1.5. - Ein falsches Spiel

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Ich fühle, dass sie auf dem Weg zu den weißen Hallen sind. Die Götter lenken ihre Schritte. Nun gilt es noch ein paar Vorbereitungen zu treffen. Ich werde Hilfe brauchen.

Einiir Collard, Dekan der weißen Hallen.

Wind kam auf und sorgte für Salz in der Luft. Von seinem Hügel aus konnte Samael hinter dem estwärtigen Ahnidelta das Göttermeer sehen, das sich wie ein glitzerndes Band an den Horizont schmiegte. Endlich würde er richtiges Wasser erreichen. Salzwasser.

So sehr er sich auch schon auf sein Ziel freute, niemand sollte gezwungen sein, bei dieser Hitze zu reisen. Shena brannte auf die Kornkammer hinab, als würde sie das fruchtbare Land in einer weitere Wüste verwandeln wollen. Ein kleines Dorf tauchte hinter einer Wegbiegung auf. Nicht groß genug, um wirklich interessant zu sein, doch ließen die Anzahl der Häuser darauf schließen, dass es zumindest eine Taverne gab. Er wäre einer Mahlzeit gegenüber nicht abgeneigt.

Sam schulterte seinen Packen erneut, während er die staubige entlang stapfte. Das Dorf war um eine Mühle herum aufgebaut, deren Flügel stillstanden. Auch wenn in Atug selbst keine gab, konnte man von den Dächern gut ins Umland sehen. Sie waren ein fester Bestandteil der Kornkammer. Selbst die Lehrer hatten die Mühlensprache in den freien Unterricht eingebaut, da die Wahrscheinlichkeit hoch war, dass die Kinder irgendwann mit dem Anbau oder der Verarbeitung von Korn ihren Lebensunterhalt verdienen würden. Die Flügel waren trotz des Windes gebremst worden, standen im richtigen Winkel. Entweder sprach das für eine freudiges Ereignis innerhalb der Müllerfamilie oder einen Trauerfall. Dank seiner Geige wäre er auf beide Fälle vorbereitet.

Über dem Eingang hing ein Schild, das den Wahlspruch der Mühle zeigte. Zwar konnte Sam Lesen, jedoch nicht wirklich schnell. Meine Arme sind stark, bring mir Arbeit! Ein nicht besonders kreativer Spruch. Am achteckigen Fundament der Mühle lehnte eine aus Stroh zusammengebundene Frauenfigur. Ein zarter Schleier bedeckte den Kopf, so dass es klar war, dass dies eine Ehrung für Iyane sein sollte. Wenn auch keine besonders gute.

Ein paar Häuser weiter erspähte er endlich ein Tavernenschild. Darauf war eine Gestalt zu sehen, die einen schweren Sack schulterte. Aus dem Inneren drang lautes Gelächter. Sam nahm sich die Zeit, um sich die blonden Haare aus der Stirn zu streichen und legte so sein Reisemal frei. Dann stieß er mit einem gewinnenden Lächeln die Tür auf.

Hier schien das ganze Dorf zusammen gekommen zu sein. Im Mittelpunkt stand eine stattliche Frau, die gerade eine Rede hielt. Alles wurde still, Köpfe drehten sich zu ihm um und er wurde ausgiebig gemustert. Sam wusste, dass er nicht aussah wie ein typischer Kornkammerbewohner. Seine Haut schimmerte weniger golden, sondern mehr gelblich. Nur ein kleiner Unterschied, der in trotzdem von der Masse abhob. Seinen Haare fehlte der Rotstich und seine Augen hatten zwei Farben. Kornkammerblau das eine und hellbraun das andere. Schnell zog er den Geigenkoffer herunter, und präsentierte ihn mit einem breiten Lächeln. «Hat hier jemand Interesse an ein wenig Musik?»

Ein dünner kleiner Mann mit einer Schürze um den Bauch tauchte hinter dem Tresen auf. «Ein Reisender!», stellte er erfreut fest.

«Quatsch nicht, Bente!», polterte die Frau in der Mitte, so dass der kleine Wirt zusammenzuckte. «Das ist ein Musikant!»

Sie pflügte durch die Dorfbewohner auf ihn zu. Als sie direkt vor ihm stand konnte Sam nicht anders, als von ihrer Wirkung beeindruckt zu sein. Ihre Armmuskulatur hatte den Umfang seiner Wade, obwohl in ihren roten Haaren schon die ersten grauen Strähnen zu sehen waren. Ihre Pranke klopfte zur Begrüßung auf seinen Rücken und schon zog sie ihn mit sich durch die Menge. «Willkommen im Müllersheim», brummte sie. «Mein Name ist Lenya, ich bin hier die Müllerin. Dich scheint Iyane selbst zu schicken.»

