002 - Im Dunkel der Nacht - SA. 18.11.1570

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Ein paar Dinge haben die wilden Männer nicht entdeckt. Neben der Haustür ist die Wand der Hütte doppelt. Da hat Bauer Adam einfach von außen einen Schrank vor die Wand gebaut und von innen Bretter so befestigt, dass er sie beiseite schwenken und Werkzeug darin verstauen konnte. So kommt man von beiden Seiten an den Schrank heran. Draußen ist das Dach der Hütte tief gezogen, eine leichte Flechtwand schirmt den offenen Verschlag etwas ab, dort steht der Hackklotz, der kaputte Karren, noch mehr Gerät. So ist der Schrank auch von außen nicht sofort zu sehen.
Über der Schlafpritsche hängt die Bodenleiter an der Wand. Ich muss recht selten da hinauf und nutze die Leiter, um einfach daran allen Hausrat aufzuhängen. So liegt mir nichts in der Hütte rum, was die Kinder verschleppen könnten. Das Zeug an der Wand hält ein kleines Bisschen die Kälte von der Pritsche fern. Aber darum wird die Leiter eben auch nicht als Leiter erkannt, die irgendwo hinführen könnte.
Was die Männer im Dunkel und Durcheinander des Augenblicks ebenfalls nicht gesehen haben, ist die Bodenluke in der Holzdecke genau zwischen der Pritsche und dem Tisch. Auf dem winzigen Dachboden lagert das Heu und Stroh, und dort hängen die mageren Getreidesäcke mit der Aussaat fürs Frühjahr von den Dachbalken herab, damit die Mäuse mir nicht das Getreide wegfuttern.

Nachdenklich schaue ich auf den bewusstlosen Mann zu meinen Füßen. Dann hoch zur Bodenluke. Ich bin zwar dürr und kraftlos und zum Sterben müde nach diesem verrückten Abend. Aber wenn ich nicht will, dass meine Kinder lügen müssen, falls dieser Fremde noch weiter gesucht wird, dann muss ich jetzt noch einmal Kraft aufbringen.

Ich hänge also so leise wie möglich den Hausrat von der Leiter ab, nehme sie von der Wand und lehne sie unter der Bodenluke schräg an der Pritsche an. Die Bodenklappe schiebe ich von unten her mit einem langen Stecken beiseite. Ich zerre den Mann zur Leiter und binde ihn daran fest. Dabei entdecke ich, dass durch den Matsch an seiner rechten Schulter Blut sickert.
Diese Nacht wird lang. Oder kurz - je nachdem, wie man es betrachtet...
Ich krabbele unter die Leiter und hebe sie mit meinem Rücken an, indem ich mich an der Pritsche hochziehe. Mit aller Macht stemme ich die Leiter immer steiler, bis ich sie an dem Rand der Dachluke anlegen kann.
Hoffentlich hält das alles!
Irgendwie schaffe ich es, lautlos an dem Mann vorbei die Leiter hoch auf den niedrigen Boden zu steigen. Ich bin schon so erschöpft, dass ich fast wieder runterpurzele. Doch ich bin noch nicht fertig. Mit letzter Kraft ziehe ich nun die ganze Leiter mit dem fremden Mann daran hoch auf den Dachboden. Ich schnaufe ziemlich und lausche dann einen Moment nach unten, ob die Kinder noch schlafen. Aber der Donner vom Gewitter verschluckt alle Geräusche. Ich raffe Stroh in der einzigen Ecke zusammen, wo es nicht durchregnet, baue ein Lager und ziehe den Mann dort hin.

Dann lasse ich die Leiter wieder herunter und sammele zusammen, was ich brauche. Ich fülle einen Krug mit Wasser und greife einige saubere Lappen. Ich nehme etwas Glut und bringe einige Holzreste in meiner Feuerschüssel zum Brennen. Ich hole den Korb mit Jakob Adams Kleidung unter der Pritsche hervor und schaue, was ich dem Fremden gleich anziehen und was ich als Lappen und Verband brauchen kann.
Dieser Mann ist groß. Aber Jakob war auch groß. Das wird passen.
Schließlich schaffe ich das alles auf den Dachboden.

