatur „Biefie" genannt worden - als Behausung in den kalten Nächten dienten. Jedoch ging Buttay so langsam das Futter für die Kreatur aus und er befürchtete, in einem Moment der Unachtsamkeit ebenfalls in dessen Maul zu landen. Zum Glück schien die Mittagssonne in den Eingang der Höhle hinein - die verkohlten Überreste seiner improvisierten Feuerstelle, genannt „Bürrrrgaaaah" hatte Buttay bereits vor einer Stunde verfüttert.

„Von den Schipsas kannste nich' genug kriegen, du Gierschlund, wa?", bemerkte Buttay während er den letzten Rest der Schipas vorsichtig in das Maul der Kreatur warf.

Etwas zutraulicher wurde das Biest schon in den letzten Stunden, allerdings war sich Buttay nicht wirklich sicher, ob es nur Bequemlichkeit sei. Zutrauen oder Bequemlichkeit? Vermutlich beides. Niemand beißt gerne in die Hand, die einen füttert. So langsam gingen Buttay und dem Monster die Fressalien aus. Gut, dem Monster kann man praktisch alles zum Futtern geben, auch wenn Buttay ein Leuchten in den Augen der Kreatur bemerkt hat, immer dann, wenn er ihm etwas „nicht vegetarisches" zu fressen gab. Und lebendiges Futter, das im Maul noch zappelt und um sein Leben kämpft, war wohl das Lieblingsgericht von...

„Vielleicht sollte icke dir, meenen neuen abscheuliche(re)n Kumpel, eenen Namen geben tun, wa?"

Es war unwahrscheinlich, dass die Schneckenkreatur den Halb-Imp verstand, dennoch kam ein zustimmendes Grunzen aus seinem Maul.

„Wat' hälste davon, wenn icke dich ‚Turdo' nenne? Wa? Meen erster Meester sachte mir mal, ‚Turd' sei dat Neu-Anglesische Wort für ‚Scheeßhaufen'. Bevor der alte Sack begann, mich so zu nennen... Und du siehst halt aus wie eeene dicke, lange und stinkende Kackwurst, wa?"

Erneutes zustimmendes Grunzen gefolgt von einem „Maaaaraaabouuuu" - dieses Wort kannte Buttay noch nicht, aber er war sich sicher, dass Turdo seinem Wunsch nach einem Fresschen zum Ausdruck bringen wollte.

Um Turdo überhaupt gefahrlos in die Höhle locken zu können, hatte Buttay den - für seine Verhältnisse - genialen Einfall gehabt, einen Salzkristall an einen Stock festzubinden, um das Schneckentier bei Bedarf auf Distanz halten zu können. In den letzten Stunden, die er mit Turdo in der Höhle verbrachte, schien es so, als ob die beiden immer besser klarkommen. Irgendwie brauchten sie einander: Buttay jemanden an seiner Seite, vor dem die Leute Respekt - genaugenommen eher Angst - hatten in der Hoffnung, dass auch etwas Respekt - eher Angst - auch für ihn abfallen würde. Und Turdo brauchte einen persönlichen Fütterungssklaven.

„Marabooouuuuuuuuu!"

Buttay schaute sich in der Höhle um - er vermutete, dass es sich bei ihr um eine verlassene Bärenhöhle handelte. Das Einzige, was Turdo (außer ihm selbst und den Sack mit seinen Habseligkeiten) noch nicht gefressen hatte, war der Haufen getrockneter Bärenkot, auf dem noch ein paar tote Fliegen klebten.

„Icke gebe dir dein Marabooou! Wah!"

Er nahm es in die Hand und warf es Turdo in die Fressluke. Komischerweise hatte Buttay ihm wieder genau das Richtige zugeworfen. Hätte Buttay ein Vokabelheft zur Hand - und wüsste er, wie man liest und schreibt - dann wäre es um einen Eintrag erweitert worden. Marabooooou bedeutet also „Bärenkot". Mit Fliegen.

