59 - Ausflug aufs Land

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So. 20.5. a.d. 1571

Am Pfingstsonntag haben wir einen Ausflug geplant, denn die Kinder kennen die Falknerei noch nicht, und auch Vater hat danach gefragt. Also lässt Hannes nach dem Frühstück zwei Wagen anspannen, Frau Jansen gibt uns einen Korb voller Leckereien und ein paar Decken mit, und bald schon rollen wir aus dem nördlichen Stadttor. Es hat sich ergeben, dass Vater seine Enkel bei sich haben wollte und darum auch Linde in die größere Kutsche mit eingestiegen ist. Die Kinder sind ganz neugierig und freuen sich über jede Kleinigkeit am Wegesrand.

Hannes und ich sitzen also in der kleineren Kutsche, und wir folgen den anderen ganz gemächlich. In stiller Einigkeit genießen wir die Fahrt. Ich sehe immer wieder in die Kutsche vor uns. Es macht mich so sehr glücklich, dass Vater tatsächlich den kleinen Jakob genauso behandelt und als seinen Enkel ansieht wie die beiden anderen. Und selbst die sind zwar von mir geboren, aber weit unter Stand. Ich sehe, wie er auf die Entdeckungen und Fragen der Kinder eingeht, und freue mich über sein großes Herz.

Immer weiter wandern meine Gedanken. Vater wird sicher dafür sorgen, dass ich legitimiert werde, damit ich Sicherheit habe und auch ihn beerben kann. Er wird sicher bald wieder nach Hause wollen, denn er hat dort ja auch Pflichten. Aber er hat bisher mit keinem Wort angedeutet, dass ich mitkommen soll. Im Gegenteil, er hat mir Mut machen wollen, Hannes zu heiraten. Es wird mir sehr schwer fallen, mich von ihm zu trennen. Wer weiß, ob und wann wir uns wiedersehen werden. Wenn er krank wird, würde es eine Woche mindestens dauern, mich zu benachrichtigen und dort hinzureisen. Und von meinem Dorf aus wäre es schon gleich ganz unmöglich in einer brauchbaren Zeit.

Ich denke an meine Kinder. An die ärmliche Kate, den kleinen Acker, die zarte, verträumte Susanna. Ich denke an Jakobs Lerneifer. Ich denke auch an Lindes Wunsch zu lernen und ihre Geschicklichkeit mit den Kindern. Es ist ein sehr seltsamer Gedanke. Aber wenn ich Hannes heirate, dann bin ich geborgen, geliebt, und ich darf in Zukunft sticken, was ich will, ich werde mir nie wieder den Rücken fürs Überleben krummschuften müssen. Ist das nicht für die Kinder auf jeden Fall besser? Meine Angst, wir würden hier gering behandelt, hat sich jedenfalls nicht bewahrheitet. Wir sind umgeben von freundlichen Menschen, die uns wohlwollen. Grade Frau Jansen bringt mir so viel Achtung entgegen, fragt mich um Rat, sucht meine Nähe. Es ist wundervoll zu sehen, wie diese Frau sich verändert hat. Ich spüre, wie mein Widerstand nachlässt, wie ich den Gedanken an ein Leben an Hannes Seite, ein Leben in seinem Schloss allmählich zulassen kann.

„Anna?"
Nur mühsam holt mich Hannes leise Stimme aus meinen Gedanken.
„Wir sind da."
Er schaut mich so warm und weich an, dass sich mein Herz mit Glück füllt. Dann hilft er mir galant aus der Kutsche und reicht mir seinen Arm. Wir begeben uns zur anderen Kutsche. Hannes hilft allen kleinen und großen Ausflüglern aus dem Wagen, und dann gehen wir die letzten Meter zu Fuß. Vater hat Jakob und Susanna an den Händen und plaudert mit ihnen. Wir lassen uns von Hannes den kurzen Weg zur Falknerei zeigen. Dem Falkner Adler sind wir angekündigt worden. Er hat bereits mehrere Vögel aus den Volieren geholt und vorbereitet. An der Seite einer großen Wiese stehen ein paar Bänke und Tische für uns, eine Plane ist darüber gespannt, damit wir nicht der Sonne ausgesetzt sind.

