14 - Kontrollen

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DO. 14.12. a.d.1570

Am Morgen werden wir geweckt und dürfen uns noch einmal von Gerlinde Crüger verwöhnen und versorgen lassen. Wir bekommen einen großen Korb mit noch warmen Speisen für unterwegs, einige Küchenabfälle und Futter werden eingepackt für unser wertvolles Schwein. Ein Knecht wird vorstellig und geht mit Klaas zur Kutsche, um gemeinsam zu begutachten, ob die Ladung so gut verstaut ist, damit unterwegs nichts verrutscht oder gar unser Schwein erschlägt. Dann verabschieden wir uns. Vor allem die Brüder Crüger umarmen sich sehr herzlich. Sigurd wird für seinen Bruder den Verkauf der dafür vorgesehenen Ländereien veranlassen und weiterhin die Pacht eintreiben. Unser Pastor kann nun beruhigt die Heimreise antreten und weiß seine Angelegenheiten in den allerbesten Händen.
Ein paar heiße Steine für die Füße werden vor den Kutschbock gelegt, die eingekauften Stoffe und Decken dienen dem Pastor und Klaas nun dazu, sich schön warm einzupacken auf dem Bock. Ich steige mit ziemlich vielen Schichten Kleidung übereinander auf Hurtig, und dann machen wir uns wieder auf, durch das Gewühl der belebten Straßen zum Neutor und ab auf die Landstraße. Die Sonne scheint, das Land liegt unter einer Schneedecke, das endlose Band der Straße liegt vor uns. Wir freuen uns auf zu Hause, auf die strahlenden Gesichter der Beschenkten.

Wir kommen etwas langsamer voran als auf der Herfahrt, denn die Kutsche ist nun schwer beladen mit all den Einkäufen. Aber nach reiflicher Überlegung haben wir beschlossen, nicht Hurtig mit davor zu spannen, weil der nun mal kein Kutschpferd ist und nicht mit dem anderen Tier zusammen arbeiten würde. Also habe ich einen Teil meiner persönlichen Einkäufe mit auf Hurtig gebunden. Wir fahren und reiten einfach gemütlich, damit die Tiere die weite Reise gut durchhalten können.
Und dann fange ich an, mit den aufgeschnappten Brocken den Dialekt von Duderstadt nachzuahmen. Aber leider lacht unser lieber Pastor Crüger dabei Tränen – weil ich nämlich so ziemlich alles durcheinander bringe, die Worte falsch ausspreche oder falsch benutze.
„Hannes, ..."
Mit einem breiten Grinsen wischt er sich die Lachtränen aus dem Gesicht.
„Ich glaube, es ist besser, wenn ich einfach zwei Tage lang Dialekt rede und Ihr mir zuhört. Nach und nach wird es Euch dann normal klingen und geläufig sein. So ins Blaue hinein kommt dabei – entschuldigt meine Direktheit – nur Unsinn heraus. Das kauft Euch niemand ab!"
Klaas fällt vor lauter Lachen fast vom Kutschbock. Und Pastor Crüger legt gleich los.
"Unse Platt daerf nit usstaerben, Dis urohle Kultur-Gut, das meh Eichsfaelder besassen, lät uns hiddenach im Blut, un meh derfens nit vergassen."
Dann erzählt er in seinem Heimatdialekt von seiner Kindheit in der Zimmermannswerkstatt seines Vaters und von den Ausflügen zu seinem Onkel aufs Landgut. Er schwärmt von den Versteckspielen auf dem Heuboden und den Ausritten in die Umgebung. Wir erfahren, dass die Brüder es geliebt haben, den Knechten beim Pflügen, bei der Aussaat und der Ernte zu helfen, je nachdem, in welcher Jahreszeit sie dort zu Besuch waren. Ganz nebenbei höre ich eine Unmenge an Wörtern und Sätzen, die mit meinen zukünftigen Tätigkeiten als Knecht bei Frau Anna und als Pferdebursche für „des Pastors neues Pferd" brauchen werde. Manchmal sprechen wir auch über einzelne Worte, damit sie mir im Gedächtnis haften bleiben.

