146 - wie alles begann - Sa. 14.9.1571

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Allmählich machen sich bei allen ein Sättigungsgefühl und eine gewisse Trägheit breit. Und so merken wir nicht, dass einige Menschen kurz verschwinden. Außerdem werden wir von Birgitta abgelenkt, die nun alle Kinder zu sich ruft. Sie bauen sich inmitten der Tische vor uns auf. Mit ihren hellen klaren Stimmen und dazwischen dem ein oder anderen Brummer von den großen Müller-Jungs singen sie für uns das Lied von der Vogelhochzeit.

Ein Vogel wollte Hochzeit machen in dem grünen Walde.
Refrain: Fidirallala, fidirallala, fidirallalalala.

Die Drossel war der Bräutigam, die Amsel war die Braute.
Der Sperber, der Sperber, der war der Hochzeitswerber.

Der Stare, der Stare, der flocht der Braut die Haare.
Die Gänse und die Anten, die war'n die Musikanten.
Der Spatz, der kocht das Hochzeitsmahl, verzehrt die schönsten Bissen all.

Der Uhu, der Uhu, der bringt der Braut die Hochzeitsschuh'.
Der Kuckuck schreit, der Kuckuck schreit, er bringt der Braut das Hochzeitskleid.
Der Seidenschwanz, der Seidenschwanz, der bracht' der Braut den Hochzeitskranz.
Der Sperling, der Sperling, der bringt der Braut den Trauring.
Die Taube, die Taube, die bringt der Braut die Haube.
Der Wiedehopf, der Wiedehopf, der bringt der Braut nen Blumentopf.

Die Lerche, die Lerche, die führt die Braut zur Kerche.

Brautmutter war die Eule, nahm Abschied mit Geheule.
Der Auerhahn, der Auerhahn, der war der stolze Herr Kaplan.
Die Meise, die Meise, die singt das Kyrie eleise.

Die Puten, die Puten, die machten breite Schnuten.
Der Pfau mit seinem bunten Schwanz macht mit der Braut den ersten Tanz.

Die Schnepfe, die Schnepfe, setzt auf den Tisch die Näpfe.
Die Finken, die Finken, die gaben der Braut zu trinken.

Der lange Specht, der lange Specht, der macht der Braut das Bett zurecht.
Das Drosselein, das Drosselein, das führt die Braut ins Kämmerlein.
Der Uhu, der Uhu der macht die Fensterläden zu

Der Hahn, der krähet: „Gute Nacht", nun wird die Kammer zugemacht.
Die Vogelhochzeit ist nun aus, die Vögel fliegen all' nach Haus.
Das Käuzchen bläst die Lichter aus und alle zieh'n vergnügt nach Haus.

Beim Kehrvers stimmt das ganze Dorf mit ein, und am Ende bekommen die Kinder begeisterte Jubelrufe von allen Großen. Da zücken auf einmal alle Kinder ein kleines Taschentuch und winken damit. Sie stellen sich in einer Reihe auf, bringen uns all die Taschentücher und legen sie auf den Tisch. Als letztes kommt die Grete.
„Liebe Anna, verehrter ..."
„Wag es nicht!"
Hannes grinst breit.
„... Hannes. Wir haben im Namen der Kinder in diese Taschentücher je einen Vogel gestickt, damit ihr euch immer, wenn ihr eines benutzt, an eure Hochzeit in Lütgenhusen erinnern könnt."

Wir breiten die kleinen Tücher nebeneinander aus.
„Danke, Grete. Und danke, ihr lieben Sänger, das war wunderschön!"
Jetzt sehe ich, dass jedes Taschentuch anders umsäumt ist, und dass jeder der aufgestickten Vögel anders aussieht. Es sind dreizehn Kinder und vierzehn Taschentücher.
Da haben sie Grete wohl mitgezählt.
Hannes fährt sachte mit dem Finger über die Vögel. Auch Vater und unsere Ehrengäste bestaunen die bunte Vielfalt.
„Jetzt will ich aber wissen, wer welchen Vogel gestickt hat."
Der Reihe nach hält Hannes die Tücher hoch, und bei jedem meldet sich eine andere Hausfrau. Irmel, Gunda, Birgitta, Marga, Britt, Grete, die Lene und einige andere haben sich neben der Ernte noch die Mühe gemacht, uns eines dieser feinen Tüchlein zu arbeiten.

Da meldet sich Clara zu Wort.
„Meine lieben Frauen. Ich finde diese Tüchlein so wunderschön, dass ich für mich gerne auch welche bestellen und natürlich bezahlen will. Wenn der Winter naht, habt ihr vielleicht die Zeit, eure Hände für mich zu rühren. Und dann darf ich mich auf eine ganze fröhliche Vogelschar freuen."
Staunend starren die Frauen Clara an. Die Herzogin will von UNS etwas gearbeitet haben? UND will es bezahlen??? Aber Clara lächelt nur und nickt noch einmal zur Bestätigung.

