136 - die Heimreise - DO. 12.7.1571

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Wahrscheinlich bin ich die einzige Festteilnehmerin, die am nächsten Morgen nicht lange schlafen kann. Denn meine Kinder sind gnadenlos. Linde gibt sich alle Mühe, sie zurückzuhalten, aber bald werde ich doch wach von Jakobs ausschweifenden Berichten über den Saal und die Leute und die Lichter und die Musik und ... Also setze ich mich im Bett auf, breite meine Arme aus und lasse meine Kinder zu mir ins Bett hüpfen. Jakob und Susanna schieben erst das Peterle an seinem Windelpopo nach oben, bevor sie selbst zu mir krabbeln.

Das Frühstück wird uns heute aufs Zimmer gebracht, und dann schleiche ich mich mit meinen Kindern in den großen Ballsaal. Scharen von Bediensteten sind in den offiziellen Räumen mit Aufräumen beschäftigt. Gläser, Geschirr, Blumen, manche Scherben und Pfützen von verschüttetem Wein, verwelkte Blumen, verschobene Stühle – alles wird wieder gerichtet und an seinen Platz gebracht oder hinausgetragen, festgetretenes Essen wird weggeputzt, viele Besen sind im Einsatz. Alles muss wieder blitzblank sein, bevor einige Gäste noch wieder zum Verabschieden auftauchen werden. Auch der Diener, der heute Nacht hinter Jakob hergestolpert ist, weil Linde ja nicht im Nachtgewand loslaufen konnte, ist dabei.

Ich schlendere mit den Kindern in die Mitte des Saales und zeige ihnen alles. Wo die Kapelle gesessen hat, wo Hannes und ich getanzt haben. Susanna schaut sich mit großen Augen um und kann all die Pracht nicht fassen. Ihr Bruder hat doch tatsächlich nicht übertrieben.
„Mutter?"
„Ja, mein Mädchen?"
„Das ist ... einfach zuviel. Meine Augen können gar nicht anhalten."
Erleichtert beuge ich mich zu ihr herunter.
„Keine Sorge, Susanna. Hannes und ich mögen es schlichter und luftiger. Das hier wollen wir gar nicht, uns ist das auch zuviel. Aber ein richtiger echter Herzog, der muss das schon haben, sonst nehmen ihn die Leute nicht ernst. Das ist dumm, aber es ist so."

Wir bleiben noch ein paar Tage, bis alle anderen Gäste abgereist sind und wir nochmal ein bisschen Ruhe miteinander haben. Ich beobachte wieder die beiden Brüder miteinander. Und ich kann nicht verhindern, dass ich Ludwig und Clara miteinander beobachte. Wie sie sich jetzt wohl fühlt als Gemahlin? Geht es ihr gut? Da ich schon verheiratet war, weiß ich ja, wie es ist. Nämlich ein rauschendes Fest – und dann jahrelanger Alltag, der miteinander erlebt und bestanden werden will.

Am Donnerstag dann machen auch wir uns wieder auf die Reise, nach Hause in Gieboldehusen, wo wir bald unsere eigene Hochzeit vorbereiten werden. Aber vorher gehe ich noch mit Clara in die Stadt zu Stoffhändlern und zu einer Spitzenklöpplerin. Mit geschickter Hand zeigt Clara mir genau die Stoffe, die zu meinen schlichten Wünschen passen, damit ich Frau Bünte noch ein wenig etwas zu tun geben kann. Im Gegenzug überreiche ich ihr nun endlich mein kleines Hochzeitsgeschenk. Ich habe mir von Frau Bünte drei feine Tücher schneiden lassen, die ich in den letzten Wochen dann kunstfertig bestickt und mit Claras Monogramm versehen habe. Ihre Freude über das Geschenk und ihr Staunen, dass ich das selbst gearbeitet habe, machen mich glücklich.
„Anna! Du bist ja eine Künstlerin. Wie wunderschön und zart diese Tüchlein sind. Ich werde sie benutzen und dabei immer an dich denken."

