023 - drei Beutel voll - SA. 9.12.1570

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

In diesem Kapitel kommt eine Bemerkung vor, die man in den falschen Hals kriegen könnte. 40 Jahre vor diesen fiktiven Ereignissen standen „die Türken" mit einem riesigen Heer vor Wien, und die gesamte westlich-christliche Welt zitterte bei der Vorstellung, sie könnten weiter nach Mitteleuropa vordringen. Das bedeutet nicht, dass ich irgendwas gegen Türken oder andere muslimisch-gläubige Menschen habe. Es gibt für mich keine Menschen zweiter Klasse, die Bemerkung bezieht sich nur auf die damalige Sichtweise!!!!!!

..........................................................................................................................

Der Samstag verläuft wie jeder hier im Dorf. Ein jeder geht seinem Tagwerk nach, das Vieh wird versorgt, die Burschen hocken für Winterreparaturen am Werkzeug beisammen, schnitzen um die Wette neue Zähne für die Rechen, schärfen und fetten die Sensen und Sicheln, damit sie bis zum nächsten Sommer nicht rosten, die Mägde singen Lieder beim Spinnen und Weben. Die Kinder ziehen mit den Schweinen des Dorfes in den Wald, wo noch Eicheln unterm dünnen Schnee zu finden sind. Der Klaas geht heut mit, angeblich, um die Kinder von der Grenze fortzuhalten und zu verhindern, dass die Kinder oder die Schweine in einen Seitenarm der Rhuma plumpsen. In Wahrheit ist er dabei, um für Hannes ein gutes Schlupfloch an der Grenze zu finden und gut Acht zu geben, damit er ihm den Weg beschreiben kann.

Der Pastor bereitet seinen Gottesdienst für morgen vor und bespricht offen vor dem ganzen Dorf seine wegen der Erbschaft notwendige Reise in die Heimat mit dem Vogt. Er bittet darum, des Drebbers Kutschwagen und Pferd für die Reise leihen zu dürfen, fragt den Klaas am Dorfbrunnen laut, ober ihn begleiten könne. Der wiederum bittet den Ferz, sich derweil um seinen Esel zu kümmern.

Ich hocke vor der Pritsche, habe den Korb mit Jakob Adams Kleidung herausgezogen und überlege, wie ich Hannes am besten für eine Winterreise ausstatten kann. Es ist sicher kein Problem, dass er Jakobs Kleidung einfach unter seine drunter zieht und damit insgesamt schön warm eingepackt ist. Umgekehrt als Knecht wird das jedoch nicht gehen. Aber immerhin kann er Jakobs Kleidung allesamt anziehen, auch Jakobs Gugel wird ihm Wärme spenden und ihn schützen, falls es schneien sollte. Auch das letzte Paar Strümpf vom Jakob greife ich raus. Ich schiebe den nun fast leeren Korb wieder unter die Pritsche und trage das Bündel über die Leiter nach oben.

Hannes sitzt auf dem Dachboden, fettet seinen Gürtel, seine Stiefel und seinen Sattel nach, begutachtet zum ersten Mal bewusst sein Gepäck, das bei seiner Ankunft hier in seinen Satteltaschen war, und entscheidet, was davon er auch einpacken will. Nun endlich holt er seine Kleidung aus der Ecke des Dachbodens zurück. Nachdenklich betrachtet er das feine, weiße Wollfutter seines Mantels.
„Frau Adam? Was wisst Ihr über die Kleiderordnung der Stände? Mir ist, als dürfte dieser satte Blauton nur vom Adel getragen werden, aber sicher bin ich mir nicht."

Einmal mehr überlege ich, wieviel ich Hannes sagen, was ich ihn selbst herausfinden lassen soll.
„Ich bin mir nicht sicher, Hannes. Aber es könnte schon sein. Ich kann mir auch vorstellen, dass reiche Kaufleute aus dem Osten oder Norden deren Gepflogenheiten nach sowas in der kalten Jahreszeit tragen. Aber vielleicht solltet Ihr versuchen, das auf dem Markt in Duderstadt herauszufinden. Verhaltet Euch geschickt, so werdet Ihr Antworten bekommen."

„Pastor Crüger und Klaas werden schön frieren auf der Kutsche, denn sie werden sich stundenlang kaum bewegen. Ich hoffe, die Frau Pastor packt ihren Mann gut ein!"
Wir müssen beide lächeln.
„Ich denke schon. Ein paar Decken, einige heiße Steine für die Füße. Und Ihr werdet sicher ab und zu Rast machen bei einem Wirtshaus und heißen Würzwein trinken."
Hannes lacht auf.
„Wenns genug davon gibt, spüren wir auch die Kälte gar nicht mehr. Dann erfrieren wir höchstens auf dem Kutschbock und im Sattel, weil wir unseren Rausch ausschlafen."

