1.6. - Der Herr der Wünsche

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»Über den Tod gibt es viele Theorien. Er bedeutet das Ende, aber auch den Neubeginn der Seele im Rad der Zeit. Nur eines ist gewiss. Im Tod sind wir alle gleich.»

Einiir Collard, Dekan der weißen Hallen

Das Klopfen an der Tür war leise. Hätte Usmadis nicht genau auf dieses Geräusch gewartet, wäre es ihm vielleicht entgangen.

Er schwieg einen Moment und versuchte, die Ruhe in seinem Inneren zu finden. Die Wut zu zügeln, die sein Herz verfinsterte. «Es ist offen.»

Die Tür schwang auf und Ereban, sein Vollstrecker, trat ein. Wie alle Angehörigen seines Volkes umgaben wilde Locken sein Gesicht. Die Haare und die breiten Nasenflügel waren besondere Merkmale seiner Kinder. Dennoch hätten sie sich unter die Menschen im Norden mischen können, ohne das es aufgefallen wäre, das sie nicht aus Talen oder dem restlichen Mittelreich stammten, sondern aus Smadiland. Wie auch - immerhin gingen alle Menschen auf einen gemeinsamen Stamm zurück, der sich über die Jahrtausende hinweg in verschiedene Richtungen entwickelt hatte. Sie waren verwandt. Auch wenn seine Menschen anders waren und er jeden einzelnen von ihnen liebte.

Selbst die Frau, die starr und steif neben Ereban stand und teilnahmslos auf einen Punkt links von ihm blickte.

Usmadis hatte für dieses Treffen absichtlich seine eigenen Räumlichkeiten im Palast der Winde ausgewählt. Das weitläufige Wohnzimmer mit seinen gemütlichen Sitzgelegenheiten, das zum verweilen einlud. Der Garten, der durch den offenen Zugang einen kühlen Morgenwind hinein ließ. Das alles sollte für Nähe und Vertrautheit sorgen. Gefühle, von denen er nicht wusste, warum sie plötzlich fehlten.

Er nickte Ereban zu und der Vollstrecker löste seine Hände von den Schultern der Frau, trat einen Schritt zurück und verbeugte sich. Zögernd wandte er sich zur Tür, unsicher, ob seine Anwesenheit weiter gewünscht wurde. Usmadis zuckte nur die Schultern und konzentrierte sich ganz auf die Frau. Ereban war nicht mehr wichtig.

Sie stand nun alleine in der Mitte vor ihm, aufrecht wie Schilfgras, doch innerlich gebrochen. «Warum, Tochter der Sterne?»

Nur das Zucken ihrer Nasenflügel zeigte, dass sie ihn gehört hatte. Eine weitere Reaktion bekam er nicht. Süße Erfüllung. Warum zeigte sie keine Reue? Natürlich bettelten die Kinder seines Herzens nicht, denn sie wussten, dass an seinem Hof diese Schwäche nicht geduldet wurde. Mit ehrlichem Bedauern würde sie ihr Leben retten. Verdammt, er wollte sie retten! Doch sie schwieg.

Das rote Fell auf seinen Unterarmen richtete sich auf und er zischte leise. Seine Hände umschlossen ihr Kinn und mit sanftem Druck drehte er ihr Gesicht so, dass sie ihn anschauen musste. «Warum?», wiederholte er.

Ihre Augen fanden seine und er erkannte Trauer in ihrem Blick. Doch immer noch keine Reue. Ein Bluterguss schillerte auf ihrer Wange und an einer Schürfwunde an ihrer Stirn hatte sich Blut gesammelt. Ihre braunen wilden Locken waren das einzige, was noch lebendig schien, lebhaft und richtig. Sie legte eine Hand auf seinen Unterarm und in ihren Sturmaugen schimmerten Tränen. «Ich habe von diesem Tag geträumt, Herr.» Ihre Stimme sang in seinem Herzen.

Er schüttelte seinen Kopf und bekämpfte das Mitleid, dass sich in ihm bildete. Verrat. Das war es, was sie ihm gegeben hatte. Sie verdiente kein Gefühl.

«Wo ist sie?»

«In Sicherheit.»

