134 - die Hochzeit des Herzogs - SA. 7.7.1571

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Seit einer Woche sind wir im Schloss des Herzogs von Grubenhagen. Seit einer Woche bewege ich mich in einer für mich vollkommen fremden Welt. Aber ich fühle mich weder einsam noch fehl am Platze. Ich genieße es zu sehen, wie nah Hannes und Ludwig einander sind. Ich verstehe mich gut mit Clara, die eine sanftmütige und auf ganz leise Weise starke Frau ist. Ich freue mich auch für Linde und Lina, dass sie sich mithilfe des Fräulein von Mark so gut einfinden und so gut mit den Kindern zurande kommen. Für uns Dörfler ist die Weitläufigkeit und die Pracht dieses Schlosses ein einziges Wunder, wir kommen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.

Meine Zofe ist eine freundliche junge Frau, die sehr genau hinhört und darauf achtet, wie ich mich wohl fühle. Sie sichtet meine Garderobe, macht Vorschläge, zu welchem Anlass ich welches Gewand anziehen könnte, und verändert die Gewänder so geschickt mit Bändern, künstlichen Blüten oder Tüchern, dass ich sie zu mehreren Anlässen tragen kann. Gemeinsam besehen wir den Schmuck, den ich von meiner Mutter geerbt habe. Nach einigem Überlegen bitte ich Hannes, ob ich ein paar Stücke aus dem Schmuck seiner Mutter ausleihen dürfte.

Am nächsten Morgen wird mir ein Kasten mit verschiedensten wunderschönen Kleinodien geschickt, aus dem wir einige Stücke passend zu meinen Gewändern heraussuchen. Ich hätte nie gedacht, dass ich an so etwas Freude haben würde. Aber ich merke, wie ich mich verändere, mich dem neuen Leben anpasse, so wie ich mich immer allem Neuen angepasst habe. Ich fühle mich wieder wie „ich". Schmuck ist nicht wichtig, aber die Freude an schönen Dingen, die Dankbarkeit, die Vorfreude machen, dass ich mich dem festlichen Anlass entsprechend schön machen und das Brautpaar so ehren möchte. Mit viel Vergnügen bekommen Hannes und ich dann ein paar Tanzstunden vom Kapellmeister, damit ich beim großen Ball auch mithalten kann.

Nun ist der Hochzeitsmorgen. Die Sonne lacht vom Himmel, und das ganze Schloss brummt vor lauter Geschäftigkeit. Die Vettern des Herzogs, die Herzöge von Braunschweig und Lüneburg, sind vorgestern eingetroffen und haben unsere Runde komplettiert. Sie sind etwas älter als Hannes und Ludwig, und etwas steifer. Aber ich bin ihnen gleich als Anna Teresa von Brabeck-Lenthe und als Hannes Verlobte vorgestellt worden, und da der Lüneburger die Namen Brabeck und Lenthe kennt, fragen sie nicht weiter nach. Ich bin einfach dabei und darf jeden Tag ein bisschen sicherer werden und dazu gehören.

Dann endlich kommt der Aufbruch zur Trauung. Ludwig und Hannes fahren mit einer offenen Kutsche durch die Straßen, wo sie vom Volk bejubelt werden. Dann die beiden Herzöge, die Minister und Räte. Meine Begleiter und ich fahren in einer weiteren Kutsche hinterher und werden neugierig beäugt, weil uns niemand kennt.

An der Kirche angekommen, hat Hannes am Portal auf mich gewartet. Er reicht mir den Arm, und wir gehen gemeinsam nach vorne. Ludwig ist aufgeregt und strahlt vor Freude. Hannes freut sich stiller. Aber er flüstert mir ein „bald sind wir dran" zu, bevor er mich neben Frau von Bottlenberg-Schirp in die Bank komplimentiert.

Genau wie Hannes kann auch ich nicht verhindern, dass meine Gedanken immer wieder in die Zukunft wandern zu unserer Trauung in der kleinen Dorfkirche in Lütgenhusen. Wir feiern hier einen festlichen Gottesdienst, und bald wird unser eigener sein. Jäh werde ich von lauten Klängen aus meinen Gedanken gerissen und erhebe mich schnell wie alle anderen in der Kirche. Auf einer Empore sehe ich eine große Reihe langer Metallröhren, aus denen der Klang zu kommen scheint. Es klingt fast wie Trompeten. Frau von Bottlenberg-Schirp raunt mir etwas zu.
„Das ist eine Orgel. Die Töne entstehen, weil Luft durch die Pfeifen geschickt wird."

Vom Eingang her sehen wir nun Graf von Pagenstecher mit seiner Tochter Clara Agatha am Arm. Der alte Graf bringt seine Tochter nach vorne zum Bischof. Der winkt auch Ludwig zu sich, und so nimmt die Trauung ihren Lauf. Mit festlichen Gelöbnissen und Gesängen werden die beiden miteinander vermählt. Direkt nach der Trauung schließt sich noch die Krönung Claras zur Herzogin an. Ich habe selten zwei Menschen so strahlen sehen wie diese beiden, als sie sich zum Portal wenden und nach draußen gehen. Das Volk jubelt ihnen zu, während sie winkend durch die Straßen fahren. Karl von Pagenstecher steigt zu seinem Vater in die Kutsche, denn seine Schwester sitzt nun natürlich neben Ludwig.

Zusammen mit all den anderen Festgästen fahren auch wir zurück zum Schloss, wo Graf von Pagenstecher und Ludwig noch vor Zeugen den Ehevertrag besiegeln. Alle Anwesenden im Thronsaal wollen diesen Moment sehen, und so befinde ich mich bald im Gewühl zwischen lauter Neugierigen, die unauffällig, aber stetig nach vorne schieben und die Hälse recken. Schnell werde ich von meinen Begleitern abgedrängt.

Hannes steht vorne bei Ludwig, der kann mir nicht helfen, aber plötzlich taucht Karl von Pagenstecher neben mir auf und raunt mir etwas ins Ohr.
„Nicht verloren gehen, Anna. Sonst wäre Hannes sehr unglücklich."
Dann nimmt er meinen Arm und schiebt sich langsam mit seinen breiten Schultern rückwärts, bis er mich wieder bei meinen Begleitern „abliefern" kann.
„Danke, Herr v. ..." -„Hm hm. Karl reicht ab heute."
Er zwinkert mir zu und arbeitet sich wieder zurück auf seinen vorherigen Platz. Hannes hat mich mit den Augen im Saal gesucht und atmet nun erleichtert auf.

Ludwig unterschreibt den Vertrag und wendet sich dann zu seiner Clara. Er reicht ihr seinen Arm und führt sie Richtung Ausgang. Die neugierige Menge teilt sich wie das rote Meer für Mose, und alle verbeugen sich und knicksen. Doch kaum sind die beiden vorüber, folgen wir alle und betreten schließlich einen noch viel größeren Saal.

Solch eine Pracht habe ich noch nie gesehen, noch nicht einmal zu träumen gewagt. Die Wände sind mit Seidentapisserien verkleidet, hohe Fenster fluten den Saal mit Licht, dazwischen hängen goldgerahmte Spiegel, die zusätzlich das Licht hunderter Kerzen in den Konleuchtern spiegeln. Die scheinbar endlos langen Tafeln sind mit weißem Brokat und Silber gedeckt, Kristallgläser funkeln, zauberhafte Blumengestecke stehen in der Mitte der Tische. Zahllose Diener wuseln herum und führen all die feinen Damen und Herren zu ihren Plätzen, wo wir uns alle hinstellen und uns dem Paar zuwenden. Wir haben Plätze recht weit vorne, weil Hannes in Ludwigs Nähe sitzen muss und in meiner Nähe sitzen möchte.

Die Tischordnung ist geschickt gewählt. Mal plaudert er zu seiner Linken mit der Gemahlin des Herzogs von Braunschweig, mal kann er sich mir zuwenden zu seiner Rechten.
„Hannes, um Himmels Willen, was soll ich mit vier Gabeln!"
Hannes lächelt und flüstert schnell zurück.
„Es kommen viele Gerichte, nimm von allem nur ganz wenig! Schau einfach, was die Leute dir gegenüber für Besteck nehmen, und mach es nach. Immer von außen nach innen benutzen. Welches Glas dran ist, weiß der Diener, der dich fragt, was du trinken möchtest."

