061 - Aufbruch ins Ungewisse - Di. 6.3.1571

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Vater war sofort einverstanden, Clara zusammen mit einer Anstandsdame zu Ludo gehen zu lassen. Er macht sich ja genauso viel Sorgen um ihn wie jeder aufrechte Mensch in seiner Nähe. Die Ungewissheit um Hannes und die tiefe Trauer von Ludo berührt jeden mitfühlenden Menschen.

In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages empfange ich die Boten, die Ludo durchs Land geschickt hatte. Dazu Hannes persönlichen Diener und seinen Stallburschen Konrad. Sie berichten mir noch einmal, wie sie Hannes Spur aufnehmen konnten, was sie in Northeim herausfinden konnten – über seine Einkäufe, seine Kleidung, seine Unterkunft, die Richtung, in der er die Stadt verlassen hat. Und wie sich seine Spur im thüringischen Eichsfeld nahe der Grenze zu Grubenhagen verlor. In seiner Notiz an Ludo klang er besonnen – er wolle einfach abschalten und zur Besinnung kommen. Wolle sich in Ruhe seiner Aufgabe stellen. Er werde bald wieder da sein. Doch auf seinem Schloss und Gut ist er nie angekommen.

Konrad berichtet mir wieder, wie Hannes ihn mit der Botschaft voraus geschickt habe, dass und von wo und ungefähr wann er auf seinem Gut eintreffen werde und dass alles bereit sein möge für einen längeren Aufenthalt. Der Bursche ist aber bereits am nächsten Tag von dort zurück nach Hause geschickt worden. Es sei alles bereit, er würde dort nicht mehr gebraucht. Er hat Hannes dort nicht mehr eintreffen sehen. Und er sei zu Stillschweigen verpflichtet worden von dem dortigen Stallmeister. Das habe ihn aber erst gewundert, als hier die Unruhe um sich gegriffen habe, weil Hannes einfach nicht wieder aufgetaucht sei.

Was mir aber wirklich Kopfzerbrechen bereitet, sind die Berichte der Boten, die die ganze Gegend dort abgesucht haben, in jedes Dorf gegangen sind, mit den Vögten gesprochen haben und allerlei Seltsames vorgefunden haben. Auf Hannes Besitz gehe es seltsam zu, sagen sie. Sie seien gar nicht bis zum Verwalter durchgedrungen, seien in der Küche abgefertigt worden. Die Stimmung in der Stadt sei bedrückt gewesen. Menschen, Vieh und Dörfer in seinem Lehen seien in einem schlechten Zustand gewesen. Die Menschen um das Gut und in den Dörfern hätten offensichtlich Angst vor diesem Verwalter gehabt. Vor allem in der Grenzgegend zwischen dem Eichsfelder Ort, wo sich Hannes Spur verliert, und seinem Gut seien die Menschen sehr verschlossen gewesen.

Aber nicht mit mir!     Entschlossen verabschiede ich mich von Vater und Schwester, steige auf mein Pferd und mache mich mit meinem Diener Kahn, Hannes Stallburschen Konrad und drei berittenen Wachen auf, um Hannes zu finden. Ich reite grade nach Südosten, direkt auf mein Ziel los. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass nur dort das Geheimnis zu lösen ist. Am ersten Tag komme ich – auf viel direkterem Wege als Hannes – ins Braunschweigische bis Northeim und nehme dort Quartier in derselben Herberge, in der auch Hannes untergekommen sein soll. Es ist eine versteckte kleine Spelunke. Billig, duster und kalt. Es hatte einige Mühe gekostet, die Herberge aufzuspüren und dem Wirt Antworten zu entlocken. Am Ende hatte sich herausgestellt, dass Hannes den Wirt dafür bezahlt hatte, dass der ihn verleugnet.

Am nächsten Morgen weicht mein Weg ab vom dem, den Hannes gewählt hat. Während er sich nach Süden ins Eichsfeld gewandt hatte, reise ich weiter gen Südost immer der Grenzstraße entlang bis zur Katlenburg, wo ich beim Grafen freundliche Aufnahme finde. Der Weg ist mühsam für die Pferde, tief aufgeweicht, und wir kommen nur langsam voran. Die Schneeschmelze und die Frühjahrsregen haben alle Wege matschig gemacht, und immer wieder müssen wir Pausen machen. Joseph, Ruven und Benjamin, unsere Wachmänner, freunden sich schnell mit Konrad an. Auch wenn der Zweck der Reise kein schöner ist – es tut gut, aus dem in Trauer und Sorge erstarrten Haushalt von Ludo herauszukommen und vier junge, lebhafte Männer um mich zu haben. Sogar mein sonst so stiller Kammerdiener taut in dieser Stimmung etwas auf.

An unserem Ziel werden wir freundlich aufgenommen. Der Burgherr auf der Katlenburg kann sich an die Boten erinnern, die Ludo geschickt hatte. Aber dem Grafen ist in der Zwischenzeit auch kein weiterer Hinweis eingefallen oder zugetragen worden. Zumindest in seinem Zuständigkeitsbereich sei in all den Monaten nichts Seltsames vorgefallen.

