1.4. - Ein gastfreundliches Haus

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Ein General muss in jeder Situation Ruhe bewahren. Überraschungen sollte er mit klarem Blick und kühlem Kopf begegnen.

Im Spiel der Götter verstärkt der General vor Spielbeginn fünf Figuren, die seine Strategie unterstützen. Er wird schlauer, gerissener, abgebrühter und einfallsreicher sein müssen als alle, die vor ihm kamen.

Ihn zu finden, wird meine erste große Aufgabe werden.

Einiir Collard, Dekan der weißen Hallen

Am nächsten Morgen stieg dünner Nebel vom Seeufer auf. Sh'Kara hatte erstaunlich gut geschlafen. Sie verließen die Höhle und wanderten langsam in Richtung Lagerplatz. Dank Misha hatte sie ihren Rucksack, aber es wäre schön, wenn die Schlafmatte noch zu retten wäre.

Die Schäden waren enorm. Der Sturm hatte mehrere Bäume abgeknickt und ganze Schneisen in die umliegenden Felder gerissen. Ihre Strohmatte war völlig zerfetzt. Hoffentlich konnte sie in einem der Dörfer eine neue erwerben, ansonsten würde die nächste Nacht ungemütlich werden. Sie schulterte ihr Gepäck und folgte Misha yanwärts, immer weiter ins Landesinnere.

Zwischen den Stämmen der alten Bäume war der Pfad im Nebel schlecht zu erkennen. Immer wieder musste Sh'Kara abgebrochenen Ästen ausweichen, denn der Weg verlief wild zwischen Waldrand und Wasserstraße entlang. Vor ihr trabte Misha auf leisen Pfoten, während er immer wieder die Umgebung beobachtete. Gerade als sie aus Langeweile ein munteres Trinklied pfiff, spitzte der Luchs plötzlich die Ohren. Etwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Gelbe Augen blitzten im Unterholz auf. Sie leuchteten wie kleine Laternen zwischen den Blättern eines Busches.

Mit gesträubtem Fell fauchte Misha eine Drohung in das Unterholz, während er sie mit seinem Körper vor dem Neuankömmling abschirmte. Er reichte ihr damit bis zur Hüfte, was die meisten Angreifer beeindrucken sollte. Vier weitere Augenpaare tauchten auf und Mishas Knurren wurde bedrohlicher. Ein Moment verstrich, bis ein ausgewachsener Wolf auf den Pfad trat. Er betrachtete sie mit schmalen Augen, seine Ohren neugierig gespitzt. Misha spuckte einige Laute aus, die eindeutig beleidigend klangen. Vorsichtig legte sie eine Hand auf den Rücken ihres Freundes und hob die andere an ihre Stirn. «Ruhig, Misha. Niemand wird einen Auserwählten auf Iyanes Reise belästigen.» Ihre Stimme wirkte wesentlich sicherer, als sie sich fühlte und sie schluckte ein 'oder?' herunter, bevor es versehentlich über ihre Lippen purzelte. Zumindest erzählte man das. Doch in diesem Moment war es schwer, daran zu glauben. Der Wolf schien das Mal auf ihrer Stirn zu mustern, dann bellte er Misha etwas zu. Mit aufrechtem Schweif, der wie eine Fahne hinter ihm her wehte, drehte der Wolf sich um und verschwand zwischen den Büschen. Auch die anderen Augenpaare zogen sich zurück. Sie waren wieder allein. Zumindest so allein wie man mitten in einem Wald wirklich sein konnte. Misha schnaubte abfällig, bevor er sich wieder in Bewegung setzte. Immer auf der Hut. Nachdenklich folgte Sh'Kara ihm.

Es stimmte, niemand griff einen Auserwählten an - offenbar nicht einmal wilde Tiere. Es galt als glücklicher Umstand, wenn sie Dörfer oder Weiler passierte und häufig steckte man ihr ein paar nützliche oder leckere Kleinigkeiten zu. Die Reise war der erste und gleichzeitig letzte Schritt, die notwendige Verbindung zwischen ihrer Jugend und ihrem zukünftigen Status als Studentin. Durch die Wanderung sollte sie die Zeit finden, ihre Gedanken zu bündeln und sich frei von allen Belastungen zu machen. Zumindest hatte ihr das der aufgeblasen Gelehrte erzählt, der zur letzten Schneezeit, kurz vor dem Azurfest, in ihr Dorf gekommen war. Es war ein unangenehmer Geselle gewesen. Der Geruch nach Knoblauch hatte ihn wie einen Mantel umgeben. Auch wenn es eigentlich seine Aufgabe gewesen wäre, potentielle Auserwählte vorzubereiten, hatte er sich nur wenig Zeit für sie genommen. Ihre Großmutter hatte Sh'Kara später erklärt, dass kleine Geister eben nicht besonders hell scheinen würden und der Mann von seiner Aufgabe verblendet gewesen sei. Nichtsdestotrotz hatten die Dorfbewohner den Aufenthalt des Gelehrten genossen, da er in der Position eines Wanderbibliothekars zu ihnen gekommen war und viele neue Bücher mitgebracht hatte.