Nach einem Mittagsimbiss an einem sonnigen, windgeschützten Plätzchen zwischen ein paar großen Findlingen am Wegesrand wird es dann ernst. Ich bekomme ganz gezielt Situationen und Fragen, die ich im Dialekt beantworten soll, und Pastor Crüger korrigiert immer wieder Wortwahl und Aussprache. Vor allem die Fragen, die mir die Zollbeamten an der Grenze stellen könnten, werden ausführlich durchgekaut, bis ich mich einigermaßen sicher fühle.
Durch das langsamere Tempo kommen wir erst am späten Abend in dem Gasthof an, in dem wir schon auf der Hinreise eingekehrt sind. Diesmal setzen wir uns in die Schankstube, weil das Nebenzimmer schon vergeben ist. Durchgefroren, müde und schweigend essen wir ein einfaches Mahl. Auf einmal tritt Klaas mich unter dem Tisch. Ich schaue ihn irritiert an und will schon protestieren, da trifft mich sein warnender Blick. Denn am Nachbartisch wird lebhaft über die Vorfälle an der Grenze vom Montagmorgen geredet. Und einer der Männer scheint einer der Zöllner zu sein.

Da wir bisher auch geschwiegen haben, fällt es nicht auf, dass wir von nun an angestrengt lauschen. Es trifft sich gut, dass wir so erfahren können, was uns vielleicht morgen an der Grenze erwarten wird. Der Zöllner erzählt, dass ihr Kommandant bei den Grubenhagenern ziemlich Rabbatz gemacht hat, weil „mal wieder ..." von deren Seite die Störung ausgegangen war.
„Der Kommandant war so wütend, dat er nich nur rüber is auf die Grubenhag'ner Seite un dort den Vogt des Rebellendorps in die Mangel genomm'n hat. Als der sich rausgewund'n hat, is er gleich bis Gieboldehus'n durchgefahr'n, hat den Verwalter des Leh'ns aufgescheucht, un der hat dann dat Dorp ausenanner genomm'n."
Man spürt förmlich, wie am Nachbartisch die Spannung knistert, aber uns geht es ja kaum anders.
„Un? Was hab'n se gefund'n? Hier wird doch alles geschmuggelt, was nich niet- un nagelfest is!"
Ich sitze mit dem Rücken zum Nachbartisch, aber Klaas hat gute Sicht. Er erzählt mir hinterher, wie gespannt die Gesichter der anderen Männer ausgesehen haben vor lauter Sensationsgier. Sie haben sich auf einen Leckerbissen gefreut.

„Nischt."
„Wie – nischt."
„Genau. Nischt. Se hab'n nischt gefund'n. Keine heimlich'n Keller, doppelt'n Böd'n, Lager auf Dächern, Grub'n im Wald. Sie hab'n wirklich ALLES auf'n Kopp gestellt, dazu den angrenzend'n Wald, die Allmende, jede Scheune, jede Aussteuertruhe. Se hab'n absolut gar nischt gefund'n. Außer einer aufgescheucht'n Dorpgemeenschaft, karg'n Vorrät'n, neugierig'n Kinnern, schlammig'm Waldbod'n un eenem wutschnaubend'n Verwalter, der den Eichsfeldern mit Krieg gedroht hat, wenn die ihn noch mal so unsinnig durchs halbe Land jag'n, um fruchtlos im Schlamm zu wühl'n."

