15 - der neue Knecht

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SA. 16.12. 1570

Als ich am nächsten Morgen vom Meckern der Ziegen aufwache, die gemolken werden wollen, scheint mir der vertraute Moment mit Hannes mitten in der Nacht wie ein wundersamer Traum. Ich habe mich so nach ihm gesehnt, mich so um ihn gesorgt nach der Schießerei und dem völlig übertriebenen Zolltheater. Sie haben uns wirklich das Unterste zuoberst gedreht. Sogar den Schlamm im Wald haben sie durchwühlt. Überall beim Suchen musste wer dabei sein. Und im Wald war es Jorge. Er hat hinterher lachend erzählt, dass die Zöllner in Unkenntnis des Geländes ziemlich planlos durch die Niederung gestolpert sind. Einer ist sogar in der Rhuma gelandet. Alle vorhandenen Spuren haben sie dabei selbst vernichtet.
Ich war gestern den ganzen Tag so unruhig. Ich konnte nicht anders. Ich habe ein kleines Licht ins Fenster vom Stallgang gehängt, habe so gehofft, dass sie es sehen, dass Hannes sich meldet, damit ich beruhigt sein kann. Und er hat es gesehen. Er ist gleich rübergekommen, sobald er konnte. Ich bewahre diesen besonderen, einzigartigen Moment in meinem Herzen und danke Gott noch einmal, dass die drei Männer heile zurückgekehrt sind. Dann schiebe ich energisch das Wohlgefühl in die hinterste Ecke meiner Erinnerungen und ermahne mich selbst.
Ja, Gewissen. Ich weiß! Er ist ein Herr. Und er wird mein Knecht. Mein liebenswerter, humorvoller, gerechtigkeitsliebender, aufmerksamer Hannes. Jaja, schon gut, Gewissen, ich hör ja schon auf.
Leichter gesagt als getan.

Energisch erhebe ich mich, kleide mich an für den Tag und melke als erstes die Ziegen. Ich gebe dem Peterchen die Milch und ziehe dem Kind frische Kleidung an. Ich koche die Windeln der letzten Tage aus und hänge sie auf die Leinen im Stallgang. Ich trinke einen Becher Buttermilch, esse den Rest vom Brot vom Backtag. Ich werfe noch einen Blick auf den Dachboden, aber hier habe ich im Laufe der Woche schon aufgeräumt und für Hannes alles ein bisschen wohnlicher gemacht. Dann weiß ich nicht mehr, wie ich mich beschäftigen soll, außer mich wieder an den Herd zu setzen und zu sticken. Ich bin mit dem Wams des Verwalters gut vorwärts gekommen in dieser Woche und werde den Auftrag sicher rechtzeitig abliefern können. Aber ehrlich gesagt kann ich dieses Ding schon nicht mehr sehen. Und dennoch muss ich – wie wir es verabredet haben – hier in meiner Kate ausharren, bis die Dorfehrbarkeit einberufen wird, um zu entscheiden, was mit dem plötzlich aufgetauchten Knecht denn geschehen soll.

Kurz darauf rappelt es an meiner Haustür, und mein Jakob stürmt herein.
„Mutter, Mutter, der Pastor und der Klaas haben einen Mann mitgebracht! Der ist ganz groß, und er hat beim Klaas geschlafen! Und der spricht ganz komisch. Aber die Lene sagt, das schafft sie nicht. Darum sollen Susanna und ich wieder nach Haus oder der Mann woanders hin."
Mit riesigen Augen, die vor Begeisterung leuchten, steht er vor mir. Jakob vergöttert Klaas. Aber er sehnt sich auch nach mir.
Mal sehen, wie er darauf reagieren wird, dass Hannes hierher ziehen wird.
„Nein, sowas! Wo hat der Klaas denn den Mann her?"
Jakob hüpft aufgeregt auf einem Bein.
„Der Pastor hat ... der gehört dem Pastor. Ich ... so genau hab ich das nich kapiert. Aber der gehört irgendwie zum Pastor, und der hat ihn mitgebracht, weil ein anderer ihn nicht wollte. Und nun ist er hier. Und beim Klaas soll er nicht bleiben, weil die Lene das nicht schafft, beim Pastor soll er aber auch nicht sein. Deshalb ist der Pastor jetzt zum Vogt gegangen. Oh, und Bauer Ferz hat ein neues Schwein bekommen! Und jetzt muss ich weiter zum Müller. Tschüß, Mutter!"
Und schon ist mein kleiner Wirbelwind von Sohn wieder zur Tür hinaus.