Sh'Kara wollte also nicht undankbar erscheinen. Während sie ihre Gedanken ordnete schlich sich der Geschmack von Knoblauch auf ihre Zunge. Es war unangenehm, dass sie Erinnerungen mit Sinneseindrücken verband. Hoffentlich würde sie während des Studiums lernen, besonders die unangenehmen auszublenden.

Für eine Zeit lang führte der Weg aus dem Wald heraus und sie tauchten in die endlosen Getreidefelder der Kornkammer ein. Endlich konnte sie den Himmel wieder sehen. Er wirkte klar, als ob der gestrige Sturm ihn geputzt hätte. Shena hing tief über dem Land, während sich die Schwester auf der Schattenseite der großen Sonne versteckte. Es war warm, doch weniger drückend als am Tag zuvor. Dann machte der Fluss eine weitere Biegung und führte sie zurück in den Wald.

Sh'Kara kam gut voran. Bereits am späten Nachmittag fand sie eine passende Lagerstelle. Geschützt zwischen mächtigen Bäumen machte die Lichtung einen sicheren Eindruck. Vom Sturm waren kaum Spuren zu entdecken, lediglich ein paar dünne Zweige lagen am Boden. Das Blätterdach spendete angenehmen Schatten. Einerseits war sie froh, dass der gewundene Pfad tiefer in die chanorischen Wälder geführt hatte, andererseits war es natürlich auch schwieriger, das unvertraute Terrain einzuschätzen. Dieses Mal befolgte sie jedoch die Reiseregeln und untersuchte die Umgebung genau. Außer einem überwucherten Wildwechsel fand sie nichts von Interesse. Nach dem Dämmerungsgruß richtete sie sich für die Nacht ein, doch es dauerte lange, bis sie eine bequeme Position zwischen den Wurzeln fand. Erst als Misha zu schnurren begann, entspannte sie sich.

Trotz der wundervollen Luft schlief Sh'Kara die Nacht über unruhig und erwachte weit vor der Morgendämmerung. Während sie sich noch verschlafen die Augen rieb, spürte sie, wie sich Misha neben ihr anspannte. Sie erstarrte und lauschte. Wieder Wölfe?

Rechts von ihr ein Rascheln. Kein Wolf, ein einzelnes Pferd suchte sich einen Weg durch die Bäume. Sein Fell glänzte in einem blassen Silberton, wie flüssiger Mondschein. Als das Pferd mit langsamen Bewegungen näher kam, bemerkte Sh'Kara ein Horn, das sich in einer zerbrechlich wirkenden Spiralform von der Stirn erhob. Sie hielt die Luft an. Nein, kein Pferd.

Misha beobachtete ihren Besucher regungslos. Das Einhorn kam zielstrebig auf Sh'Kara zu, jede Bewegung war untermalt von Eleganz und Mondlicht. Je kürzer der Abstand zu ihr wurde, desto mehr Details erkannte sie. Das Geschöpf war es von silbrig-weißen Fell bedeckt. Es war groß, überragte wohl selbst die edlen Steppenrösser des Gräsermeers um einige Handbreit. Etwas bewegte sich im Fell. Wellen, nein, zarte Ornamente brandeten über den Körper. Die Schritte des Geschöpfes wurden von einer grazilen Anmut begleitet, während sein Schweif aufgerichtet hinter ihm her wehte. Selbst die Hufe waren mit schwarzen Mustern besetzt. Das Geschöpf wirkte wie ein wunderschöner Geist, der reinen Idee eines Pferdes.

