032 - der neue Knecht - SA. 16.12.1570

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Als ich am nächsten Morgen vom Meckern der Ziegen aufwache, die gemolken werden wollen, scheint mir der vertraute Moment mit Hannes mitten in der Nacht wie ein wundersamer Traum. Ich habe mich so nach ihm gesehnt, mich so um ihn gesorgt nach der Schießerei und dem völlig übertriebenen Zolltheater. Sie haben uns wirklich das Unterste zu oberst gedreht. Sogar den Schlamm im Wald haben sie durchwühlt. Überall beim Suchen musste wer dabei sein. Und im Wald war es Jorge. Er hat hinterher lachend erzählt, dass die Zöllner in Unkenntnis des Geländes ziemlich planlos durch die Niederung gestolpert sind. Einer ist sogar in der Rhuma gelandet. Alle vorhandenen Spuren haben sie dabei selbst vernichtet.

Ich war gestern den ganzen Tag so unruhig. Ich konnte nicht anders. Ich habe ein kleines Licht ins Fenster vom Stallgang gehängt, habe so gehofft, dass sie es sehen, dass Hannes sich meldet, damit ich beruhigt sein kann. Und er hat es gesehen. Er ist gleich rübergekommen, sobald er konnte. Ich bewahre diesen besonderen, einzigartigen Moment in meinem Herzen und danke Gott noch einmal, dass die drei Männer heile zurückgekehrt sind. Dann schiebe ich energisch das Wohlgefühl in die hinterste Ecke meiner Erinnerungen und ermahne mich selbst.     Ja, Gewissen. Ich weiß! Er ist ein Herr. Und er wird mein Knecht. Mein liebenswerter, humorvoller, gerechtigkeitsliebender, aufmerksamer Hannes. Jaja, schon gut, Gewissen, ich hör ja schon auf.     Leichter gesagt als getan.

Energisch erhebe ich mich, kleide mich an für den Tag und melke als erstes die Ziegen. Ich nähre das Peterle und ziehe dem Kind frische Kleidung an. Ich koche die Windeln der letzten Tage aus und hänge sie auf die Leinen im Stallgang. Ich trinke einen Becher Buttermilch, esse den Rest vom Brot vom Backtag. Ich werfe noch einen Blick auf den Dachboden, aber hier habe ich im Laufe der Woche schon aufgeräumt und für Hannes alles ein bisschen wohnlicher gemacht. Dann weiß ich nicht mehr, wie ich mich beschäftigen soll, außer mich wieder an den Herd zu setzen und zu sticken. Ich bin mit dem Wams des Verwalters gut vorwärts gekommen in dieser Woche und werde den Auftrag sicher rechtzeitig abliefern können. Aber ehrlich gesagt kann ich dieses Ding schon nicht mehr sehen. Und dennoch muss ich – wie wir es verabredet haben – hier in meiner Kate ausharren, bis die Dorfehrbarkeit einberufen wird, um zu entscheiden, was mit dem plötzlich aufgetauchten Knecht denn geschehen soll.

Kurz darauf rappelt es an meiner Haustür, und mein Jakob stürmt herein.
„Mutter, Mutter, der Pastor und der Klaas haben einen Mann mitgebracht! Der ist ganz groß, und er hat beim Klaas geschlafen! Und der spricht ganz komisch. Aber die Lene sagt, das schafft sie nicht. Darum sollen Susanna und ich wieder nach Haus oder der Mann wo anders hin."
Mit riesigen Augen, die vor Begeisterung leuchten, steht er vor mir. Jakob vergöttert Klaas. Aber er sehnt sich auch nach mir.     Mal sehen, wie er darauf reagieren wird, dass Hannes hierher ziehen wird.

