116 - Oma Jansen und Opa Bader - MO. 30.4.1571

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Lina geht vor uns die Treppe hinauf, wendet sich nach rechts und führt uns in einen gemütlich eingerichteten Raum. Neben dem großen Himmelbett stehen dort noch ein weiteres großes und ein Kinderbett. Lina zeigt uns die Klingel, mit der wir nach ihr rufen können. Linde erklärt sie alles, was für die Kinder bereit gestellt wurde. Dann greift sie nach einem Krug und gießt uns warmes Wasser in eine Schüssel, damit wir den Staub der Landstraße abwaschen können.

Schließlich macht sie einen Knicks.
„Wenn die Damen es möchten, kann ich Euch gleich auch das Spielzimmer zeigen. Es ist gleich hier gegenüber."
Ich schiebe Linde zu der Schüssel und beginne selbst, dem Perterle Hände und Gesicht zu waschen.
„Geh nur schon mit, Linde. Ich schick dir die Großen gleich nach."
Während Linde mit Peter auf dem Arm Lina über den Flur folgt, wasche ich schnell auch Susanna und Jakob. Sofort flitzen die beiden hinter den anderen her. 

Endlich kann ich einmal kurz durchatmen. Es war so schön zu sehen, wie sehr Hannes bei der Begrüßung von den Kindern gestrahlt hat. Es ist erleichternd, dass Linde ein gleichaltriges Mädchen zur Seite hat, dass ihr schnell die Scheu nehmen wird. Aber bei der Begrüßung durch Jansen und Barkhausen ist mir die Luft weggeblieben. Damit habe ich nun überhaupt nicht gerechnet.
So fühlt es sich also an, wenn man Herrschaft ist. Seltsam. Es sind dieselben Menschen, die mich noch im Winter wie Dreck behandelt haben. Und ich bin dieselbe, die hier immer mit bangem Herzen hingeschlichen ist. Wie anders ist hier alles geworden, seit der Brudenhusen weg ist und Hannes mit gütiger Hand das Haus führt.
Ich wasche auch mir kurz Hände und Gesicht, trockne mich mit dem feinen Leinentuch ab und folge dann den Kindern ins gegenüberliegende Spielzimmer. Es ist ein heller, freundlicher Raum. Als ich eintrete, ist Susanna bereits mit einer wunderschönen, edel gekleideten Puppe beschäftigt. Und Jakob stellt einige geschnitzte Tierfiguren aus einem Korb im Kreis auf den Boden.
„Schau mal, Mutter. Was ist das für ein Tier?"
„Soweit ich weiß, ist das ein Löwe."
Jakob betrachtet die große Katze mit Zottelmähne erfürchtig. Linde und Lina sitzen bei Peter auf dem Boden und lassen für ihn ein paar Kreisel tanzen. Dabei unterhalten sie sich nett. In einer Ecke steht ein Schaukelpferd. Daneben liegt ein Ball und noch einiges anderes an Spielzeug ist zu sehen.

Ich setze mich leise auf einen Stuhl und beobachte die Kinder und die Mädchen. Nach einer Weile kommt Frau Jansen zu uns. Wieder knickst sie vor mir. Dann schaut auch sie dem Treiben zu.
„Das sind also Eure Kinder, Frau Adam. Sie sind wirklich freundliche und gut erzogene Wesen. Ich kann verstehen, dass Ihr Sehnsucht nach ihnen hattet."

Ich mag die wie verwandelte Frau ja sowieso gerne, aber mit ihrer nächsten Geste erobert sie mein Herz im Sturm. Sie geht in die Knie und winkt die beiden Großen zu sich.
„Ich bin die Frau Jansen. Verratet ihr mir, wie ihr heißt?"
Jakob und Susanna sind schnell zu ihr gelaufen und stellen sich nun artig vor.
„Wisst ihr was, ihr Zwei? Wenn ihr möchtet, dann dürft ihr mich Oma Jansen nennen. Wenn ich mit jemandem rede, müsst ihr ein bisschen Geduld haben. Aber sonst habe ich immer Zeit für euch. Ihr könnt mir jede Frage stellen."

Meine beiden sind redlich verwirrt und schauen unsicher zu mir herüber. Ich nicke ihnen lächelnd zu. Susanna streckt Frau Jansen schüchtern die Hand hin. Hinter Jakobs Stirne sehe ich es arbeiten. Und plötzlich geht ein Strahlen über sein Gesicht.
„In Oma und in Jansen sind A's. Ich mag A's. Sie sehen aus wie ein Dach."
Frau Jansen fällt die Kinnlade herunter. Und Linde und ich fangen schallend an zu lachen. Wir sind es ja nun seit Monaten gewohnt, dass Jakob jedes Wort untersucht, ob es ein A hat. Aber Frau Jansen und Lina müssen wir das erstmal erklären. Die Hausdame fasst sich als erste wieder.
„Darf ich Euch dann zum Essen bitten? Es wird inzwischen angerichtet sein."
Also stehen wir alle auf und begeben uns hinunter.