Das Einhorn beugte sich hinab. Die dunklen Augen zeugten von Alter und Weisheit. Mittlerweile protestierten Sh'Karas Lungen und sie atmete stockend wieder ein. Mit einer sanften Bewegung stupste der Besucher sie an. Sh'Kara nahm einen undefinierbaren Duft war. So musste wohl Freiheit riechen. Ein Ast knackte, als er einen Schritt zur Seite trat. Das Einhorn drehte sich zu Misha und schnaubte. Ein knapper Gruß, dann verschwand das Geschöpf, so still wie es gekommen war. Sh'Kara rieb sich die Augen. Das Mondlicht der Zwillingsmonde schien auf die Lichtung, doch vom Einhorn fehlte jede Spur. Wäre da nicht dieser würzige Geruch, hätte sie den Besuch für einen Traum halten können. Die verdrängte Müdigkeit überrollte sie wie eine Welle. Mit einem Gefühl der Geborgenheit sank sie sich zurück zwischen die Wurzeln. Misha kuschelte sich wieder an sie. «Ach Misha, ein Einhorn.» Sie seufzte, unfähig ihre Gefühle in Worte zu fassen. «Das soll Glück bringen.»

Sh'Kara erwachte erst wieder, als Shena schon hoch am Himmel stand. Misha hatte sie nicht geweckt, sondern die Zeit einfach selbst für ein weiteres Nickerchen genutzt. Ihr Rücken schmerzte. Auch wenn Strohmatten nicht besonders dick waren, schützten sie doch vor Unebenheiten. Sie brauchte dringend eine neue. Die nächste Nacht würde sie anders verbringen, soviel stand fest. Nach einem kargen Frühstück wanderte sie weiter. Diese Zeit der Meditation und Vorbereitung gefiel ihr nicht. Sie war lieber unter Menschen. Doch in diesem Teil des Waldes traf sie niemanden.

Am Abend folgte Sh'Kara dem Pfad aus dem Wald heraus und näherte sich einem kleinen Weiler. Ihre Füße führten sie wie von selbst zu einem festen Holzbau, über dessen Eingang ein Tavernenschild hing. Darauf war der Umriss eines Vogels abgebildet, der sich zu übergeben schien. Misha sah erst das Schild und dann sie an. Wenn er Augenbrauen gehabt hätte, so hätte er gewiss eine hochgezogen. «Ich brauche ein Bett», zischte sie und stieß die Tür auf.

Sh'Kara überließ ihm den Vortritt. Die Taverne war dunkel und verraucht, ihr Luchs hustete, knapp und eindeutig missbilligend. Die Binsen auf dem Boden gehörten dringend gewechselt. Alles roch nach Bier und anderen menschlichen Hinterlassenschaften. An den runden Tischen, die sie auf dem Weg zur Theke passierte, saßen müde Männer und Frauen, wohl hauptsächlich Bauern und Handwerker, die bei ihrem Eintritt verstummten. Selbst eine Partie Spinne wurde unterbrochen, um ihr Eintreffen zu beobachten. Sh'Kara war bewusst, daß es hauptsächlich an Misha lag. Ihr Luchs hielt seinen Pelz penibel sauber, so dass sein Fell selbst im dämmrigen Licht, das durch die Fenster fiel, golden schimmerte. Beinahe waren sogar die beigen Flecken zu erkennen, die Hinweise auf seine Gattung gaben. Er war ein Musterbeispiel eines Sandluchses und sich seines Erscheinungsbildes voll bewusst. Der massige Körper ihres Begleiters ging einem ausgewachsenen Mann bis zur Hüfte und war damit fast doppelt so groß wie ein durchschnittlicher Vertreter seiner Rasse. Die Pinselohren wirkten in dieser Dimension weniger niedlich, sondern wenn sie zuckten, wie jetzt, bedrohlich. Mit fast tänzerischer Anmut trippelte er vor ihr her und machte deutlich, dass sie unter seinem Schutz stand. Nicht dass irgendetwas in der Taverne auf eine spezielle Gefahr hingedeutet hätte. Es machte ihm einfach Spaß, Menschen einzuschüchtern. Im Vergleich zu ihm konnte ihre zarte Gestalt mit den schmalen Schultern nur verlieren. Meistens dauerte es einen Moment, bis man sie in seiner Gegenwart überhaupt bemerkte. In der Stille hörte man nur ihre Schritte und die Geräusche hinter der Theke, sowohl die Gäste als auch der Luchs vermieden es, Laute zu verursachen. Jäger und Beute.

Gerade als Misha am Tresen ankam, schob ein dunkelhäutiger Wirt seinen Kopf über die Holzplatte und wuchtete ein Bierfass neben sich. Seine braunen Haare waren geflochten und Sh'Kara ging trotz der Tatsache, dass sie nur den gedrungenen Oberkörper des Mannes sah, jede Wette darauf ein, dass er in seinen guten Zeiten sein Geld mit einer Waffe verdient hatte. Ein Bornexer als Wirt in einer Herberge mitten im Nirgendwo. Es klang nach einer interessanten Geschichte.

«Tiere sind hier nicht erl...», blaffte er, stoppte jedoch abrupt, als seine trüben Augen die Ausmaße ihres Luchses erfassten. Der Wirt blinzelte einmal, räusperte sich und fügte ein «erlaubt» hinzu, allerdings in einem wesentlich neutraleren Ton.

Mishas Antwort bestand darin, sein beeindruckendes Gebiss zwischen den Lefzen aufblitzen zu lassen.

Der Wirt schluckte. Irgendwo im Raum klapperte ein Stuhl, als ob sein Besitzer ihn zu schnell verschob. Entweder um einen besseren Blick auf das Geschehen zu bekommen, oder um näher an der Tür zu sein.

Sh'Kara stupste ihren Luchs mit dem Bein an und lächelte begütigend. «Iyane zum Gruße», begann sie. «Keine Sorge, ich möchte nur einen Platz für die Nacht und ein paar Vorräte haben. Und falls hier irgendwer Reisebedarf verkauft, wäre das wundervoll.»

Der Wirt kniff seine Augen zusammen und Sh'Kara war klar, dass er ihre Reisemarke musterte. Geschäfte mit Jugendlichen, die unter dem Schutz der Göttin standen, waren lukrativ, da der örtlich zuständige Magistrat die Rechnung für alle Auslagen beglich. Der Mann nickte und entblößte strahlend weiße Zähne. «Aye. Verzeih mein rüdes Auftreten, Mädel. Aber wenn man nicht aufpasst, schleppen die Bauern noch ihre Hühner mit.» Hinter ihm ertönten ein paar murrende Stimmen. «Sag mal, kommt es mir nur so vor, oder wirkt deine Katze dort ein bißchen überproportioniert?» Er nickte Misha zu, der sich neben sie gesetzt hatte und den Wirt mit ausdrucksloser Miene anstarrte.

Sh'Kara zuckte nur mit den Schultern. Diese oder ähnlich formulierte Fragen kamen häufig vor. «Es ist ein Luchs, aber ja. Dass er ein wenig größer ist, als es für seine Art üblich ist, wird wohl mit Iyanes Gabe zusammenhängen.»

«Verstehe.» Mit einer Hand schlug er sich gegen die Stirn. «Mensch, Mädel, verzeih meine Manieren. Willkommen in der Herberge 'Zum Storch und zum Frosch'!» Der Name erklärte zumindest das Tavernenschild vor der Tür.

«Oder auch 'Zum reihernden Geier'», murmelte einer der Gäste und alle lachten.

Sh'Kara verzog keine Miene, während der Wirt eindeutig gekränkt aussah. Ehrlicherweise musste sie zugeben, dass dieser Name besser passte.

Sie einigte sich mit dem Wirt auf ein kleines Zimmer im Obergeschoss, dessen Fenster über dem Stall lag. Auf diese Weise hatten sie im Notfall einen Zugang nach draußen. Misha drückte sich kurz an ihr Bein und grunzte bestätigend. Eine der Handwerkerinnen, eine Bäckersfrau, versprach, Sh'Kara am nächsten Morgen mit Brot und einer neuen Strohmatte zu versorgen. Mit zwei Rauchwürsten und einer Schale Eintopf, die besser roch als sie aussah, zog sie sich schließlich in das einfache Zimmer zurück. Nachdem sie die Tür verschlossen hatte, warf Misha dem Fenster einen sehnsüchtigen Blick zu und legte sich seufzend auf einen abgewetzten Teppich. Das Bett war definitiv zu schmal für sie beide, was er mit einem weiteren Seufzen kommentierte. Sh'Kara reichte ihm eine der Würste und widmete sich gähnend ihrem Eintopf. Wie es üblich war, dampfte er in einem ausgehöhlten Brotleib. Trotz seiner abschreckenden Optik schmeckte er gut, wenn auch sehr kartoffelig. Nach ihrem Mahl öffnete sie für Misha das Fenster und nutze die Wasserschale auf dem Tisch um sich frisch zu machen. Sie schlief schnell ein und spürte weder die Bisse der Bettwanzen, noch wie Misha sie verließ, um zu jagen.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro