4. Die diabolische Dämonenhexe zerstreut den zynischen Zauberer

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Hexen und Zauberer hatten normalerweise selten Kontakt zueinander. Die eine Gruppe bevorzugte es, im Einklang mit der Natur zu leben, die andere bevorzugte es, die Naturgesetze nach ihrem eigenen Gutdünken zu biegen bis sie brechen. Doch der alte Weeno und seine Freundin Blogunde waren anders. Destruktivität genossen sie fast so sehr wie ihr Rauchwerk ...

Nachdem Weeno umgehend nach Erhalten der Nachricht von seiner besten, weil einzigen Freundin, zu selbiger hingeeilt war, saß er nun in dem gemütlichen Wohnzimmer der alten Blogunde in ihrem Hobbithexenhaus. Gut, „hingeeilt" war vielleicht übertrieben, aber für seine Verhältnisse schlenderte er schon etwas zügiger als sonst zu ihr hin. Ihm kam es sehr gelegen, seinen von den Mädchen „feminisierten" Magierturm mal für eine Weile zu verlassen. Was haben sie nur meinem Refugium angetan?

Für Weeno war Gemütlichkeit bei einem Raum nicht unbedingt ausschlaggebend, doch ihm gefiel immer die schummerige Beleuchtung der alten Hobbithexe Blogunde. Und das gänzliche Fehlen der Farbe Rosa. Obwohl es Nachmittag war, hatte sie wie immer bereits die Vorhänge ihrer Fenster zugezogen. Hätte Blogunde das Feuer im Kamin im Wohnzimmer entfacht, wäre die Gemütlichkeit kaum noch zu steigern gewesen, doch im Sommer wäre dies recht unsinnig. Es flackerten lediglich ein paar Kerzen herum. Und auch nur der Form halber, da magische Personen bekanntlich eine ausgezeichnete Nachtsicht besitzen.

Normalerweise besuchte Weeno Blogunde nur zu besonderen Anlässen – und ein besonderer Anlass war es für einen arroganten Zauberer wie ihn immer, wenn er jemanden die große Ehre seiner Anwesenheit zuteilwerden lassen konnte. Auf Menschen konnte er ohnehin verzichten, aber Hobbits mochte er. Hobbits waren zwar Trottel, genauso wie die Menschen, aber im Gegensatz zu den Menschen waren sie ehrlich zu sich selbst und standen zu ihrer Trotteligkeit. Und es gab bei Hobbits grundsätzlich immer und zu jeder Tages- und Nachtzeit etwas zu futtern ...

So besorgt wie jetzt hatte Weeno Blogunde noch nie gesehen, und er kannte sie seit fast 80 Jahren! Anderen Personen wäre die Bitterkeit – zusätzlich zu der altersbedingten Bitterkeit, die jede alte Person irgendwann in ihrem Leben besitzt – in Blogundes faltenreichem Gesicht niemals aufgefallen, doch Weeno konnte die Nuancen ihrer Mimik meisterhaft deuten.

In dem Sessel, seinem Stammplatz bei Blogunde, beugte er sich leicht nach vorne, um Blogundes Anliegen zu erfahren. Ihm gegenüber in ihrem Rollstuhl sitzend begann sie zunächst – wie es Weeno von ihr gewohnt war – mit einer Belanglosigkeit.

„Es ist gut, das du dich nicht mehr Winfried nennst und wieder Weeno! Ich verstehe noch immer nicht, was dich vor zwei Jahren dazu getrieben hat."

„Ja, mir gefällt Weeno dann doch etwas besser. Ich war schon immer ein Weeno gewesen, das ist mir inzwischen klargeworden. Ein Weeno inmitten von winselnden Würstchen", lachte der Alte. Bei seiner Freundin konnte er seinem vergrämten Gesicht ein Lachen hin und wieder mal gönnen.

„Apropos ‚Winselnde Würstchen'! Möchtest du noch eins?", fragte die Hobbithexe, die diese Anspielung verstand, und reichte ihm einen Teller mit (und bei ihr winselten sie tatsächlich!) gebratenen Schweinswürsten, von denen Weeno eine an sich nahm und an ihr kaute. Er hatte keine Ahnung, woraus (oder aus wem) diese Leckereien von ihr gemacht worden sind und sein Stolz verbot es ihm, danach zu fragen. Irgendwann einigte er sich mit sich selbst darauf, dass es Schweinewürstchen seien. Er aß sie mit Genuss und nur das zählte für ihn ...