Lenya ließ ihn erst los, als sie einen Tisch am Ende des Raums erreichten. Mit einem auffordernden Nicken verjagte sie die Bauern, die dort Platz genommen hatten.

Hinter ihnen ertönte die heisere Stimme von Bente. «Möchtest du etwas trinken?» Er war ihnen zum Tisch gefolgt und wischte sich nun die Hände an seiner Schürze ab. «Wir hätten erfrischendes Hafernass oder, falls dir nach etwas alkoholischem der Sinn steht, vielleicht ein Eiskornbrand?»

«Ein Hafernass wäre für den Anfang gut», antwortete Sam.

Während er noch seinen Rucksack und den Geigenkoffer auf den Tisch legte, klopfte Lenya kräftig in die Hände. Nicht, das sie es nötig gehabt hätte, die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu ziehen. Nach wie vor ruhten alle Augen auf der Müllerin. «Ihr Lieben. Iyane ist uns gewogen! Mit dem Eintreffen dieses Musikanten hier, schickt sie uns einen besonderen Segen für die rituelle Lautgebungszeremonie.» Mit einem unüberhörbaren Flüstern drehte sie sich zu Sam um. «Wie heißt du überhaupt?»

Die Situation war so skurril, dass er unwillkürlich lächeln musste. «Samael.»

«Künstlername?»

Am Besten war es immer, ins kalte Wasser zu springen. «Der Wasserbändiger», murmelte er.

Die Müllerin nickte. «Samael, der Waschbär, ist heute zu uns gekommen, um unsere Mieke bei der Lautfindung zu unterstützen. Bentes Leier bleibt uns damit erspart.»

Samael zuckte zusammen. Gut, dass das Dorf zu klein war und niemand von Samael, dem Waschbären hören würde. Der Wirt eilte mit einem traurigen Gesichtsausdruck zu ihm zurück und drückte ihm ein kühles Glas in die Hand. Der Rest der Bauern brüllte laute Zustimmung. Offenbar war Bentes Leier nicht besonders beliebt.

Er nahm einen Schluck Hafernass und genoss die cremige Konsistenz und die Säure. Lenya beugte sich zu ihm und flüsterte. «Vier Halbrappen, wenn du das Dorf für ein paar Kerzen unterhältst.»

Ein guter Preis für etwas, das er gerne tat. Mit einem Nicken klappte er den Geigenkoffer auf.

Als Erstes wählte er den fröhlichen Schwank vom »Kornmädchen». Nach den ersten Klängen öffnete sich die Tür und ein schmales Mädchen huschte hinein. Bente trat an ihre linke Seite und nahm die Position des Erziehers ein, während sich Lenya rechts positionierte, um sich als Ernährerin vorzustellen. Das Mädchen wirkte so zerbrechlich wie ihr Vater, doch das rotbraune Haar, das in Kornkronenzöpfen um ihren Kopf lag, hatte sie definitiv von der Müllerin geerbt. Als Lenya die Hand hob, brachte Sam das Lied zu einem vorzeitigen Ende. Mieke wirkte blass unter ihrer goldenen Haut. Sie trat vor und hauchte ihren Laut. «Kr.»

Die Bauern trommelten mit ihren Fäusten auf ihre Knie. «Kr'Mieke, Kr'Mieke», schallte es aus vielen Kehlen. Dann nickte ihm die Müllerin auffordernd zu und Sam stimmte den beliebten »Weizenwalzer» an.

Während der nächsten Kerzen achtete Bente darauf, dass sich sein Glas nicht leerte. Das Mädchen zog sich als erstes mit ein paar kichernden Freundinnen zurück. Die Müllerin tanzte zwischen den Tischen entlang, fast so, als würde sie den Geist ihrer eigenen Zeremonie beschwören. Die Bauern waren ausgelassen, doch irgendwann wurde es ruhiger. Sie klopften der Lenya lobend auf die Schulter und schlurften dann aus der Schenke heraus. Schließlich blieben nur noch eine Handvoll von ihnen zurück. Es entging Sam nicht, wie aus einer Ecke ein dreieckiger Tisch hervorgezogen wurde. Die Müllerin nahm an einer Seite Platz, ein kahlköpfiger Bauer auf einer anderen. Der letzte Platz wurde von einer älteren Frau besetzt.

Bente stand neben der Theke und rang mit seinen Händen. Hier schien sich etwas zusammenzubrauen. Er beendete die »Ballade vom Mühlstein» und näherte sich den Spinnern.