Es schien so, dass die unersättliche Kreatur namens Turdo wohl niemals seinen Hunger verliert und Buttay wusste nicht mehr, was er Turdo als Nächstes geben konnte. Seine Kleidung beziehungsweise die Lumpen, die er trug? Oder den Beutel mit Goldstücken, die er vor ihrem Aufbruch noch schnell aus der Hütte des Bauern entwendete? Der Alte brauchte ihn ja ohnehin nicht mehr, vermutlich wurde er längst von Turdo verdaut.

„Kchhhhhhhrrrrrr..."

Die Höhle, in der Buttay mit dem Tier Schutz für die Nacht suchte, ist inzwischen zu dem saubersten Ort von ganz Ostland geworden. Alles, was man dem Monster zu fressen geben konnte, hatte er allmählich aufgesammelt und Turdo zu Fressen gegeben. Selbst alte Knochen, die das Monster „Miehkadoooh!" nannte!

„Hchhhchhrrrrrrrrr..."

Das Schnarchen im Hintergrund bemerkte der gedankenverlorene, auf- und ab gehende Buttay nicht, als er sich entschied, alles auf eine Karte zu setzen und so schnell wie es geht aus der Höhle zu rennen. Er glaubte nicht, dass sein kleiner Salzkristallstab ein gefräßiges Schleimmonster aufhalten könnte, wenn es hungrig ist. Und Buttay musste auf dem Weg zur Höhle feststellen, dass Turdo ziemlich schnell sein konnte, wenn er nur wollte. Und seine Arme erst...

„Kcccchhhhhrchhhhrrrrr..."

Also seine Arme waren genauso wie der Rest seines massigen Körpers eine formbare Masse, Turdo konnte sie wie Tentakel ausfahren lassen, ihre maximale Länge konnte Buttay nur vermuten. Und wenn Buttay Finger an ihnen benötigte, dann bildeten sich Finger an ihnen. Doch vermutlich spielen schleimige Schneckenmonster nur sehr selten Klavier - meistens umwickelte Turdo das- oder demjenigen, bevor der/die/das von ihm in sein Maul verfrachtet wurde. Vermutlich klebten seine Opfer ohnehin an seinen Auswüchsen, sodass er auf einzelne Finger verzichten konnte...

„Kcccchhhrrr-huh-Kchchchrrr-Huh!"

Buttay hatte kurz nachdem sein Meister auf dem Kartoffelfeld von Turdo verschlingt wurde und er einen Weg fand, das Monster einigermaßen unter Kontrolle zu bekommen, den Plan gefasst, das Tier an eine Kuriositätenschau zu verkaufen oder anderweitig Gold mit dem Tier zu verdienen. Teile seines alten Ichs kamen wohl während seiner Todesangst bei ihm zum Vorschein. Er wollte nicht mehr dienen, die Leute sollten beginnen, ihn wie ein gleichwertiges Wesen zu behandeln. Obwohl... Gleichwertig? Jahrelang war Buttay nur ein billiger Sklave, den man bespucken und beleidigen konnte. Hatte er das verdient? Er wollte wieder ein Jemand sein und kein Niemand. Er verdiente Respekt! Diese ganzen Meister sollen das Fürchten vor ihm und seinem Beschützer lernen! Doch wie kann er das erreichen? Ein langer Weg stand ihm bevor. Wem nützt eine unerbittliche Vernichtungswaffe, wenn er keine Bedienungsanleitung für sie hat?

„Kcccchcchchhhhhhcchhhhrrrrr..."

Wie lange Turdo bereits tief und fest geschlafen hatte, konnte Buttay nicht ausmachen, als er seine Gedanken kurz zum Schweigen brachte und zu ihm hinschaute. Und er fasste einen Entschluss.

„Jedes Monster braucht jemanden, der ihm den Rücken freihält - und mit dessen Hilfe schön bei den Leutchen abkassiert, wa?"


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