Der Abschied fällt uns allen nicht leicht, auch wenn wir uns auf zu Hause freuen. Aber wir werden Ludwig, Clara und Karl ja bei unserer Hochzeit schon wieder sehen.
Und dann wird Vater mich in die Kirche führen!

Die Rückreise ist so ereignislos und gemütlich wie die Hinreise, bis auf den Morgen, als das Peterle uns entwischt, die Treppe hinuntergerutscht und schon aus dem Haus gelaufen war, bevor wir ihn wieder einfangen konnten. In Gieboldehusen verabschieden wir uns herzlich von meinen liebenswerten Begleitern, die gleich am nächsten Tag weiterreisen.

Im Schloss hat sich wieder sehr viel getan, weil die Gieboldehusener Handwerker vor allem im Obergeschoss weiter fleißig waren. Es gibt nun schön eingerichtete Gemächer für Hannes, für mich, für die Kinder und für Linde beieinander, einladende, bequeme Gästeräume, Speisesaal, Damen- und Herrenzimmer sehen frischer und freundlicher aus, und wie durch ein Wunder haben sich all die Scheußlichkeiten aus dem großen Saal in Luft aufgelöst, weil Bader kurzerhand Gert Maier nach Braunschweig geschickt hat, um Händler nach Gieboldehusen zu locken. Die Aussicht auf „herzogliche" Kostbarkeiten hat doch einige angelockt, die zufrieden mit allem wieder abgezogen sind, um es als fürstlichen Hausrat teuer an die Leute zu bringen.

Es ist ungewohnt still hier im Schloss. Auf einmal kommt es mir klein und leer vor. Aber schon nach zwei Tagen bin ich nur noch dankbar dafür und genieße die Gelassenheit und Ruhe, die vom Hochzeitstrubel völlig übertönt worden waren. Ich hänge all die feinen Kleider in den Schrank, lege meinen Schmuck in die Schatulle und bin von Herzen gern wieder Anna, die Braut von Hannes, die nun von Konrad nach Hause kutschiert wird, um zu sehen, ob der Umbau ihrer Kate auch schnell genug voranschreitet. 

Mi. 18.7.2020

In Lütgenhusen sind uns Lager in einer Kammer bei Irmel bereitet worden, denn von der Kate stehen nur noch drei Wände. Mein Hausrat lagert bei Klaas, auch der kleine Jasper ist für ein paar Wochen dorthin gezogen, um uns hier Platz zu machen. In Bauer Ketels Scheune ist das Reed von meinem Dach gestapelt, dasvsich noch weiter verwenden lässt. Meine Hühner und Gänse gackern bei Irmel, Zick, Zack und Zuck mochte keiner trennen, sie sind zusammen zu Ferzens gezogen, und vom Pfarrhaus her kommt ein großer Mann auf mich zu, der sich als Siegurd Crüger vorstellt. Er hat tatsächlich die Gelegenheit genutzt, um eine Zeit bei seinem Bruder verbringen zu können, und ist selbst mitgekommen. Sein Altgeselle leitet nun die Werkstatt in Duderstadt für diese Zeit.

Er zeigt mir die Pläne, die er nach meinen groben Zeichnungen gefertigt hat, und führt mich zu den Eckbalken des neuen Hauses, die bereits im Boden versenkt sind. Dreizehn kräftige Burschen arbeiten fleißig daran, dass das Haus schnell wächst. Die neuen Wände wachsen in die Höhe, zwei Kamine und der Herd sind bereits gemauert. In Jaspers Schuppen sind die Fenster gelagert, und ich staune, wie schön die kleinen rautenförmigen Butzenscheiben aussehen. Das hatte ich noch nie, dass in allen Räumen meines Hauses Licht sein wird, weil sie richtige Fenster haben. 

„Habt großen Dank, Meister Crüger. Hannes hat schon immer so freundlich von Euch erzählt. Und jetzt sehe ich, dass die Entscheidung, Euch mit dem Bau zu betrauen, genau richtig war. Ihr plant und baut hier alles so, wie ich es mir im Herzen erträumt habe. Ihr hattet sicher schon viele Auslagen für das Baumaterial. Sagt mir bitte, wieviel ich Euch inzwischen schulde." Er nennt mir eine unerwartet kleine Summe, die ich ihm bezahle, sobald ich meine persönlichen Sachen in meiner Kammer bei Irmel sortiert habe.