Schweigend essen wir unser Mahl zu Ende. Beim Rausgehen teilen wir dem Wirt mit, dass wir sehr früh geweckt werden wollen und eine Wegzehrung mitnehmen möchten. Es möge bitte alles bereit sein. Er versichert uns, dass er persönlich dafür sorgen wird. Und er fragt, wann wir aufbrechen wollen. Kaum sind wir oben in unseren Räumen, atmen wir alle einmal tief durch.
„Na, das ist ja nochmal gut gegangen."
Der Pastor schaut recht zufrieden drein. Aber mir ist das Lachen vergangen.
„Sie werden große Aufregung und viele Ängste ausgestanden haben. So unberechenbar, wie dieser Verwalter ist, hätte er alles Mögliche als verdächtig ansehen können. Wir sollten uns sputen, damit wir trotz des bepackten Wagens zügig nach Hause kommen. Ich mag Frau Adam nicht lange in Ungewissheit lassen."
Klaas schüttelt den Kopf.
„Der Verwalter hatte keen Sinn, was zu find'n. Er hatte sicher seinen gemein'n Spaß dran, dat Dorp auf'n Kopf zu stell'n, weil er einfach Gefall'n dran hat, seine Macht zu zeig'n. Aber er wollte auch ganz bestimmt am Ende sag'n könn'n:'Hi is nischt!' Ik mach mir vielmehr Sorgen um die nächste Zeit. Nu hat er dieses Dorf ganz besonners aufm Kieker. Un dat könnte alle möglich'n Folg'n hab'n."
Auch der Pastor schaut nun ernst.
„In der Tat! Klaas hat Recht. Sie werden uns mehr auf die Finger sehen. Und Ihr, Hannes, werdet auf diese Weise um so schneller auffallen. Das ist gar nicht gut."
Hundemüde, schweigend und sehr nachdenklich schlüpfen wir in unsere vorgewärmten Betten. Es wird sehr früh rausgehen, damit wir am Abend nicht zu spät nach Hause kommen. Aber ich schlafe nicht gut. Ich träume ein wildes Durcheinander von Anna, Ludo, Hurtig, den Kindern, Soldaten, Kutschen, dem Dorf, einer mir unbekannten Stadt mit einem großen Schloss, einem Geheimgang unter der Erde. Alles nur in Fetzen und völlig zusammenhanglos.

FR. 15.12. a.d.1570

Aber erholt habe ich mich nicht, als ich lange vor Sonnenaufgang von Klaas geweckt werde, der schon vorher von einem Knecht aus dem Bett geworfen wurde. Schnell holen wir auch den Pastor auf die Beine, frühstücken und brechen noch vor Tau und Tag auf zur letzten Etappe unserer abenteuerlichen Reise.

Wieder vertreiben wir uns die Zeit mit Erzählungen und Gesprächen im Eichsfelder Dialekt, und allmählich gelingt es mir immer besser und flüssiger, zu antworten. Klaas schmunzelt, als er mir dabei zusieht, wie ich dumm aus der Wäsche kucke und so verwirrt tue, dass man Erbarmen mit mir haben möchte.
Heute fahren wir ohne Pause durch, aber das Wetter ist wieder wärmer und feuchter geworden. Hier Richtung Grenze muss es viel geregnet haben, denn die Landstraße ist aufgeweicht und sehr verschlammt. Des Drebbers Pferd hat hart zu arbeiten, um den voll bepackten Wagen durch den Matsch zu ziehen. Darum ist es schon dunkel, als wir uns endlich der Grenze nähern. Ich habe eine halbe Stunde zuvor meine Kleidung gewechselt, hocke nun als armer Knecht auf dem edlen Pferd und reite demütig ein bisschen hinter der Kutsche her. Klaas haben wir in die Kleidung des Vollbauern gesteckt. Jetzt wird es spannend.

Schon vor einer Weile ist scharfer Wind aufgekommen. Wir sind alle drei völlig durchgefroren, müde und sehr nervös, als wir auf der Landstraße den Grenzposten auf der Thüringer Seite erreichen. Das überträgt sich leider auch auf die Pferde, denen ebenfalls der lange Tag voller Plackerei in den Knochen steckt. Elias beginnt zu ermüden, und Hurtig tänzelt nervös. Wir haben Mühe, die Tiere zu beruhigen.
Zudem ist es inzwischen fast völlig dunkel geworden, und der Mond versteckt sich hinter dicken Wolken. Erst, als wir schon fast da sind, können wir die funzelige Lampe am Grenzhäuschen sehen. Um uns gehorsam zu erweisen, verlangsamen wir unser Tempo, und Klaas ruft von weitem den Posten vor die Tür.
„Heda, Grenzer. Kundschaft!"
Wir halten vor dem Schlagbaum an und warten. Hurtig tänzelt wieder nervös.

Es dauert ein paar Minuten, bevor die Tür des Zollhauses aufgeht und ein dick vermummelter und unwillig grummelnder Zöllner zum Vorschein kommt. Er hatte offensichtlich keine Lust mehr, heute nochmal vor die Tür zu müssen, und schiebt entsprechend schlechte Laune.
Keine guten Voraussetzungen ... Hoffentlich will er schnell wieder ins Warme und lässt uns entsprechend schnell ziehen.
Aber leider sieht es gar nicht danach aus. Vermutlich wurde er zu scharfen Kontrollen verdonnert, und darum schaut er uns genau an, stellt eintausend höchst wichtige Fragen, erinnert sich dann an Klaas und Pastor Crüger – und stutzt.
„Un wer is der dritte Kerl? Der war am Mondag noch nich dabei!"
Pastor Crüger zeigt nun seinen Erbschein vor und erklärt geduldig und freundlich, dass er sich entschieden hat, einen seiner dortigen Knechte mitzunehmen. Der Zöllner kuckt sehr misstrauisch.

„Un der Gaul?"
Er tritt an Hurtig heran und beäugt das Pferd und mich genau. Hurtig weicht nervös zurück.
„Dat is een edles Tier. Welcher dahergelauf'ne Knecht kann sich sowas leist'n? Wo hast du dat Peerd her???"
Bei der Frage schaut er mich direkt an.
Nun gilt es.
Ich steige umständlich ab, verbeuge mich tief, trete verlegen von einem Fuß auf den anderen und fange an zu stottern.
Der Zöllner wird ungeduldig.
„Kannste nich vernünftig sprech'n? Ik will Antwort!"
Nun steigt auch der Pastor vom Kutschbock ab und mischt sich ein.
„Seid so gut und quält den Jungen nicht. Sein Vater war lange mein Stallwirt, aber der Pächter des Gutes will ihn nicht haben, weil er sich schwer tut mit dem Kapieren. Ihr verwirrt den Armen nur, wenn Ihr so harsch seid."
Ich mache schnell noch drei Bücklinge und verberge dabei mein Grinsen.
Jetzt bin ich also auch noch deppert im Kopf! Mir solls recht sein. Aber, mein lieber Johann Crüger – das bekommt ihr irgendwann zurück!

Murrend wendet sich der Zöllner von mir ab und dem Wagen zu.
„Der Wag'n war am Mondag nich so belad'n. Was habt Ihr zu verzoll'n?"
Wieder erklärt Pastor Crüger geduldig, dass er nicht nur seine Erbschaftsangelegenheiten geregelt sondern auch fleißig auf dem Markt eingekauft hat.
„Im Wesentlichen habe ich das Pferd gekauft, ein Schwein – ach, und einiges an Hausrat und Kleidung. Geschenke für meine Frau und meine Kinder. Wenn ihr versteht."
Der Zöllner schwingt sich auf die Kutsche.
„Na, denn woll'n wir doch mal seh'n."
Und schon fängt er an, die Verschnürungen zu lösen und die sorgsam verstaute Ladung auseinander zu nehmen. Dabei geht er nicht zimperlich mit den Dingen um. Mehrfach muss Klaas herzuspringen, damit nicht etwas vom Wagen fällt und etwa noch zerbricht. Das Schwein gerät in Panik und wäre fast auf und davon gesprungen. Ich stehe derweil dümmlich daneben, halte Hurtig und möchte den Kerl am liebsten kopfüber in die nächste Schneewehe befördern. Sein ganzes Benehmen ist so unverschämt.

Wahrscheinlich wird er dann auch noch einen völlig überhöhten Zoll fordern ...