In meiner Erschöpfung dauert es eine Weile, bis ich den Mann aus der klatschnassen, völlig verdreckten und stinkenden Kleidung geschält habe.
Das muss ich irgendwann unauffällig waschen.
Seine Stiefel auszuziehen ist mühsam. Sie sind gut angepasst und obendrein vom Matsch völlig glitschig. Ich kann aber sehen, dass sie aus edlem Material sind und also wohl nicht ganz billig waren.
Er wird sicher ein wohlhabender Reisender sein, der sich im Sturm verirrt hat und dann im Wald den Wegelagerern in die Hände fiel.
Als ich Wams*, Hemd, Beinlinge*, Strümpfe und Bruche* endlich ausgezogen habe, bedecke ich schnell seine Mitte und beginne dann, ihn von Kopf bis Fuß zu waschen. Er zittert in der Kälte, wird aber nicht wach. Im schwachen Licht meiner Feuerschale erkenne ich, dass die Wunde an der Schulter noch immer blutet. Eine weitere Wunde ist an seinem rechten Unterarm, die ist jedoch kleiner und wohl nicht gefährlich.

Mit einem Griff an seine Stirn erkenne ich, dass er trotz der Kälte bereits Fieber bekommt. Also muss ich mich nun beeilen. Sorgfältig reinige ich die Wunden und hoffe, dass sie sich nach dem Bad im Mist nicht allzu sehr entzünden werden. Ich verbinde seine Wunden mit Leinenstreifen und hoffe, dass die Blutung bald aufhört. Die alte Lene ist zwar kräuterkundig und absolut vertrauenswürdig. Aber je weniger Menschen wissen, dass dieser Mann hier auf meinem Dachboden vor sich hin fiebert, desto besser. Ich ziehe ihm eine frische Bruche und Beinlinge an und bekomme irgendwie auch seinen Oberkörper in Jakob Adams einziges Alltagshemd. Am rechten Ärmel trenne ich vorsichtig mit einem Messer die Naht auf, damit ich weiterhin an die Schulter heran kommen kann.

Als ich den Fremden schließlich sauber und in einige Tücher gewickelt auf das Strohlager gehievt habe, betrachte ich ihn noch ein paar Augenblicke, bevor die letzte Flamme in meiner Feuerschale erlischt. Er hat braune, kurze Locken, die sich um seine Stirn kringeln, und helle, gepflegte Haut, hat sich offensichtlich am Morgen noch glatt rasiert. Seine Kleidung kann ich nicht erkennen vor lauter Schlamm, aber schon beim ersten Abwischen weiß ich, dass sein Wams dick und von guter Qualität ist und seine Stiefel wirklich teuer sind. Ich frage mich, warum er keinen Umhang oder wenigstens eine Gugel* getragen hat bei dem Wetter. Aber vielleicht haben ihm die Wegelagerer den Mantel entwenden können.
Ich wusste schon vorher nicht, wie ich uns durch den Winter bringen soll. Nun weiß ich überhaupt nicht mehr, wie es weitergehen wird. Entweder habe ich in wenigen Tagen einen Toten auf dem Dachboden - oder noch einen kräftigen Esser mehr am Tisch. Und beides ist eigentlich nicht gut.
Ich kann nichts für den Mann tun, doch ich spüre, dass ich das muss und will. Also falte ich meine Hände zum Gebet und bringe wie so oft in diesen dunklen Tagen meine Bitte zu Gott, dass er uns und diesen Fremden bewahren möge, und dass es sich nicht als Fehler herausstellen wird, ihm geholfen zu haben.