In der Halle kommt uns Hannes entgegen. An seiner Seite geht ein alter Mann, der hellwache, freundliche Augen und ein verschmitztes Lächeln hat.
„Anna, darf ich dir Albrecht Bader vorstellen, meinen derzeitigen Verwalter, der tapfer die Stellung hält, bis der junge Nachfolger eingearbeitet sein wird."
Albrecht Bader zwinkert mir zu und verbeugt sich.
„So tapfer bin ich gar nicht. Es macht mir einfach Freude, mit dem neuen Herrn zusammen zu arbeiten und noch einmal etwas Sinnvolles zu tun."
„Bader, darf ich Euch Anna Adam vorstellen? Das ist meine Lebensretterin."
Bader verbeugt sich vor mir.
„Und das sind Frau Adams reizende Kinder. Der Älteste ist Jakob. Er hat sich in diesem Winter selbst das Lesen und Schreiben beigebracht. Das Mädchen heißt Susanna, und der kleine Ausreißer dort ist Peter."

Zum zweiten Mal heute bin ich verblüfft. Denn nun beugt sich Albrecht Bader zu meinen Kindern runter und lächelt sie an.
„Na dann – herzlich willkommen, ihr beiden. Nennt mich einfach Opa Bader. Das mag ich am liebsten."
Meine Kinder lächeln scheu zurück und nicken.
So schnell kann man zu Großeltern kommen!

Hannes führt uns nun ins Speisezimmer, wo eine lange Tafel für uns gedeckt ist und zwei weitere Herren auf uns warten. Hannes führt mich zu meinem Platz an seiner Seite, hebt dann kurzerhand Peter auf den Kinderstuhl neben mir und schiebt Jakob und Susanna zu den nächsten beiden Stühlen. Einer der Diener steckt den beiden jeweils noch ein dickes Kissen unter den Po, damit sie überhaupt auf den Tisch kucken können.
„Linde, magst du dich neben Susanna setzen?"
Linde nickt und ist froh, dass sie nicht selbst entscheiden muss. Uns gegenüber setzen sich Albrecht Bader und die beiden jüngeren Herren, die sich so ähnlich sehen, dass sie offensichtlich Brüder sind.
„Anna, darf ich dir Friedrich und Wilhelm Weise vorstellen?"
Die beiden erheben sich bei der Nennung ihrer Namen noch einmal und verbeugen sich vor mir.
„Meine Herren, das ist Anna Adam."
Hoffentlich hat die Vorstellerei endlich ein Ende. Das macht mich ganz kribbelig.

Das Essen wird aufgetragen. Linde sucht etwas für Susanna aus den angereichten Schüsseln und hilft ihr mit dem Besteck. Ich füttere Peter. Und Jakob bleibt erstmal sitzen und beobachtet ganz genau Hannes, wie er sich Speisen nimmt, wie er das Besteck benutzt, wie er isst. Während wir Erwachsenen uns angeregt unterhalten und dabei die Köstlichkeiten aus der Küche genießen, schaut er genau hin und versucht dann, alles ganz genau so zu machen wie Hannes. Es ist für ihn nicht leicht mit dem Besteck, das er ja gar nicht kennt. Aber er gibt sich große Mühe. Besonders putzig sieht es aus, wenn er sich die Serviette nimmt und versucht, sich so elegant wie Hannes damit den Mund abzuwischen. Ganz kurz begegnen meine Augen denen von Hannes, und darin entdecke ich genauso viel Vergnügen.

Als wir schließlich alle satt sind, erhebt Hannes sich, reicht mir seinen Arm und bringt mich zu einer weiteren Tür.
„Hier ist das Zimmer der Damen, Anna. Wir Herren werden bald zu Euch stoßen."
Er verbeugt sich vor mir und geht dann mit den drei Herren durch eine gegenüber liegende Tür.
Das wird dann wohl das Herrenzimmer sein.

Frau Jansen kommt zu uns und fragt uns, was wir trinken möchten.
„Das ist lieb, Frau Jansen. Aber ich glaube, jetzt ist es Zeit, dass Linde die Kinder zum Mittagsschlaf hinlegt."
„Sehr wohl. Ich werde sogleich Lina schicken. Dann können die beiden Mädchen das gemeinsam tun."
Sie verschwindet wieder. Kurz darauf betritt Lina den Raum, hält Jakob und Susanna die Hände hin, Linde trägt Peter. Und so zieht die ganze Schar ab nach oben.