Da auf einmal hören wir einen lauten Donner, und alle um uns herum machen sofort das Heulen von Wind und mit ihren Fingern auf den Tischen das Pladdern von Regen nach. Klaas kommt auf Hurtig angeprescht, und alle Dorfbewohner setzen sich sehr schnell hin. Das scheint ein Signal gewesen zu sein. Beim Dorfbrunnen lässt er sich vom Pferd fallen, Mathes steht auf dem Brunnenrand und schüttet ihm einen Eimer Wasser über den Kopf, Konrad nimmt unauffällig Hurtig beiseite. Zwei Jungs halten eine Bretterwand mit einer Tür darinnen, durch die Klaas nun stolpert. Ich sehe ihn mir genauer an. Er hat eine feine Jacke übergezogen, einen Hut auf dem Kopf und hohe Stiefel an. Auf der anderen Seite der Bretterwand stiert er Birgitta an, die dort sitzt und so tut, als ob sie stickt.
Aha, das sind wir! Hannes und ich.

„Ich bin nicht hier!"
Sofort stürzt sich Klaas kopfüber in einen Haufen Stroh, und Birgitta macht die Türe zu. Nun kommen vier der Bauern heran, mit Tüchern vor den Gesichtern, reißen die Tür auf und brüllen los.
"Wo ist er?"
Sie schmeißen alles durcheinander, was dort liegt, und ziehen wieder ab. Wieder schließt Birgitta die Tür, dann verschwindet die Wand. Klaas kommt aus dem Stroh und stammelt die mir nur all zu bekannten Worte.
„Das Pferd, sie dürfen es nicht finden!"
Und dann fällt er einfach um.

Alle Dorfbewohner an den Tischen haben sich irgendwelche Hüte oder Jacken übergezogen, irgendwelche Gegenstände bereitgelegt. Und so entrollt sich vor unseren staunenden Augen und unter heftigem Gelächter oder auch angehaltenem Atem die ganze Geschichte von Hannes und mir. Dabei wechseln ununterbrochen die Rollen, einige spielen sich selbst, sogar Siegurd Crüger macht mit und die Kinder flitzen immerzu mittendurch. Es ist nicht immer leicht, den Überblick zu behalten. Aber wenn Vater mich anstubst, erkläre ich es ihm. Und wenn Ludo oder Clara verwirrt sind, ist Hannes schnell dabei.

Die ganze Schauspielerei ist zudem sehr übertrieben, die Tränen rührselig, das Gelächter überbordend, die Gefahren höchst dramatisch. Vor allem Hannes, Klaas, Karl und ich bekommen einiges ab, aber wir können nur von Herzen darüber lachen. Hannes und ich halten uns die ganze Zeit an der Hand und lachen und weinen miteinander. 

Das Grenztheater und die anschließende Heimsuchung durch den Brudenhusen begleiten wir mit Anfeuerungspfiffen und Buhrufen. Heinz Zuber und Onno Hinrichsen spielen nun den Hauser und den Brudenhusen und quälen uns so richtig. Bauer Freese läuft zu ganz großer Form auf, als er seine vielen Nebenrollen wie den Wirt, sein eigenes Pferd und sich selbst spielt. Schließlich darf sogar Jakob sich einmischen und anfangen zu schreiben.

Wenn Klaas den trotzigen Hannes mimt oder Birgitta mein Zaudern darstellt, werden wir alle so albern, dass es durchs ganze Dorf schallt. Als Klaas als Hannes zum zweiten Mal nach Duderstadt reitet, um die Äbtissin zu besuchen, steht Karl auf, zieht Ludo mit sich, der sehr irritiert schaut, und zeigt uns allen, wie schwer es war, dass Ludo den Karl überhaupt hat losziehen lassen. Ludo findet sich schnell hinein in seine Rolle. Es ist sehr still geworden, und manche Träne glitzert in den Augenwinkeln. Spontan geht auch Clara hin und hält Ludos Hände, als Karl abreist.

Karl spielt sich selbst, und nun erfahren wir auch, was sich damals in Klaasens Stall zugetragen hat, bevor er Karl zu Hannes gelassen hat. Plötzlich habe auch ich Lust und gehe nach vorne, damit Karl und ich zeigen können, wie wir unsere heimlichen Gespräche geführt haben. Als ich Karl frage, wer denn Hannes nun ist, brüllt der echte Hannes sofort dazwischen.
"Sags nicht, Karl! Sags nicht!"
Und immer weiter geht es, bis die ganze Geschichte erzählt ist in dem Moment, wo ich, die Witwe Anna Adam, geborene Gräfin von Brabeck-Lenthe, ja sage zu meinem Knecht Hannes, nicht-mehr-Herzog von Grubenhagen. Sogar Vater steht auf und legt noch einmal unsere Hände ineinander zu seinem Segen.

