059 - Frondienst - Fr. 2.3.1571

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Ich bin Anna Adam. Eine Waise, eine Magd, die Frau eines unfreien Bauern, Witwe. Und nun bin ich in den Händen der Männer, die Hannes ermorden wollen. Ich bin unfrei, ich habe keine Wahl. Der Verwalter kann jede und jeden von uns jederzeit zur Arbeit heranziehen. Aber das blanke Entsetzen in meinem Innern überschwemmt jeden vernünftigen Gedanken in meinem Kopf. Ich hocke zwischen Schweinen, Schafen und Hühnern auf dem Gitterkarren, wie in einem Gefängnis, und weine stumm über mein Elend. Ich hatte nichtmal Zeit, mir meinen Mantel oder ein paar Tücher zu greifen, und so friere ich entsetzlich. Mein Herz ist erstarrt in Furcht. Die Gesichter meiner schreienden Kinder stehen ununterbrochen vor meinem inneren Auge.

An der Kreuzung im Wald wendet sich ein Teil der Kolonne nach Wollershusen. Auch dort sollen die Steuern eingetrieben werden. Der Hauser wird sicher nicht morgen noch einmal kommen wollen. Ich bin schon halb erfroren, als wir durch Rhumaspring rollen. Wir halten an, und die Knechte machen sich daran, in den Häusern und Katen die Steuern einzutreiben. Der Freese kommt aus seinem Stall, sieht aufmerksam an allen Karren entlang und bleibt mit seinem Blick an mir hängen. Ohne eine Miene zu verziehen, geht er ins Haus und kommt mit einem Bündel wieder heraus. Er fragt nicht. Er schiebt mir mit einem geflüsterten Gruß von seiner Frau und von Klaas zwei Tücher, einen alten Mantel und eine große Decke durchs Gitter. Dann drückt er ganz kurz meine Hand, raunt ein „Gott bewahre dich, Anna Adam" und geht wieder. Der Kutscher des Karrens war derweil in des Freeses Stall, und so hat uns keiner beachtet. Ich danke Gott im Gebet für Klaas, der irgendwie hierher geflogen sein muss, und für diesen wunderbaren Mann, der uns mit seiner Warnung überhaupt erst möglich gemacht hat, einigermaßen gefasst auf den Hauser zu reagieren. Und der nun meine Not erkannt hat. Hastig wickele ich mich in den Mantel, die Decke und die Tücher.

Es werden noch ein paar Schweine zu mir auf den Karren gesperrt, und allmählich spüre ich die Wärme der dicht gedrängten Tiere. Dennoch bin ich blau gefroren und halb verdurstet, als wir in Gieboldehusen ankommen. Ich wehre mich nicht mehr. Widerstandslos lasse ich mich von einer alten Magd in eben das Zimmer unter der großen Treppe führen, wo der Brudenhusen mich immer zur Anprobe empfangen hat. Sie deutet stumm auf eine kleine Liege in der Ecke, stellt mir eine Waschschüssel und einen Krug mit Wasser hin und verlässt den Raum. Ich stürze mich darauf und trinke hastig.

Nach und nach setzt mein Verstand wieder ein. Ich schaue mich in dem kleinen Raum um. Immerhin hatte die Hausdame genug Verstand, mir einen Tisch mit einer guten Lampe bereitzustellen, damit ich überhaupt ordentlich sticken kann. Auch ein kleines Feuer ist im Kamin. Ich hocke mich sofort auf den Boden davor und versuche, mich aufzuwärmen.
Hier soll ich nun also leben und arbeiten. In sechs Wochen ist die Hochzeit. Wahrscheinlich will der Verwalter, dass ich ohne Hin und Her die ganze Zeit daran arbeite, dass er zur Hochzeit fein herausgeputzt ist. Und wenn ich Glück habe, lässt er mich dann wieder gehen.

Für den Rest des Tages sehe ich niemand mehr. Erst, als es draußen schon finster ist und die Geräusche im Haus langsam abebben, kratzt es an der Tür, und auf meine Antwort hin steckt ein Diener seinen Kopf herein. Es ist der alte Mann mit den traurigen Augen, der mir schon beim letzten Besuch aufgefallen ist. Er schließt die Türe hinter sich und stellt mir ein Brett mit Brot und Käse hin. Dann flüstert er etwas.
„Der alten Frau Agnes wäre das alles hier gar nicht recht. Du bist wie die Tochter, die ich nie hatte. Ich will über dich wachen." Dann schlüpft er wieder hinaus.