Und da fällt es mir auf. Wir haben völlig vergessen, dass den Zoll ja der Pastor entrichten sollte. Ich Dummkopf werde jedenfalls ganz bestimmt kein Geld anvertraut bekommen. Meine Gedanken fliegen auf der Suche nach einer Lösung. Schließlich gebe ich mir einen Ruck.
„Herr Pastor? Hab ik was falsch gemacht? Ik wollte nich ..."
Johann Crüger wendet sich mir zu, während Klaas weiterhin versucht, unsere kostbaren Mitbringsel zu retten.
„Nein, Hannes. Es ist alles gut. Du hast nichts falsch gemacht."
Er will sich wieder abwenden, aber ich muss ihn irgendwie zu mir bekommen, damit ich ihm meinen Beutel geben kann.
„Muss ik nu hier bleiben? Derf ik nich mit hinüber???"
Ich lege all mein Flehen in meine Stimme, und nun schaut er mir genauer ins Gesicht. Mit glühenden Augen versuche ich, ihm klar zu machen, dass... ja – was auch immer.
Er MUSS das jetzt einfach kapieren!
Jedenfalls kommt er nun ganz zu mir herüber, legt mir freundlich eine Hand auf die Schulter und beruhigt mich.
„Nein, Hannes. Du kommst mit mir. Ich habe Papiere für dich, du gehörst zu mir. Mach dir keine Sorgen."
Dabei steht er so vor mir, dass ich mit meiner freien Hand unter meinen dünnen Mantel fahren und den Beutel vom Gürtel lösen kann. Schnell halte ich ihm den hin, und seine Augen weiten sich vor Schreck, weil er sofort begreift. Beinahe wären wir in eine selbst gestellte Falle getappt! Der Beutel wandert sofort an seinen Gürtel, während ich noch ein bisschen jammere und er mit belanglosen Vertröstungen auf mich einredet.

Endlich ist der Zöllner fertig mit seinen Untersuchungen und springt vom Wagen ab. Klaas fängt an, die Ladung ordentlich zu verstauen und zu sichern. Er "mauert" das Schwein ein, schnürt die auseinander geroppten Bündel zu und zurrt die Spannseile wieder fest. Sein Gesicht ist dabei eine einzige Gewitterwolke, aber er beißt die Zähne zusammen und gibt keinen Laut von sich.
Der Zöllner tritt an den Pastor heran und nennt ihm die ungeheure Summe von zwölf Kreuzern als Zollgebühr. Wir zucken alle drei zusammen. Klaas, weil er vor diesem Ausflug noch nie auch nur einen Kreuzer zu Gesicht bekommen hatte. Ich, weil mir das Geld ja egal ist, aber ich schäume innerlich vor Wut über seine Dreistigkeit. Der Pastor, weil er sich nicht wohl fühlt dabei, mein Geld auszugeben.

Das ist wirklich eine wertvolle Wagenladung! Der Zoll bald nochmal so hoch wie der Kaufpreis! Unverschämter Halsabschneider!!!

Aber Pastor Crüger diskutiert nicht. Wir wollen nur heile hinüber, und möglichst ohne, dass mein Gesicht zu sehr im Gedächtnis bleibt. Also tritt er an die Lampe am Zollhaus heran, öffnet den Beutel und fischt zwölf Kreuzer heraus. Dann schaut er den Zöllner herausfordernd an. Der will so gar nicht. Aber unter dem strengen Blick des Geistlichen geht er doch in sein Zollhaus und kommt mit einem kleinen Zettel wieder – dem Zollbeleg.
Uns des Schmuggels bezichtigen und selbst seine Obrigkeit besch... Halunke!
Der Pastor kontrolliert die eingetragene Summe, nickt dem Zöllner zu und steigt wieder auf den Karren. Ich führe Hurtig an die Kutsche heran, klettere auf den Bock und von da aus ungeschickt auf das Pferd. Könnte Hurtig denken, schösse ihm jetzt wahrscheinlich ein irritiert-ironisches „Das konntest du aber schonmal besser, Hannes!" durch den Kopf. Der Zöllner öffnet umständlich die Schranke und lässt uns grußlos davon fahren.