Wir begrüßen Herrn Adler und lassen uns nieder. Die Kinder sind ganz aufgeregt. Adler zeigt ihnen einen Bussard und einen Falken, erklärt ihnen, warum die Vögel Kappen auf den Augen haben. Und dann lässt er die Tiere fliegen. Majestätisch schwingen sie sich in die Lüfte, lassen sich von der Luft tragen und landen auf der Hand seines Gehilfen. Mit einem Stückchen Futter in seiner Hand lockt er die Vögel dann wieder zurück. Staunend starren Susanna und Jakob in den Himmel und beobachten, wie die Tiere auf dem Wind segeln. Wie der Falke rüttelt, um auf der Stelle zu stehen. Später nimmt Adler einen Vogel auf die Hand und lässt die Kinder sein weiches Gefieder streicheln. Er breitet sanft einen Flügel des Bussards aus, damit die Kinder die feine Gefiederzeichnung bewundern können.

Als Adler die Vögel wieder in ihre Volieren bringt, läuft Jakob nebenher und stellt ihm einhundert neugierige Fragen, die der geduldige Mann gerne beantwortet. An unseren Tischen packen wir anderen schonmal unseren Korb aus und freuen uns an den Kuchen, dem Obst, dem Saft für die Kinder und dem Wein für uns Erwachsene. Das Peterle ist eingeschlafen, darum lege ich ihn auf einer Decke in den Schatten. Wir anderen danken für die Köstlichkeiten und lassen es uns dann schmecken. Aufgeregt kommt Jakob nun auch wieder angeflitzt und erzählt mit glänzenden Augen, was er bei den Vögeln am Schönsten gefunden hat.

Nach einer Weile sind wir alle satt und ein bisschen faul. Auf einmal klingelt Vater an seinem Glas und erhebt sich. Ich habe keine Ahnung, was er vorhat, aber da sehe ich Hannes zufrieden schmunzeln. Vater schaut mich mit all seiner Liebe an. „Meine liebe Anna! Dem Brief, den Deine Mutter dir geschrieben hat, konnten wir entnehmen, dass Du am zwanzigsten Mai Geburtstag hast. Und der zwanzigste Mai ist ... heute. Ich gratuliere dir von ganzem Herzen. Wir sind sehr, sehr glücklich, dass du ein Teil unseres Lebens bist. Wir haben überlegt, womit wir dir eine Freude machen können. Wir waren uns einig, dass du Geschenke wie Schmuck nicht annehmen würdest, denn du bist stolz. Darum haben wir diesen Ausflug geplant in der Hoffnung, dir damit eine Freude bereiten zu können."
Mir treten die Tränen in die Augen vor Rührung. Ich habe ja selbst nie gewusst, wann ich genau Geburtstag habe, und darum nicht darauf geachtet. Aber Vater und Hannes haben es gemerkt und mir in der Tat eine große Freude damit gemacht.
„Ich danke euch so sehr. Es ist ein wunderschöner Tag für mich. Alle, die mir lieb und wert sind, sind bei mir. Ein größeres Geschenk konntet ihr mir gar nicht machen."

Als Jakob begreift, dass heute mein Geburtstag ist, zieht er Susanna hoch von der Bank, flüstert ihr was ins Ohr und läuft dann mit ihr zum Weg. Ich kann sehen, dass sie Blumen pflücken, und schaue schnell wieder weg, damit ich den Kindern die Überraschung nicht wegnehme. Nach einer Weile stehen sie wieder vor mir, und Jakob verbeugt sich würdevoll.
„Wir haben dich lieb, Mutter!"
Susanna streckt mir mit ihren kleinen Händen die wilden Blumen entgegen. Nun laufen mir doch die Tränen der Rührung und der Freude über das Gesicht. Ich nehme meine beiden Großen auf den Schoß und drücke sie einmal ganz fest.
„Ich danke euch von Herzen. Ihr seid einfach wunderbar! Und die Blumen sind wunderschön."