Ich schüttele den Kopf.
„Da hätt ich aber was dagegen. Ich möchte, dass Ihr heile und erfolgreich wieder kommt. Alle drei ..."
Ganz kurz begegnen sich unsere Blicke, dann senke ich schnell den Kopf auf das Kleiderbündel in meiner Hand.
„Schaut, Hannes, das alles ist noch da vom Jakob. Zieht es doch zunächst unter die feine Kleidung. Es wird bitterkalt sein, wenn Ihr so früh morgens aufbrecht. Und für Duderstadt ist hier was zum Doppeltanziehn, und hier, die Gugel. Die hält Wind und Wetter ab."
Hannes nimmt mir die Kleidung ab und bedankt sich artig. Der eigentartige Moment ist vorüber. Ich sehe ihm stumm zu, weiß selbst nicht, warum ich nicht einfach die Leiter wieder hinuntersteige.

Dann greift er nach seinem Gürtel und den verschiedenen Beuteln daran. Zunächst nimmt er seine Geldkatze und entscheidet, wieviel er mitnehmen will. Ein paar Goldgulden hier, ein paar Groschen da verteilt er einiges von seinem Geld auf seine Kleidungsstücke und Taschen. Einiges wickelt er in einen Lumpen und wiegt es nachdenklich in seiner Hand. Kurz zögerte er.

„Frau Adam? Hört mir jetzt bitte gut zu. Und ich bitte Euch inständig – protestiert nicht. Wenn uns etwas geschehen sollte auf der Reise – ich falle den Zollwärtern in die Hände, ich sieche an einem bösartigen Fieber dahin, wir werden von den Türken überfallen, der Mond fällt uns auf den Kopf, ... – "
Ich war erst erschrocken, aber bei seiner immer unsinniger werdenden Aufzählung schleicht sich das Grinsen wieder in unsere Gesichter.
„... wenn wir also nicht wiederkehren, dann gehört dieses Geld Euch. Nutzt es ... nein, ich will keinen Protest hören! Nutzt es, um die Angelegenheiten von Klaas zu regeln, versorgt die Pfarrersfamilie großzügig, kauft dem Vogt Pferd und Wagen neu – und sorgt für Eure Kinder. Bitte!"
Und wenn ich mich weigere? Dann MÜSST Ihr heile wiederkommen!

Nun weiß ich vor lauter meiner eigenen Gedanken überhaupt nicht mehr, wo ich hinsehen soll. Aber Hannes lenkt uns ab und löst so die Spannung ganz schnell wieder auf. Als nächstes schaut er nämlich in den zweiten Beutel.
„Kugeln und Pulver. Ach ja. Ihr sagtet, dass ihr eine Faustbüchse im Wald gefunden habt, am Tag nach dem Überfall. Ob ich die wohl mitnehmen sollte? Aber wenn der Herr Pastor die sieht, fällt er wahrscheinlich sofort tot um."
Nun grinsen wir beide wieder.
„Nun, ich geh heute Nacht rüber zum Klaas, damit wir meinen Grenzübergang besprechen können. Der soll beim Vogt nach der Büchse fragen, ich lasse das die beiden entscheiden, ob ich sie mitnehme. Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass ich damit umgehen kann und nicht aus Versehen eine Scheune in Brand schießen werde."
Sorgfältig befestigt er den Beutel wieder an seinem Gürtel.

Schließlich greift er nach dem dritten, größten Beutel, in dem sich lauter persönliche Kleinigkeiten befinden, die ich beim ersten Nachsehen nicht weiter beachtet habe. Er öffnet den Beutel, schaut auf das Sammelsurium und schüttet den Inhalt kurzerhand auf die rauhen Dachbodendielen. In ein Stück Stoff sind Feuerstein und Zunder gewickelt, und das ganze ist in einen kleinen Zinnbecher gestopft. Dazu kommen ein kurzes Messer und ein kurzer silberner Löffel. So wollte er wohl dafür sorgen, dass er unterwegs mit eigenem Besteck und Trinkgefäß speisen konnte. Ein paar weitere, kleine Münzen kommen zum Vorschein. Dann findet Hannes eine feine Mantelfibel, die genauso aussieht wie eine, die schon dran ist am Mantel.

Und zu guter Letzt greift er nach einem silbernen Ring. In das Schmuckstück eingelassen ist ein dunkelblauer Stein, umgeben von einem Ring winziger Perlen. Stumm starrt Hannes auf das kostbare Kleinod in seiner Hand. Dann lässt er den Ring fallen, greift sich mit beiden Händen an den Kopf, schließt die Augen und stöhnt auf. Eh ich danach greifen kann, ist der Ring in eine Ritze zwischen den Bodendielen gerollt. So einfach werde ich den da nicht herausbekommen. Aber er wird da auch nicht verloren gehen, also lasse ich ihn einfach da stecken und wende mich wieder Hannes zu.     Allmählich glaube ich, dass diese Kopfschmerzen immer durch eine Erinnerung hervorgerufen werden. Eine Erinnerung, die raus will, aber aus irgendeinem Grunde nicht kann.

Erst nach einer ganzen Weile lässt Hannes seinen Kopf los und öffnet wieder die Augen. Er sieht so verloren und hilflos aus! Müde, wie zerschlagen packt er das Geld, was er hier lassen will, unters Stroh. Den Rest legt er wieder in seinen Beutel und befestigt den am Gürtel. Ganz leise flüstert er etwas.
„Von mir aus kanns losgehen. Ich kanns kaum erwarten."
Und ich weiß, dass er nicht weiter reden will, dass ich mit diesen Worten nun entlassen bin.

.............................................................

23.1.2020

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro