135 - Der Hochzeitsball - SA. 7.7.1571

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Die Zeit vergeht wie im Fluge. Auf einmal klopft es, und Hannes steckt den Kopf zur Tür rein. Die Kinder begrüßen ihn stürmisch, aber ausnahmsweise grüßt er nur zurück und wendet sich gleich an mich.
„Anna, ... Ludo hat mich geschickt. Er lässt fragen, ob ... er unsere Verlobung beim Ball bekannt geben darf."
Ich schnappe nach Luft und schlage die Hände vors Gesicht.
Will ich das? Dass mich 300 Augenpaare gleichzeitig ansehen? Ich gebe mir einen Ruck. Ich habe Ja gesagt. Also sage ich zu allem Ja!
"Du musst nicht Anna!"
Mutig hole ich tief Luft und sehe Hannes an.
„Ich will aber."
Er grinst.
„Da ist es ja wieder, mein tapferes Mädchen!"
Wir lächeln und sehen uns in die Augen.

„Dann will ich gleich gehen und Ludo Bescheid geben. Was ... wirst du heute Abend anziehen? Ich fand das Blaue von deinem Geburtstag ganz besonders schön ..."
„Wie gut, dass wir uns sowieso dafürNentschieden haben."
Damit verabschiede ich Hannes, der davoneilt,und gehe selbst in mein Gemach, wo mich meine Zofe erwartet, um mich einzukleiden und zu frisieren.
„Edle Dame, ich finde dieses Kleid ganz wunderbar. Es wird schlichter sein als alle anderen im Saal. Aber der Schnitt und die feinen Spitzen und Eure aufrechte Haltung werden Euch dennoch über alle Damen strahlen lassen."
Dazu legt sie mir Schmuckstücke aus dem Besitz der seligen Herzogin an, der aus tiefblauen Smaragden und Perlen besteht. Ich sehe in den Spiegelnund kenne mich selbst nicht wieder.
Doch. Das ist mein Lächeln, wenn ich an die Kinder denke, das ist mein Strahlen, wenn ich an Hannes denke. Das bin ich, genauso wie die Witwe Anna Adam in ihrer Kate. Und ich darf beides sein. Danke, Gott!
„Ich danke dir. Du hast mich verzaubert! Ohne deine geschickten Hände wäre ich nur halb so schön."
Die junge Frau strahlt bei meinem Lob.

Zur verabredeten Zeit trete ich aus meinem Gemach und treffe sogleich auf meine Begleiter, die mich wieder unter ihre Fittiche nehmen. Wir werden von einem Diener zum Ballsaal geleitet, wo schon einige Menschen versammelt sind oder noch vor der Tür warten, bis sie hereingebeten und laut vorgestellt werden. Mir schlägt das Herz bis zum Hals. Hätte ich mich doch nur unauffälliger angezogen! Aber dann sind wir schon an der Reihe, und ein hoher Beamter des Herzogs ruft laut unsere Namen in den Saal.
„Ich habe die Ehre, Graf und Gräfin von Bottlenberg-Schirp zu begrüßen. In ihrer Begleitung heißen wir willkommen Anna Teresa von Brabeck-Lenthe."

Alle Augen richten sich auf mich. Ich glaube, ich werde grade so dunkelrot im Gesicht, wie mein Kleid dunkelblau ist. Schnell wenden wir uns den Gastgebern zu, damit es sich hinter uns nicht staut und die Aufmerksamkeit der Versammelten sich auf die nächsten Gäste ausrichten kann. Ludwig und Clara von Grubenhagen stehen beisammen, um als Herzog und Herzogin ihre Ballgäste zu begrüßen. Ich lasse meinen Begleitern den Vortritt und falle dann in einen tiefen Knicks vor dem Paar. Clara spricht mich an.
„Anna, ich freue mich, dass du heute dabei bist. Wenn ich sehe, wie glücklich Hannes ist, freue ich mich noch einmal, dass unsere beiden Männer rechtzeitig zu Verstand gekommen sind und die Rollen getauscht haben. Du siehst wundervoll aus. Ich bin stolz auf dich, dass du alles so gut meisterst."
„Danke, Hoheit. Ich fühle mich sehr geehrt und werde diese Ehre an meine selige Mutter weitergeben, die mich zu dem erzogen hat, was ich heute bin."
Warm lächeln wir uns an, bevor ich mich Ludwig zuwende und Clara bereits mit den nächsten Gästen plaudert.
„Nun, Anna? Hannes sagt, du willst es wagen?"
Ich lächele tapfer.
„Wie heißt es so schön? Mit gegangen, mit gefangen, mit gehangen."
„Na,das wollen wir doch nicht hoffen. Gehangen haben die anderen. Euch wünsche ich so viel Glück im Herzen, wie ich es heute verspüre."

Wir wenden uns dem Saal zu und mischen uns unter die vielen Menschen. Nun werde ich auch einigen Bekannten der von Bottlenberg-Schirps vorgestellt und kann mir schon ab dem dritten Mal weder Namen noch Gesichter merken. Und das sieht man mir wohl auch an.
„Einfach lächeln, Anna. Das geht nämlich allen so. Die Kunst ist es nicht, sich all die Namen zu merken, sondern zu überspielen, dass man sie sich nicht merken kann."
Na dann – das kann ich auch.
Von nun an lächele ich tapfer vor mich hin, merke mir bei den vorgestellten Paaren von der Dame je ein auffälliges Detail wie eine Brosche, eine Farbe, einen Hut und nickt von da an einfach den erkannten Broschen und Hüten zu, wenn sie an uns vorüber gehen.

Endlich sind alle Gäste eingetroffen, es werden wieder Häppchen und Unmengen an Getränken gereicht, und die Kapelle beginnt leise, zu spielen. Ludwig wendet sich seiner Angetrauten zu und führt sie in die Mitte des Saales. Auf einen Wink hin wird es leise, und die beiden gehen einfach in Tanzstellung für einen Reigen. Sofort reihen sich einige andere Paare mit ein, die Musik spielt nun eine flotte Melodie und die Paare tanzen elegant die Schritte und Wendungen.

Da steht Hannes vor mir.
„Geht es jetzt los?"
Ich muss schlucken.
„Nein. Erst einmal möchte ich gleich mit Dir den Tanz tanzen, den wir in den letzten Tagen geübt haben."
Wir warten ab, bis der Reigen beendet ist, und stellen uns dann mit vielen anderen zum nächsten Tanz auf. Erst muss ich mich sehr konzentrieren, weil nun ja niemand mehr die Schritte anzählt und ansagt. Aber nach einer Weile werde ich freier und fühle mich immer wohler. Es macht so viel Freude, sich zur Musik zu drehen und dabei immer wieder Hannes in die Augen zu sehen!

Hin und her wogen die Paare, andere sehen zu und amüsieren sich, wieder andere halten sich an die Diener mit Speisen und Getränken. Ich sehe Karl mit sehr beherrschter Miene mit einer jungen Dame tanzen, der man förmlich ansieht, dass sie am liebsten ihre Krallen nach ihm ausstrecken will. Ich muss schmunzeln. Aber da außer verheirateten Paaren niemand mit dem selben Partner zweimal tanzt, hat Karl auch das bald geschafft.

Nach einer ganzen Weile dann gibt Ludo ein paar unauffällige Zeichen, und schon beginnen alle Diener, allen Anwesenden ein Glas zu reichen. Die Musik verstummt, und meine freundliche Begleiterin lächelt mich vielsagend an.
Owei, aber jetzt geht es los!

Ludo erhebt das Wort.
„Liebe Gäste unseres wundervollen Festes. So, wie ich meinen Krönungsball genutzt habe, um Euch allen meine zukünftige Herzogin vorzustellen, will auch heute ein Paar die Gelegenheit nutzen, sich zur Verlobung zu präsentieren. Ich habe die außerordentliche Ehre, Euch die Verlobte meines Burders Johann von Grubenhagen vorzustellen."
Hannes setzt sich in Bewegung auf mich zu und strahlt mich an. Fest bannt er meinen Blick, damit ich keine Möglichkeit habe, in die Gesichter der Menschen zu schauen.
„Durch glückliche Fügung sind sich im letzten Winter zwei Menschen begegnet, die nicht unterschiedlicher sein und nicht besser zusammenpassen könnten als diese beiden. Und so freue ich mich, dass wir im Herbst bei der nächsten Hochzeit Anna Teresa von Brabeck-Lenthe in unsere Familie aufnehmen dürfen. Ihre Familie stammt aus dem Hannoverschen, wo Graf von Brabeck ausgedehnte Ländereien besitzt. Um seine Kräfte für diese nächste Hochzeit zu schonen, hat er es vorgezogen, seine Tochter unter der Obhut anderer hierher reisen zu lassen."

Ich knickse vor Hannes, der reicht mir den Arm und führt mich in die Mitte des Saales. Alle Augen sind nun wieder auf uns gerichtet, ich sehe sie aus dem Augenwinkel tuscheln, Ludwig erhebt das Glas auf uns, und alle stoßen an. Dann hebt Ludwig wieder den Arm als Zeichen für den Kapellmeister, die Musik setzt ein, und wir tanzen inmitten vieler anderer fröhlicher Menschen den nächsten Reigen. Ich, Anna Adam, Waise aus dem Christophorushaus, Witwe des unfreien Bauern Jacob Adam tanze hier im herzoglichen Schloss als Gräfin inmitten der hochwohlgeborenen Schar. Ich fühle mich wie im Märchen. Nur die feste Hand von Hannes, der mich hält und dreht, lässt mich spüren, dass das hier kein Märchen ist. Das hier ist tatsächlich mein Leben.

Es ist lange dunkel draußen, einige ältere Herrschaften sind bereits in irgendwelchen unauffälligen Nieschen ihrer Müdigkeit erlegen, und die Stimmung wird immer ausgelassener. Ich bin unendlich dankbar, dass ich beim Schuster darauf bestanden habe, dass die Schuhe, die ja sowieso unter dem weiten Rock verschwinden, nicht vor allem schön sondern vor allem bequem sein sollen.