Drei der Männer treten an mich heran.
„Edle Dame, wir sind die Stadtgardisten aus Duderstadt Caspar, Melchior und Balthasar. Wir waren die Begleiter des Herzogs auf dem Weg zum Kloster Minnigerode und zurück bis hier. Wir dachten, wir arbeiten einfach hier mit, bis wir wissen, dass der Herzog wieder hier in der Stadt ist."
Ich muss lächeln. Aber dieses „Herzog" darf Hannes ihnen selbst austreiben.
„Seid willkommen. Der Herr erwartet euch schon. Er sagte, einer von euch brächte seine Familie mit. Seid ihr hier alle gut untergebracht?"
„Ja, danke, Herrin. Die kleine Familie ist in einer Kammer bei Klaas Rand. Und wir anderen sind bei den Hartmanns."

Ich bin so froh, da ich nun weiß, dass Vater, Ludwig, Clara und Karl bei unserer Hochzeit angemessen untergebracht sein werden. Auch von Thaden und Maier schlafen sicher lieber in einem Bett als auf einer Pritsche. Und so freue ich mich auf die letzten Wochen in „meinem" Dorf. Ich genieße all die netten Gespräche am Brunnen, die freundlichen Grüße über den Gartenzaun, die Natürlichkeit, die sich die Lütgenhusener nicht nehmen lassen, auch wenn ich jetzt Frau Gräfin bin.

Da ich nun wieder da bin, kommt eines Abends auch die Dorfehrbarkeit zusammen, um mit den Hochzeitsplanungen zu beginnen. Ich berichte ausführlich, wie wir uns den Tag vorgestellt haben, zähle auf, welche hohen Gäste unterzubringen sind, und lasse dann alle anderen ihre Ideen ausspinnen. Als ich ihnen erzähle, dass Hannes darauf besteht, einfach einen Ochsen am Spieß zu wollen und kein fürstliches Mahl mit einhundert Gängen, müssen alle ganz herzlich lachen.

Doch dann werde ich ganz plötzlich rausgeschmissen. Verschmitzt schaut mich Birgitta an.
„Du, meine liebe Anna, hast hier jetzt nichts mehr zu suchen. Alles andere planen wir ohne dich, sonst ist es keine Überraschung mehr. Wir werden sicherlich noch tausend Fragen stellen, und manches dürft ihr mitbestimmen. Aber du wirst nun viel Geheimniskrämerei aushalten müssen."
Damit bin ich draußen. Doch ich kann gut Geheimniskrämereien aushalten. Was das Leben auch bringt – ich nehme es an.

Ich lasse meinen Blick über die Felder mit reifem Getreide schweifen. Die Ernte läuft gut. Die Bauern haben alle Hände voll zu tun, Das Wetter ist stabil, die Dachböden füllen sich mit Stroh, und volle Getreidesäcke hängen von den Dachsparren. Jede Hand wird gebraucht, wenn Erntezeit ist. Und so packe ich einfach überall mit an. Ich genieße es, gemeinsam mit den anderen zu arbeiten.

 Da von Thaden und Maier inzwischen noch einmal in allen Dörfern waren, um endgültig alle neu verteilten Besitztümer, alle Schuldenerlasse, alle Lehnspflichten und Steuern neu festzuschreiben, haben alle trotz der langen Tage voller Mühen gute Laune. Im Herbst, nach der Ernte, sollen die Flurstücke dann entsprechend neu aufgeteilt werden. Aber die Freiheitsbriefe haben jetzt schon alle bekommen. Klaas ist so glücklich, wieder ein freier Mann ohne Schulden zu sein. Ich freue mich sehr für ihn. Wenn wir uns dann sonntags alle in der Kirche versammeln, singen wir voller Dankbarkeit unsere Lieder, denn keiner von uns hätte vor einem Jahr geglaubt, dass es uns so bald schon so viel besser gehen würde.

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17.5.2020

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