Nur zweihundert Schritte weiter halten wir wieder an, denn nun müssen wir auch noch durch den Grubenhagener Zoll. Hier wiederholt sich dasselbe Spiel. Wir werden begutachtet, ich werde misstrauisch beäugt, der Wagen wird kontrolliert. Allerdings ist der Grubenhagener nicht halb so unfreundlich. Er hilft Klaas anschließend dabei, die Ladung wieder ordentlich zu sichern, und der verlangte Zoll ist angemessen.
Als wir vollständig im Wald eingetaucht und um drei Biegungen gefahren sind, halten wir kurz an.
„Danke, Hannes!"
Die Stimme des Pastors klingt sehr erleichtert, er reicht mir den Beutel zurück. Und ich weiß, dass er sich nicht nur für das klaglose Bezahlen dieses Wucherzolls bedankt, sondern vor allem dafür, dass ich rechtzeitig geschaltet und es möglich gemacht habe, dass er noch an den Beutel kommen konnte. Ich hänge das Geld wieder an meinen Gürtel und konzentriere mich auf den dunklen Waldweg.
„Klaas, konntest Du alles wieder sichern? Oder brauchst du noch zwei mehr Hände, damit uns nicht auf den letzten paar Schritten noch die Ladung verrutscht und etwas zerbricht?"
Klaas knirscht hörbar mit den Zähnen.
„Danke, Hannes. Ik denk, ik hab es hingekriegt, un der Grubenhag'ner hat mir ja dann geholf'n. Aber viel lieber hätt ik dem unverschämt'n Thüringer Hund den Hals omgedraiht."
Den Rest des Weges schweigen wir, erschöpft von der Reise, der Kälte und der Aufregung. Umsichtig lenkt Klaas den Wagen über den holprigen Waldweg, und ich bin wieder unendlich dankbar, dass es diesen einfachen, wunderbaren Bauern und treuen Freund in meinem seltsamen, von meiner eigenen Vergangenheit losgelösten Leben gibt. Wir wären in diesen Tagen mehrfach gehörig aufgeschmissen gewesen, wenn Klaas nicht dabei gewesen wäre.
Wer auch immer ich bin – Freund Klaas werde ich nicht hergeben. Ich will ihm so treu sein, wie er es zu mir ist.

Als sich der Wald allmählich lichtet, hält Klaas die Kutsche an. Die Silhouette der Mühle ist im trüben Mondlicht auf dem Hügel zu erkennen. Die kleine Kate von Anna Adam liegt im Schatten des Hügels. Und aus der Luke in der Tür zum Stallgang leuchtet schwach ein Licht.
Sie wartet auf mich!
Der Pastor wendet sich zu mir um.
„Na dann, Hannes. Willkommen im Dorf, nun werdet Ihr endlich dazu gehören. Ich wünsche Euch und uns von Herzen, dass die Maskerade gelingt und Eure Mörder davon nicht Wind bekommen."
Ich nicke bloß. Mir hat es ein wenig die Sprache verschlagen. Niemals hätte ich vor fünf Tagen geglaubt, dass es sich für mich anfühlen würde wie nach Hause kommen. Dass es mich so mit Glück erfüllen könnte, wieder an der Bodenluke hocken zu können, ihr beim Sticken zuzusehen und mich mit ihr zu unterhalten. Dass mein Herz vor Freude schneller schlagen würde bei dem Gedanken, dass Anna ihre Kinder wieder zu sich nehmen kann und ich endlich mit dieser liebenswerten kleinen Familie gemeinsam an dem langen Tisch sitzen darf. Ich wusste um meine Freude darauf, dass ich mich endlich nicht mehr verstecken muss. Aber nicht, dass mein Herz so sehr in dieser kleinen Kate schlägt, dass mich alles dahin zurückzieht.

Doch noch muss ich mich gedulden. Heute Nacht werde ich mitsamt dem Pferd bei Klaas einquartiert, und morgen werden wir unsere Posse fortsetzen. Der Pastor wird herum gehen und überall seine Geschenke ins Haus tragen, wird unter großem Hallo das Schwein in Bauer Ferzens Stall treiben lassen. Ich darf dabei mit Vergnügen und Ungeschick meines Amtes walten und das Schwein ausbüxen lassen, damit gleich jeder im Dorf weiß, dass ich zu nichts tauge. Der Vogt wird erstaunt den neuen Dorfbewohner begrüßen, die Dorfehrbarkeit einberufen und dafür sorgen, dass ich als Knecht der Frau Adam zugeteilt werde.
„Bereit?"
Mühsam reiße ich mich aus meinen Gedanken. Klaas hat nun der Übermut gepackt. Er grinst mich an und treibt dann das Pferd des Vogtes ein letztes Mal für heute an. Mit fröhlichem „Heiooo!" fährt er die Dorfstraße entlang. Die Abendbrotzeit ist längst vorüber, die Kinder sind sicher alle schon im Bett. Aber eine nach der anderen gehen die Türen der Bauernhäuser auf, und die Dörfler strecken neugierig ihre Nasen in die Nacht. Freude und Erleichterung ist auf allen Gesichtern zu sehen.