Bei einem entspannten Glas Wein vor dem knisternden Kamin frage ich ihn schließlich nach dem Nachbarlehen. Nach dem Verwalter dort, nach seinem Eindruck von diesem Mann. Er zögert etwas.
„Nun ja ... Die Minnigerodes haben immer Nähe zum Volk gelebt, haben ein Waisenhaus, eine Schule aufgebaut, haben darauf geachtet, dass es den ihnen anvertrauten Menschen gut geht. Wir haben uns von Zeit zu Zeit besucht. Kurz nachdem Frau Agnes von Minnigerode gestorben war, ging der alte Verwalter in den wohlverdienten Ruhestand. Es wurde ein neuer Verwalter eingestellt. Und seitdem ist einiges anders geworden. Er hat keinen Kontakt zu Nachbarn gewünscht, hat einmal im Jahr seinem Lehnsherrn Bericht erstattet und hat das Volk nicht gut behandelt. Als die Leiterin des Waisenhauses, eine Freundin der Frau von Minnigerode, starb, wurde die Schule geschlossen. Ich habe mir sagen lassen, dass er mehrfach die Steuern erhöht hat und dazu noch reichlich willkürlich damit umgeht."

Das macht mich stutzig, denn Ludo und ich haben wirklich alle Aufzeichnungen über Gieboldehusen durchforstet, auch die jährlichen Berichte des Verwalters.
„Das ist seltsam. Wir haben alle Unterlagen durchgesehen, damit ich vorbereitet auf diese Reise gehen kann. Dort sind keine Steuererhöhungen vermerkt. Und die Kosten für die Schule und das Waisenhaus sind auch weiter geführt. ... Habt Ihr den Mann jemals selbst erlebt?"
Graf von Katlenburg schüttelt den Kopf.
„Er verlässt das Schloss fast nie, er hat für alles seine Untergebenen, die er ins Land schickt. Und Einladungen spricht er nicht aus. Das Lehen ist ... abgeschottet? Er schaltet und waltet, und niemand schaut ihm auf die Finger."

Ich bitte darum, zwei Nächte bleiben zu dürfen, was mir gerne gewährt wird. Also richte ich mich ein wenig ein und beginne gleich am nächsten Morgen, die nächsten Grenzstationen zum Eichsfeld anzusteuern und die dortigen Grenzer auf beiden Seiten zu befragen. Das hatten die Boten von Ludo nicht so offen tun wollen. Aber zumindest die auf der Grubenhagener Seite sollten mir doch Auskunft geben müssen.

In Lindau erfahre ich als erstes, dass es neuerdings verschärfte Vorschriften gebe, weil der Schmuggel sonst überhand nähme. Die Zöllner beider Seiten versuchen dann ehrlich, irgendeine Erinnerung an einen einzelnen gut betuchten Reiter aus ihrem Gedächtnis zu graben. Aber alle Reisenden, die im November hier waren, waren Bauern oder Geistliche oder schlicht Menschen, deren vage Beschreibungen beim besten Willen nicht auf Hannes passten. Einer war klein und dick, der zweite fuhr mit seiner Frau in einer Kutsche und war viel zu alt. Und der Dritte saß auf einem Schimmel. Aber Hurtig ist ein Brauner. Und wenn ich eines weiß, dann, dass Hannes sich niemals von Hurtig trennen würde.Er ist mit Hurtig abgereist, also ist er auch mit Hurtig angekommen. Wo auch immer ...

Mein nächster Weg führt mich nach Bilshusen, dem letzten Ort, der zur Grafschaft Katlenburg gehört. Diese Grenzer sind ziemlich schlecht gelaunt und nicht sehr auskunftsfreudig. Aber eine interessante Information gibt es doch. Kurz nach dem zweiten Advent hat es ein Stück weiter die Grenze hinunter eine riesige Aufregung gegeben, weil wohl mal wieder Schmuggler über die Grenze sind. Es habe Schüsse gegeben. Und der Zollhauptmann der Eichsfelder sei dann wutschnaubend zum Verwalter des nächsten Lehens auf Grubenhagener Seite, nach Gieboldehusen gerauscht und habe alles aufgescheucht, was Beine hatte. Die armen Dörfler in der Gegend seien ziemlich wüst drangenommen worden auf der Suche nach irgendwelchen Hinweisen auf Schmuggel. Das Dorf am nächsten zur Grenze sei förmlich auseinandergenommen worden, das Unterste sei zu oberst gekehrt worden. Und dann sei der Verwalter erhobenen Hauptes wieder nach Norden gefahren, weil sich nichts gefunden habe, während der Eichsfelder Hauptmann mit verkniffenem Gesicht zurück ins Eichsfeld geschlichen sei. Nun taut der Mann doch auf. Und als ich ihm ein warmes Bier spendiere, lässt er sich sogar dazu herab, über die Reisenden von Mitte November nachzudenken. Aber an einen gut gekleideten Herren auf einem braunen Ross kann auch er sich nicht erinnern.

Unverrichteter Dinge muss ich schließlich kehrt machen, um vor der Dunkelheit zurück auf der Katlenburg sein zu können. Der dann nächste Grenzübergang gehört schon zu Hannes Lehen. Aber da werde ich erst  später Nachforschungen anstellen. Nun will ich zunächst direkt auf sein Schloss und mir ansehen, was die Boten da so verschreckt haben kann. Irgendwo hier ist Hannes „verloren" gegangen. Aber dass er tot ist, glaube ich erst, wenn ich seine sterblichen Überreste sehe. Diese Gegend birgt ein großes, seltsames Geheimnis.

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1.3.2020

oben siehst Du den Stallburschen Konrad,

und das hier ist Clara

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