071 - nur über meine Leiche - FR. 16.3.1571

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Angenervt, frustriert, traurig – ich schleiche förmlich die Dorfstraße entlang zu meinem eigenen Hof, von wo aus ich dann wieder auf mein Feld zum Pflügen gehen will. Ich weiß echt nicht mehr, was ich noch machen soll.
Hannes ist ein dermaßen sturer Bock!
Daran rennen wir uns grade alle die Hörner ab. Und das Verrückte ist – ich merke ganz genau, dass er selbst weiß, wie idiotisch sein Verhalten grade ist. Und das hat irgendwie auch nicht mehr viel mit Anna zu tun. Hannes will den Brudenhusen auch vertreiben, er will diese Hochzeit auch verhindern, er will für die Menschen in diesem Lehen das allerbeste! Aber seine Gedanken scheinen sich irgendwo festgebissen zu haben, so dass er nicht mehr klar denken kann. Im Grunde habe ich eben schon die letzte Karte ausgespielt, als ich ihn darauf hingewiesen habe, dass er jetzt bitte trotz seines Ranges auf uns hören soll.

Ich schaue auf den Sonnenstand, biege in einen Feldweg ab und marschiere drauflos. Es ist noch zwei Stunden bis Mittag, in der Zeit kann ich noch ein paar Furchen schaffen. Und vielleicht hat sich Hannes bis dahin ja wieder abgeregt, und ich kann nochmal vernünftig mit ihm reden.

Rudolph hat sich in der Zwischenzeit mit meinem Ochsen weiter durch die schwere Erde gewühlt. Ich sehe zufrieden auf schöne grade Fruchen und freue mich, dass Rudolph so tüchtig und anscheinend genau der Knecht ist, den wir hier gebraucht haben. Er ist anstellig, arbeitet selbständig, sorgfältig und genau. Warum auch immer sein ältester Bruder, der den väterlichen Hof geerbt hat, das nicht begriffen hat – uns kommt es nun zu Gute, dass der Rudolph hat ziehen lassen.

Morgen wollen wir an meinen zweiten Acker gehen, Am Sonntag ist der Acker von Anna dran. Und ab Montag müssen wir auf die Felder unseres Lehnsherren – der vielleicht-hoffentlich Hannes ist. Ich löse Rudolph am Pflug ab und schicke ihn vor, damit er den kleinen Jasper ablöst und den Ochsen wieder selbst führt.

Wie so oft in den letzten zwei Wochen kommt da ein Bote aus Rhumaspring angeritten. Und zu meiner Bestürzung kommt er schon wieder hintenrum und sehr in Eile. Ich beschatte meine Augen mit den Händen und schaue genau hin. Es ist der Knecht vom Freese, der meistens losgeschickt wird.
Ja, hat denn das große Toben vom Hauser gestern noch nicht gereicht??? Nun haben wir Hannes grade erst wieder beigeholt, und jetzt kommt die nächste Heimsuchung?
Ich möchte ihm am liebsten den Kopf abreißen. Ich werde Hannes ganz sicher noch heute Nacht zurück nach Duderstadt schicken. Das ist einfach kein Zustand hier, und wir alle schweben durch seine Anwesenheit ständig in Gefahr. Ich pfeife Jasper wieder ran, übergebe Rudolph wieder den Pflug und sprinte Zähne knirschend zurück zur Dorfstraße.

Aber der Knecht aus Rhumaspring reitet mir entgegen und berichtet nur, dass ein vornehm gekleideter Fremder auf dem Weg von Gieboldehusen her gemächlich durchs Dorf in diese Richtung geritten sei. Er sei in Begleitung zweier Bewaffneter, habe beim Bauern Freese gegen Bezahlung einen Krug Bier getrunken und sich beiläufig nach dem Weg nach Lütgenhusen erkundigt. Dann habe er noch die schöne Gegend gelobt und sei genauso gelassen weitergeritten.

Der Knecht macht sich auf den Rückweg. Und ich bleibe mitten auf der Dorfstraße stehen, mache mir Gedanken, wer das denn schon wieder sein könnte, und versuche fieberhaft, meinem Hirn ein Ablenkungsmanöver einfallen zu lassen. Ich will nicht, dass er ganz bis zu meinem Hof durchreitet, muss ihn irgendwie vorher aufhalten. Ich mache auf dem Absatz kehrt, eile in meinen Stall, schnappe mir im Vorbeirennen meinen Wasserbottich und laufe eilig zum Dorfbrunnen.

Ich kann mir einfach keinen Reim daraufmachen, was das jetzt wieder soll. Außer, dass es der Brudenhusen versucht, indem er einen völlig neuen Mann losschickt, in der Hoffnung, dass er uns damit nicht misstrauisch macht.
Versteh einer den Verwalter. Entweder haben wir Hannes, dann macht uns alles misstrauisch. Oder wir haben keine Ahnung von Hannes, dann macht uns nichts misstrauisch, weil wir sowieso die ganze Zeit nicht wissen, wie uns grade geschieht.

Dummerweise habe ich keine Zeit mehr, Hannes zu warnen und ihn wiederum in den Wald zu scheuchen, denn nun kommen drei Reiter aus dem Wald, an Annas Kate vorbei und direkt auf den Dorfplatz zu, wo ich gerade eben etwas außer Atem am Brunnen ankomme. Aber es ist seltsam. Sie schauen sich nicht neugierig um, sie flüstern nicht miteinander, sie reiten einfach nur langsam durchs Dorf, grüßen mich am Brunnen und sind schon fast auf der anderen Seite wieder am Waldrand angekommen. Da lenkt der vornehme Mann plötzlich sein Pferd auf meinen Hof, steigt ab und marschiert, als hätte er eine schriftliche Einladung, einfach in meinen Stall.

Hastig hole ich den Eimer Wasser ganz nach oben, fülle ihn in meinen Bottich um und gehe, so schnell man mit einem schweren Bottich voller Wasser laufen kann, nach Hause. Die beiden Bewaffneten sitzen auf ihren Pferden und schauen unbeteiligt in die Gegend. Aber ich nehme ihnen das kein Stück ab. Sie sind so wachsam, als gelte es, einen Krieg zu verhindern. Allmählich bekomme ich Angst.

Mit zitternden Fingern öffne ich das Tor zu meinem Stall. Mir bleibt fast das Herz stehen. Der Fremde steht in aller Seelenruhe in meinem Stallgang, beachtet die drei Pferde von Hannes Begleitern mit keinem Blick – sondern durchbohrt Hurtig mit seinen Blicken. Still stehe ich im Tor und beobachte ihn. Er scheint mich gar nicht zu bemerken. Plötzlich löst er sich aus seiner Starre, greift einen Apfel aus dem Korb neben Hurtigs Verschlag und hält ihn lächelnd dem großen Braunen hin. Hurtig zeigt keinerlei Scheu vor ihm, nimmt ihm vorsichtig mit den Lippen den Apfel aus der ausgestreckten Hand und kaut genüsslich darauf herum.

„Wer seid Ihr, und was macht Ihr in meinem Stall!?!"
Ich versuche, Sicherheit und Tatkraft auszustrahlen, auch wenn ich in Wahrheit überhaupt nicht mehr einschätzen kann, was hier grade geschieht. Der Fremde dreht sich langsam zu mir um und fragt völlig gelassen zurück.
„Und wer bist du?"
Noch ehe ich eine Antwort finden kann, verändert sich sein Tonfall ganz plötzlich. Mit schneidender Stimme stellt er die nächste Frage sofort hinterher.
„Und wo ist der Besitzer dieses Pferdes!?!"

Ich bin nun wirklich überfordert.
Dieser Mann weiß zuviel!
Also fange ich an, um den heißen Brei herumzureden, ihn hinzuhalten. Dabei weiß ich gar nicht, wer oder was mir jetzt helfen könnte. Ich versuche einfach, Zeit zu gewinnen, bis mein Verstand wieder einsetzt. Und mein Überlebenswille und mein Witz auch. Scheinbar völlig gelassen und selbstsicher richte ich mich dann auf und antworte in aller Ruhe.
"Der steht vor Euch, werter Herr."

Er lacht leise.
„Hm, genau. Und ich bin der Habsburger."
Ich spiele sein Spiel mit. Mit einem breiten Grinsen verbeuge ich mich seeeeeehr tief vor ihm.
„Seid willkommen in meinem bescheidenen Heim, allerdurchlauchtigste Hoheit!!"
Wieder lacht er. Und ich meine, sein Gemurmel zu verstehen.
„Sie hat mich gewarnt."
Was auch immer das heißt - ich schenke dem keine Beachtung. Ich muss ihn irgendwie hier rausbekommen.
„Wenn mir Eure durchlauchtigste Durchlaucht bitte folgen würden? Dies ist nicht der rechte Ort für einen so hochwohlgeborenen Herrn."
Ich gehe voraus, halte ihm die Tür zu meiner Diele auf und mache noch einen übertriebenen Kratzfuß.

Er rührt sich aber leider nicht von der Stelle. Ich versuche es noch einmal.
„Wenn ich bitten dürfte..."
Doch eh ichs mich versehe, hat mich der aufdringliche Fremde beim Kragen gepackt, dass die Nähte krachen, mich wieder in meinen Stall gezerrt und quetscht mich gegen meine Stallwand. Ich bekomme kaum noch Luft, aber noch gebe ich nicht auf. Und wenn ich Hannes mit meinem Leben schützen muss. Immerhin kann er mich hier totschlagen, aber die drei Männer kommen jedenfalls nicht gegen das ganze Dorf an.
Warum ist der Idiot auch wiedergekommen vor der Zeit??? Die Botschaft enthielt unmissverständlich die Aufforderung, NICHT herzukommen sondern abzuwarten, was wir über Annas Verbleib herausfinden können.

„Zum letzten Mal – wo ist der Besitzer dieses Pferdes?"
Ich versuche, ihn zu verblüffen.
„Warum sollte ich Euch trauen, edler Herr? Wer sagt mir, dass Ihr ihm nichts Übles wollt? Nehmt mir das Leben. Aber ich werde meinen besten Freund nicht verraten."
Fast falle ich auf meine Diele, so abrupt lässt der Fremde mich los.
„Was hast du gesagt? Du willst ihn SCHÜTZEN?"
Er schüttelt den Kopf, und diesmal grinst er wieder.
„Bei so vielen Freunden habe ich allmählich den Verdacht, er braucht gar keinen Schutz von mir mehr."
Am liebsten würde ich meine Faust ausfahren und mitten in seinem Gesicht landen lassen.
Mann, hat der'n Rad ab? Weiß der überhaupt, was er will? Kann der mal aufhören, immer abwechselnd zufrieden und aggressiv zu kucken?

Es ist vielleicht ein bisschen aufreizend, aber erstmal stehe ich auf, klopfe mir den Hosenboden ab, sortiere in aller Ruhe mein verrutschtes Hemd und sehe ihn gelassen an. Ich muss ihn noch weiter aus der Reserve locken, sonst kann ich mir nicht sicher sein.
„Ja, ich weiß, wo der Besitzer dieses Pferdes ist. Und ich weiß auch, wer er ist. Oder besser – ich weiß genauso wenig wie er, wer er ist. Aber er ist in Gefahr, und solange ich nicht davon überzeugt bin, dass diese Gefahr nicht von EUCH ausgeht, werde ich schweigen, und wenn ich dafür ins Grab sinke."

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11.3.2020

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