124 - Freiheit für Jedermann - MI. 9.5.1571

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Auf einmal höre ich einen lauten langen Schrei von draußen und eile zur Tür. Jakob ist aufgesprungen und rennt so schnell er kann Richtung Wald.
„Haaaaannnneeeeeeeesss!"
Ich muss lachen. Die Reiter sind noch gar nicht ganz raus aus dem Wald, da muss Hannes schnell Hurtig zügeln und abspringen, damit Jakob ihm nicht vor die Hufe rennt. Er wirft die Zügel zu seinem Nachbarn, geht in die Hocke und fängt Jakob auf. Er läuft noch Susanna entgegen, nimmt beide Kinder auf den Arm und dreht sich zu seinen Begleitern um.

„Hab ich es nicht gesagt? Ich werde es sicher nicht allein bis zum Dorfplatz schaffen. Und hier sind sie. Jakob und Susanna."
Dabei schüttelt er erst das eine dann das andere Kind in seinen Armen so richtig durch. Die beiden fangen an zu kichern.
„Meine Herren! Darf ich Euch willkommen heißen in Lütgenhusen, meiner zweiten Heimat. Wundert Euch nicht, dass hier alles ein bisschen anders ablaufen wird. Die Lütgenhusener stottern auch nicht. Sie können sich nur nicht entscheiden, wie sie mich nun eigentlich nennen wollen."

Danke, Hannes. Jetzt weiß ich, wie du es halten willst. Du bist hier immernoch Hannes, und wir dürfen uns ganz ungezwungen benehmen. Deutlicher geht es nicht.

Die beiden jungen Männer steigen nun auch ab, der eine löst Konrad auf dem Kutschbock ab, damit der die Hände frei hat für Hurtig. Hannes läuft mit meinen beiden vor Vergnügen quietschenden Kindern auf den Armen die Dorfstraße entlang und begrüßt strahlend all die Menschen, die nun aus den Häusern gelaufen kommen. Seine Begleiter folgen ihm. Ich gehe schnell in meine Kate, greife mir den Tee und ein paar Becher und mache mich auch auf zum Dorfplatz. Dort füllen sich schnell die Tische mit all den kleinen Speisen, die die Hausfrauen mitbringen.

Dann stellen sich alle ehrerbietig am Rande des Platzes auf, Ferz hilft Albrecht Bader aus der Kutsche, Kunz hilft Konrad mit den Pferden und dann schließlich kommt Hannes mit seinen drei Begleitern zu den Tischen am Brunnen, wo er vom Drebber und von Pastor Crüger empfangen wird. Von der anderen Dorfseite her kommt Klaas mit der Lene, setzt sie auf eine der Bänke und geht als einziger einfach auf Hannes zu.
„Hannes. Wie schön, dich wiederzusehen!"
Hannes lacht, und die beiden umarmen sich herzlich, mit meinen Kindern mittendrin, die er wohl gar nicht mehr loslassen will heute.

Ich habe mir derweil die drei Männer angesehen. Bader schmunzelt die ganze Zeit vergnügt vor sich hin. Aber er arbeitet ja nun auch schon seit Wochen mit Hannes zusammen und hat ihn drei Tage lang mit den Kindern erlebt. Die beiden Jüngeren dagegen sind stumm und staunen mit großen Augen, was um sie herum geschieht. Abwechselnd huschen Verwirrung, Ärger und Neugierde über ihre Gesichter. Als Klaas Hannes umarmt, flüstern die beiden Fremden miteinander, und der Größere der beiden sieht nun etwas entspannter aus.

Hannes bittet seine Begleiter, Platz zu nehmen und winkt die Dörfler heran.
„Setzt euch bitte. Ich danke euch von Herzen für diesen liebevollen Empfang. Und die Tische sind so herrlich geschmückt. Ich fühle mich wie auf einem fürstlichen Fest!" Jakob und Susanna, Cristoph und Evchen fangen an zu strahlen.