„Nein, sowas! Wo hat der Klaas denn den Mann her?"
Jakob hüpft aufgeregt auf einem Bein.
„Der Pastor hat ... der gehört dem Pastor. Ich ... so genau hab ich das nicht kapiert. Aber der gehört irgendwie zum Pastor, und der hat ihn mitgebracht, weil ein anderer ihn nicht wollte. Und nun ist er hier. Und beim Klaas soll er nicht bleiben, weil die Lene das nicht schafft, beim Pastor soll er aber auch nicht sein. Deshalb ist der Pastor jetzt zum Vogt gegangen. Oh, und Bauer Ferz hat ein neues Schwein bekommen! Und jetzt muss ich weiter zum Müller. Tschüß, Mutter!"
Und schon ist mein kleiner Wirbelwind von Sohn wieder zur Tür hinaus.

Ich schmunzele hinter ihm her.     Aha, jetzt geht es also bald los.    Seufzend vor Ungeduld sticke ich weiter, nur, um wenig später wieder gestört zu werden. Der Drebber Siegfried steht in der Tür.
„Frau Adam? Der Vater schickt mich. Es soll sogleich die Dorfehrbarkeit zusammenkommen. Ihr sollt bitte dabei sein, lässt der Vater ausrichten."
Ich nicke ihm freundlich zu und sehe, dass er noch auf etwas wartet. Also packe ich das Wams in meine Kiste und gebe ihm eine Hand voll Nüsse aus meiner Dose.
„Sag dem Herrn Vater, dass ich gleich da bin."
Zufrieden hüpft er davon.

Endlich! Ich wickele mich in meine warmen Tücher, schnappe mir das Peterle im Tragekasten und gehe los. Aus allen Häusern kommen die Männer und machen sich auf zum Vogt. Manch einer hat Hannes wohl gestern schon beim Ausladen gesehen, und so wird eifrig vermutet, ob sein Auftauchen wohl etwas mit der Versammlung zu tun hat. Und wer der Fremde wohl sein könnte.     Tja, das wüsste er selbst auch gerne. In Wahrheit weiß er nämlich nicht ein Stück mehr als ihr!     Schweigend gehe ich nebenher und vermeide jeden Blick. Direkt neben mir läuft Jorge Krumm. Auch er hört sich die Spekulationen an und schweigt. In diesem Augenblick bin ich heilfroh, dass das Versteckspiel gegenüber dem Dorf nun ein Ende hat.     Es wird das Versteckspiel über die letzten Wochen, die Umstände von Hannes wahrem Eintreffen hier und das Ernstbleiben bei seiner Schauspielerei völlig reichen ...

Beim Vogt angekommen setzen wir uns alle in den Versammlungsraum, die Drebbersche reicht uns allen einen Becher warmen Tee – und dann treten der Vogt, der Pastor, Klaas und Hannes ein. Hannes läuft wie ein Hund hinter dem Pastor her, hat den Rücken krumm und die Schulter hochgezogen, dreht verlegen seine Kappe zwischen seinen großen Händen und wagt nicht, jemand anzusehen. Seine Haare sind nicht gekämmt, sein Bart ist gut gewachsen und nun ziemlich zerzaust. Seine Kleidung ist sehr einfach, die Hose zu kurz, die Holzklompen abgenutzt. Neugierig richten sich alle Blicke auf ihn.

Doch der Vogt achtet gar nicht auf die unverhohlene Neugierde seiner Dörfler. Er begrüßt alle und lässt den Pastor berichten, wie es ihm auf der Reise ergangen ist, und wieso er uns einen neuen Dorfbewohner mitgebracht hat.
„Wie ihr alle wisst, habe ich das gesamte Gut meines Onkels geerbt. Dies ist der Sohn seines treuesten Dieners, der versorgt werden muss. Da mein Pächter ihn nicht übernehmen will, habe ich ihn mitgebracht. Das ist Hannes. Er ist ein bisschen ... langsam. Und einfach. Aber herzensgut und sehr willig. Eine ganz treue Seele! Hannes, begrüß die Männer."
Hannes zuckt zusammen und hebt langsam den Kopf. Unsicher schaut er in die Runde und fängt dann an zu sprechen.
„Guten Tag! Ich bin der Hannes. Am liebsten bin ich bei Hurtig."
Dann verstummt er wieder und sieht den Pastor an, als wolle er fragen, ob er seine Sache richtig gemacht habe.     Oh Himmel! Habe ich vorhin gemeint, das würde nun einfacher? Das wird Folter! Hannes macht seine Sache einfach unglaublich gut. Und ich weiß nicht, wo ich hinsehen soll, damit ich nicht laut loslache.