«Denk daran, Mieke wird später ihre Mitgift bekommen!», warnte Bente so leise, dass nur die Müllerin und Sam ihn verstehen konnte. Doch Lenya schüttelte ihn nur ab. Sam erkannte an ihrem Blick, dass sie dem Spiel verfallen war. Er hatte schon viele Menschen wie sie getroffen, die für eine kurze Ablenkung das vergaßen, das ihnen wichtig war. Wie die Tochter.

«Sie wird sich freuen, wenn ich ihr noch etwas drauf zahlen kann», lachte die Müllerin und entblößte strahlend weiße Zähne.

Sam seufzte. Irgendwie fühlte er sich dem Mädchen und auch dem Wirt verbunden. Es schienen nette Leute zu sein. Er beobachtete, wie die Müllerin ihren ersten Zug machte. Wie nicht anders zu erwarten, hatte die Müllerin die Figuren der Kraft gewählt. Es passte zu ihrem Auftreten. Der Bauer setzte auf Wissen und die alte Frau führte ihre fünf Willensfiguren ins Feld. Nach ein paar Zügen stellte Sam fest, dass die Müllerin zumindest ein Gefühl für das Spiel zu besitzen schien.

Wahrscheinlich hätte sie auch eine gute Chance darauf gehabt, die Krone zu bergen, wenn die alte Frau nicht betrogen hätte. Es geschah ganz unauffällig. Hier schob ein Ellenbogen den Wächter ein Stück weiter, dort blockierte der Diplomat zu Unrecht ein Feld. Niemand sagte etwas.

Als Bente mit ein Paar Münzen in seine Richtung eilte, ging Sam ihm ein Stück entgegen. «Ihr wisst, dass die alte Frau betrügt?», fragte er, während er den Wirt am Ärmel festhielt.

Der schmächtige Mann blinzelte verwirrt. «Mutter Rona?»

Sam nickte. «Beobachte sie genau, wenn sie gerade nicht am Zug ist.»

Es dauerte einen Moment, dann schien sich der Wirt etwas aufzurichten. Er drückte Sam die Münzen in die Hand. «Habt Dank, mein Freund. Iyane möge über dich wachen.» Dann band er seine Schürze ab und stellte sich neben den Tisch.

Es war ein guter Moment, um sich auf den Weg zu machen. In den nächsten Kerzen könnte Sam noch eine gute Strecke zwischen sich und Müllersheim bringen. Sein Instinkt sagte ihm, dass selbst ein so sanftmütiger Mensch wie der Wirt nicht gut auf Betrüger zu sprechen war. Von der Müllerin ganz zu schweigen.

Leise schulterte er seinen Packen, verstaute die Münzen und machte sich auf den Weg. In dem Moment, als die schwere Tür sich hinter ihm schloß, hörte er Bentes Protestschrei.

Die Luft hatte sich auf eine angenehme Temperatur abgekühlt. Die Mädchen hatten ihre Schuhe ausgezogen und sprangen vergnügt im Bach herum, der die Mühle mit Wasser versorgte. Die Tochter, deren Namen er schon wieder vergessen hatte, zwinkerte ihm fröhlich zu. Sam stimmte ein fröhliches Liedchen an, während er das Dorf verließ.

Die Dämmerung war nicht mehr fern, als er sich einer großen Brücke näherte. Das Ahnidelta war mit unzähligen Brücken gespickt, jede auf ihre Art einzigartig. Manche hatten Dächer, andere Statuen und einige waren auf einem massiven Fundament gebaut. Das rote Bluteichenholz dieser Brücke lud ihn förmlich zu einer Pause ein. Er setzte sich auf das Geländer, während das Wasser unter ihm ein Lied für ihn sang. In seinem Rucksack fand er eine Brezel, die er am Morgen eingesteckt hatte.

Ein perfekter Moment. Er besaß ein Ziel, etwas zu essen und war umgeben von Wasser.

Schritte rissen ihn aus seinem Tagträumen. Ein Mädchen kam näher. Auf den ersten Blick schien nichts Besonderes an ihr zu sein. Sie war klein, beinahe zierlich und hatte die goldene Haut eines Kornkammerkindes. Ihre Haare waren kürzer als üblich, bedeckten gerade noch ihre Schultern. Im nächsten Moment bemerkte er einen Schatten, der ihr folgte. Sam schluckte. Dort streifte eine riesige Katze auf leichten Pfoten hinter ihr her. Ihr helles Fell war mit Flecken versetzt. Als sie Sams Blick auf sich spürte, zog die Katze ihre Lefzen zurück um ein Lächeln zu zeigen. Zumindest hoffte Sam das.

Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend konzentrierte er sich wieder auf das Mädchen. Sie wirkte jünger. Auf ihrer Stirn zeigte sich das Reisemal, allerdings hätte er es nicht gebraucht. Die Katze sprach für sie.

«Hay.» Sam ignorierte den Vierbeiner soweit es ging und winkte dem Mädchen zu. Er brach den Rest seiner Brezel in zwei Teile. Vielleicht war sie ja auch hungrig?

Ihr Lächeln veränderte ihr ganzes Gesicht. Es strahlte förmlich. Sie trat neben ihn und stemmte sich auf das Brückengeländer. Ihre Katze setzte sich unter sie, ohne den Blick von ihm abzuwenden.

«Mein Name ist Samael. Sam.» Er biss ab, kaute mit schnellen Bewegungen und sprach weiter. «Ich hätte gar nicht erwartet, auf andere Reisende zu treffen. Dachte schon, ich hätte zu lange gewartet.»

«Ich auch», erwiderte das Mädchen und biss ebenfalls ab. Kurz verzog sich ihr Gesicht, als ob ihr irgendetwas daran nicht schmecken würde. Doch er musste sich geirrt haben, denn sie aß weiter. «Ich hatte aber schon von dir gehört. Also davon, dass noch jemand auf dem Weg sei. Und da bist du.»

«Und da bin ich.» Er breitete wie ein Darsteller beide Hände vor sich aus und brachte sie zum Lachen.

Ihr Akzent hörte sich etwas glatter an, als er es gewohnt war, die Vokale weniger gedehnt. Nichtsdestotrotz klang sie wie ein Kornkammerbewohner. Ihre Haare waren kürzer als es normal gewesen wäre, reichten gerade noch bis zur Schulter. Ihre Füße schwangen entspannt hin und her.

«Nun, du bist wohl unzweifelhaft ein Empathist. Ist das ein Puma?», fragte er

Die Katze nieste empört und das Mädchen musste wieder lachen. «Nein, ein Luchs. Er heißt Misha. Oh, und ich heiße Sh'Kara Darben.»

«Sh'Kara?» Der Laut fühlte sich ungewöhnlich an, passte jedoch zu ihr. «Ich hätte nicht gedacht, dass die Lautgebungszeremonien noch so verbreitet waren. In Atug gibt es sie gar nicht mehr.»

Ihr Blick ruhte nachdenklich auf ihm. Sie schien über seine Worte nachzudenken. «Du kannst auch Kara zu mir sagen», erklärte sie schließlich. Sie schluckte das letzte Stück Brezel hinunter und klopfte sich die Finger ab. «Magst du ihn begrüßen?»

Der Luchs wirkte nicht so, als ob er darauf Wert legen würde. «Darf ich denn?»

«Begrüßen geht immer. Du merkst dann schon, ob er dich mag oder nicht.»

Langsam glitt Sam von dem Brückengeländer herunter und ging vorsichtig vor Misha in die Hocke.

Der Luchs spielte, ganz Katze, den Desinteressierten und schaute weiter zum Wasser. Ihm waren definitiv die Stadtfüchse lieber, die sich in Atug ausgebreitet hatten. «Woran merke ich denn, ob er mich mag?»

«Nun, wenn dein Arm dran bleibt, ist es schon einmal ein gutes Zeichen.»

Sam konzentrierte sich darauf, nicht zu zucken. «Sehr witzig.»

Misha grinste ihn an. Zu gleichen Teilen erheitert und abwertend. Schließlich gähnte er und offenbarte ein beeindruckendes Gebiss.

«Gut oder schlecht?», flüsterte Sam vorsichtig.

Kara stupste den Luchs mit dem Knie an. «Na los, Chatri. Mach es ihm nicht so schwer.»

Misha beugte sich vor und schnüffelte interessiert an seinem Gesicht.

«Chatri? Ich dachte, sein Name ist Misha?», presste er schließlich hervor.

Mishas Maul öffnete sich und er inhalierte, als würde er die einzelnen Bestandteile von Sams Ausdünstungen schmecken.

«Stimmt. Chatri ist sein Spitzname. Es ist ein alt-chanorisches Wort für Bruder.» Bevor sie weiter reden konnte, beendete Misha seine Untersuchung und schob seinen Kopf noch näher zu Sams herüber.

«Oh, er mag dich», übersetzte Sh'Kara. »Er möchte mit dir seinen Atem tauschen.»

«Wie schön.»

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