Murmelnd und knicksend oder verbeugend gehen nun alle zu den Tischen und schieben sich auf die Bänke. Drebber und Crüger setzen sich zu Hannes. Der winkt noch Klaas zu sich an den Tisch und schaut sich dann suchend um. Als sein Blick auf mich fällt, lächelt er nur und winkt mich mit einer kleinen Kopfbewegung herüber. Also gehe ich auch zu dem Tisch, knickse vor den Herren und setze mich dazu.

Hannes dankt für Speis' und Trank und bittet alle zuzugreifen.
„Darf ich vorstellen, meine Herren? Ich habe Euch ja gestern ausführlicher erzählt, was hier in den letzten Jahren und insbesondere im letzten halben Jahr geschehen ist. Das sind die Menschen, die mein Leben gerettet und bewahrt haben. Neben Euch, Bader, sitzt Vogt Joseph Drebber. Vielleicht kennt Ihr Euch noch von früher. Neben Euch, Gert Maier, sitzt unser Pastor Johann Crüger. Neben Euch, von Thaden, sitzt Jungbauer Klaas Rand, neben mir sitzt die Witwe Anna Adam. Und das hier auf meinen Armen – ach, die hab ich ja schon vorgestellt. So, ihr Zwei. Dann hüpft mal wieder runter und geht zu euren Freunden. Ich habe nachher nochmal Zeit für euch."

Dann stellt er dem ganzen Dorf die Männer vor. Der alte Bader bekommt manch freundlichen Blick des Erkennens zugeworfen. Mit unverhohlener Neugierde dagegen betrachten alle den hochgewachsenen Gunther von Thaden, der nun als neuer Verwalter eingearbeitet wird, und seinen Vetter Gert Maier, der seine rechte Hand und der neue Steuereintreiber sein wird. Eine ganze Weile wird gegessen und getrunken und geplaudert. Von Thaden und Maier gehen dabei einmal an jeden Tisch und sprechen mit den Menschen direkt.

Oh ja – diese Männer passen zu Hannes.
Als aller Durst gestillt ist und die Kinder schon unruhig loshüpfen und um den Brunnen Fangen spielen, begeben sich schließlich Hannes, Bader, von Thaden, Maier und unser Vogt in dessen Arbeitsstube, um nun alles Geschäftliche miteinander zu besprechen. Die Hausfrauen räumen in der Zwischenzeit den Dorfplatz wieder auf und fangen ihre hibbeligen Kinder ein.

Zwei Stunden später werden alle Männer zur Dorfehrbarkeit zusammengerufen, dazu diesmal auch Müller und Schmied. Ich bringe wie immer meine Kinder zur Drebberin und stelle mich mit in den Saal. Hannes nötigt uns wie immer, uns zu setzen. Und nun wird uns von Vogt Drebber und von Thaden verkündet, wie es in Zukunft gehalten wird. Alle Höfe, Flurstücke, alles Vieh und Gerätschaften werden gesichtet. Aller enteignete Grund wird zurückgegeben. Alle durch Verschuldung unfrei gewordenen Bauern erhalten ihre volle Freiheit wieder. Jeder soll eine Starthilfe und, soweit es möglich ist, genug Land bekommen, um davon leben zu können. Von Thaden und Maier haben von den Dorfvögten einige Unterlagen zu den Besitzverhältnissen bekommen, werden dazu Vorschläge ausarbeiten und demnächst wiederkommen, um dann mit allen die neuen Besitzverhältnisse zu besprechen und festzuschreiben. Und alle Steuern werden gesenkt auf das normale Maß zu Zeiten der von Minnigerodes.

Sprachlose Stille beherrscht den Raum. Manch heimliche Träne fließt. Einer nach dem anderen erheben sie sich und verbeugen sich vor Hannes. Vogt Drebber stellt sich neben Hannes und fängt an zu sprechen.
„Ha... Ho... - Herr, Ihr vergeltet Treue und Bewahrung mit Großmut und Sicherheit. Wir können nicht genug danken. Wir möchten ..."
„Papperlapapp, Drebber. Wann werdet Ihr Euch endlich trauen, das alberne 'Ho...' und 'He...' zu lassen?"
Hannes hat erst den Kopf geschüttelt, dann angefangen zu lachen und ist nun dem Drebber ins Wort gefallen.
„Bitte! 'Hannes' und 'Ihr, Euch' meinetwegen. Und wenn Ihr das unbedingt braucht, dann tobt Eure Hochachtung an diesen drei Herren aus. Sie werden alle Bücklinge dankend entgegennehmen."