Kaum habe ich das Amen zu Ende gedacht, meldet sich von unten schon wieder das Peterle. Er wird eben einfach nicht satt. Doch inzwischen bin ich zu erschöpft, um noch zu sitzen. Ich greife also die Kleidung des Fremden, krabbele die Leiter herunter und hänge sie wieder an die Wand. Ich verstaue die verschmutzten Kleider im Verschlag beim Feldgerät und hänge meinen Hausrat wieder an die Streben der Leiter. Dann greife ich mir meinen Jüngsten und lege mich zum Stillen einfach auf die Pritsche neben Jakob und Susanna. Und endlich finde ich etwas Schlaf.

Bereits in den frühen Morgenstunden werde ich jedoch wieder wach. Die Ziegen meckern und wollen gemolken werden. Draußen ist es noch dunkel, aber der Sturm hat nachgelassen, Blitze und Donnergetöse sind weiter gezogen. Zum ersten Mal seit Wochen hat sogar der Regen aufgehört. Und während ich mir noch einen Zopf flechte und mein Tuch fester um meine Schultern ziehe, um zu Zick und Zack zu gehen, höre ich ein Schnauben direkt neben meinem Kopf.
Was war DAS denn? Außer dem Dorfvogt hat doch hier keiner ein Pferd!
Eine gebrochene, schmerzverzerrte Stimme halt durch meinen Kopf.
Das Pferd. Sie dürfen es nicht finden.
Schlagartig bin ich völlig wach, schlüpfe in meine Holzklompen und eile nach draußen. Wenn ich jetzt noch wüsste, wo ich sein Pferd verstecken kann, dann würde im gesamten Dorf niemand wissen, dass ich hier jemand auf meinem Dachboden habe. Ich eile an die Seite der Hütte, wo an der Wand neben der Schlafpritsche tatsächlich ein großer Brauner steht. Ich sehe sofort, dass das nicht der Gaul vom Dorfvogt ist. Das Tier ist nass und erschöpft, es tropft aus der Mähne, der Sattel und die daran befestigten Taschen sind aufgeweicht. Aber ich kann auf die Schnelle doch erkennen, dass der Sattel fein gearbeitet, aufwändig geschmückt ist, das Zaumzeug mit Metallbeschlag, die Satteltaschen aus gewachstem Tuch voll und schwer. Und dieses Pferd ist ein edles Reittier. Als ich nach dem Tier greifen will, legt es die Ohren an und weicht zurück.
Wie komme ich jetzt an den Schönen ran?

Ich eile ins Haus und hole aus dem Verschlag das verschmutzte Hemd. Wo es vom Wams bedeckt war, ist der Stoff einigermaßen sauber. Keine Ahnung, ob da von dem Fremden noch was zu riechen ist, aber ich muss es versuchen. Bald wird das Leben im Dorfe sich regen, und bis dahin muss ich das Pferd außer Sicht geschafft haben. Ganz langsam gehe ich auf den Braunen zu und halte ihm das Hemd entgegen. Misstrauisch, mit vorgestrecktem Kopf und immernoch angelegten Ohren schnuppert das Tier daran - und macht einen Schritt auf mich zu. Noch einen. Schließlich kann ich ihm in die Zügel greifen und es hinter die Hütte führen. Das Tier ist groß, aber es passt so grade eben im ganzen unter das heruntergezogene Dach, wenn ich dort Platz schaffe. Schnell räume ich ein wenig auf, führe das Pferd dort hinein und schiebe den kaputten Karren so davor, dass das Tier nicht sofort zu sehen ist und auch nicht gleich wieder davon laufen kann.
Noch ein Esser mehr...
Ich sattele das Tier ab, lege ihm eine alte Decke über den Rücken und trage Sattel, Zaumzeug und das verschmutzte Hemd in die Hütte. Dort schiebe ich alles erstmal in den Verschlag zu der verschmutzten Kleidung, denn nun höre ich neben dem heftigen Gemecker der Ziegen auch die dünne Morgenstimme meiner kleinen Tochter.

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2.1.2020 - 11.1.2021

Als Sprungbrett für die Vorstellungskraft ...

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