072 - Vertrauen wagen - FR. 16.3.1571

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Ungläubig schüttelt der Fremde den Kopf. Das Vergnügen, das für einen Moment in seinen Augen aufblitzt, kann ich nicht deuten. Schon wieder.
Der Kerl macht mich noch wahnsinnig.
„Du hast wirklich Schneid! ... Dann steht hier wohl Misstrauen gegen Misstrauen. Denn ich wiederum betrachte den Besitzer dieses Pferdes als meinen besten Freund und bin im Auftrag seines Bruders unterwegs, um ihn zu finden. Und ich glaube, inzwischen herausgefunden zu haben, dass er tatsächlich in Gefahr ist. Wenn er denn noch lebt."

Lauernd blicken wir uns an, bis er einen Vorschlag macht.
„Information gegen Information?"
Ich nicke. Er beobachtet mich genau, während er spricht.
„Das Pferd ... heißt Hurtig."
Jetzt wird es spannend.
Natürlich kann auch sein Mörder wissen, wie sein Pferd heißt. Ich taste mich langsam vor.
„Und wir nennen den Mann ... Hannes."

Zufriedenheit stiehlt sich in seine Augen, aber auch Erleichterung, er atmet tief durch. Dann verblüfft er mich, denn sein Tonfall ist auf einen Schlag ein völlig anderer.
„Sag mir nur eines: ist er am Leben, und ist er in Sicherheit? Bitte. Sein Bruder quält sich zu Tode vor Sorge, weil wir so sehr lange nichts von ihm gehört haben."
Mit diesen Worten hält er mir seine Hand hin. Einen Moment lang schaue ich ihm noch ins Gesicht, das nichts als ehrliche Freude zeigt. Ich werde einfach nicht schlau aus diesem Mann. Mir gegenüber gibt er sich energisch, kampfbereit und seltsam belustigt. Aber sobald es um Hannes geht, ist er gleichzeitig aufgeregt und weich wie Butter.

Ich entschließe mich, mehr preiszugeben.
„Er lebt, er ist in Sicherheit. Und er hat durch einen Unfall sein Gedächtnis verloren. Er weiß nicht, wer er ist. Aber er hat geträumt. Sagt mir doch, edler Herr - wie heißt sein Bruder?"
Fast springt mich der Mann an.
„Wo ist er?"
„Wie - heißt - sein - Bruder?"
„Er ..."
Mein Misstrauen erwacht wieder, das dauert mir alles zu lange hier. Doch dann antwortet er mir wieder.
„Er nennt seinen Bruder Ludo."
Jetzt bin ich es, der erleichtert aufatmet.
Ich muss eine Entscheidung fällen. Hannes sitzt, tief verwirrt, weil er nun doch kein Minnigerode ist, irgendwie beschämt, trotzig und zu Tode besorgt um Anna in ihrer Kate und weiß nicht mehr vor und zurück. Er weiß nicht, wer er ist, also kann er auch nicht nach Haus. Aber dieser Mann hier könnte der Schlüssel zu allem sein. Oder auch nicht. Ich wage es.

Ich schüttele kurz seine immernoch ausgestreckte Hand.
„Folgt mir doch, Herr."
Ich wende mich zur Tür. Zur Sicherheit werfe ich ihm aber doch noch über die Schulter einen Brocken hin.
„Euch sollte klar sein, dass nicht nur Ihr Wachen mitgebracht habt, die übrigens da draußen ziemlich auffällig in der Gegend rumstehen. Auch Hannes hat drei Bewaffnete bei sich, die zu allem entschlossen sind. Solltet Ihr doch Übles wollen - so leicht wird er nicht zu kriegen sein. Will heißen: Eure zwei Anstandswauwaus bleiben schön hier, mitten auf der Dorfstraße, wo ich sie gut von weitem sehen kann."
Ich gebe den Starken, doch mein innerer Widerstand löst sich bei seinen nächsten Worten ganz schnell auf.
„Das freut mich sehr zu hören. Er ist bei Nacht und Nebel verschwunden, ganz allein von zu Hause fort. Und wir haben gefürchtet, dass ihm etwas Unschönes widerfahren ist, weil er sich keinen Schutz mitgenommen hat. Nur sein Stallknecht war bei ihm, und der kam nach einer Weile ohne ihn wieder zurück."

Gemeinsam treten wir hinaus in die Frühlingssonne. Kurz gibt er seinen Männern den Befehl, einfach an Ort und Stelle zu bleiben, bevor wir loslaufen. Ich sehe ihn von der Seite an, während wir die Dorfstraße entlanggehen. Er wirkt ehrlich erleichtert, und jetzt sehe ich auch, dass er sehr müde und abgekämpft aussieht, als hätte er sich in letzter Zeit recht viele Sorgen gemacht.
„Wie seid Ihr auf seine Spur gekommen, Herr?"
Er zögert nicht mehr, mir Auskunft zu geben.
„Er hatte seinem Bruder eine kurze Notiz hinterlassen, wohin er sich wenden will. Ich bin auf der Suche nach ihm also zunächst zu seinem eigentlichen Reiseziel gekommen, aufs Schloss nach Gieboldehusen. Dort gingen und gehen seltsame Dinge vor sich. Der Verwalter hat mit aller Macht versucht, mich wieder los zu werden. Aber dann habe ich über einen alten Diener eine junge Stickerin kennengelernt, die aus diesem Dorf stammen muss."
„Anna! Bitte, geht es ihr gut?"
Nun bin ich stehen geblieben und starre ihn an.