Langsam begann Blogunde, Weeno den Grund für seine Anwesenheit zu erklären: „Es geht um Hogro."

„Ah, Hogro! Wo ist der kleine Einfaltspinsel denn? Noch immer auf Hochzeitsreise?"

„Vor zwei Wochen kehrte er heim. Ohne sie."

Weeno sträubte sich gegen Phrasen, die Bedauern ausdrücken, jeder andere in seiner Situation hätte so etwas gesagt wie: „Oh, das tut mir leid!" Doch nicht er – und Blogunde verstand das. Denn sie wäre, ginge es um Weenos Enkelin, genauso aufrichtig zu ihm wie er zu ihr. Wenn man kein Mitleid hat, braucht man es auch nicht vortäuschen. Jedoch besaß Weeno zumindest Interesse an den Problemen des jungen Hobbits, der für ihn regelmäßig sein Rauchkraut im Wald sammelte, mit seiner Enkelin spielte oder mit ihr Botengänge durchführte. Ohne ihn müsste er womöglich das alles selbst erledigen!

„Gut, ich habe diese ... Maria?"

„Myrcella."

„Wie auch immer. Ich habe das Mädchen nie gemocht."

„Du hast noch nie jemanden gemocht."

„Genausowenig wie du."

Nun mussten beide herzlich und befreiend lachen. So etwas wie Schwermut war eine Empfindung, die Weeno nur selten bei Blogunde wahrnahm.

„In den letzten Tagen jammerte Hogro ohne Unterbrechung", erklärte Blogunde und ahmte ihren Enkel nach: „Hoooooogro! Hohooooogro! Es war kaum auszuhalten gewesen."

Weeno nahm noch eines der leckeren Würstchen, mampfte es und sprach dann: „Konntest du herausfinden, warum er nicht darüber glücklich war, Mylanie losgeworden zu sein? Warum hat er sie nicht einfach in einen Brunnen geworfen, so wie es jeder an seiner Stelle machen würde?"

„Ich weiß es nicht. Wegen Hogros ‚Unfalls' damals ist eine Gedankenverschmelzung bei ihm so sinnvoll wie einem Mistkäfer höhere Mathematik beizubringen. In seinem Gehirn ist nur Platz für ‚Hogro' – alles ist für Hogro ‚Hogro'! Ich kann dieses Wort nicht mehr hören!"

„Hast du deine verdammte Kristallkugel befragt?"

„Sind Oger stumpfsinnig? Natürlich habe ich das! Genau das habe ich als Erstes versucht bei ihm! Doch dieses billige Ding kommt mit der magischen Reststrahlung in Hogros Körper nicht klar! Etwas habe ich allerdings herausgefunden als ich mit auf das Mädchen fokussiert habe – nur habe ich keine Ahnung, wie sich das alles deuten lässt ..."

Nun schob sie ihren Rollstuhl etwas näher an dem Wohnzimmertisch heran, schob den Teller mit den Würstchen beiseite und griff nach einer kristallenen Kugel. Sobald sie von ihr berührt wurde, begann sie strahlend hell zu leuchten und Blogunde klopfte mit der rechten Hand etwas auf ihr herum, um die Helligkeit etwas zu dimmen.

Mehrere kleine Gesichter konnte man jetzt auf der Kugel erkennen, ein paar von ihnen kannte Weeno, selbst seinen Kopf und den seiner Enkeltochter sah man. Weeno entschied sich dazu, aus seinem Sessel aufzustehen und sich die Bilder, die im Inneren der Kugel entstanden, näher anzuschauen. Technische Novitäten interessierten ihn, allerdings konnte er nie mit diesem Zeug umgehen und überließ Kristallkugeln, Zauberstäbe und Hexenbesen den Leuten, denen sie etwas bringen...