Als Peter wachgeworden ist und auch etwas gegessen hat, packen wir unsere Sachen zusammen und machen uns auf den Heimweg. Dieses Mal steige ich zu den Kindern und Linde in die große Kutsche, und Vater sitzt bei Hannes. Die Kinder sind ausgetobt und kuschelig und Linde beschäftigt sich still mit ihnen. So kann ich meinen Gedanken wieder freien Lauf lassen.

Ich habe heute Geburtstag, sie haben es gemerkt und sie haben sich Gedanken gemacht, worüber ich mich freuen würde. Seit ich vor sieben Jahren das Waisenhaus verlassen musste, hat mich niemand mehr gefragt, was mir gefallen würde. Und es ist ein wunderbares Gefühl, gesehen zu werden. Wenn ich zurückdenke an die schöne Zeit mit meinem vergesslichen Knecht Hannes, und dann daran, wie unglücklich ich war ab dem Moment, wo er fort war. Wie schwer es mir fiel, ihn innerlich gehen zu lassen, wie sehr ich mich nun wochenlang gequält habe mit dem ganzen gedanklichen Hin und Her, diesem inneren Streit zwischen Liebe und Verantwortung - und wie geborgen und einfach wohl ich mich jetzt in der Gegenwart dieser beiden Herren fühle – auf einmal frage ich mich, warum ich eigentlich noch zögere. Es war nicht vorhersehbar, aber da mir dieses Leben nun offen steht, sollte ich es dankbar und glücklich annehmen.
Angesichts dieser großen Freude über meinen Vater, den angenehmen Gegenwart von Hannes und der vielen Aufmerksamkeiten und Freundlichkeiten von allen Menschen hier werden meine wirren Gedanken der letzten Monate leiser, und endlich macht sich wieder eine Ruhe und Zuversicht in mir breit.

Ich seufze einmal auf und atme tief durch. Da die Kinder noch immer mit Linde beschäftigt sind, schließe ich meine Augen und bringe meine Erleichterung, Freude und Dankbarkeit ins Gebet. Endlich kann ich mein umgekrempeltes Leben annehmen. Endlich kann ich eine Entscheidung fällen. Und endlich darf ich ja sagen zu Hannes, was ich mir so sehnlich gewünscht habe.

Danke, guter Gott, dass Du meinen Weg führst und mein Leben reich und gut machst!

Als wir wieder am Schloss angekommen sind, springen die Kinder sogleich wieder los, aber Linde und ich bremsen ein wenig und bringen erst einmal alle Drei nach oben, um ihnen Hände und Gesicht zu waschen. Im oberen Flur begegnen wir Almuth Jansen, die uns allen freundlich entgegenlächelt. Sogleich springt Jakob auf sie zu und sprudelt seine Erlebnisse heraus. Frau Jansen geht in die Hocke und nimmt sich Zeit für Jakob und Susanna und bestaunt gebührend ihr neu gewonnenes Wissen über die Vögel.

Ich bedanke mich herzlich bei ihr für den reich mit Köstlichkeiten gefüllten Korb, übergebe ihr die Blumen, die die Kinder mir gepflückt haben, und schiebe dann meine Kinder in unser Zimmer, damit wir alle uns vom Staub der Straße säubern und ein wenig frisch machen können. Bis zum Abendessen ist es noch einige Zeit, die wir mit den Kindern im Spielzimmer verbringen. Hannes hat etwas mit Bader und von Thaden zu besprechen, aber Vater lässt sich einen bequemen Stuhl hereinbringen und setzt sich auch zu uns. Sein Strahlen, wenn er Zeit mit den Kindern verbringt, macht mich glücklich. Und immer wieder sagt er mir, dass diese wundervollen Kinder ihn versöhnen mit der langen Zeit der Einsamkeit und Sehnsucht nach einer Familie.

Als es Zeit ist, sich für das Abendessen umzukleiden, kommt Hannes dazu und teilt uns mit, dass Linde und die drei Verwalter mit den Kindern in einem anderen Raum essen werden. Lina wird Linde dabei unterstützen. Also werden es nur Vater, Hannes und ich sein, die miteinander speisen. Da dieser Tag schon so sehr voller Überraschungen war, wundere ich mich nicht mehr. Sie werden noch etwas geplant haben. Schnell gehe ich in mein Zimmer und ziehe ein eher festliches Kleid an, das Frau Bünte diese Woche fertiggestellt und geliefert hat. Es ist tiefblau.