Auf den Gesichtern der Bauern zeichnet sich allmählich Sorge ab. Die meisten denken jetzt wahrscheinlich, dass sie diesen Knecht ganz bestimmt nicht abbekommen wollen. Bauer Holtmann, dessen Hof direkt gegenüber von Klaas liegt, fürchtet sich wohl am meisten davor.
„Was hat Hannes denn gelernt? Kann man ihn brauchen?"
Allgemeines Gemurmel erhebt sich. Ein untauglicher Knecht ist schlimmer als gar keiner. Denn der frisst einem wenigstens nicht die Haare vom Kopf.

Der Vogt ergreift nun wieder das Wort.
„Pastor Crüger hat ein freundliches Herz und wollte den Jungen darum nicht zurücklassen. Aber wir müssen uns nun überlegen, wo es für ihn einen sinnvollen Platz in unsrem Dorf gibt. Pastor Crüger hat sich auch ein Pferd gekauft, besagten Hurtig, der bei Klaas im Stall stehen wird, da der Pastor ja keinen Stall hat. Man könnte Hannes also bei Klaas wohnen und mitarbeiten und dort das Pferd versorgen lassen. Frau Lene hat allerdings mitgeteilt, dass sie es nicht schaffen kann, noch einen Mann mehr mitzuversorgen. Da wir bereits im Sommer festgestellt haben, dass Frau Adam ab dem Frühjahr einen Knecht brauchen wird, ist meine Überlegung also, ob Hannes zu Frau Adam gehen wird. Lernen kann er ja von Klaas, und das Pferd kann er auch so versorgen. Aber wohnen könnte er bei Frau Adam."

Leises Aufatmen geht durch den Raum. Klaas wiegt den Kopf hin und her, als ob er nachdenkt.
„Das Pferd könnte er von dort aus auch versorgen. Mit mir arbeiten und allerlei lernen kann er auch, da ich sowieso oft bei Frau Adam aushelfe. Er muss ja keine große Verantwortung übernehmen erstmal. Aber er bringt zwei starke Arme mit, und das ist es, was Frau Adam am meisten fehlt."
Mein Nachbar Jorge Krumm mischt sich ein.
„Auch ich kann ihn gerne unter meine Fittiche nehmen. Vielleicht kann er auch Jasper zur Hand gehen."
Der blinde Jasper, den Jorge mitgebracht hat, nickt.
„Gerne. Ich habe viel Zeit und Geduld. Das wird schon."

Klaas macht ein nachdenkliches Gesicht.
„Hannes, magst du Kinder?"
Hannes hebt den Kopf und strahlt Klaas an.
„Kinder. Ja, ich mag Kinder. Ich spiele gerne mit den Kindern!"
Zufrieden wendet sich Klaas wieder an die versammelten Männer.
„Nun, dann wäre es doch möglich, dass auch die Kinder wieder zu Frau Adam zurückkehren. Mit der Geduld und Freundlichkeit von Frau Adam wird sich Hannes sicher bald eingewöhnen. Und mit der Hilfe von Hannes kann Frau Adam dann auch ihren Hof bewirtschaften. Ich helfe weiter, wo ich kann. Bis zum Frühjahr kann Hannes dann schon eine tüchtige Hilfe sein."