Dann wendet er sich an die anwesenden Bauern.
„Die drei Herren werden euch jetzt etwas ausführlicher informieren, wie es mit Steuern, Diensten und all dem anderen in den nächsten Wochen weitergehen wird. Und ich empfehle mich nun, denn ich habe noch einen Besuch versprochen."
Er nickt allen zu, lächelt freundlich und geht zum Ausgang. Dort greift er meine Hand, bevor ich es verhindern kann, zieht mich in die Küche und sammelt mit mir die Kinder ein. Fröhlich ziehen wir die Dorfstraße entlang, so wie wir es den ganzen Winter lang gehalten haben. Und alles fühlt sich richtig an.

Zu Hause stelle ich Teekrug und Becher auf den Tisch, wir setzen uns und Hannes fängt an, mit den Kindern zu spielen. Er muss Jakobs Schreiberei bewundern, mit dem Peterle Kitzelspiele spielen und mit Susanna singen. Alles ist so vertraut. Ich schaue ihm einfach zu und genieße. Nach einer Weile hat Hannes dann auch Luft und Zeit für mich.
„Hannes, hast ..."
„... du schon was von meinem Vater gehört? Nein, Anna. Habe ich noch nicht. Aber nun kann es nicht mehr lange dauern."
Kurz drückt er meine Hand.
„Doch ich wüsste stattdessen gerne, wie es für dich war als mein Gast in Gieboldehusen. Hast du dich wohl gefühlt? Oder war es gar zu fremd?"

Ich lausche kurz in mich hinein, obwohl ich die Antwort schon kenne.
„Nein, das war alles gut so. Ich habe mich der Situation gewachsen gefühlt und bin mit sehr viel Freundlichkeit behandelt worden. Auch Linde übrigens. Ich habe ihr ein Taschentuch umstickt und ihre ein paar Pfennige als Lohn gegeben. Da hat sie mir gebeichtet, dass sie auch gerne Lesen und Schreiben können würde. Sie hat ja bis zur Konfirmation nur noch zwei Jahre, aber die Grundlagen könnte sie bis dahin schon noch lernen. Und sie hat sich so mit Lina angefreundet, dass sie mir inzwischen gebeichtet hat, dass sie gerne meine Zofe werden würde, wenn ich wirklich eine Gräfin werde."
Hannes zieht eine Augenbraue hoch.
„Ich fand den Moment süß. Es war ihr ein bisschen peinlich, sie wusste nicht recht, ob sie zu unverschämt ist dabei, aber dennoch haben ihre Wangen vor Eifer geglüht. Die Eltern Ferz haben darüber nachgedacht und würden es auch erlauben."

Hannes nickt. Und plötzlich stutzt er.
„Und jetzt sag mir nicht, dass die Ferzens sie ohne dich nach Gieboldehusen gehen lassen würden. Die gehen schon fest davon aus, dass du zu mir kommst. Dass Linde dich zur Seite hat und unter deinen Fittichen erwachsen werden kann. Sonst würden die das doch nie erlauben!"
Ich werde ein bisschen rot.
„Da ... hast du recht, Hannes. Ich habe ihnen auch reinen Wein eingeschenkt, und wir sind so verblieben, dass wir abwarten, was nun mit meinem Vater wird."

Wir setzen uns auf die Bank vorm Haus in die Sonne, damit wir mitbekommen, wenn der Aufbruch naht. Eine Weile plaudern wir noch. Dann kommt Konrad mit Hurtig, und die beiden Vettern mit den anderen Pferden und Bader in der Kutsche. Hannes steigt auf und wendet sich ein letztes Mal zu mir.
„Ich melde mich, sobald ich etwas höre. Hab nur noch ein wenig Geduld, dann wissen wir mehr."
Er winkt meinen Kindern zu und reitet mit seinen Begleitern zurück in den Wald. Nach Hause. Nun heißt es für mich wieder warten.

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5.5.2020

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