„Ja, ihr geht es den Umständen entsprechend gut. Sie sorgt sich nur sehr um ihre Kinder. Und sie gab mir eine Botschaft mit an Hannes. Oder an Klaas, Jorge, Jasper, Lene, ..."
Nachdenklich bleibt er stehen und zählt die Namen an seinen Fingern ab.
„Ach ja, an einen Ferz oder den Pastor oder den Vogt. Sie müsse viel arbeiten, damit der Herr zu seiner Hochzeit fein gewandet sei, aber sie würde gut behandelt und habe die Hoffnung, sie dürfe nach der Hochzeit wieder nach Hause."

Nach dieser exakten Aufzählung habe ich keinerlei Zweifel mehr. Ich halte ihm mit einem breiten Grinsen meine Hand hin. „Klaas."
Mit einem feinen Lächeln ergreift er meine Hand. Er hat einen angenehmen Händedruck.
„Ich weiß. Anna hat mich vorgewarnt, dass es nicht einfach werden dürfte, an dir vorbeizukommen. Karl von Pagenstecher. Wollen wir?"

Mit schnelleren Schritten gehen wir nun auf die Kate von Anna am anderen Ende des Dorfes zu, wo Caspar auf der Bank in der Sonne sitzt und die ersten Frühlingssonnenstrahlen genießt.
„Ist er drinnen?"
Caspar nickt.
„Ja. Auf dem Dachboden, die ganze Zeit. Er schmollt, rennt Kreise in die Bretter und wütet in sich hinein vor lauter Ungeduld und Unzufriedenheit."
Ich muss schmunzeln, bin ich doch selbst sehr erleichtert, dass ich nun endlich mit besserer Nachricht zu ihm komme.
„Danke, Caspar."
Wir betreten die dämmrige Diele der kleinen Kate. Melchior sitzt am Tisch und fettet grade seine Stiefel. Balthasar liegt auf der Pritsche und schnarcht leise vor sich hin. Ich rufe einfach die Leiter hinauf.
„Hannes, du hast Besuch."
Oben poltert es vernehmlich, und wir zucken alle zusammen. Balthasar stößt dabei seinen Kopf an der Wand und flucht leise. Offensichtlich hat Hannes den armen Schemel durch die Gegend gepfeffert. Aber ich lasse mich nicht beeindrucken.
„Komm runter, du Idiot! Jetzt wird alles gut."

Noch ein Rumpeln, ein deftiger Fluch, Schritte, dann sehen wir seine Beine an der Leiter. Einen Augenblick später steht er mit trotzig verschlossenem Gesichtsausdruck vor mir.
„Wer ists?"
Ich muss gar nichts sagen. Sein Blick wendet sich von allein zu meinem vornehmen Begleiter. Hannes erstarrt. Im nächsten Augenblick greift er sich mit einem Stöhnen an den Kopf, wankt - und stürzt der Länge nach hin wie ein gefällter Baum.
„Hannes!"
Mit einem Schritt sind wir bei ihm, heben ihn auf und tragen ihn zu Annas Pritsche. Balthasar rollt sich schnell herunter, um für Hannes Platz zu machen. Hannes ist ohnmächtig und weiß wie die Wand der Dorfkirche.

„Was ist mit ihm?"
Ängstlich beugt sich Karl von Pagenstecher über ihn. Ich bin nun auch nicht grade fröhlich nach diesem Schreck, aber ich habe einen beruhigenden Verdacht, was grade in Hannes passiert sein könnte.
„Wann immer er in seiner Zeit hier einen Traum von früher hatte oder unverhofft ein Stichwort bekam, das etwas in ihm bewegt hat, hat er plötzlich Kopfschmerzen bekommen und sich so an den Kopf gefasst wie eben. Das hier ist jetzt sehr heftig. Aber wenn wir Glück haben, heißt es einfach, dass er sich bei Eurem Anblick zumindest an Euch erinnert hat. Oder sogar vollständig an seine Vergangenheit."

Der Pagenstecher schaut mich mit großen Augen an.
„Das mit dem Gedächtnisverlust - das war kein Scherz? Auch Anna hat das schon erwähnt, aber ich habe es noch nicht so richtig ernst genommen. Er kann sich tatsächlich nicht erinnern, wer er ist?"
Ich schüttele den Kopf.
„Kein Stück. Selbst seine Kleidung, sein teures Pferd, der Inhalt seiner Beutel haben ihm nicht auf die Sprünge geholfen. Sogar seinen Namen hat er nur geträumt und nach ein paar Träumen begriffen, dass er das wohl ist. Er hat darauf bestanden, dass wir ihn mit Hannes und Du anreden, wollte ums Platzen nicht ein Adliger gewesen sein. Allein die Vorstellung hat ihm unglaubliche Angst gemacht. Richtig Angst."

Karl von Pagenstecher wendet sich wieder Hannes zu und murmelt kaum vernehmlich.
„Ja, das kann ich mir vorstellen. Er war total überfordert. Darum ist er abgehauen, der Trottel."

Wir versuchen, Hannes so bequem wie möglich zu betten und ihm Luft zu verschaffen. Uns bleibt nichts übrig, als abzuwarten, wann sein Geist sich endlich seinem Leben stellen will. Dann wird er hoffentlich einfach aufwachen, und alles kann gut werden. Na ja - fast alles. Anna wird dann für immer unerreichbar sein für ihn, wenn der gütige Gott nicht noch ein Einsehen und Hannes selbst eine zündende Idee haben werden.

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12.3.2020

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