Die Männer im Saal sehen ausgesprochen zweifelnd drein. Aber natürlich widerspricht niemand mehr. Der Vogt wendet sich an mich.
„Frau Adam? Können sie sich vorstellen, dass Hannes Knecht in der Adamskate wird?"
Ich weiß kaum, wie ich kucken soll.     Jetzt darf bloß keiner sehen, wie sehr ich mich drauf freue! Aber zu unfreundlich darf ich auch nicht kucken!     Ich richte mich etwas auf, schaue möglichst erstaunt und betrachte Hannes, als hätte ich bisher gar nicht in Betracht gezogen, dass das hier irgendetwas mit mir zu tun haben könnte.
„Zu mir! Ja ...Also. Warum nicht? Wenn er Kinder liebt. Aber die Kate ist doch recht klein. Wo soll ..."
Ich lasse meine Frage in der Luft hängen.
„Auf dem Dachboden", schlägt einer der Männer vor.

Der Vogt wiegt bedenklich den Kopf.
„Das ist ein ernst zu nehmender Einwand. Da es im Sommer so viel geregnet hat, waren wir alle damit beschäftigt, unsere Ernte zu retten. Wir hatten das zwar vor, aber wir sind einfach nicht dazu gekommen, das Dach der Adamskate zu reparieren. Es ist völlig undicht inzwischen. Und dadurch ist es in der Kate doch sehr kalt und klamm. Das ist auch für die Kinder nicht gesund. Aber direkt oben auf dem Boden schlafen ... Da ist auch kein Lager!"

Die Männer werden nun unruhig und fangen an zu überlegen. Nicht, dass sie doch noch ... Bauer Holtmann meldet sich wieder zu Wort.
„Regen ist ein Hindernis, ein Dach zu reparieren. Frost nicht. Das Wetter scheint zur Zeit recht stabil und auch nicht windig. Wenn wir sofort loslegen, können wir in ein paar Tagen fertig sein. Wir müssen uns gut absichern, das Material hatten wir im Sommer ja schon vorbereitet, bevor der endlose Regen kam. Ich bin dafür, dass wir das anpacken. Dann ist auch Frau Adam und den Kindern ein klammer Winter erspart."
Allgemeine Zustimmung wird in den Saal gebrummt. Und Jorges anderer Nachbar Heinz Zuber bietet noch eine Hilfe an.
„Ich habe auf meinem Boden noch eine Pritsche stehen, die zur Zeit nicht gebraucht wird. Die ist recht niedrig. Wenn wir einen Strohsack voll zusammen kriegen, kann Hannes darauf schlafen und seine Sachen darunter verstauen."

Gut, dann habe ich heute noch Zeit, den Dachboden völlig leer zu räumen. Vielleicht muss ein Teil von Hannes Habseligkeiten dann aber doch zurück zu Klaas ... Aber das werden wir sehen.

Der Pastor kündigt an, dass er noch vor dem Mittag durchs Dorf gehen und alle gewünschten Geschenke austragen wird. Die Männer verabreden sich für hinterher in der Schenke, um miteinander die Reparatur zu planen. Der Ferz macht einen tiefen Diener und bedankt sich sehr gerührt beim Pastor für das wirklich wertvolle Schwein. Dann löst sich die Versammlung auf. Aus dem Augenwinkel beobachten uns dennoch alle, denn Pastor Crüger schiebt nun den Hannes zu mir, der sich scheu verbeugt und auf den Boden starrt. Ich reiße mich zusammen und spreche ihn freundlich an.
„Willkommen, Hannes. Noch ein paar Tage, bis das Dach repariert ist. Dann bist du in der Adamskate zu Hause. Und dann werden wir sicher bald herausfinden, was du besonders gut kannst, wobei du mir richtig gut helfen kannst. Ein starker Mann ist immer willkommen."
Hannes hebt vorsichtig den Kopf und schaut mich scheu an. Seine ganze Haltung zeigt, wie unsicher er zu sein scheint. Er hat sich vollständig im Griff.
„Habt Dank, Frau Adam! Ich will ein guter Knecht sein!"

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1.2.2020

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