024 - Abschied - SO. 10.12.1570

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In der Nacht geht Hannes außenrum zum Klaas, und die beiden malen mit Kohle auf Brettern, was Klaas im Wald ausgekundschaftet hat. Er macht Zeichnungen vom Grenzverlauf, von Wäldchen, Zollposten und Trampelpfaden, und dann entscheiden sie nach langem Hin und Her gemeinsam, welchen Weg Hannes versuchen soll, während Klaas gleichzeitig die Zöllner von dort weglocken wird. Spät erst kriecht Hannes auf meinen Dachboden und unter seinen warmen Mantel. Mehrfach in dieser Nacht höre ich, wie unruhig er schläft. Er scheint wieder zu träumen. Am Sonntag Morgen gehe ich wie immer mit dem Peterle auf dem Rücken zur Kirche, freue mich auf den zweiten Advent und meine Kinder und lasse - hoffentlich zum letzten Mal - Hannes auf meinem Dachboden zurück.

Nun sitze ich also wieder in meiner Kirchenbank, genieße den Frieden in der Gegenwart Gottes und die glänzenden Augen der Kinder, als der Pastor diesmal zwei Kerzen auf dem Altar anzündet. Am Ende des Gottesdienstes erklärt Pastor Crüger noch einmal allen, dass er aus Erbschaftsangelegeheiten nach Duderstadt reisen müsse und der Klaas ihn freundlicherweise mit des Vogtes Kutsche dort hinbringen werde. Er bittet alle, für eine glückliche Reise zu beten, und kündigt an, am Nachmittag noch einmal in jedes Haus im Dorf zu kommen.

Kaum stehen nach dem Gottesdienst alle wieder auf der Dorfstraße, gibt es viel zu bereden. Die späte Schwangerschaft der Müllerin Britt wird ebenso durchgekaut wie die seltsame Ankündigung des Pastors, denn niemand kann sich einen Reim darauf machen, warum er alle noch einmal besuchen will. Ich denke mir meinen Teil, denn ich weiß ja, dass er eine Liste mit Wünschen machen will. Und er scheint sich entschieden zu haben, das offen vor dem ganzen Dorf zu tun. Wir Hannes-Verbündeten kontaktieren einander heute nicht, es ist alles geplant und gesagt. Ich gehe gemeinsam mit den Kindern zur Lene, auch Klaas kommt zum Mittag. Nur als die Kinder dann spielen, schiebt er mir wortlos die Faustbüchse unter das Peterle in den Kasten. Die hat der Vogt ihm wohl inzwischen gebracht.

Als ich am Nachmittag nach Hause komme, reiche ich Hannes sofort die Waffe nach oben. Es hat sich seltsam angefühlt, mein Kind darauf liegen zu haben. Hannes berichtet mit Belustigung in den Augen von den wilden Plänen, die er und Klaas im Laufe des späten Abends ausgeheckt haben. Die Pläne wurden wohl umso seltsamer und unmöglicher, je mehr Bier die beiden intus hatten. Dann wird er mit einem Mal wieder still und murmelt etwas. „Hoffentlich geht alles gut. Wenn wir uns erstmal an der Kreuzung getrennt haben, kann keiner mehr dem anderen helfen. Wenn die beiden bis zum Abend nicht an der Scheune sind, wo ich warten soll, dann muss ich dort nächtigen und am Dienstag allein nach Duderstadt. Ich hab die Adresse von Pastor Crügers Bruder, aber - gebe Gott, dass ich sie nicht nutzen muss!"

Ich kann Hannes berichten, dass der Pastor inzwischen seine Wünscherunde durchs Dorf angefangen hat. Er ist der Einfachheit halber gleich links herum beim Klaas hinein, um letzte Absprachen zu tätigen, hat ihn aber auch ganz ernsthaft nach seinem Wunsch gefragt. Und als er schließlich einen aus dem jungen Mann herausgekitzelt hatte, hat er den Wunsch auf ein Papier geschrieben. Klaas hatte wohl nicht damit gerechnet, dass auch er gefragt werden würde, denn er hatte noch überhaupt nicht darüber nachgedacht.

Für ihn war es eine Frage der Ehre, Hannes zu helfen und dieses Abenteuer zum Gelingen zu bringen. Hannes und Klaas sind dabei, gute Freunde zu werden, und es tut beiden so richtig gut. Seit dem Tod seiner Eltern ist Klaas zwar versorgt - aber sehr einsam, weil er ein geselliger Mensch ist. Und so kann er wohl auch besonders gut die Einsamkeit von Hannes verstehen, die der auf meinem Dachboden und in seinem leeren Kopf verspürt.

Von Klaas ist Pastor Crüger dann zur Lene gekommen und hat uns davon berichtet, wie der sich gesträubt hat. Auch die Lene mussten wir zu zweit nötigen zu sagen, was sie am dringendsten braucht. Und auch das landete dann auf der Liste. Auf unserer Seite der Dorfstraße ist der Pastor dann zum Holtmann, zum Ferz und zu allen anderen gegangen. Beim Ferz hab ich ihn rauskommen sehen, als ich grade auf dem Heimweg war.

