57 - mit Liebe gemacht

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MI. 9.5. a.d. 1571

Es ist Mittwoch Morgen, und ich habe kaum geschlafen. Irgendwann heute Nachmittag wird Hannes hier mit Gefolge auftauchen als neuer Lehnsherr. Der Knecht Hannes. Der Mann, dessen Untertan ich noch immer bin – und der Mann, den ich liebe. Ich habe keine Vorstellung, wie ich diesen Tag herumbringen soll, und ich mache lauter Unsinn, so nervös bin ich. Die Kinder wundern sich über meine Ungeduld, ich bin nicht gerecht heute. Also schicke ich schließlich Jakob und Susanna zu den Crügers und bitte sie, auf dem Wege das Peterle nebenan bei Irmel abzugeben. Ich muss einfach ein bisschen allein sein und den Kopf frei bekommen.
Kurz entschlossen spaziere ich in den nahen Wald unterhalb des Mühlenhügels. Wie von selbst bleibe ich stehen bei dem großen Findling, auf dem ich neulich mit Hannes und den beiden Schatullen gesessen habe, und lasse mich im Schatten der alten Bäume nieder.

Ob er wohl schon Nachricht von Vater hat? Aber das kann doch noch gar nicht sein. Wie er sich hier wohl wird anreden lassen? Wie der Knecht? Wie der Herr? Wie soll er Gerechtigkeit zwischen den Dörfern schaffen, wenn er hier Ausnahmen macht? Ach, ich weiß es einfach nicht! Guter Gott! Schenk mir Geduld, dass ich abwarten und mich einfach darauf freuen kann!

Gedankenverloren schlendere ich weiter und lande schließlich in den Rhuma-Auen an der Straße zur Grenze. Also beschließe ich, über die Grenzstraße nach Hause zu gehen. Als ich grade an der Kreuzung im Wald ankomme, sehe ich – Hannes und seine Begleiter auf den Wald zureiten.

Also muss es schon gegen Mittag sein. Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich so lange auf diesem Stein gesessen habe.
Ich warte noch ab, bis die Reiter und eine Kutsche mich eingeholt haben. In der Kutsche sitzt der alte Albrecht Bader, der ja Übergangsverwalter ist. Neben Hannes reiten zwei junge Männer, die sich ähnlich sehen.

Hannes hält an, um mich zu grüßen. Er zwinkert mir zu.
„Guten Tag, Anna. Wir sind auf dem Weg nach Wollershusen. Ich bin gespannt, denn da war ich ja noch nie. Wir werden in etwa drei Stunden dann nach Lütgenhusen kommen. Bis nachher."
Er tippt sich an den Hut zum Abschied und treibt Hurtig wieder an. Reiter und Kutsche biegen nach rechts nach Westen ab, während ich mich zu Fuß wieder nach Osten, nach Hause wende. Ich beeile mich nun, damit ich Irmel meinen kleinen Sohn wieder abnehmen kann.

Als ich am Hof der Krumms ankomme und eintrete, lächelt mir Irmel entgegen und hält ihren Finger an den Mund. Sie flüstert ganz leise.
„Peter schläft schon. Er hat sich tüchtig im Stall ausgetobt un war ganz mööd."
„Und wahrscheinlich auch tüchtig eingesaut, richtig?"
Ich lächele zurück und setze mich an den Tisch.
„Natürlich, so leicht kommst du mir nich davon. ... Geit es dir gut, Anna? Jakob hat vertellt, du wärst heut zu grantig, sie würd'n jetzt auswandern."
Wir müssen beide lachen und halten uns dann schnell die Münder zu, damit wir Peter nicht wecken.
„Ja, Irmel. Es geht mir gut. Aber Jakob hat schon recht. Ich hab sie ja selbst weggeschickt, weil ich so neben mir gestanden habe. Heut kommt doch 'unser neuer Lehnsherr', um sich vorzustellen. Und ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Es ist alles so seltsam."
Irmel nickt verständnisvoll.
„Aber der Spaziergang im Wald hat mir gut getan. Einfach mal den Kopf lüften."

„Sin Jakob un Susanna bei Cristoph un Evch'n?"
„Ja, da stecken se ja eigentlich immer. Aber ich will sie jetzt einsammeln gehen. Ich muss mich wirklich bei ihnen entschuldigen, dass ich heute Morgen so gnaddelig war."
Ich stehe auf und wende mich zur Tür.
„Dank dir, Irmel, dass du mir immer einfach so hilfst."
Ich spaziere die Dorfstraße entlang, grüße rechts und links die Nachbarn und springe noch schnell in das Haus vom Vogt, um ihm Hannes anzukündigen. Der kriegt blitzende Augen und schickt gleich den Siegfried rum.
„Segg all'n, dat wir am Nachmittag Tisch un Bänk am Dorfbrunn'n aufbau'n. Wir woll'n doch unser'n 'Knecht' un seine Männers mit een'm gemütlich'n lütt'n Schmaus empfang'n."

„Ich sag gleich auch im Pfarrhaus Bescheid!"
Ich gehe an der Kirche vorbei zu Crügers und betrete Birgittas Küche. Da sitzen meine beiden Großen neben ihren Spielkameraden und löffeln eifrig eine dicke Suppe. Birgitta steht gleich auf, holt einen weiteren Napf und Löffel und heißt mich, neben ihr Platz zu nehmen. Sie schmunzelt.
„Und? Hast du deine Flatternerven wieder eingefangen?"
Ich schaue etwas beschämt zu meinen beiden Kindern.
„Ich habe einen langen Spaziergang gemacht. Gottes schöne Natur beruhigt meine Nerven noch immer am besten."
Ich danke im Stillen für das Mahl und genieße dann auch die gute Suppe.

„Der Drebber lässt ausrichten, dass wir alle am Nachmittag um den Dorfbrunnen Tische und Bänke aufstellen sollen, damit wir den 'neuen Lehnsherrn' gebührend empfangen können. Jeder bringt, was er hat."
Pastor Crüger beteiligt sich nun auch am Gespräch.
„Oh, das ist eine sehr gute Idee. Denn er wird sicher den neuen Verwalter dabeihaben, vielleicht schon einen neuen Steuereintreiber. Die sollen uns hier doch gleich von unserer besten Seite kennen lernen. Und so wird es auch für uns alle leichter."

Vor allem für Klaas und für mich. Wobei Klaas ja sehr ungezwungen damit umgeht. Aber ich ... Ich weiß einfach überhaupt nicht, wie ich mich benehmen soll. Ich werde abwarten müssen, was Hannes macht. Wie er sich vorstellt. Ich mache ihm dann einfach alles nach.

Nach dem Essen greife ich nach meinen beiden Kindern.
„Kommt, wir wollen Blumen pflücken am Wegrand. Wenn nachher die Tische aufgebaut sind, können wir die Blumen daraufstellen und es für Hannes so richtig schön machen."
Wir spazieren an den Feldern beim Dorf entlang und pflücken, was der Frühling uns entgegenstreckt. Dann gehen wir nach Hause, nehmen Becher und Krüge und stellen die Blumen in kleinen Sträußen darein.

Schnell nehme ich die beiden noch auf meinen Schoß.
„So, ihr beiden. Und nun muss ich mich recht doll bei euch entschuldigen, dass ich heute Morgen so ungeduldig und grantig war. Sonst wandert ihr mir wirklich noch aus."
„Weißt du, Mutter, wir wollen ja gar nicht auswandern. Aber manchmal ist es wirklich nicht zum Aushalten mit dir."
Mit toternster Miene höre ich dem empörten Jakob zu und nicke verständnisvoll. Wenn er versucht, wie ein Erwachsener zu sein, ist er einfach zu komisch.
„Also entschuldigt bitte, das war nicht recht. Bleibt ihr jetzt bei mir?"
Schnell haben mich vier zarte Kinderarme umfangen und drücken mich fest.
„Dann lasst uns losgehen mit unserer Blumenpracht."

Am Dorfbrunnen beginnt nun Geschäftigkeit. Der Schmied ist mit seinen Männern schon dabei, Tische und Bänke aus der Schenke zu tragen. Manch Hausfrau kommt mit bunten Tüchern, um die Tische abzudecken. Und meine Kinder stellen auf jeden Tisch ein Glas mit Blumen. Jakob legt den Kopf schief und schaut sich die Tische an. Es rattert sichtbar hinter seiner Stirn. Dann macht er auf dem Absatz kehrt, geht an der Kirche vorbei zur Allmende und fängt an, sich zu bücken. Als er wieder zurück kommt, sehe ich, dass er in seinem Kittel lauter kleine Steine gesammelt hat. Damit stapft er zum Brunnen, zieht mit all seiner Kraft einen Eimer voll Wasser hoch und schmeißt die Steine dort hinein.

Will er die waschen???
Jetzt ruft er Susanna und auch den Cristoph, der grade aus dem Pfarrhaus geflitzt kommt. Evchen kommt hinterdrein, und zu viert legen die Kinder nun nach Jakobs Anweisungen ganz sorgfältig kleine Kringel aus Steinchen um jedes Blumenglas.
Da die Steine nicht reichen, ziehen sie zu viert wieder los und kommen mit prall gefüllten Kitteln und Schürzen wieder. Auch diese Steine werden gewaschen. Und da es nun viel zu viele sind, legen sie auf jeden Tisch eine lange Reihe mit dem jeweiligen Blumenglas in der Mitte. Sehr zufrieden betrachten sie 

ihr Werk. 

Ich stelle mich dazu und staune mit ihnen.
„Das habt ihr einfach wunderschön gemacht. Hannes wird sich riesig darüber freuen. Aber jetzt möchte ich euch bitten, den Brunneneimer wieder von dem Schlamm zu befreien. Holt euch kleinere Eimer oder Krüge, und dann tragt ihr das Wasser einfach zu den Blumen an den Wegrändern. Solange, bis der Brunneneimer wieder ganz klares Wasser hat."
Da es noch ein bis zwei Stunden dauern wird, bis Hannes kommt, ist das die beste Möglichkeit, gleichzeitig Verantwortung zu üben und die Zeit zu vertreiben. Die vier spritzen los und fragen die Schmiedin, ob sie ein paar Krüge haben dürfen. Erst müssen sie wohl erklären, wofür sie die brauchen. Und dann schütten sie eifrig Wasser in Krüge und Wasser auf Blumen. Dreimal holen sie den schweren Eimer von neuem hoch, bis das Wasser darin wieder ganz sauber ist. Die Kinder sind dafür staubig, pitschenass, eindeutig nicht mehr vorzeigbar und wunschlos glücklich. Da wir sie aber sowieso jetzt niemals in ein Haus bekämen vor lauter Aufregung, lassen wir sie so, wie sie sind, zum Dorfrand ziehen, wo sie zwischen den Hecken und Büschen spielen. In der Sonne trocknen die Kleider sicher am schnellsten.

Ich gehe derweil noch einmal nach Hause, koche Tee, räume auf und sehe nach den Ziegen. Unser neues Zicklein macht sich ganz prächtig. Die Kinder haben darauf bestanden, es Zuck zu nennen, damit der Name zu den Eltern passt. Warum auch nicht? Susanna liebt all unsere neuen Jungtiere, schleppt sie dauernd mit sich herum und knuddelt sie durch, bis sie ihr davonlaufen.

Freiheit für Jedermann

Mi. 9.5. a.d. 1571

Auf einmal höre ich einen lauten langen Schrei von draußen und eile zur Tür. Jakob ist vom Wegrand aufgesprungen und rennt,, so schnell er kann, Richtung Wald.
„Haaaaannnneeeeeeeesss!"
Ich muss lachen. Die Reiter sind noch gar nicht ganz raus aus dem Wald, da muss Hannes schnell Hurtig zügeln und abspringen, damit Jakob dem Pferd nicht vor die Hufe rennt. Er wirft die Zügel zu seinem Nachbarn, geht in die Hocke und fängt Jakob auf. Er läuft noch Susanna entgegen, nimmt beide Kinder auf den Arm und dreht sich zu seinen Begleitern um.
„Hab ich es nicht gesagt? Ich werde es sicher nicht allein bis zum Dorfplatz schaffen. Und hier sind sie. Jakob und Susanna."
Dabei schüttelt er erst das eine dann das andere Kind in seinen Armen so richtig durch. Die beiden fangen an zu kichern.
„Meine Herren! Darf ich Euch willkommen heißen in Lütgenhusen, meiner zweiten Heimat. Wundert Euch nicht, dass hier alles ein bisschen anders ablaufen wird. Die Lütgenhusener stottern auch nicht. Sie können sich nur nicht entscheiden, wie sie mich eigentlich nennen wollen."

Danke, Hannes. Jetzt weiß ich, wie du es halten willst. Du bist hier immer noch Hannes, und wir dürfen uns ganz ungezwungen benehmen. Deutlicher geht es nicht.

Die beiden jungen Männer steigen nun auch ab, der eine löst Konrad auf dem Kutschbock ab, und der übernimmt Hurtig. Hannes läuft mit meinen beiden vor Vergnügen quietschenden Kindern auf den Armen die Dorfstraße entlang und begrüßt strahlend all die Menschen, die nun aus den Häusern gelaufen kommen. Seine Begleiter folgen ihm. Cristoph und Evchen sind schon nach Hause geflitzt. Ich gehe schnell in meine Kate, greife mir den Tee und ein paar Becher und mache mich auch auf zum Dorfplatz. Dort füllen sich schnell die Tische mit all den kleinen Speisen, die die Hausfrauen mitbringen.

Dann stellen sich alle ehrerbietig am Rande des Platzes auf, Irmel hat den verschlafenen Peter auf dem Arm. Ferz hilft Albrecht Bader aus der Kutsche, Kunz hilft Konrad mit den Pferden und dann kommt Hannes mit seinen drei Begleitern zu den Tischen am Brunnen, wo er vom Drebber und von Pastor Krüger empfangen wird. Von der anderen Dorfseite her kommt Klaas mit der Lene, setzt sie auf eine der Bänke und geht als einziger einfach auf Hannes zu.
„Hannes. Wie schön, dich wiederzusehen!"
Hannes lacht, und die beiden umarmen sich herzlich, mit meinen Kindern mittendrin, die er wohl gar nicht mehr loslassen will heute.
Ich habe mir derweil die drei Männer angesehen. Bader schmunzelt die ganze Zeit vergnügt vor sich hin. Aber er arbeitet ja nun auch schon seit Wochen mit Hannes zusammen und hat ihn drei Tage lang mit den Kindern erlebt. Die beiden Jüngeren dagegen sind stumm und staunen mit großen Augen, was um sie herum geschieht. Abwechselnd huschen Verwirrung, Ärger und Neugierde über ihre Gesichter. Als Klaas Hannes umarmt, flüstern die beiden Fremden miteinander, und der Größere der beiden sieht nun etwas entspannter aus.

Hannes bittet seine Begleiter, Platz zu nehmen und winkt die Dörfler heran.
„Setzt euch bitte. Ich danke euch von Herzen für diesen liebevollen Empfang."
Murmelnd und knicksend oder verbeugend gehen nun alle zu den Tischen und schieben sich auf die Bänke. Drebber und Crüger setzen sich zu Hannes. Der winkt noch Klaas zu sich an den Tisch und schaut sich dann suchend um. Als sein Blick auf mich fällt, lächelt er nur und winkt mich mit einer kleinen Kopfbewegung herüber. Also gehe auch ich zu dem Tisch, knickse vor den Herren und setze mich dazu.

Hannes dankt für Speis' und Trank und bittet alle zuzugreifen.
„Darf ich vorstellen, meine Herren? Ich habe Euch ja gestern ausführlicher erzählt, was hier in den letzten Jahren und insbesondere im letzten halben Jahr geschehen ist. Das sind die Menschen, die mein Leben gerettet und bewahrt haben. Neben Euch, Bader, sitz Vogt Joseph Drebber. Vielleicht kennt Ihr Euch noch von früher. Neben Euch, Gert Maier, sitzt unser Pastor Johann Crüger. Neben Euch, von Thaden, sitzt Jungbauer Klaas Rand, neben mir sitzt die Witwe Anna Adam. Und das hier auf meinen Armen ...
– ach, die hab ich ja schon vorgestellt. So, ihr Zwei. Dann hüpft mal wieder runter und geht zu euren Freunden. Ich habe nachher nochmal Zeit für euch."

Als nächstes stellt er dem ganzen Dorf die Männer vor. Der alte Bader bekommt manch freundlichen Blick des Erkennens zugeworfen. Mit unverhohlener Neugierde dagegen betrachten alle den hochgewachsenen Gunther von Thaden, der nun als neuer Verwalter eingearbeitet wird, und seinen Vetter Gert Maier, der als seine rechte Hand und der neue Steuereintreiber vorgestellt wird. Eine ganze Weile wird gegessen und getrunken und geplaudert. Von Thaden und Maier gehen dabei einmal an jeden Tisch und sprechen mit den Menschen direkt.

Oh ja – diese Männer passen zu Hannes.

Als aller Durst gestillt ist und die Kinder schon unruhig loshüpfen und um den Brunnen Fangen spielen, begeben sich schließlich Hannes, Bader, von Thaden, Maier und unser Vogt in dessen Arbeitsstube, um nun alles Geschäftliche miteinander zu besprechen. Die Hausfrauen räumen in der Zwischenzeit den Dorfplatz wieder auf und fangen ihre hibbeligen Kinder ein.
Zwei Stunden später werden alle Männer zur Dorfehrbarkeit zusammengerufen, dazu diesmal auch Müller und Schmied. Ich bringe meine Kinder zur Drebberin und stelle mich mit in den Saal. Hannes nötigt uns wie immer, uns zu setzen. Und nun wird uns von Vogt Drebber und Herrn von Thaden verkündet, wie es in Zukunft gehalten wird: Alle Höfe, Flurstücke, alles Vieh und Gerätschaften werden gesichtet. Aller enteignete Grund wird zurückgegeben. Alle durch Verschuldung unfrei gewordenen Bauern erhalten ihre volle Freiheit wieder. Jeder soll eine Starthilfe und, soweit es möglich ist, genug Land bekommen, um davon leben zu können. Von Thaden und Maier haben von den Dorfvögten einige Unterlagen zu den Besitzverhältnissen bekommen, werden dazu Vorschläge ausarbeiten und demnächst wiederkommen, um dann mit allen die neuen Besitzverhältnisse zu besprechen und festzuschreiben. Und alle Steuern werden gesenkt auf das normale Maß zu Zeiten der von Minnigerodes.

Sprachlose Stille beherrscht den Raum. Manch heimliche Träne fließt. Einer nach dem anderen erheben sie sich und verbeugen sich vor Hannes. Vogt Drebber stellt sich neben Hannes und fängt an zu sprechen.
„Ha... Ho... - Herr, Ihr vergeltet Treue un Bewahrung mit Großmut un Sicherheit. Wir könn'n nich genug dank'n. Wir möcht'n ..."
Hannes hat erst den Kopf geschüttelt, dann angefangen zu lachen und fällt nun dem Drebber ins Wort.
„Papperlapapp, Drebber. Wann werdet Ihr Euch endlich trauen, das alberne 'Ho...' und 'He...' zu lassen? Bitte! 'Hannes' und 'Ihr, Euch' meinetwegen. Und wenn Ihr das unbedingt braucht, dann tobt Eure Hochachtung an diesen drei Herren aus. Sie werden alle Bücklinge dankend entgegennehmen."
Damit wendet er sich an die anwesenden Bauern.
„Die drei Herren werden euch jetzt etwas ausführlicher informieren, wie es mit Steuern, Diensten und all dem anderen in den nächsten Wochen weitergehen wird. Und ich empfehle mich nun, denn ich habe noch einen Besuch versprochen."
Er nickt allen zu, lächelt freundlich und geht zum Ausgang. Dort greift er meine Hand, bevor ich es verhindern kann, zieht mich in die Küche und sammelt mit mir die Kinder ein. Fröhlich ziehen wir die Dorfstraße entlang, so wie wir es den ganzen Winter lang gehalten haben. Und alles fühlt sich richtig an.

Zu Hause stelle ich Teekrug und Becher auf den Tisch, wir setzen uns und Hannes fängt an, mit den Kindern zu spielen. Er muss Jakobs Schreiberei bewundern, mit dem Peterchen Kitzelspiele spielen und mit Susanna singen. Alles ist so vertraut. Ich schaue ihm einfach zu und genieße. Nach einer Weile hat Hannes dann auch Luft und Zeit für mich.
„Hannes, hast ..."
„... du schon was von meinem Vater gehört? Nein, Anna. Habe ich noch nicht. Aber nun kann es nicht mehr lange dauern."
Kurz drückt er meine Hand.
„Aber ich wüsste stattdessen gerne, wie es für dich war als mein Gast in Gieboldehusen. Hast du dich wohl gefühlt? Oder war es gar zu fremd?"

Ich lausche kurz in mich hinein, obwohl ich die Antwort schon kenne.
„Nein, das war alles gut so. Ich habe mich der Situation gewachsen gefühlt und bin mit sehr viel Freundlichkeit behandelt worden. Auch Linde übrigens. Ich habe ihr ein Taschentuch umstickt und ihre ein paar Pfennige als Lohn gegeben. Da hat sie mir gebeichtet, dass sie auch gerne Lesen und Schreiben können würde. Sie hat ja bis zur Konfirmation nur noch zwei Jahre, aber die Grundlagen könnte sie bis dahin schon noch lernen. Und sie hat sich so mit Lina angefreundet, dass sie mir inzwischen gebeichtet hat, dass sie gerne meine Zofe werden würde, wenn ich wirklich eine Gräfin werde."
Hannes zieht eine Augenbraue hoch.
„Ich fand den Moment süß. Es war ihr ein bisschen peinlich, sie wusste nicht recht, ob sie zu unverschämt ist dabei, aber dennoch haben ihre Wangen vor Eifer geglüht. Die Eltern Ferz haben darüber nachgedacht und würden es auch erlauben."

Hannes nickt. Und plötzlich stutzt er.
„Und jetzt sag mir nicht, dass die Ferzens sie ohne dich nach Gieboldehusen gehen lassen würden. Die gehen schon fest davon aus, dass du zu mir kommst. Dass Linde dich zur Seite hat und unter deinen Fittichen erwachsen werden kann. Sonst würden die das doch nie erlauben!"
Ich werde ein bisschen rot.
„Da ... hast du recht, Hannes. Ich habe ihnen auch reinen Wein eingeschenkt, und wir sind so verblieben, dass wir abwarten, was nun mit meinem Vater wird."

Wir setzen uns auf die Bank vorm Haus in die Sonne, damit wir mitbekommen, wenn der Aufbruch naht. Eine Weile plaudern wir noch, bis Konrad mit Hurtig ankommt, die beiden Vettern mit den anderen Pferden und Bader in der Kutsche folgen ihm auf dem Fuße. Hannes steigt auf und wendet sich ein letztes Mal zu mir.
„Ich melde mich, sobald ich etwas höre. Hab nur noch ein wenig Geduld, dann wissen wir mehr."
Er winkt meinen Kindern zu und reitet mit seinen Begleitern zurück in den Wald. Nach Hause. Nun heißt es für mich wieder warten.

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11.2.2022

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