078 - Pläne - MO. Nacht 19.3.1571

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Ich atme tief durch und nehme ihn fest in die Arme. Dass er dazu nicht mehr gedrängelt werden muss sondern mir das so frei heraus sagt und anbietet, bedeutet mir viel. Er kann diese Aufgabe annehmen und ausfüllen. Ich könnte es nicht. Nicht so wie er.
„Danke, Ludo. Du beschenkst mich und nimmst mir eine Schwere Last von den Schultern. Allerdings ... weiß ich noch nicht, ob ich dadurch Anna werde gewinnen können."
Erstaunt schaut er mich an.
„Wieso sollte sie das nicht wollen?"

Also erzähle ich ihm nun doch mehr von Anna. Von ihrer Herkunft, ihrer Zeit im Waisenhaus, ihrer Ziehmutter. Ich erzähle ihm, wie sorgfältig und fürsorglich die Freundin unserer Tante Agnes das Waisenhaus geführt, die Schule gegründet und jedem einzelnen Kind einen guten Start ins Leben ermöglicht hat.
„Eine Schule??? Für Waisenkinder? Wie ungewöhnlich!"
„Naja, natürlich sind alle Kinder dort im Städtchen in die Schule gegangen. Ich finde eher ungewöhnlich, dass sie die Kinder bei sich behalten hat, bis sie einen zu ihren Gaben passenden Beruf gefunden und eine Ausbildung dazu gemacht haben. Es heißt, dass diese Waisenkinder besonders gerne in Stellung genommen wurden, eben weil sie eine gefestigte Persönlichkeit und aufrichtige Freude an ihrem Beruf mitbrachten. Anna zum Beispiel ist eine kunstfertige und ausdrucksstarke Feinstickerin."

„Was ist daran natürlich, dass alle Kinder in die Schule gehen? Und wieso ist Anna Adam dann aufs Dorf gezogen, statt ihrem Beruf nachzugehen?"
„Weil kurz nach Tante Agnes Tod der alte Verwalter in den Ruhestand ging und der neue Verwalter eingestellt wurde. Eben dieser mein 'bester' Freund Brudenhusen. Er hat sofort die Gelder gekürzt. Als Frau von Lenthe dann starb, hat er die Schule geschlossen und eine neue Leitung für das Waisenhaus eingestellt, die sofort alle älteren Kinder in Stellung geschickt hat. Alle Kinder müssen seitdem von klein auf hart arbeiten, haben keine Schulbildung und keine Ausbildung und verschwinden so schnell wie möglich in irgendeine Stellung. Anna war die Älteste, sie hat einmal gesagt, dass es ihr schien, als wolle Frau von Lenthe sie gar nicht weggeben. Und darum war sie natürlich sofort weg, als die neue Leitung kam."
„Als Magd eines unfreien Kätners in den hintersten Winkel des Landes. Wie grausam. Aber nach dem, was du mir erzählt hast, hat sie auf unvergleichliche Weise die Gabe, alles anzunehmen, was das Leben ihr bringt, und das beste daraus zu machen."
Ich sehe einen Augenblick ihr zartes Gesicht vor meinem inneren Auge.
„Ja, das hat sie. Das ist Anna."

Einen Moment lang hänge ich meinen Gedanken nach. Schließlich fragt Ludo weiter.
„Aber das erklärt noch nicht, warum sie dich nicht heiraten wollen würde. Warum sollte sie der Standesunterschied stören, wenn er dich nicht stört?"
Ich schüttele mir die Bilder von Anna aus dem Kopf.
„Sie kam zu Bauer Adam, weil dessen Frau guter Hoffnung, aber sehr krank war. Die Frau starb, Anna erbte dieses Neugeborene, ein Jahr später wurde sie geheiratet und bekam selbst zwei Kinder. Noch während sie mit dem Zweiten guter Hoffnung war, brachte der Brudenhusen den Bauern Adam um, weil der ihm zu aufmüpfig war. Nun ist sie 21 Jahre alt, Witwe und hat drei Kinder, zwei eigene und einen Waisen von einem unfreien Kätner, der eines Tages des Vaters Nachfolge antreten wird. Mir wird schon schlecht, wenn ich daran denke, wie sie schräg von der Seite angesehen und in der Gesellschaft geschnitten wird, wie ihre Kinder damit aufwachsen müssen, verachtet zu werden."

Ludo nickt bedächtig.
„Was ist das Besondere an Anna Adam?"
„Dass sie ein so wunderbares, positives, tapferes Wesen hat. Und dass sie so ungewöhnlich gut und umfassend gebildet ist wie unsereins."
„Weiß sie irgendetwas über ihre Herkunft?"
„Nichts. Sie hat nur ihr inneres Band zur Freifrau von Lenthe und einen kleinen Schlüssel um den Hals."
„Dann, lieber Bruder, solltest du herausfinden, was diese beiden Frauen verbindet und in welches Schloss dieser Schlüssel passt. Kopf hoch, Hannes. Es ist noch nicht in Stein gemeißelt, dass sie nicht in dein Leben passt. Und jetzt lass uns überlegen, wie die nächsten Wochen aussehen sollten."

Gemeinsam planen wir nun, wie ich mein Wiederauftauchen gestalten soll, wie wir das mit dem Abdanken machen sollen. Wir überlegen, die Krönung von Ludo für Ostern in vier Wochen anzusetzen. Und dann wenden wir uns dem dringlichsten Problem zu – der Festnahme von Brudenhusen und Hauser.
„Wenn du das Lehen übernimmst, dann stehst du erstmal ohne kundigen Verwalter da. Wie willst du das bewerkstelligen? Wem dort kannst du trauen?"
„Darüber habe ich nun auch schon reichlich nachgedacht. Und ich habe beschlossen, den alten Verwalter von Tante Agnes zu fragen, ob er zurückkommen und jemand Jüngeren einarbeiten könnte. Wenn der Mann dazu bereit ist, kommt zunächst wieder alles ins Lot, wie es vorher war. Und ein neuer Verwalter könnte von da aus mit mir gemeinsam das Lehen zur Blüte bringen. Meine erste Sorge ist aber, wie ich konkret da auftauchen und den Mann absetzen kann. Gehe ich allein, nehme ich einige Soldaten mit? Was mache ich dann mit den beiden Männern?"

„Das kann ich dir genau sagen, Hannes. Du wirst nirgendwo mehr alleine hingehen! Du wirst eine Anzahl Landsknechte mitnehmen und die beiden hübsch hierherbringen. Du musst gar nicht nach den Verbrechen an deinem Volk dort fragen. Sie haben versucht, dich zu ermorden, und dafür kriegen sie hier in der Hauptstadt erst einen hübschen Prozess und dann einen hübschen Strick um den Hals. Das ist Hochverrat. So einfach ist das."

„Naja. Nun hat der Brudenhusen sich nicht die Finger schmutzig machen wollen und darum den Hauser beauftragt. Und der hat sich nicht die Finger schmutzig machen wollen und darum irgendwelche vier Männer in diesen Wald geschickt. Wen willst du nun aufknüpfen? Der blinde Jasper hat eine Stimme erkannt. Aber wessen? Und wie beweisen wir, dass der Brudenhusen und der Hauser dahinter stecken?"
„Hast du nicht gesagt, Karl hätte die beiden belauscht? Dann erkennt der eben auch noch ein paar Stimmen ... Wenn ihr so überzeugt seid von deren Schuld, dann habe ich da keine Skrupel."

Plötzlich bekommen wir beide einen gewaltigen Gähnanfall und müssen dann furchtbar lachen. Ich schiebe den Vorhang etwas beiseite und sehe erstaunt, dass die Morgendämmerung bereits hereingebrochen ist.
„Ludo? Wir sollten versuchen, noch etwas Schlaf zu bekommen. Dein Kammerdiener soll alle abwimmeln. Schick mir doch am Vormittag meinen Kammerdiener mit angemessener Kleidung rüber. Ich komme dann gegen Mittag wieder – auf Hurtig durchs große Tor. Dann berufst du spontan die Minister und Räte zusammen, und ich verkünde meinen Entschluss abzudanken und dir die Herzogenwürde zu überlassen. Während ich mich darauf vorbereite, meinen Verwalter und Fastmörder auszuheben, können unsere Rechtsgelehrten herausfinden, wie das Abdanken vor sich gehen sollte. Und dann sollte ich spätestens übermorgen wieder abreisen, damit wir diese arme Braut und ihren Vater rechtzeitig unterrichten können. Ich muss dann ja ein paar Tage dort Ruhe hineinbringen und rechtzeitig zu deiner Krönung an Ostern wieder hier sein."

„So machen wir es. Ab mit dir, Hannes. Wir sehen uns in ein paar Stunden wieder!"
Lange und herzlich nehmen wir uns in die Arme, bevor ich wieder in der Wand verschwinde und zurück zum Haus der Pagenstechers gehe. Als mein Kammerdiener Laub mich ein paar Stunden später weckt, habe ich tief und traumlos geschlafen. Der gute Mann drückt mir in rührenden Worten seine Freude darüber aus, dass ich wieder aufgetaucht bin, und betüdelt mich vorne und hinten. Aber das muss ich ihm ein andermal austreiben. Jetzt suche ich mir erstmal Karl und seinen Vater und kündige den beiden an, dass sie sicher gleich ins Schloss gerufen werden. Ich esse eine Kleinigkeit und gehe in den Stall.

Hurtig begrüßt mich freudig. Einen Moment gönne ich mir noch die Ruhe, die das große Tier auf mich ausstrahlt. Dann reite ich zum Schloss. Schon in den Straßen werde ich erkannt. Bis ich am großen Tor bin, laufen bestimmt schon einhundert Bürger hinter Hurtig her und jubeln. Den Wachen fallen bald die Augen aus dem Kopf, Konrad nimmt mir Hurtig ab und dann schreite ich über die große Treppe ins Schloss.

Die kommenden zwei Tage sind ein einziger Wirbel um meine Person und in meinem Kopf. Die stark verkürzte Version meiner Erlebnisse ruft Bestürzung und Zorn hervor. Bei meiner Ankündigung, dass ich abdanken und Ludo den Thron überlassen werde, herrscht ungläubiges Schweigen. Es folgen Beratungen, manch einer versucht noch, mich umzustimmen. Traditionen werden beschworen, der Geist unseres Vaters herbeizitiert. Aber dann haben es alle verstanden und richten sofort ihre ganze Aufmerksamkeit auf Ludo. Wie wir es besprochen haben, wird die Krönung für Ostern angesetzt.

Ich sammele eine Truppe von dreißig Mann zusammen, auch Karl macht sich wieder reisefertig, und schon früh am Morgen sind wir wieder auf der Straße. Mein fleißiger und besorgter Laub ist ziemlich empört, dass er auch diesmal zurückbleiben muss. Aber Joseph, Benjamin und Ruven sind wieder dabei und natürlich Konrad, denn sie sind die einzigen außer uns, die ortskundig sind. Wir lassen die Pferde tüchtig ausgreifen und kommen so zügig vorwärts. Nach zwei Tagen lagern wir in einem Waldstück eine Stunde vor Gieboldehusen. Am späten Nachmittag brechen Karl, Konrad und ich gemeinsam auf. Zu Anna. Denn wir sind uns einig, dass wir sie erst da rausholen wollen, bevor wir das Schloss stürmen und die beiden zu verhaften suchen.

Es ist bereits dunkel, als wir in Gieboldehusen eintreffen. Es gibt ein kleines unbewachtes Tor in der Stadtmauer. Es ist bei der Schenke, in der Karl und sein Wachmann Joseph sich am ersten Samstag beraten und von der Hochzeit erfahren haben. Direkt dort vor der Mauer hat der Wirt eine große Weide und darum eine Tür aus seinem Stall dorthin. Es ist alles still dort, wir bringen einfach Konrad und unsere Pferde in den Stall, nachdem wir einen Stallburschen herausgetrommelt haben. Dem machen wir klar, dass binnen Kurzem eine junge Frau herkommen wird, die dann ein ordentliches Zimmer braucht.

Karl und ich laufen zum Schloss. Das Tor zum Wirtschaftshof ist nicht verschlossen, wir kommen problemlos hinein und gehen leise an die Hintertür. Hinter Annas Fenster ist noch Licht. Ich stelle mich in den Schatten, während Karl an die Scheibe klopft.

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18.3.2020

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