Ich schmunzele hinter ihm her.
Aha, jetzt geht es also bald los.
Seufzend vor Ungeduld sticke ich weiter, nur, um wenig später wieder gestört zu werden. Der Drebber Siegfried steht in der Tür.
„Frau Adam? Der Vadder schickt mich. Es soll sogleich die Dorfehrbarkeit zusamm'nkomm'n. Ihr sollt bitte dabei sien, lässt der Vadder ausricht'n."
Ich nicke ihm freundlich zu und sehe, dass er noch auf etwas wartet. Also packe ich das Wams in meine Kiste und gebe ihm eine Hand voll Nüsse aus meiner Dose.
„Sag dem Herrn Vater, dass ich gleich da bin."
Zufrieden hüpft Siegfried davon.

Endlich!
Ich wickele mich in meine warmen Tücher, schnappe mir Peter im Tragekasten und gehe los. Aus allen Häusern kommen die Männer und machen sich auf zum Vogt. Manch einer hat Hannes wohl gestern schon beim Ausladen gesehen, und so wird eifrig vermutet, ob sein Auftauchen wohl etwas mit der Versammlung zu tun hat. Und wer der Fremde wohl sein könnte.
Tja, das wüsste er selbst auch gerne. In Wahrheit weiß er nämlich nicht ein Stück mehr als ihr!
Schweigend gehe ich nebenher und vermeide jeden Blick. Direkt neben mir läuft Jorge Krumm. Auch er hört sich die Spekulationen an und schweigt. In diesem Augenblick bin ich heilfroh, dass das Versteckspiel gegenüber dem Dorf nun ein Ende hat.
Es wird das Verheimlichen der letzten Wochen, die Umstände von Hannes wahrem Eintreffen hier und das Ernstbleiben bei seiner Schauspielerei völlig reichen ...

Beim Vogt angekommen setzen wir uns alle in den Versammlungsraum, die Drebbersche reicht uns allen einen Becher warmen Tee – und dann treten der Vogt, der Pastor, Klaas und Hannes ein. Hannes läuft wie ein Hund hinter dem Pastor her, hat den Rücken krumm und die Schulter hochgezogen, dreht verlegen seine Kappe zwischen seinen großen Händen und wagt nicht, jemand anzusehen. Seine Haare sind nicht gekämmt, sein Bart ist gut gewachsen und nun ziemlich zerzaust. Seine Kleidung ist sehr einfach, die Hose zu kurz, die Holzklompen abgenutzt. Neugierig richten sich alle Blicke auf ihn.

Doch der Vogt achtet gar nicht auf die unverhohlene Neugierde seiner Dörfler. Er begrüßt alle und lässt den Pastor berichten, wie es ihm auf der Reise ergangen ist, und wieso er uns einen neuen Dorfbewohner mitgebracht hat.
„Wie ihr alle wisst, habe ich das gesamte Gut meines Onkels geerbt. Dies ist der Sohn seines treuesten Dieners, der versorgt werden muss. Da mein Pächter ihn nicht übernehmen will, habe ich ihn mitgebracht. Das ist Hannes. Er ist ein bisschen ... langsam. Und einfach. Aber herzensgut und sehr willig. Eine ganz treue Seele! Hannes, begrüß die Männer."
Hannes zuckt zusammen und hebt langsam den Kopf. Unsicher schaut er in die Runde und fängt dann an zu sprechen.
„Gutn Tach! Ik bün der Hannes. Am lievsten bün ik bei Hurtig."
Dann verstummt er wieder und sieht den Pastor an, als wolle er fragen, ob er seine Sache richtig gemacht habe.
Oh Himmel! Habe ich vorhin gemeint, das würde nun einfacher? Das wird Folter! Hannes macht seine Sache einfach unglaublich gut. Und ich weiß nicht, wo ich hinsehen soll, damit ich nicht laut loslache.