Ich trete derweil ans Fenster und schaue in den Park. Ich bin ja früher immer nur die Allee entlang und dann an der Seite zum Wirtschaftseingang gelaufen. Diese Seite vom Park kenne ich noch gar nicht. Frisch ausschlagende Bäume und bunte Beete mit den ersten Frühlingsblumen locken mich sogleich, nach draußen zu gehen. Als darum die Herren wieder zu mir stoßen, äußere ich einfach den Wunsch nach einem Spaziergang im Park. Albrecht Bader verabschiedet sich daraufhin. Doch die Herren Weise bleiben bei uns. Durch eine Seitentür können wir direkt aus diesem Raum in den Garten gehen.

Während wir durch die laue Frühlingsluft spazieren, kommen wir auf Jakob zu sprechen. Friedrich Weise meldet sich zu Wort.
„Ihr Ältester ist ein sehr aufgewecktes, lerneifriges Kind, Frau Adam. Ungewöhnlich. Er hat so genau hingeschaut und hingehört. Er scheint ganz nach der Mutter zu kommen."
Ich schaue Hannes nicht an, weil ich weiß, dass wir sonst beide anfangen zu lachen.
„Ob er nach der Mutter kommt, weiß ich ehrlich gesagt nicht, denn als ich als ganz junge Magd zu Bauer Adam kam, war seine Frau bereits sehr krank und kurz vor der Niederkunft. Sie starb im Kindbett. Und sein Vater starb durch die Machenschaften des Brudenhusen."

Friedrich Weise hält die Luft an. Doch sein Bruder rettet ihn aus der misslichen Lage.
„Dann scheint es um so mehr Euer Verdienst zu sein, dass der Knabe so fröhlich und so neugierig durch die Welt läuft. Ihr wart offensichtlich in der Lage, den Kindern trotz der Armut ganz viel Liebe und Halt zu geben. Ich habe beim Mittagessen erst wenig von ihm gesehen. Aber seine Beobachtungsgabe, seine Auffassungsgabe und sein sonniges Wesen haben mich sofort gefangen genommen."

Hannes steuert auf einen großen alten Baum zu. Beim Näherkommen entdecke ich, dass eine Bank um den ganzen Stamm herumläuft. Und dass davor ein Gartentisch mit Getränken und Gebäck bereitgestellt wurde.
Ob Frau Jansen uns beim Hinausgehen beobachtet und das hier schnell veranlasst hat?
Hannes lädt mich ein, auf der Bank Platz zu nehmen, schenkt uns allen einen Tee ein und reicht die Gebäckschale herum.
Es ist verrückt. Es ist so verrückt! Das hier ist eine vollkommen andere Welt. Tausend Erinnerungen an fröhliche Plauderstunden mit Freifrau v... mit meiner Mutter werden wach. Jetzt verstehe ich! Sie hat damals mit mir geübt, mich in der feinen Gesellschaft zu bewegen, ohne dass ich es gemerkt habe.

Ich war einen Moment in Gedanken abgeschweift und höre nun dem Gespräch der Herren wieder zu. Grade verabreden sie, dass wir morgen die Schule besuchen wollen. Dort können die Weises sich noch ein besseres Bild von Jakob machen. Dann verabschieden sich die Brüder, weil sie wieder an die Arbeit gehen wollen.

Hannes und ich bleiben allein unter dem Baum zurück. Eine Weile herrscht Schweigen. Dann fasst sich Hannes ein Herz.
„Anna? Als ich dich vorgestern verlassen habe, warst du redlich verwirrt und kaum in der Lage zu denken. Wie geht es dir heute?"
Ich sehe ihn an und kann wieder lächeln.
„Gut. Ich habe mir des alten Jaspers weisen Rat geholt, habe mich bei Lene und Irmel ausgeheult, habe den Brief meiner Mutter und die Heiratsurkunde auswendig gelernt – und dann habe ich die Kinder in den Badezuber gesteckt und bin losgefahren. Ich freue mich auf meinen Vater, wenn er mich denn sehen will. Und die Begrüßung durch Jansen, Barkhausen und Bader war so herzlich, dass ich mich hier nun auch viel sicherer fühle."

Hannes hat aufmerksam zugehört, hat zwischendurch meine Hand gedrückt.
„Wollen wir es dann morgen wagen und die Briefe an deinen Vater schreiben?"
„Von Herzen gern. Ich möchte keine Zeit verlieren, damit er es recht bald erfährt."

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27.4.2020

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