Zu mir wird der Pastor nur zum Schein kommen, weil ich ja sowieso alles Mögliche krieg, damit der Hannes dann hier Knecht sein und hier wohnen kann. Aber wann immer ich einen Schritt vor die Türe gehe und den Pastor aus einem Haus kommen sehe, sehe ich leuchtende Gesichter vor Freude. Es scheint wohl jeder hier den ein oder anderen unerfüllten Wunsch zu haben, dessen Erfüllung eine Herzensangelegenheit ist.

Wir essen ein frühes Abendbrot und gehen früh ins Bett, denn wir werden vom Klaas auch sehr früh wieder geweckt werden. Tatsächlich wacht Hannes sogar schon vorher auf. Ich erwache mit innerer Unruhe, höre es oben gruscheln und weiß, dass er sich nun die ganzen Kleiderschichten übereinander anzieht. Wenn er alles trägt, was wir für ihn haben, wird er nicht so schnell auskühlen, falls er sich eine Weile wo versteckt halten muss.

Müde schlüpfe ich im Dunklen aus meinem Bett, reibe mir den Schlaf aus den Augen und fache das Herdfeuer an, damit ich ihm den sättigenden Getreidebrei und einen warmen Tee vor der Reise in die Kälte kochen kann. Wenige Minuten später kommt er die Leiter herunter und reicht mir alles an, was er am Rand der Bodenluke bereitgestellt hat - den Sattel, die Satteltaschen, seine Stiefel, die Faustbüchse, seinen warmen Mantel. In eine der Satteltaschen stecke ich noch einen Beutel mit Brot und Käse. Wer weiß, wann die Männer das erste Mal einkehren können!

Die Anspannung ist uns beiden trotz der Müdigkeit anzumerken. Es ist sein erster Ausflug in die Welt seit dem Gedächtnisverlust. Die Sorge, ob er heil und unentdeckt über die Grenze kommt, die Ahnung, dass diese Reise Erinnerungen wecken könnte - all das mischt sich mit seiner Abenteuerlust, dem Vergnügen, jedem im Dorf etwas Gutes tun zu können und dabei dem Steuereintreiber ein Schnippchen zu schlagen, der Vorfreude, von diesem Dachboden runterzukommen und einige Tage in Freiheit, mit wohlwollenden Menschen, mit seinem geliebten Pferd verbringen zu dürfen. Hannes wird testen, zu welcher Art und Schicht Menschen er sich am ehesten hingezogen fühlt. Ich werde derweil fünf Tage warten müssen, bis er mir davon berichten kann.

Wir reden nicht viel, während Hannes sich satt isst und warm trinkt. Da kratzt es auch schon an der Hintertür. Schnell husche ich hin und lasse Klaas mit Hurtig hinein. Für einen Moment vergräbt Hannes sein Gesicht in der weichen Mähne des Pferdes und umarmt seinen warmen Hals. Als er wieder daraus auftaucht, ist seine Miene klar, und er verrichtet sachlich und konzentriert die letzten Vorbereitungen für die Reise. Klaas hat dem Pferd eine dunkle Decke übergelegt, damit das Tier etwas gewärmt wird. Zügig umwickeln die beiden Männer wieder die Hufe des Pferdes mit Lumpen, damit sein Tritt nicht so laut durchs ganze Dorf hallt. Hannes schnallt nun den Sattel darüber, hängt die Satteltaschen daran, befestigt noch ein paar helle Decken, zieht sich selbst Jakob Adams Gugel und seinen warmen Mantel an und bittet Klaas, das Pferd schonmal nach draußen zu führen. Klaas hängt seinerseits einen schweren Beutel an den Sattel und geht mit Hurtig hinaus.

Einen Augenblick lang ist es sehr still in meiner kleinen Kate. Dann wendet sich Hannes mir zu und schaut mir ganz warm direkt in die Augen. Nervös öffnet und schließt er seine Hände, hält den Atem an, richtet sich schließlich hoch auf. „Frau Adam. ... Ich ... Ich komme so Gott will, Freitag Abend wieder, um eine ganze Weile lang zu bleiben. Aber schon jetzt sollt Ihr wissen, wie unendlich dankbar ich bin für alles, was Ihr mir Gutes getan habt. Ich nehme Eure Güte in meinem Herzen mit. Das wird mich wärmen und sicher wieder hierher zurückbringen." Er holt tief Luft. Mit zwei schnellen Schritten ist er bei mir und nimmt mich einmal sehr fest in den Arm. Bevor ich auch nur blinzeln kann, ist er zur Türe raus. Geht mit Gott, Hannes!

Aber ich habe keine Zeit, meinen Gedanken zu Hannes nachzuhängen. Wir haben zwar versucht, sehr leise zu sein. Aber durch die Unruhe ist nun doch das Peterle erwacht und verlangt nach mir. Ich decke also das Herdfeuer noch einmal ab, greife mir das knöternde Kind, begebe mich auf meine Pritsche und legen meinen Sohn an. Während meine Gedanken in den dunklen Wald und zur Grenze wandern, schlafe ich doch noch einmal ein.

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24.1.2020

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