Auf den Gesichtern der Bauern zeichnet sich allmählich Sorge ab. Die meisten denken jetzt wahrscheinlich, dass sie diesen Knecht ganz bestimmt nicht abbekommen wollen. Bauer Holtmann, dessen Hof direkt gegenüber von Klaas liegt, fürchtet sich wohl am meisten davor.
„Was hat Hannes denn gelernt? Kann man ihn brauch'n?"
Allgemeines Gemurmel erhebt sich. Ein untauglicher Knecht ist schlimmer als gar keiner. Denn der frisst einem wenigstens nicht die Haare vom Kopf.
Der Vogt ergreift nun wieder das Wort.
„Pastor Crüger hat ein freundliches Herz un wollte den Jung darum nich zurücklass'n. Aber wir müss'n uns nu überleg'n, wo es für ihn een'n sinnvoll'n Platz in unsrem Dorp gibt. Pastor Crüger hat sich auch ein Peerd gekauft, besagt'n Hurtig, der bei Klaas im Stall steh'n wird, da der Pastor ja kein'n Stall hat. Man könnte Hannes also bei Klaas wohn'n und mitarbeit'n und dort dat Peerd versorg'n lass'n. Frau Lene hat allerdings mitgeteilt, dat sie es nich schaff'n kann, noch een'n Mann mehr mitzuversorg'n. Da wir bereits im Sommer festgestellt hab'n, dat Frau Adam ab dem Frühjahr een'n Knecht brauch'n wird, is meine Überlegung also, ob Hannes zu Frau Adam geh'n wird. Lern'n kann er ja von Klaas, un dat Peerd kann er auch so versorg'n. Aber wohn'n könnte er bei Frau Adam."

Leises Aufatmen geht durch den Raum. Klaas wiegt den Kopf hin und her, als ob er nachdenkt.
„Dat Peerd könnt er von dort aus auch versorg'n. Mit mir arbeiten und allerlei lern'n kann er auch, da ik sowieso oft bei Frau Adam aushelf. Er muss ja keine grote Verantwortung übernehm' erstmal. Aber er bringt zwei starke Arme mit, und dat is dat, wat Frau Adam am meist'n fehlt."
Mein Nachbar Jorge Krumm mischt sich ein.
„Auch ik kann ihn gern unner meine Fittiche nehm'. Vielleicht kann er auch Jasper n'büschen zur Hand gaan."
Der blinde Jasper, den Jorge mitgebracht hat, nickt.
„Gern. Ik hab veel Tied un Geduld. Dat wird schon."

Klaas macht ein nachdenkliches Gesicht.
„Hannes, magst du Kinners?"
Hannes hebt den Kopf und strahlt Klaas an.
„Kinners. Jo, ik mag Kinners. Ik spiel gern mit den Kinners!"
Zufrieden wendet sich Klaas wieder an die versammelten Männer.
„Nu, dann wär es doch möglich, dat auch die Kinner wieder zu Frau Adam zurückkehr'n. Mit der Geduld un Freundlichkeit von Frau Adam wird sich Hannes sicher bald eingewöhn'n. Un mit der Hilfe von Hannes kann Frau Adam dann auch ihr'n Hof bewirtschaft'n. Ik helf weiter, wo ik kann. Bis zum Frühjahr kann Hannes dann schon eine tüchtige Hilfe sien."
Die Männer im Saal sehen ausgesprochen zweifelnd drein. Aber natürlich widerspricht niemand mehr. Der Vogt wendet sich an mich.
„Anna? Kannst du dir vorstell'n, dat Hannes Knecht in der Adamskate wird?"
Ich weiß kaum, wie ich kucken soll.
Jetzt darf bloß keiner sehen, wie sehr ich mich darauf freue! Aber zu unfreundlich darf ich auch nicht kucken!
Ich richte mich etwas auf, schaue möglichst erstaunt und betrachte Hannes, als hätte ich bisher gar nicht in Betracht gezogen, dass das hier irgendetwas mit mir zu tun haben könnte.
„Zu mir! Ja ... Also. Warum nicht? Wenn er Kinder liebt. Aber die Kate ist doch recht klein. Wo soll ..."
Ich lasse meine Frage in der Luft hängen.