Höchst zufrieden und sehr gut gelaunt räumen die ursprünglichen Schauspieler alle Hilfsmittel beiseite, und alle lassen sich erschöpft vom Theaterspielen und Lachen auf ihre Stühle und Bänke plumpsen.
„Durst!"
Es schallt von allen Seiten, und die Schmiedegesellen laufen mit Bier und Wein hin und her, damit alle bald wieder versorgt sind. Da beugt sich Ludo plötzlich zu uns rüber.
„Ich glaube, ich will doch nicht auf dem Dorf heiraten. Wenn ich mir vorstelle, was Hannes und Karl dann für UNS für Possen aufgeführt hätten – dann würde mich der letzte Stiefelputzer nicht mehr ernst nehmen."
Wieder lachen Hannes, Ludo und Karl sich schief. Clara schaut sie sehr streng an.
„Darf ich dich vorsichtig darauf aufmerksam machen, dass du bereits mit mir verheiratet bist? Und dass du dieses Rätsel heute noch aufklären musst, wenn du nicht im Stroh schlafen willst?"
„Na gut."
Hannes sorgt für Ruhe, und dann erzählen uns die drei von ihrem Gespräch am Vormittag.

Nach und nach beruhigen sich die Gemüter, und Hunger macht sich wieder bemerkbar. Also muss weiter der Ochse dran glauben, auch Brot und andere Speisen gibt es noch reichlich, alle essen sich satt. Da das Theaterspiel viel länger gedauert hat als geplant, ist es nun schon Abend, und die kleineren Kinder gähnen herzhaft. Doch bevor die Mädchen sich die Kinder schnappen können, tritt auf einmal Pastor Johann Crüger auf uns zu.
"Liebe, liebe Anna, lieber Hannes! Ja, so war es, dass ihr euch hier kennengelernt und euer Glück gefunden habt, als es andre böse mit euch meinten. Gott schreibt auch auf krummen Wegen gerade, er weiß, was er tut. Und damit ihr das nie vergesst, schenke ich euch eure eigene Bibel. Treu, wie Luther es vorgelebt hat, soll sie eure Hausbibel sein und recht oft auf eurem Tisch landen, damit eure Kinder genauso viel Ehrfurcht und Zuversicht vor dem Herrn lernen, wie ihr es habt. Seid gesegnet!"

Feierlich überreicht er uns ein dickes Buch, eine gedruckte Luther-Bibel. Staunend nehmen wir das kostbare Geschenk entgegen und schlagen es auf. Auf das Vorblatt hat Pastor Crüger eine Widmung und einen Segen für uns geschrieben. Gerührt bedanken wir uns bei ihm.

Das Peterle ist inzwischen auf Gretes Schoß eingeschlafen, und so werden nun endgültig alle kleineren Kinder eingesammelt und in ihre Betten gebracht. Die Fast-Großen und alle Erwachsenen feiern noch bis tief in die Nacht mit uns diesen wunderbaren Tag. Der blinde Jasper spielt mit der Leier auf, und fröhlicher Reigen wird getanzt.

Irgendwann verabschiedet sich Pastor Crüger mit den Worten, die er immer bei solchen Festen als letztes sagt.
„Denkt dran, meine lieben Schäfelein. Wer spät feiern kann, kann auch früh zur Kirch wieder aufstehen. Ich wünsche eine gute Nacht."

Wie immer verfehlt der Spruch seine Wirkung nicht, denn den Bauern fällt dann immer ein, dass die Kühe mit dem Melken nicht warten, bis sie ihren Rausch ausgeschlafen haben. Also packen alle mit an, räumen den Dorfplatz auf und nehmen all ihre Schüsseln, Geschirr und anderes Zeug mit nach Hause. Erstaunlich schnell ist es sehr still im Dorf. Da unsere Gäste auch zu ihren Stuben wollen, spazieren wir gemeinsam und zufrieden schweigend zurück zu meinem neuen Haus und sagen einander gute Nacht.

Ganz still und dunkel ist es, als Hannes und ich nun allein in meiner alten Diele stehen. Nur durch das Licht, das zum Fenster hereinscheint, können wir gegenseitig unsere Augen glitzern sehen. Schließlich macht Hannes einen großen Schritt auf mich zu, nimmt mich sehr zärtlich in seine ausgebreiteten Arme und küsst mich sacht.
Wie beim ersten Mal, hier, im Dunklen.
„Meine Anna!"
„Mein Hannes!"
„Ich kann noch nicht schlafen, obwohl ich furchtbar müde bin."
„Dann lass uns noch ein wenig spazieren gehen."

Leise treten wir aus dem Haus, Hannes hüllt mich fürsorglich gegen die schon kühle Septembernacht in mehrere Tücher, und Hand in Hand spazieren wir zur Allmende. Wir schauen zum Mond am Himmel und bestaunen die zahllos vielen Sterne an Gottes großem Firmament. Und dann gehen wir endlich auch in unsere Kammer. Die Kinder liegen nun in eigenen Betten, die beim nächsten Besuch dann in ein eigenes Zimmer gestellt sein werden. Also kuscheln wir uns gemeinsam in mein ..., nein, unser großes Bett. Sanft und geborgen schlafe ich in Hannes Armen ein.

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13.6.2020

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