Ich bin ungeheuer müde von all der Aufregung und Sorge dieses furchtbaren Tages. Der Blick in den kleinen Spiegel an der Wand zeigt mir ein Gespenst meiner selbst. Da ich sicher in den nächsten Tagen all meine Kraft und Konzentration brauchen werde, lösche ich bald das Licht und begebe mich auf der Liege zur Ruhe. Kaum schließe ich meine Augen, sehe ich wieder meine Kinder vor mir. Und Hannes, der nun unerreichbar weit weg ist. Stumm und gebrochen weine ich mich in den Schlaf.

Früh am nächsten Morgen kommt die Hausdame zu mir und teilt mir mit, wie es nun weitergehen soll. Obwohl ich bisher immer nur ruppige Zurechtweisung von ihr erfahren habe, sehe ich diesmal so etwas wie Bedauern in ihrem Blick.
„Sie wird in den nächsten Wochen bis Ostern viel zu tun haben, darum hat Herr von Brudenhusen entschieden, sie hier haben zu wollen. Es gilt, ihm einige Kleidungsstücke für seine Hochzeit zu veredeln. Wenn sie gute Arbeit leistet, kann sie danach wieder gehen."
Der letzte Satz ist ein kleiner Hoffnungsschimmer.

„Zunächst sollen ein weiteres Wams, eine prächtige Schaube und ein passendes Barett gefertigt werden. Die Kleidungsstücke sind genäht, sie wird sie besticken. Die Schaube soll einen Pelzkragen bekommen, das Barett soll mit Federn, Perlen, Edelsteinen und einer zierlichen Stickerei versehen werden. Wenn das alles fertig ist, wird sie weitere Aufträge bekommen."
Sie legt ein großes Bündel auf den Tisch, dazu einige Garne, Federn, ein Säckchen, in dem es leise klirrt.
„Ich bin angehalten zu betonen, dass die Steine abgezählt sind."

Ich schalte sofort. Wenn die Edelsteine abgezählt sind, wer weiß, welche Zahl die sich notiert haben. Dann kann mir hinterher ganz leicht unterstellt werden, ich hätte einen Stein gestohlen.
„Darf ... ich darum bitten, dass wir die Steine gemeinsam zählen? Ich möchte sicher gehen, dass ich mich nicht ..."
Mir fällt nicht mehr ein, wie ich das höflich formulieren soll, aber die Hausdame reißt mir nicht den Kopf ab. Im Gegenteil – sie sieht mich warm an, nimmt eine Schüssel vom Kaminsims und lässt mich vor ihren Augen die Edelsteine in die Schüssel zählen. Wir finden in dem Beutel eine große Perle, zwölf kleine Perlen und 53 unterschiedlich große Granaten, alles mit einer feinen Bohrung, damit ich es annähen kann.
„Ist es möglich, dass ich Papier oder etwas anderes bekomme, damit ich Entwürfe zeichnen kann?"
Sie nickt mir einmal zu und geht.

Seufzend breite ich das Bündel Kleidung aus. Diesmal sind Wams und Barett leuchtend blau, die Schaube ist dunkelblau und das Garn ist ein feiner Silberfaden. Der Pelz ist aus Hermelin und Silberfuchs. Und alles in allem läuft so wahrscheinlich nichtmal der Habsburger Kaiser herum. Aber unser Brudenhusen will es speziell, also bekommt er es speziell. Und wenn ich mir die Finger wund sticke, damit ich bald wieder bei meinen Kindern sein kann.
Hannes,wo bist du? Erlöse uns von diesem Größenwahnsinnigen und seiner Brut!
Ich muss zusehen, dass ich bei Verstand bleibe und meine Seele rein halte, damit ich diese Zeit gut überstehe.

Kurz darauf kommt wieder der alte Diener. Er bringt mir Brot, Käse und Wasser, und dazu legt er mir drei größere Schiefertafeln hin, damit ich Muster entwerfen kann. Ganz leise flüstert er mir wieder etwas zu.
„Bitte sag mir, Mädchen, wenn du etwas brauchst. Ich will dir alles besorgen."
Ich muss nicht lange nachdenken. Soweit ich die Kleidungsstücke und das Material gesichtet habe, fehlen mir noch Daunen, um das Wams an den Schultern zu polstern, und einfaches, starkes Garn, das ich an unsichtbaren Stellen nutzen will, um die Pelze gut befestigen zu können. Leise erkläre ich meinem Wohltäter, was ich brauche, und bitte ihn, das in der Stadt für mich zu besorgen. Mit einem stummen Gruß und einem leisen Lächeln geht er wieder. Es tut gut, ihn heimlich auf meiner Seite zu wissen. Er ist ein redlicher Mann, und er scheint noch aus der Zeit der vorherigen Besitzerin zu sein und entsetzlich unter all dem Unrecht hier zu leiden.