„Aufm Dachboden", schlägt einer der Männer vor.
Der Vogt wiegt bedenklich den Kopf.
„Dat is ein ernst zu nehm'nder Einwand. Da es im Sommer so viel geregnet hat, war'n wir alle damit beschäftigt, uns're Ernte zu rett'n. Wir hatt'n das zwar vor, aber wir sind einfach nich dazu gekomm'n, dat Dach der Adamskate zu reparier'n. Es is völlig undicht inzwisch'n. Un dadurch is es in der Kate doch sehr kalt und klamm. Dat is auch für die Kinners nich gesund. Aber direkt oben auf dem Bod'n schlaf'n ... Da is auch keen Lager!"
Die Männer werden nun unruhig und fangen an zu überlegen. Nicht, dass sie doch noch ... Bauer Holtmann meldet sich wieder zu Wort.
„Regen is'n Hinnernis, een Dach zu reparier'n. Frost nich. Dat Wedder scheint zur Tied recht beständig un auch nich windig. Wenn wir sofort losleg'n, können wir in ein paar Tag'n fertig sien. Wir müss'n uns gut absichern, dat Material hatt'n wir im Sommer ja schon vorbereitet, bevor der endlose Reg'n kam. Ik bin dafür, dat wir dat anpack'n. Dann is auch Frau Adam un den Kinnern een klammer Winter erspart."
Allgemeine Zustimmung wird in den Saal gebrummt.
Jorges anderer Nachbar Heinz Zuber bietet noch eine Hilfe an.
„Ik hab auf mien Boden noch'ne Pritsche steh'n, die nich gebraucht wird. Die is recht niedrig. Wenn wir'n Strohsack voll tosamm'n krieg'n, kann Hannes darauf schlaf'n un siene Sach'n drunter verstau'n."
Gut, dann habe ich heute noch Zeit, den Dachboden völlig leer zu räumen. Vielleicht muss ein Teil von Hannes Habseligkeiten dann doch zurück zu Klaas ... Aber das werden wir sehen.

Der Pastor kündigt an, dass er noch vor dem Mittag durchs Dorf gehen und alle gewünschten Geschenke austragen wird. Die Männer verabreden sich für hinterher in der Schenke, um miteinander die Reparatur zu planen. Der Ferz macht einen tiefen Diener und bedankt sich sehr gerührt beim Pastor für das wirklich wertvolle Schwein. Dann löst sich die Versammlung auf. Aus dem Augenwinkel beobachten uns dennoch alle, denn Pastor Crüger schiebt nun den Hannes zu mir, der sich scheu verbeugt und auf den Boden starrt. Ich reiße mich zusammen und spreche ihn freundlich an.
„Willkommen, Hannes. Noch ein paar Tage, bis das Dach repariert ist. Dann bist du in der Adamskate zu Hause. Und dann werden wir sicher bald herausfinden, was du besonders gut kannst, wobei du mir richtig gut helfen kannst. Ein starker Mann ist immer willkommen."
Hannes hebt vorsichtig den Kopf und schaut mich scheu an. Seine ganze Haltung zeigt, wie unsicher er zu sein scheint. Er hat sich vollständig im Griff.
„Habt Dank, Frau Adam! Ik will'n guter Knecht sien!"