Mit ihren kleinen, schrumpeligen Fingern berührte Blogunde die Kugel und schob die auf ihr abgebildeten Gesichter zur Seite, bis im Zentrum das Gesicht von Myrcella Cannavale, Hogros Angetrauter, zu sehen war – und zoomte unter Einbeziehung ihres Zeige- und Mittelfingers an das Bild der jungen Frau heran.

Blogunde sprach: „Du weißt ja, dass ich mit etwas Puppenmagie dafür gesorgt hatte, dass sich das Mädchen in Hogro verliebt. In der Hoffnung, dass dadurch dieser Fluch bei ihm aufgelöst wird und er geheilt wird."

„Liebe! Pah! Humbug! Warum hast du Hogro keinen Pudel gekauft? Diese dummen Köter lieben ihr Herrchen auch bedingungslos und man kann ihnen darüber hinaus auch noch Kunststücke beibringen."

„Seit wann bist du ein Hundefreund?"

„Bin ich nicht", antworte Weeno auf diese Unterstellung. Er verkniff sich, zu ergänzen „Doch Katzen sind zu schade für deinen grobschlächtigen Enkel!" – auch wenn Blogunde ihm zugestimmt hätte. Katzen gehörten zu Hexen und Zauberern wie Fracks zu Pinguinen. Katzen wurden von Hexen und Zauberern geschätzt, Hunde hingegen verspottet. Weeno hätte gerne ein süßes Katzentier in seinem Magierturm gehabt – leider vertrugen sich die Tiere nicht mit seinen Imps. Für Katzen waren Imps so etwas wie kleine Menschen – die sich sogar noch leichter quälen ließen als die großen Menschen...

„... Also habe ich mich auf Myrcella fokussiert und das Folgende – Moment, ich habe es abgespeichert – gesehen." Während die alte Hobbithexe diese Worte sprach, tippte sie zweimal auf das Gesicht ihrer Schwiegerenkelin und es entstanden magische Bilder aus der Vergangenheit in der kristallenen Kugel. Weil sie jedoch über keine Lautsprecher verfügten, mussten der alte Zauberer und die Hobbithexe versuchen, diese Bilder selbst zu interpretieren.

Sie sahen, wie Myrcella und Hogro verliebt durch den Wald hüpften. Lächelnd und händchenhaltend sprangen sie durch das Dickicht. Bis dahin konnten Blogunde und Weeno dem Gesehenen folgen, doch dann erblickten ihre alten Augen, wie das glückliche Paar in ein tiefes Loch fiel. Und das konnte man durchaus wörtlich nehmen, dieses merkwürdige Loch im unebenen Waldboden {1} beförderte die beiden in ein fernes Land. Die beiden Alten sahen große Letter auf einem Hügel, die das Wort „OLLYWOOD" bildeten und wunderten sich darüber, das dieser Wald, der offensichtlich nach einem Menschen namens Olly benannt wurde, recht baumlos war – abgesehen von ein paar Palmen.

Die schöne Frau und ihr etwas weniger schöner, geistig leicht unterentwickelter Partner landeten weich auf einer gelbsandigen Fläche und erregten sofort die Aufmerksamkeit der Leute. Eine attraktive Frau und ein dicklicher Hobbit sah man dort wohl selten vom Himmel fallen. Ein schmieriger Anzugträger wurde auf die beiden aufmerksam und sprach sie an – was er ihnen anbot, einen Vertrag bei einem Filmstudio, konnten Weeno und Blogunde allerdings nicht nachvollziehen. Genauso wie die folgenden Bilder, die sie nun sehen mussten und für sie schwer geistig zu erfassen waren. Sie sahen die Geschehnisse der nächsten Jahre wie in einem Zeitraffer ablaufen: Kopfschüttelnd sahen sie Großaufnahmen der Gesichter von Hogro und Myrcella aufblitzen, allerdings standen die Namen von Fremden in der Glaskugel darunter.

„Wer bei allen Vor-, Hinter- und Nebenhöllen sind ‚Ashton Kutcher' und ‚Mila Kunis'? Sollen das überhaupt Namen sein oder die Bezeichnungen von Krankheiten?"