Und nun besehe ich mir zum ersten Mal den Schmuck meiner Mutter. Ich breite die kostbaren Kleinodien auf meinem Bett aus und bewundere die herrlichen Stücke. Ich finde dabei auch einen Ring und eine Kette mit blauen Steinen und klerinen Perlen, dazu mehrere kostbare Spangen, mit denen ich mir ein feines Spitzentuch statt Haube in meine neu gerichteten Haare stecke. Ich betrachte mich im Spiegel und fühle mich innerlich und äußerlich so festlich wie noch nie in meinem Leben.

Halt es fest, das Glück!

SO. 20.5.1571

Anna hat sich so sehr gefreut über die Überraschung zu ihrem Geburtstag. Sie hat das ja selbst nicht gewusst, aber dass wir an sie gedacht und sie gefeiert haben, war für sie tatsächlich das schönste Geschenk.
Ich lasse mir von Seiler einen der wenigen festlichen Anzüge zurechtlegen und mich dann ankleiden. Ich trete aus meinem Zimmer auf den Flur, sehe, dass von Brabeck bereits auf dem Weg nach unten ist, nicke kurz Barkhausen und Jansen in der Halle zu und hole Anna an ihrem Zimmer ab. Erst, als wir oben an der Treppe stehen, bemerkt Anna, dass die ganze Halle voller Menschen ist.
Sie erschrickt ein wenig.
„Hannes, was ist ... warum ..."
In diesem Moment fangen die Bediensteten an zu klatschen, und ich geleite Anna an meinem Arm hinunter in die Halle. Alle verbeugen sich vor Anna. Sie überreichen ihr einen herrlichen Strauß Pfingstrosen aus dem Park, die genau rechtzeitig zu diesem Fest aufgeblüht sind. Dann treten ein paar Menschen vor und sagen Anna Dank, stellvertretend für alle, weil Anna allein mit ihrer Anwesenheit und ihrem Singen im März allen so gut getan hat.

Zum Abschluss spricht auch Almuth Jansen ein paar Worte.
„Liebe Frau Adam. Ihr werdet jetzt sicher sagen, dass Ihr doch sowieso immer singt und das nichts besonderes sei. Lasst Euch versichern, dass in den letzten Jahren in diesem Haus niemand mehr gesungen hat. Wir haben hier nichts so sehr dringend gebraucht wie einen Menschen, der seine Zuversicht und seinen Mut noch nicht verloren hatte. Ohne Euch würde unser Herr nicht mehr leben, und wir wären auf ewig dem Brudenhusen ausgeliefert. Wir können Euch gar nicht genug unsere Dankbarkeit ausdrücken dafür, dass Ihr Euer Leben für das Seine gewagt und uns alle damit erlöst habt!"
Anna strahlt, schlägt die Hände vors Gesicht - und beginnt zu weinen. Aber es sind Tränen des Glücks und vielleicht auch der Erschöpfung nach diesen aufwühlenden Monaten. Sie fasst sich schnell wieder und bedankt sich bei allen ganz herzlich für ihre freundliche Aufmerksamkeit. Dann gehen von Brabeck, Anna und ich in den Speisesaal, in dem eine festliche Tafel gedeckt und alles mit Kerzen hell erleuchtet ist. Wir bekommen ein wunderbares Mahl gereicht und genießen die Köstlichkeiten in vollen Zügen. Der Wein funkelt in den Gläsern, edle Gewürze duften und wir plaudern zwanglos und vergnügt durch den Abend. Nach dem Mahl ziehen wir beiden Herren uns kurz ins Herrenzimmer zurück, während Anna sich in das Damenzimmer begibt.