In gehobener Stimmung kehren alle Männer zurück auf ihre Höfe und kündigen ihren Frauen an, dass bald die Geschenkerunde beginnen wird. Derweil geht Pastor Crüger ganz offen zu Klaas, sortiert dort mit ihm die Einkäufe und Geschenke und beginnt gemeinsam mit Hannes, die Gaben in jedes Haus zu tragen. So lernt Hannes gleich alle Dorfbewohner einzeln kennen, kann sich beäugen lassen, mit den Kindern spielen. Durch die Geschenke wird die Stimmung gut sein, und keiner wird ihn ablehnen. Klaas bringt derweil die Lene und meine Kinder zu mir. Dann geht er in die Dorfschenke an der Schmiede, um auf die anderen Männer zu warten.

Alle Erwachsenen im Dorf bekommen nun ihre Wünsche erfüllt. Aber Hannes hat auch an die Kinder gedacht. Für jeden Säugling gibt es ein Paket Windeln und eine geschnitzte Rassel in der Form eines Tieres. Fische, Vögel und anderes Getier, ausgehöhlt und mit einer Tonkugel gefüllt. Jedes Mädchen bekommt ein paar feine Haarbänder in weiß und blau und etwas Wolle und Nadeln, um das Nadelbinden zu üben. Und jeder Junge darf sich über einen Beutel voller bunter Tonkugeln zum Spielen und ein eigenes Schnitzmesser freuen. Der Jubel bei den Kindern ist grenzenlos.
Es dauert eine ganze Weile, bis die beiden Männer sich durchs Dorf durchgearbeitet haben und schließlich fast als Letztes bei mir ankommen. Der Pastor ist sehr gerührt, wie viel Freude er mit den Geschenken bereitet, und bedankt sich wiederum sehr, sehr bei Hannes, dem der Segen ja eigentlich zu verdanken ist, kaum, dass sie bei mir zur Tür hereinkommen. Schnell fliegt mein Blick zu den Kindern. Die achten aber gar nicht auf den Pastor und Hannes. Sie genießen, dass sie zu Hause sind und spielen grade mit Zick und Zack. Das ändert sich allerdings schnell, als der Pastor den beiden ihre Geschenke gibt. Ihr Staunen, ihr Glück leuchten aus ihren Gesichtern, als sie ihre unerwarteten Schätze an sich drücken und sich flüsternd bedanken.

Ich hatte um Kleidung und Schuhe für die Kinder gebeten. In tiefer Dankbarkeit nehme ich meine Geschenke vom Pastor entgegen und vermeide dabei seinen Blick. Meinen Dank werde ich Hannes später sagen. Dann verabschiedet sich Pastor Crüger. Die Geschenke für die Mühle und den blinden Jasper muss er noch austragen, und so steigt er als nächstes den Hügel hinter meiner Kate hinauf. Hannes bleibt so lange hier und tut vor den Kindern so, als sähe er sich zum ersten Mal in der Kate um. Mir fällt ein weiteres Bündel auf, das der Pastor nicht mitgenommen hat. Mit fragendem Blick zeige ich darauf. Hannes grinst und hebt das Bündel auf meine Pritsche.

Wie ich es befürchtet hatte, war Hannes sehr großzügig beim Einkaufen für mich. Er hat mir ein Gewand aus Rock, Bluse, Halstuch und Haube gekauft, wie es eine freie Bäuerin trägt, richtige Schuhe, aber auch Seidengarne und sehr feine Sticknadeln besorgt. Mehrere warme Decken lassen mein Herz glücklich schneller schlagen. Und als Krönung hat er mir eine Öllampe gekauft, die durch lauter echte kleine Spiegel im Inneren sehr hell strahlt. Nach einem verstohlenen Blick zu den Kindern im Stall lässt er für einen Moment die Maske fallen und flüstert mit mir.
„Ich kann das nicht mehr mit ansehen, wie Ihr Euch am funzeligen Herdfeuer die Augen verderbt und den Rücken krumm biegt. Mit dieser Lampe habt Ihr ein schönes, helles Licht und könnt die feinsten Stiche machen."
Tränen schießen mir in die Augen. Etwas Wertvolleres kann er mir kaum schenken. Er hat genau gesehen, wie schwer es für mich ist, bei dem schlechten Licht zu sticken. Fast ehrfürchtig trage ich die Lampe zum Tisch und fülle aus dem mitgebrachten Krug etwas Öl ein. Mit einem Kienspan entzünde ich den Docht und schließe die Klappe. Die Klappe hat eine echte Glasscheibe, die die Flamme vor Zug und Nässe schützt. Viele kleine Löcher sind im Blech. Die Lampe wirft ein gleichmäßiges, helles Licht auf die Tischplatte. Andächtig und überglücklich starre ich in das warme Leuchten.
Da steht plötzlich Hannes mit Jakob und Susanna an den Händen vor dem Tisch. Er beugt sich zu den beiden runter, zeigt auf die Lampe und dann auf mein Gesicht.
„Schaut mal, ihr zwee beede. Seht ihr, wie glücklich eure Mudder mit der Lampe is? Diese Lampe is sehr wertvoll un sehr zerbrechlich. Und ihr beide könnt mithelf'n, dat diese Lampe ganz, ganz lange heil bleibt. Ihr müsst damit richtig vorsichtig sien, dürft'se nur trag'n, wenn die Mudder es erlaubt, un passt auf, dat ihr'se nie umwerft. Ihr seid schon so groot, ihr könnt dat schon sehr gut! Versprecht ihr dat?"

Vor Stolz glühend, dass sie für so groß und vernünftig gehalten werden, nicken die beiden mit den Köpfen. Susanna kommt um den Tisch herum, krabbelt auf meinen Schoß und schaut verträumt auf die Lampe. Die Spiegelscheiben und die Löcher im Blech der Lampe werfen Schatten- und Lichtlinien auf das Holz. Gedankenverloren folgen Susannas kleine Finger diesen Linien. Hannes hingegen tritt bescheiden zurück, senkt den Blick und nimmt wieder seine Rolle ein.
Mit einem glücklichen Seufzen tauche ich auf aus meiner Verzückung und hänge die Lampe sorgfältig an einen festen Haken an der Wand. Von dort aus leuchtet das Licht warm über den ganzen Tisch.

„Nun denn, willkommen in der Adamskate, Hannes. Ich hoffe, du wirst dich hier wohlfühlen, und wir werden gut miteinander auskommen. Siehst du – dort oben in der Decke ist der Einstieg zum Dachboden. Sobald das Dach repariert ist, kannst du es dir dort gemütlich machen. Aber vielleicht stellen wir dir dann die Leiter lieber an den zweiten Einstieg, dort über dem Stallgang. Hier zwischen meinem Bett und dem Tisch ist das auf Dauer ein bisschen unpraktisch. Ich werde heute Nachmittag alles Gerümpel, was da oben ist, forträumen, damit die Männer bald mit den Arbeiten beginnen können."
Hannes zuckt zusammen und nickt. Auch die Lene hat meine Worte gehört und verstanden. Sie lenkt die Kinder mit einer spannenden Geschichte ab. Ich überlege einen Moment.
Eigentlich können wir das auch gleich gemeinsam machen, dann muss ich nicht so oft rauf und runter klettern.
„Hannes? Steig doch bitte mal auf den Boden, wir können damit eigentlich sofort beginnen. Ich reiche dir einen Korb hinauf. Dort müssten einige Lumpen liegen, die kannst du alle da hinein tun."
Ungeschickt tüdelt Hannes nun an der Leiter über meiner Pritsche herum und tut so, als wüsste er nicht, wie er sie von der Wand nehmen oder hinstellen soll. Ich verberge mein Grinsen darüber, indem ich unter meine Pritsche krieche und den großen, fast leeren Korb hervorziehe, in dem Bauer Adams Kleidung war. Den reiche ich nun Hannes nach oben auf den Boden. Dort kann er in aller Ruhe überlegen, was zu Klaas, was zum Pastor und was unter meine Pritsche kommt.

Ich lasse Hannes oben wurschteln, greife mir den kleinen Sack mit Wintergemüse, den Hannes auch noch mitgebracht hat, und beginne, uns eine schöne, nahrhafte Suppe zu kochen. Bald schon kocht das Wasser, und ich kann das Wurzelgemüse zum Kochen hineingeben. Auch ein großes, frisches Brot kommt zum Vorschein. Susanna hilft mir und deckt mit kindlicher Freude für alle Löffel auf den Tisch, während ich dicke Scheiben vom Brot abschneide.