Nun sahen Weeno und seine Kumpeline Hogro und Myrcella mit anderen unbekannten jungen Leuten auf einer Couch in einen hölzern vertäfelten Raum auf einer Couch sitzen. Diese jungen, bunt gekleideten Menschen lachten, rauchten und redeten miteinander, was sie dabei sagten, konnten Weeno und Blogunde natürlich nicht verstehen. Das Bild zoomte weiter hinaus – und das, was die Glaskugel nun offenbarte, verwirrte die Zuschauer komplett. Denn Hogro alias Ashton und Myrcella alias Mila hatten nicht nur den Zauberer und die Hexe als Zuschauer, sondern auch ein ganzes Publikum, das in mehrere Sitzreihen Hogro und Co. dabei beobachteten, wie sie auf der Couch miteinander scherzten.

„Die Leute machen sich über deinen Enkel lustig. Gefällt mir."

Und komischerweise bemerkten Weeno und Blogunde immer dann, wenn Hogro das einzige Wort sagte, das er verstand und sprechen konnte, nämlich „Hogro" (Weeno und Blogunde sahen in der Kugel natürlich nur die Lippenbewegungen), bemerkten sie einen weiteren Menschen, der irgendwo hinter den metallischen Kästen hinter einem Pult saß und passend zu Hogros Lippenbewegungen einen Text von einem Blatt ablas. Wirklich seltsam.

Ebenso seltsam wie diese Lichter in dem metallenen Vorrichtungen, die auf die jungen Menschen, die wohl unfähig waren, ihre Couch zu verlassen, strahlten.

„Hat man Hogro und diese anderen ... Menschen gefangengehalten, um sie den anderen Menschen zur Schau zu stellen? Also das finde ich gut, es sollte viel mehr Menschen-(und Hobbit-)Zoos geben", bemerkte Weeno.

Daraufhin antwortete Blogunde: „Es ist offensichtlich ein Theater, du Hornochse!"

„Wer ist so dämlich und bezahlt Geld dafür, um Hogro zu sehen?"

Ja, die beiden magischen Freunde hatten keine Ahnung davon, dass Hogro und seine angetraute Vertraute in der Filmmetropole einer für sie fremden Welt gelandet sind und aufgrund von Myrcellas strahlender Schönheit und dem (unfreiwillig) komischen Potenzials Hogros von Warner Brothers unter Vertrag genommen wurden. Ferner würden es die Zauberkundigen niemals kapieren, dass es in dieser Welt so etwas wie Sitcoms gibt, die gelegentlich vor einem Live-Publikum aufgezeichnet werden und Deppen zeigt, die immer wieder die gleichen Geschichten erleben. Zur Belustigung von Fernsehzuschauern, damit selbige eine Ausrede haben, kein Buch lesen zu müssen.

„Ich habe dir ja gesagt, dass dein Enkel eines Tages in einem Kuriositätenkabinett ausgestellt wird!"

Das junge Paar, das vertraglich dazu verpflichtet wurde, ihre Beziehung vor der Öffentlichkeit geheimzuhalten (was für Hogro/Ashton nicht schwer war, weil er selbst nicht wusste, warum Mycella/Mila immer um ihn herumwuselte – und es ohnehin nicht kommunizieren konnte) avancierte in den folgenden Jahren zu den Publikumslieblingen der Show „Die wilden Siebziger" – doch in ihrer Ehe tauchten die ersten grauen Wolken am Himmel auf.

Gut, Hogro machten die Affären Myrcellas mit Tom Cruise, Danny DeVito, Woody Harrelson, Harrison Ford, Glenn Close, Sir Michael Caine, Lassie, Jack Black, Jack Nicholson, Jackie Chan, Ben Stiller, Dame Helen Mirren, Jim Carrey, William Shatner sowie Matt Damon nicht viel aus – er verstand ohnehin nicht, was sie mit seiner Gattin in ihrem Wohnwagen so trieben. Doch als er eines Tages mitbekam, wie Robert De Niro ungefragt nach einer Liebesnacht mit Myrcella eines seiner geliebten Wurstbrote aus seinem Kühlschrank an sich nahm, drehte er durch.

Hogro zertrümmerte mit bloßen Händen das Interieur des Wohnwagens und schrie seinen Namen mit aller Kraft aus. „HOGRO!" – ein Schmerzensschrei, den man selbst noch am Set von „Friends" hören konnte. Wie ein Wahnsinniger wütete Hogro durch die Studios, er ließ seine Fäuste auf die Kulissen krachen, aber auch die Crews, Schauspieler, Statisten und alle anderen Menschen wurden nicht von ihm verschont.

Es dauerte eine Weile, bis er von der Security ruhiggestellt werden konnte – hauptsächlich gelang es, indem man ihm ZWEI Wurstbrote in die Hand drückte. Doch für die Presse war der Ausraster des hoffnungsvollen Jungstars „Asthon Kutcher" ein gefundenes Fressen gewesen, man stürzte sich auf die Geschichte von dem betrunkenen, herumgrölenden Idioten und die Studiobosse mussten etwas unternehmen: Hogro wurde in hohem Bogen gefeuert und umgehend durch einen Schimpansen mit Perücke ersetzt, der ihm verblüffend ähnlich sah und von nun an seinen Platz einnehmen sollte. Sowohl als Top-Schauspieler als auch an der Seite von Myrcella. Für Hogro war kein Platz mehr in dieser oberflächlichen Glamourwelt, die jeden kometenhaften Aufstieg zum Star früher oder später einen tiefen Fall folgen lässt und in der jeder ersetzbar war.

„Also ich hätte dem Alten auch nicht kampflos das Wurstbrot überlassen", merkte Weeno an.

Es folgte ein bedachtsames Schweigen, die Frage, wie Hogro von dieser bunten Hollywood-Welt zurück in seine eigene Welt gekommen war, konnten diese Visionen, die in der Kristallkugel festgehalten worden sind, auch nicht beantworten – diese Antwort kannte nur Hogro.

„Aber das ist nicht das Hauptproblem!", unterbrach die Hexe den Zauberer. Es wurde höchste Zeit, ihm den Grund seines Besuches zu verraten. „Seit gestern Morgen ist Hogro verschwunden! Spurlos!"

„Wohin soll er schon gehen? Er kann nicht weit sein. Außerhalb des Waldes bekommt er ja immer Angst und... Äh..." Weeno, obwohl es nicht seine Art war, jemanden beruhigen zu wollen und es bei seiner Freundin Blogunde auch garnicht notwendig war, wusste selbst nicht, warum er versuchte, das Verschwinden von Hogro zu verharmlosen.

„Hogro ist immer zu mir zurückgekommen! Selbst vor seiner Hochzeitsreise mussten sämtliche Familienmitglieder ihn davon überzeugen, dass es auch außerhalb des Waldes etwas gibt! Ich habe schon alle meine Leute {2} auf die Suche geschickt! Ohne Erfolg! Finde ihn bitte für mich! Vielleicht fällt die ein Ort ein, den wir noch nicht in Betracht gezogen haben?"

„Was gibt es hier im Wald schon anderes außer ... Wald?"

Weeno hatte für den Abend im Magierturm geplant, seine Zauberbücher umzusortieren. Chronologisch nach Erscheinungsdatum – und er würde ungern darauf verzichten wollen.

„Aber ich brauche ihn nicht von dem Fluch, der auf ihm seit seinem ‚kleinen Unfall' lastet, befreien, oder?"

„Also falls du ihn einen Kuss voller Liebe gibst oder mit ihm eine selbstlose Tat vollbringst, hätte ich grundsätzlich nichts dagegen, aber mir genügt es vorerst nur, dass du ihn heimbringst."

Nun versuchte Weeno das Für und Wider abzuwägen. Daheim im Turm erwartete ihn das rosa Grauen, Kinderreime und Glitzerstaub an Orten, die er selbst noch nicht in dem Turm gekannt hatte. Draußen im Wald wurde man allerdings sehr selten mit rosa Wandschmuck, Kinderreimen und Glitzerstaub konfrontiert. Seine Entscheidung fiel ihm leicht.

„Abgemacht."

„Du warst noch nie so schnell mit einer Bitte von jemanden einverstanden? Stimmt etwas nicht?"

„Kann ich nicht einmal einer guten Freundin helfen, ohne mich rechtfertigen zu müssen?"

„Nun ja..."

„Ich werde mich sofort auf die Suche machen", entschied Weeno – völlig uneigennützig. Warum sollte er auch nicht sofort losziehen, um Hogro zu finden. Ein Zauberer wie er hatte alles bei sich, was er benötigte und lange kann es nicht dauern. Der Nachmittag war noch nicht weit genug fortgeschritten, um nicht noch etwas im Wald herumzulaufen ...

***

Es war bereits früher Morgen als Weenos Füße anfingen, sich bei ihm bemerkbar zu machen und er sich kurz auf einen umgefallenen Baumstamm setzen musste, um die Kiesel aus seinen Stiefeln zu schütteln. Es tat seinen geschundenen Füßen ganz gut, dass er die Stiefel für eine Weile auszog und seinen verschrumpelten Tretern etwas frische Luft gönnte. Seit fast einem halben Tag suchte er bereits nach dem verschwundenen Hogro und bereits vor Stunden hatte er sämtliche mögliche Verstecke in seinem Heimatwald, dem Mitternachtforst, durchforstet. Keine Spur von dem geistig unterentwickelten Halbling!

Nun saß Weeno nachdenklich auf einer grünen Wiese und Tautropfen kitzelten seine Füße. Weeno befand sich nördlich vom Wald in einer Gegend, die für ihre unheimliche, mystische Anmutung bekannt war. Morgendlicher Nebel begrenzte seine Sichtweite auf wenige Meter. Selten beschritt Weeno diese Wege, die für weniger magisch begabte Leute durchaus tödlich enden konnten. Diese Wiese, die seinen Wald von einem noch größeren, weitgehend unwegsamen Waldgebiet, trennte, erfüllte Weeno mit einer Schwermut, die ihm zuvor völlig unbekannt war. Derartige Gefühle verkniff er sich, sie waren nur Ballast, doch er begann, an seine Enkeltochter zu denken. Er machte sich nicht unbedingt Sorgen um sie, da Blogunde kurz vor seiner „Abreise" einen Raben zu seinem Magierturm schickte mit der Botschaft, dass Weeno vielleicht etwas länger fort sei. Auch brauchte sich Weeno keine Sorgen um seine Lieblingspflanze Ebru II machen, der dicke Anwalt und der schleimige würden sie für die nächsten Wochen ausreichend ernähren. Weeno fühlte sich auf dieser Wiese wie der einsamste Mensch, den man sich nur vorstellen konnte. Irgendjemand hatte immer irgendwen. Seine Enkelin hatte ihre Freunde. Blogunde ihre Sippe. Selbst seine Imps hatten ... Einander. Doch er? Er hatte Einsamkeit. Die ja per se nicht schlecht ist, wenn man – so wie er – viele Jahre lang nichts anderes als Einsamkeit gewohnt war. Doch dieses verdammte Kind musste ihn ja...

Also dauerte Weenos Suche nach Hogro etwas länger als angenommen. Doch wenn sich Weeno etwas vorgenommen hatte, dann konnte ihn nur wenig davon abhalten, sein Ziel zu verwirklichen. Abgesehen von leckerem Essen. Und gemütliches Pfeifenrauchen. Katzen mochte er auch sehr...

Zufälligerweise, als Weeno aus seinem anthrazitfarbenen Gewand seine Pfeife, zwei Würstchen, die er als Proviant von Blogunde mitbekam, und etwas Kraut holte, hörte er ein besonders lautes...

„MIIIIAAAAAAU!"


FUSSNOTEN:

{1} Das Loch stammte von dem Reiseportal, mit dem einst Weeno aus der Welt zurückkehrte, von der seine Killerpflanze Ebru II stammte. Es ließ sich nicht richtig schließen und Weeno musste es im Wald vergraben. Doch eine Gruppe von neugierigen Eichhörnchen versuchte, es auszugraben, sodass es allmählich wieder von der Erde befreit und freigelegt wurde. Kann jedem passieren.

{2} ... und damit meinte sie nicht nur ihre Familienmitglieder, sondern auch alle Dämonen, die ihr noch einen Gefallen schuldeten.


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