Ich schließe einen Augenblick die Augen und lausche in mich hinein. Lieder von Freude und Leid, Hoffnung und Bewahrung tauchen in meiner Seele auf. Ich beginne zu singen. Mit Worten und Tönen lege ich mich und das Schicksal meiner Kinder in Gottes Hände. Ich singe meine Seele frei von Angst und Zorn. Ich bete, dass ich allen vergeben kann, die Unrecht an mir und uns tun, damit ich reinen Gewissens sein kann. Denn ich weiß wohl, dass Angst und Hass vor allem meine eigene Seele belasten. Und auch, wenn ich hier nicht wegkommen kann – welche Lasten ich trage, entscheide immernoch ich selbst.

Etwas gestärkt und mit neuem Gleichmut breite ich die Kleidungsstücke aus und überlege, welcher Art die edle Stickerei sein könnte. Dann greife ich mir die Schiefertafeln und fange an, Muster und Ranken zu entwerfen. Als gegen Mittag mein treuer Helfer wieder hereinschaut und mir einen Beutel mit Daunen und dem gewünschten Garn reicht, sieht sein Gesicht seltsam aus, so ... verschwörerisch.
„Ich habe auf dem Markt eine Magd getroffen, die Grüße von Bauern Freese ausrichtet. Du sollst dich nicht sorgen, sie wollen versuchen, Kontakt zu dir zu halten."

Tränender Rührung und Erleichterung schießen mir in die Augen.     Ich bin nicht allein! Gott sei Dank!     Am liebsten würde ich dem alten Mann um den Hals fallen. Stattdessen strahle ich nur, und er strahlt zurück.
„Sagt mir doch, wie ich Euch anreden kann? Und ich hätte auch noch die Bitte, dass die Hausdame zu mir kommt, um sich meine ersten Entwürfe anzusehen. Geht das?"
Da kommt Leben in seine Augen.     Wie lange hat diesen Mann niemand mehr gefragt, wer er ist? So eine einfache Frage, und er sieht so glücklich dabei aus.
„Ich bin Jochen Hannover. Ich bin als Bursche mit der lieben Frau Agnes hierher gekommen. Am Schluss war ich der erste Diener im Hause. Aber heute will mich keiner mehr haben – ich bin zu langsam geworden und träume zuviel von damals ..."

Und schon ist Jochen Hannover zur Tür hinausgehuscht. Eine Weile später betritt die Hausdame meinen Raum.
„Mir wurde ausgerichtet, dass du eine Frage an mich hast, Anna?"
Huch, das kommt ja plötzlich! Seit wann bin ich Anna und du für sie? Und nicht mehr der Abschaum vom Dorfe ...
„Ja, Herrin. Ich habe mir die Kleidungsstücke angesehen und einige Entwürfe gemacht. Bevor ich weiter plane, möchte ich Eure Meinung dazu hören und mich mit Euch abstimmen."
Als ich sie Herrin nenne, zuckt sie kurz zusammen, fängt sich aber schnell wieder und beugt sich mit mir über meine Schiefertafeln. Ich erkläre ihr meine ersten Überlegungen, zeige grob, wie ich mir die Gesamtwirkung vorstelle und versuche, die Vorstellungen des Brudenhusen aus ihren Antworten herauszuhören.
„Das sieht alles sehr gut aus, Anna. Du hast wirklich Talent. Plane bitte weiter, wie wir es jetzt besprochen haben, ich schaue heute Abend noch einmal herein. Ansonsten wird die alte Maria ab und zu herkommen, damit du sagen kannst, wenn du etwas brauchst."
Sie lächelt mich an und geht, und ich spüre, dass ich schon wieder zu danken habe. Während meine Hände fleißig zeichnen, kommt ein Lied aus meinem Herzen.

Nun danket alle Gott

1) Nun danket alle Gott / mit Herzen, Mund und Händen,
d

er große Dinge tut / an uns und allen Enden,
der uns von Mutterleib / und Kindesbeinen an
unzählig viel zu gut / bis hierher hat getan.

2) Der ewig reiche Gott / woll uns bei unserm Leben

ein immer fröhlich Herz / und edlen Frieden geben
und uns in seiner Gnad / erhalten fort und fort
und uns aus aller Not/ erlösen hier und dort.

3) Lob, Ehr und Preis sei Gott / dem Vater und dem Sohne
und Gott dem Heilgen Geist / im höchsten Himmelsthrone,
ihm, dem dreiein'gen Gott, / wie es im Anfang war
und ist und bleiben wird / so jetzt und immerdar.

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28.2.2020

die Hausdame in Gieboldehusen Almuth Jansen

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