Aber ich halte es nicht lange ohne sie aus. Also gehen von Brabeck und ich zu ihr hinüber. Als wir leise eintreten, sehen wir Anna still am Fenster stehen und in den dämmrigen Garten sehen. Ganz ruhig steht sie dort. Anna ist heute schon den ganzen Tag so still und verträumt. Aber überhaupt nicht angespannt oder grüblerisch. Es scheint ihr wirklich gut zu gehen mit ihren neuen Lebensumständen.
Und auf einmal habe ich den Mut, es zu wagen.

Leise gehe ich zu ihr hinüber und greife ich nach ihrer Hand.
„Anna?"
Sie wendet sich mir zu und lächelt mich an.
„Ja?"
„Ich ... möchte dir eine Frage stellen."
Sie schaut mir in die Augen – und Verstehen huscht über ihr Gesicht. Ich will schon wieder zum Sprechen ansetzen, aber da hält sie mir schnell den Mund zu.
„Warte, nur ganz kurz."
Sie schließt die Augen. Ich weiß nicht, wie lange für Anna „ganz kurz" ist. Aber ich weiß, dass ich nun geduldig sein muss.
„Frag."
Fast unhörbar haucht sie nur das eine Wort. Sie hält meine Hand dabei ganz fest und sieht mich nicht an.

„Anna, ich möchte dich bitten, meine Frau zu werden."
Schweigen.
„Ich möchte dich heiraten, weil ich mir ein Leben ohne dich und deine Kinder nicht mehr vorstellen kann."
Und ich begreife, dass ich nun nicht werben muss. Einfach ihr Zeit lassen muss.
Dann sieht sie mich an, und während ihr Gesicht von einem Strahlen überzogen wird, gibt sie mir endlich, endlich die ersehnte Antwort.
„Von ganzem Herzen gern, Hannes."
Ich nehme sie einfach in die Arme und halte sie ganz fest. Ich kann vor lauter Glück nichts mehr sagen. Aber das muss ich auch nicht, denn Anna versteht, so wie sie all die Monate verstanden hat, was ich nicht gesagt habe oder sagen konnte.

Als wir uns in den Raum wenden, sehen wir die Augen des alten Mannes leuchten und schimmern von Glückstränen.
„Herr von Brabeck? Darf ich nun auch Euch ganz offiziell um den Segen für Eure Tochter und für mich bitten?"
Er hatte sich still in einen Sessel gesetzt. Nun steht er auf und kommt uns entgegen.
„Es gibt nichts mehr in dieser Welt, was mich glücklicher machen könnte, als euch beide vereint zu sehen. Von ganzem Herzen gern, Grubenhagen."
Er nimmt unsere beiden Hände und hält sie fest in den seinen.
„Gott möge euch segnen mit Freude an allem Lebendigen, mit Gerechtigkeit und Sicherheit für euch und alle, die euch anvertraut sind, mit Gesundheit, gesunden Kindern und einem erfüllten Leben, das ihr für lange Zeit gemeinsam erleben möget."
Neben mir steht Anna und lacht und weint vor lauter Glück.

„Jetzt bleibt nur noch die Frage, ob ihr hier in Gieboldehusen oder dort in Brabeck heiraten wollt. Denn einmal solltet ihr schon dorthin kommen, bevor ich mich ganz verabschieden muss."
Anna und ich sehen uns an. Und dann sagen wir beide wie aus einem Munde:„In Lütgenhusen!"
„Ah. Und Herzog Ludwig IV. von Grubenhagen und seine angetraute Gattin werden dann anlässlich eurer Hochzeit in Annas Bauernkate Hof halten. Oder wie stellt ihr euch das vor?"
Wir müssen alle drei sehr, sehr lachen bei der Vorstellung.
„Aber dort leben die Menschen, die in den letzten Jahren mein Leben ausgemacht haben. Wenn wir hier oder in Brabeck heiraten, können sie nicht dabei sein. Es sind einfache Bauern und von Herzen geliebte, gute, treue Menschen. In Lütgenhusen wären sie als helfende Hände alle mit dabei. Und das wünsche ich mir so sehr."
Ich verstehe ihren Vater, denn es wird wirklich schwierig, aber ich kann mir auch nichts anderes vorstellen, weil ich diesen Menschen wirklich alles verdanke.
„Nun, Anna. Jetzt hast du dich erst einmal entschieden. Lass uns zur Ruhe kommen und das alles gut bedenken. Wenn es irgend möglich ist, werden wir einen Weg finden."
Noch eine ganze Weile planen, spinnen und lachen wir miteinander, bis sich von Brabeck schließlich zur guten Nacht verabschiedet und uns von der Tür her noch einmal zuzwinkert.

Still wenden wir uns einander zu, schauen uns tief in die Augen und genießen den trauten Moment. Dann nehme ich Anna am Arm, führe sie zur Terrassentür, öffne die und trete mit Anna hinaus in den inzwischen stockdunklen Park. Wir entfernen uns ein wenig vom Schloss.
„Schau Anna. Ich bin geflohen vor der Verantwortung in dunkler Nacht, und in mir drin war es auch dunkel. Ich bin in deiner Kate erwacht, aber noch immer war es in mir dunkel. Lange bin ich durchs Ungewisse getappt, bis du nach und nach ein Licht der Hoffnung in mir hast aufflammen lassen. Als ich endlich wieder Licht und Leben gespürt habe, bist dafür du ins Dunkel gestürzt. Du hattest dich so sehr verschenkt, dass du nun ratlos zurückbliebst. Du wurdest hin und hergeschüttelt von deinen Gedanken, vielen gut gemeinten Ratschlägen und immer neuen Gewissheiten. Aber jetzt sieh!"
Ich drehe Anna so um, dass wir wieder zu den erleuchteten Fenstern des Damenzimmers blicken.
„Jetzt hast auch du Licht – Glück, deinen Vater kennengelernt zu haben, Freude an deinen Kindern, das Erlebnis, dass alle hier dich hoch achten und dir das Beste wünschen."

Anna nickt.
„Darf ich dich fragen, was dich – ich nehme an, heute – dazu befähigt hat, dich zu entscheiden?"
Sie lächelt.
„Ihr beiden Verschwörer, denke ich. Es wurde in den letzten Tagen immer selbstverständlicher, hier zu sein. Ich war und bin willkommen, ich hatte die Freiheit, zu tun und zu lassen, was ich wollte. Und das heute – hab ganz herzlichen Dank, Hannes. Es war so wunderschön, überrascht zu werden. Und das Gesinde vorhin. Welch eine Wertschätzung! Ich fühle mich schon seit ein paar Tagen nicht mehr wie die Witwe Anna Adam vom Dorfe. Sondern wie ... ach, einfach Anna, die willkommen ist und ihren neuen Platz im Leben gefunden hat. Ich bin so glücklich, dass ich nun zusammen mit dir starten darf in ein neues Leben. Gemeinsam."
„Du kannst dir nicht vorstellen, Anna, WIE froh es mich macht, das zu hören. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass du glücklich bist, dich wohl und zu Hause fühlst. Dass du dich und deine ..., nein, unsere Kinder angenommen und geliebt weißt."
Stumm sehen wir uns einen Augenblick an, bevor ich ihr im Dunkel der Nacht einen zarten Kuss gebe.

Dann führe ich sie zurück zum Schloss und hinauf zu ihrem Zimmer.
„Gute Nacht, meine sehr geliebte Anna."
„Gute Nacht, mein sehr geliebter Hannes. Und hab von Herzen Dank für deine Einfühlsamkeit und Geduld mit mir. Ich ... Ich habe heute ganz plötzlich gedacht: 'warum eigentlich nicht?' Aber all die schweren, bangen Wochen vorher musste dieses 'warum eigentlich nicht?' erst in mir reifen. Es ist ein so weiter Weg von der Kate zum Schloss, das konnte wohl nicht schnell gehen."
„Ich weiß Anna, ich weiß. Ich wollte auf keinen Fall, dass du dich gedrängt fühlst und deine Entscheidung irgendwann bereust. Es war schwer, dabei zuzusehen, aber das Warten hat sich ja gelohnt."
Ich zwinkere ihr zu, küsse noch einmal ihre Hand und gehe zu meinen eigenen Gemächern. In diesem Augenblick bin ich wohl der glücklichste Mann der Welt.

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14.2.2022

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