«Das war sie hier. Doch du hast sie fort gebracht.»

«Sie ist auf dem Weg zu der einzigen Person, die sie vor dem Schicksal, das du ihr geben willst, beschützen kann.»

Sie zuckte zusammen, als die Wut die Farbe aus seinem Fell zog. Doch immer noch leistete sie Widerstand. «Was wünscht du dir, Tochter der Sterne?», flüsterte er mit seidenweicher Stimme. Umgarnte sie. Jagte sie.

Ihr war bewusst, dass sie ihm nicht entkommen konnte, er las es in ihren Augen. Ihre Hand glitt zitternd über seine Wange. Fast tröstend schmiegte sie sich gegen sein Fell. Es gelang ihm nicht gegen seine Gefühle anzukämpfen und er ließ es zu. Sog den Moment der Vertrautheit ein. Sie war die Tochter der Sterne, ein Rang der Stellung und größte Vertrautheit vermittelte. Ihre Taten trafen ihn tief.

«Nichts, was du mir geben kannst, Herr.» Seine Hand umschloss immer noch ihre Kinn, nun glitt sie vorsichtig zu ihrem Hals. Er konnte ihren Puls spüren, die Aufregung. Wie ein kleiner Vogel flatterte er gegen seine Finger.

«Ich bin der Herr der Wünsche. Ich kann dir alles geben.»

«Keine Hoffnung.» Der Sturm in ihren Augen tobte, sie wechselten die Farbe von schiefergrau zu blassblau.

Mit einer schnellen Bewegung seiner Hand brach er ihr das Genick. Das Leben floss aus ihren Augen und er hielt ihren Körper fest.

Ereban, den er fast vergessen hatte, trat hinzu und griff nach ihr. «Verzeiht, mein Herr. War dies klug?»

«Hüte deine Zunge, Vollstrecker, wenn du ihr Schicksal nicht teilen willst.» Seine Stimme war nur noch ein Fauchen und die Trauer vernebelte seinen Blick. Er atmete tief ein und beobachtete, wie Ereban die Tote sanft in seine Arme nahm und mit ihr zur Tür ging. Usmadis seufzte. «Verzeih mir, mein Freund.»

Ereban wandte sich wieder um und verlagerte seine Last. Usmadis las keine Anklage aus der Haltung seines Vollstreckers. Nur Vertrauen und Liebe.

«Teile deine Gedanken mit mir», forderte er Ereban auf.

«Sie kann dir nun nicht mehr sagen, wo sich das Kind befindet.»

Usmadis seufzte. «Das hätte sie nie. Ich erkenne Lügen und sie sagte die Wahrheit. Es gab nichts, das ich ihr anbieten konnte.»

Ereban legte seinen Kopf schief, als ob er in dieser Aussage nach einem Fehler suchen würde. «Wie kann das sein?», fragte er schließlich.

«Ich weiß es nicht. Es ist die Korrumpierung. Sie ist bis hierher gedrungen und zwingt mich, mehr zu tun, als ich möchte.»

«Sag mir nur, was ich tun soll, Gebieter, und ich werde folgen.»

«Bereite den Treffpunkt vor, mein Freund. Ich werde unsere Gäste früher als geplant zu mir bitten.»

Ereban nickte. Das Gewicht, dass auf seinen Armen lag, schien ihn nicht zu stören, genauso wenig die schwere Axt, die über seinem Rücken lag und erst in Usmadis Blick geriet, als sich sein Vollstrecker endgültig zur Tür drehte.

«Ereban», hielt Usmadis seinen Gefolgsmann zurück. »Kümmere dich gut um sie. Sie soll mit allen Riten und Rechten bestattet werden, die ihr der Stellung nach zustanden.

«Das ist gütig von dir.»

«Sie war nur verwirrt. Ein Opfer, mehr nicht. Niemand wird von diesem Fehltritt erfahren.»

Usmadis folgte dem Wind hinaus in den Garten. Er sah nicht mehr, wie Ereban den Raum verließ, nur das Schließen der Tür sagte ihm, dass er alleine war. Niemand war bei ihm, der seine Trauer sehen würde und so ließ er seinen Gefühlen freien Lauf.

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