Klaas hält die Kutsche zwischen dem Pfarrhaus und seinem eigenen Hof an. Viele fleißige Hände packen sofort mit an, und Klaas dirigiert mit ruhigen Hinweisen, dass alles Gepäck sicher ins Pfarrhaus oder in seine eigene Diele getragen wird. Einer bringt Elias in den Stall, andere schleppen die vielen geheimnisvollen Bündel zu Klaas. Und Bauer Ferz sieht aus, als wolle er sein neues Schwein umarmen. Eine riesige Last fällt von seinen Schultern. Sein Knecht Kunz klopft ihm schließlich auf die Schulter und treibt gemeinsam mit ihm das Schwein in den Stall.
Da war ich wohl zu langsam ...
Ich mache mich also ganz still an allen vorbei mit einem Sack Heu und Hurtig am Zügel auf in Klaasens Stall. Erleichtert, dass alles gut gegangen ist, verräume ich den Sattel, versorge Hurtig mit Wasser und Heu, reibe ihn trocken und vergewissere mich auch sonst, dass es ihm gut geht. Dann greife ich meine Satteltaschen und gehe durch den Stallgang in die Diele. Ich suche mir aus all den Bündeln meine ganze Kleidung verschiedener Stände heraus und sortiere sie. Den Bauernkram muss Knecht Hannes ja offen mit rübernehmen. Aber alle gehobene Kleidung sollte ich verdeckt zu Anna auf den Dachboden tragen.

Endlich ist vorne Ruhe eingekehrt, und grade eben kommt Klaas mit einer abgedeckten Schüssel zur Vordertür herein. Er war noch bei Lene, hat sie begrüßt und ein warm gehaltenes Abendessen für uns erhalten. Schweigend sitzen wir an seinem Tisch und genießen die heiße Suppe, die uns von innen wärmt.
Dann geht Klaas in seine Kammer, legt zwei der neuen Decken für mich auf sein Bett neben seine eigene, damit ich mich dazu legen kann. Kurz schaut er mich durch die offene Kammertüre an, wie ich da so unschlüssig mitten in der Diele stehe.
„Hannes?"
„Hm?"
„Dat Dorp ist wedder ruhig, die Gass is leer. Geh. Sie wartet."
Mein Kopf fliegt hoch. Klaas lächelt, kriecht unter seine alten Decken, legt sich schon zur Ruhe und pustet die Kerze aus.
„Geh. Du find'st den Weg allein."
Ich stehe nicht lange im Dunklen, hier in Klaasens Diele.
„Gute Nacht, Klaas."
„Gute Nacht, Hannes."

Schnell greife ich meinen neuen, ganz einfachen Mantel und das Bündel mit der teureren Kleidung, laufe durch den Stallgang und mache mich auf die Socken über die Almende ums Dorf. Zu Anna Adam. Alle Müdigkeit ist verflogen. Der abnehmende Mond bescheint trübe meinen Weg. Wenige Minuten und einen kräftigen Fußmarsch später kratze ich an der Hintertür der kleinen Kate. Durch die Ritzen in der inzwischen geschlossenen Luke sehe ich schwaches Licht, und so trete ich einfach ein.
Anna hat am Herd gesessen und gestickt. Nun steht sie auf, legt das Wams des Verwalters beiseite und schaut mir entgegen. Ein paar lange Schritte, dicht stehen wir voreinander. Müde schaut sie zu mir auf, doch ihre Augen lächeln. Dann ist der kurze Moment vorüber. Anna löst sich von meinem Blick, greift nach einem Krug mit dampfendem Tee vom Rand ihres Herdfeuers und stellt ihn mit zwei Bechern auf den Tisch. Wir wissen beide nicht, was wir sagen sollen, schauen uns nur an.
Anna bricht schließlich das Schweigen.
„Gut, dass Ihr wieder hier seid, Hannes. Wir haben uns Sorgen gemacht, nachdem der wild gewordene Thüringer und der wütende Verwalter hier gehaust haben. Ist bei Euch alles gut gegangen?"