Oben gruschelt es vernehmlich. Ab und zu tut Hannes geschäftig und bringt mir einen Sack mit Saatgut, Heu oder Stroh herunter, den ich dann kurz angebunden an Haken über dem Stallgang hänge, damit die Mäuse ihn nicht erreichen können. Auch ein paar alte Bretter reicht er nach unten, morsche Seile, Zeugs. Der Schemel wandert nach unten unter die Pritsche. Die Bretter lehne ich neben dem Tisch an die Wand. Nach einer Weile händigt er mir von oben wieder den Korb aus. Der ist nun voll und schwer, aber ich schaffe es so grade, ihn die Leiter hinunter zu bringen und unter meine Pritsche zu schieben. Dann folgt ein Bündel, eingewickelt in die alte Decke, die ich für Hannes genutzt hatte, bevor ich ihn mit seinem warmen Mantel zudecken konnte.

Und schließlich zieht Hannes die Leiter ganz nach oben und trägt sie umständlich, rumpelnd und schimpfend zum Abstieg über dem Stallgang.
„Hannes, was machst du da?"
Ich muss rufen, um gegen den Lärm anzukommen. Hannes Kopf erscheint über dem Stallgang, er grinst zu mir rüber, fängt sich schnell wieder und schaut so ahnungslos wie ein Lamm herunter.
„Naja. Ik dacht ... Ik sollte ... doch hier rauf und runner. Also bring ik die Leiter her."
Ich schüttele den Kopf.
„Aber das wäre doch von hier unten aus viel leich ..."
Hannes völlig verständnisloses Gesicht bringt mich fast um. Also halte ich einfach mitten im Satz an und winke ab.
„Ist gut, Hannes. Das hast du richtig gemacht."
Während Hannes auf dem engen, niedrigen Boden versucht, die Leiter so zu bewegen, dass er sie tatsächlich drüben wieder runterschieben kann, beiße ich mir auf die Lippen und denke mir meinen Teil.
Himmel, muss der klug sein, dass er es so erfolgreich schafft, sich so dumm zu stellen!

In dem Moment kommt Pastor Crüger wieder herein, direkt gefolgt von Klaas. Klaas hört sofort das Gerumpel oben und schaut mich fragend an. Ich schaue möglichst ernst zurück.
„Hannes hat schon mal alles Gerümpel vom Dachboden geschafft, und nun bringt er die Leiter zur anderen Seite, damit er nicht immer über meiner Pritsche auf und absteigen muss."
Klaas starrt entgeistert in den Stallgang, wo Staub von der Bretterdecke rieselt.
„Äh – aber wieso da oben???"
Ich sehe ihn nicht an.
„Hannes meinte, das ginge besser so ..."

Klaas schüttelt fassungslos den Kopf. Oben wird derweil die Leiter über das Holz geschleift. Hannes scheint die Wende endlich doch vollbracht zu haben. Er schließt die Klappe am vorderen Einstieg, lässt dann hinten die Leiter runter und kommt zu uns.

Johann Crüger lässt sich von Hannes ein Bündel mit Dingen geben, die bei ihm verschwinden sollen. Er verabschiedet sich von uns und geht zum Mittagessen heim zu seiner Familie. Wir anderen setzen uns an den Tisch, auf dem nun der Topf mit dampfender Suppe steht. Ich gebe jedem eine Scheibe Brot und schaue zufrieden an meiner Tafel entlang.
Wann haben hier das letzte Mal so viele Menschen beisammen gesessen?
Allmählich sind Lene und Klaas, Hannes, die Kinder und ich wie eine große Familie, und das macht mich sehr, sehr glücklich. Susanna sitzt auf meinem Schoß, Jakob klettert auf Klaas Beine und dann spreche ich für uns das Dankgebet. Hungrig stecken wir reihum unsere Löffel in den großen Topf und lassen uns Suppe und Brot schmecken.

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14.12.2021

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