Dann wird er schon wieder unterbrochen von Ludwig, der aufgestanden ist, an sein Glas geklopft hat und ansetzt, um den versammelten Gästen ein paar Worte des Dankes zu sagen. Höflicher Applaus erklingt, und dann tragen die Diener die Speisen auf. Ich bin vollkommen überfordert. Mein Nachbar zur rechten, Herr von Bottlenberg-Schirp, hilft mir dabei und legt mir einige Häppchen verschiedener Speisen auf den Teller.
„Habt Dank für die Hilfe! So etwas habe ich noch nie erlebt."
Er lächelt.
„Sehr gerne, ich werde weiter ein Auge darauf haben, denn das wird jetzt zwei Stunden lang so weitergehen."
Mit großen Augen schaue ich ihn an.
„Zwei Stunden!"
Er lächelt und nickt. Dann widmen wir uns den Köstlichkeiten auf unseren Tellern. Schon nach einer halben Stunde habe ich das Gefühl, ich habe so viel gegessen wie in den letzten fünf Jahren zusammen und so viele Aromen geschmeckt, wie es überhaupt gibt auf der Welt.

Die Schlange der Diener mit abgedeckten Platten und Schüsseln reißt nicht ab. Aber irgendwann ist das letzte Glas benutzt und das letzte Mal Messer und Gabel oder Löffel aufgenommen, und die herrliche Völlerei hat ein Ende. Schnell raune ich Hannes etwas zu.
„Hoffentlich bist Du auch mit einem Ochsen am Spieß zufrieden bei unserer Hochzeit, mehr wird uns das Dorf nicht bieten können."
Er grinst und flüstert zurück.
„Ich bestehe darauf. Das hier ist lecker, aber ich bin schon lange satt und langweile mich zu Tode."

Damit wir nicht alle einschlafen, ergießt sich nun die Schar der illustren Gäste in den Schlosspark zum Lustwandeln. Gegen Abend dann ziehen sich alle zurück und ruhen sich etwas aus, bevor sie sich noch eleganter anziehen und zum großen Ball erscheinen. Ich selbst gehe gleich zu meinen Gemächern, um den Nachmittag mit meinen Kindern zu verbringen. Als ich eintrete, drücken die beiden Großen sich gerade die Nasen an den Fensterscheiben platt, um all die feinen Damen und Herren zu sehen. Durch meine Anwesenheit fühlen sie sich nicht ganz so ausgeschlossen, und die von Bottlenberg-Schirps können sich in dieser Zeit frei bewegen, ohne auf mich achten zu müssen. Das Peterle ist wohl grade gefüttert worden und dann in seinem Stuhl eingeschlafen.

 Jakob kommt mir aufgeregt entgegen.
„Mutter, du siehst soooo schön aus!"
Und Susanna schaut mich stumm und verträumt an.
„Und, Mutter! Das sind soooo viele!"
Ich nehme Susanna auf den Arm und stelle mich mit Jakob wieder ans Fenster.
„Warum haben diese Frauen alle so riesige Hüte und Hauben auf? Bei dir ist die Frisur viel kleiner."
Ich muss lachen, und auch die Mädchen stimmen mit ein.
„Du glaubst nicht, Anna, wie viele Löcher uns Jakob schon in den Bauch gefragt hat. Und wir können das alles doch auch nicht beantworten."
Ich zwinkere Linde zu.
„Na, dann muss ich jetzt wohl meinen Bauch dafür hergeben."
Eine schier endlose Weile lang schauen wir uns also am Fenster gemeinsam die Augen aus dem Kopf, und ich beantworte geduldig jede Frage, zu der ich die Antwort weiß. Die ganzen Namen kann ich Jakob natürlich nicht sagen. Im Moment bin ich froh, dass ich meinen eigenen noch weiß. Aber immerhin weiß ich genug, um Jakob irgendwann zufrieden zu stellen.

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15.5.2020

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