Ich nehme ganz kurz ihre Hand und drücke sie.
„Wir haben uns viel mehr Sorgen um Euch gemacht, nachdem der Grubenhagener Zöllner auf Klaasens Steine geschossen hat. Das hat den Thüringer aufgescheucht und Euch sehr viel Ärger und Unruhe eingebracht. Wir sind gut weggekommen, konnten alles erledigen und einkaufen. Aber das werden wir morgen in der Dorfehrbarkeit alles berichten. Jetzt bin ich zu müde dazu."
Ich mustere ihr müdes Gesicht und füge leise hinzu:"Ihr seht so müde aus, wie ich mich fühle. Geht es Euch gut, Frau Adam?"
Sie lächelt.
„Jetzt ja, Hannes. Jetzt ja."

Wieder schweigen wir eine Weile.
„Konntet Ihr in Duderstadt etwas über Euch selbst herausfinden?"
Ich schüttele den Kopf.
„Nichts Bestimmtes. Klaas hat mich beobachtet, als wir am Vormittag Kleidung gekauft haben und ich dabei die gesellschaftliche Leiter immer weiter raufgeklettert bin. Er sagt, dass ich um so sicherer und natürlicher wurde, je gehobener mein Auftreten war. Aber das wussten wir im Grunde vorher schon. ... Ich habe jedenfalls inzwischen eingesehen und angenommen, dass ich wohl von adeliger oder jedenfalls gehobener Herkunft bin."
Anna Adam nickt.
„Im Gasthof ... es war so vertraut, den Klaas vorzuschicken, den Wirt von oben herab zu behandeln, nur das Beste zu empfangen. Das vertraute Gefühl im weichen Bett, bei gutem Essen. Es fühlte sich so ... normal an."
Anna malt mit ihrem Finger kleine Kreise auf die Tischplatte. Sie lächelt. Dann hebt sie ihren Blick, und für einen Kurzen Moment begegnen sich unsere Augen.
„Na, dann hoffe ich, dass Ihr im Schlaf umschalten könnt auf den Knecht Hannes, der bald hier auf meinen Dachboden zieht."
Grinsend stehe ich auf, drehe mich einmal um meine eigene Achse und verwandele mich dabei in den Dummbatz Hannes. Ich kratze ein paar Brocken Dialekt zusammen und stelle mich – nun ganz unterwürfig und verschämt – meiner zukünftigen Dienstherrin vor. Die lacht mich aus. Dann steht Anna Adam auf.
„Gute Nacht, Hannes! Bis morgen."
Ich greife mein Kleidungsbündel, steige auf die unterste Stufe der Leiter und werfe von dort aus das Bündel auf den Dachboden.
„Gute Nacht. Anna."
Ich warte ihre Antwort nicht ab, werfe keinen Blick zurück – sonst gehe ich heute gar nicht mehr.

Der Rückweg dauert deutlich länger. Die Müdigkeit macht sich nun doch sehr bemerkbar, die Schritte werden schwer, ich spüre die Kälte deutlicher als zuvor durch meine Kleidung dringen.

Guter Gott, ich danke dir für das Gelingen dieser Reise. Ich freue mich so sehr, dass ich nun von diesem Dachboden herunterkomme! Ich freue mich so sehr, bald Teil von Annas Haushalt sein zu dürfen. Ja, ich freu mich. Auf sie und auf die Kinder.
Ich kann es gar nicht verhindern - für den Moment macht es mich unsagbar glücklich. Ich schleiche mich von hinten durch den Stallgang ins Haus, ziehe Mantel und Holzklompen aus und taste mich zu Klaasens Kammer vor. Erleichtert krieche ich schließlich unter meine Decken neben ihm aufs Bett und schlafe sofort ein.

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13.12.2021

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