Karl tanzt mit mir, Ludwig tanzt mit mir, sogar mancher ältere Graf bittet um meine Hand zum Tanz, wobei das in mindestens einem Fall geschieht, weil seine Gattin ihn vorgeschickt hat, um mich auszuhorchen. Mit Argusaugen folgt sie unseren Drehungen, aber ich habe meinen Spaß daran, mich schüchtern zu stellen und nur ganz leise, vage Antworten zu geben. So muss der Herr nach dem Tanz unverrichteter Dinge wieder abziehen.

Hannes taucht neben mir auf, nimmt meinen Arm und führt mich zu einem geöffneten Fenster, damit ich ein wenig frische Luft schnappen kann.
„Na, die hast du ja abblitzen lassen."
„Den."
„Nein. Die. Ich habe genauso wie du gesehen, dass seine Gemahlin ihn als Spähtrupp vorgeschickt hat. Und ich kenne die beiden sogar."
Ich verberge mein Grinsen, indem ich schnell einen Schluck vom angereichten Wein trinke.
„Die komische Verzweiflung in seinem Blick, weil er wusste, dass er seine Frau nicht wird zufriedenstellen können. Herrlich."
Hannes dreht sich ein wenig zur Seite.
„Oweh ,schau nicht hin. Der arme Mann wird grade einen Kopf kürzer gemacht."
Wir stecken schnell unsere Köpfe zum Fenster hinaus, damit man uns nicht lachen hört.

Kurz darauf beobachten wir, wie sich das Paar an die von Bottlenberg-Schirps heranmacht. Und die wiederum bringen die Schnüffler nichtsahnend zu uns, um sie uns höflich vorzustellen. Der arme Mann fühlt sich sichtlich unwohl, und seine Frau stürzt sich fast auf mich.
„Darf ich vorstellen, Hoheit? Die ehrenwerten Herrschaften von Thaden."
Das Paar beugt sich tief. Und mir fällt die Kinnlade herunter, als ich den Namen verarbeitet habe, was die beiden so zum Glück nicht sehen können. Hannes steht der Übermut ins Gesicht geschrieben.
„Herzlich willkommen. Und herzliche Grüße von ..."
Warum zögert er? Meine Begleiter haben sich grade zum Gehen gewandt. Als sie fort sind, spricht Hannes leise weiter.
„...von Euren Söhnen, die sich hervorragend anstellen als die Verwalter meines Lehens. Ein bemerkenswertes Gespann, sie ergänzen sich perfekt und wurden vom Volk sofort respektiert."
Die von Thadens sind kalkweiß geworden im Gesicht und bedanken sich stotternd für die Grüße. Ich weiß nicht genau, warum Hannes 'Eure Söhne' gesagt hat, denn Maier ist doch ein Vetter. Aber das Glitzern in seinen Augen zeigt mir, dass ich lieber später nachfragen sollte, was er damit gemeint hat. Schneller als erwartet verabschieden sich die von Thadens wieder und eilen in die gegenüberliegende Ecke vom Saal. Hektisch fächelt sich die Dame Luft zu und sagt für den Rest des Abends kein Wort mehr.

Aber das soll noch nicht die letzte Überraschung des Abends gewesen sein, denn mit einem Mal reißt jemand die Saaltür auf, und ein kleiner weißer Kugelblitz schießt zwischen den Beinen und Röcken der Anwesenden hindurch, während ein aufgeregter Diener nicht mehr hinterdrein kommt. Kurz bleibt der Kugelblitz im Nachthemd stehen und sieht sich um, dann flitzt Jakob weiter und schließlich auf uns zu. Er schlägt Haken, damit ihn keiner greifen kann, und hüpft nun in meine ausgebreiteten Arme. Ludwig und Clara, Karl, Hannes und ich brechen in schallendes Gelächter aus.
„Mutter, Hannes. Ich konnte einfach nicht einschlafen. Die Musik ist zu laut!"
Hannes hebt ihn hoch und wirbelt ihn durch die Luft.
„Dann müssen wir wohl die Fenster auf der Seite schließen, damit du ganz bald ins Reich der Träume verschwinden kannst. Hier hast du jedenfalls nichts verloren."
Damit übergibt er Jakob dem Diener, der uns inzwischen ganz außer Atem auch erreicht hat.
„Darf ich die Dienerschaft bitten, alle Fenster zur Parkseite zu schließen? Der junge Herr kann nicht schlafen, weil die Musik zu laut ist."

 Nun ist die Neugierde im Saal nicht mehr zu überhören. Überall wird hinter vorgehaltener Hand getuschelt und zu uns gestarrt. Jakob hat mich „Mutter" genannt! Erst jetzt geht mir auf, was grade passiert ist. Hannes bleibt gelassen. Er reicht mir den Arm und folgt dem Diener mit Jakob. Draußen schaut er mich schmunzelnd an.
„Schlimm? Irgendwann werden es sowieso alle wissen. Und grade die Vettern wissen es ja schon, denn sie sind seit zwei Tagen bei uns dabei."
Ich strecke meinen Rücken durch, schaue ihn an und antworte ihm.
„Lass uns wieder reingehen."

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16.5.2020

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