145 - „Das Brautpaar lebe hoch!" - Sa. 14.9.1571

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Als ich vorhin die Kirche betreten habe, hat Hannes mir entgegengestrahlt, dass es mein Herz schier zum Bersten gebracht hat vor Glück.
Warum nur habe ich sooo lange gezögert?
Ich habe mich an den fröhlichen Gesichtern um mich drumrum gefreut und bin am Arm meines Vaters auf den Mann zugegangen, zu dem ich nun gehören darf. Als Jakob an Hannes hochgesprungen ist und ihn so überschwenglich „Vater!" genannt hat, sind mir die Tränen in die Augen geschossen.
Jacob Adam? Siehst du uns? Vom Himmel herab? Siehst du das Glück deiner Kinder? Wir werden dich nie vergessen! Du wirst immer fehlen. Gönnst du uns das Glück? Ich bitte auch dich um deinen Segen für deine Familie.

Der Gottesdienst geht mit festlichen Gesängen und dem Segen zu Ende. Schnell greifen Linde und Grete nach Jakob und Susanna und schieben sie vor in den Mittelgang. Clara stellt sich mit dem Blütenkorb dazwischen. Dann folgt Pastor Crüger, und nun dürfen wir uns einreihen. Hinter uns stellen sich Vater mit Ludo und Karl mit Klaas auf. Und so ziehen wir feierlich aus der Kirche aus. Jakob und Susanna greifen immer wieder in Claras Korb und werfen die Blüten. Allerdings nicht nur vor sich sondern auch über sich und in die Gemeinde, und zur allgemeinen Heiterkeit sind wir bald alle übersäht von bunten Blütenblättern. Aber es bleibt noch genug für den Weg vor uns übrig.

Wir treten hinaus in die warme Septembersonne und wundern uns, was hier nun wieder alles geschehen ist. Ich hatte geglaubt, es seien alle in der Kirche gewesen. Aber nun entdecke ich, dass der Ochse bereits über einem großen Feuer brät, mit dem Schmied und dem breit grinsenden kleinen Jasper daneben. Einer der Gesellen des Schmieds sticht ein Fass Bier an. Und Hannes zieht mich mitsamt den Kindern zu zwei ganz kleinen Pferden, die bei Konrad auf dem Platz vor der Kirche stehen. Ich schaue ihn fragend an. Aber er zwinkert mir nur zu, hebt die Hand und wartet, bis alle aus der Kirche herausgekommen und still geworden sind.

„Anna?"
Ich schaue ihn lächelnd an.
„Ja?"
Mit leuchtenden Augen zieht Hannes mich zu sich ran und gibt mir plötzlich vor dem gesamten Dorf einen Kuss. Ich glaube, ich bin jetzt so rot wie eine Kirsche. Dann hält er mir eine kleine Schachtel hin.
„Mach auf!"
Ich nehme die Schachtel und öffne sie – und erstarre. Darin sind zwei Ringe. Sie sind wie zwei in sich gedrehte Bänder aus Gold ohne Anfang und Ende.
„Das, Anna, sind die Ringe meiner Großeltern. Die Bänder sind endlos, so wie unsere Liebe sein soll."
Sanft schiebt er mir den kleineren Ring auf meinen Finger. Schnell nehme ich ihm den Größeren ab und schiebe den auf seinen Finger. Er gibt mir noch einen Kuss, und das ganze Dorf klatscht begeistert dazu.

Nun dreht sich Hannes zu den Kindern.
„Das Peterle muss noch ein paar Jahre warten, aber für Jakob und Susanna habe ich auch ein Geschenk. Mit diesen Worten zeigt er auf die beiden kleinen Pferde.
„Ich habe sie schon vor einer Weile gekauft und gut beobachtet, damit ich entscheiden kann, welches Tier am besten zu welchem Kind passt."
Er zeigt auf den etwas größeren Wallach.
„Das hier ist 'Lustig'. Dieser kleine Racker ist wie Jakob – klug, schnell und ununterbrochen zu kleinen Streichen aufgelegt."

Jakob steht stumm da und starrt sein Pferd an. Er bringt keinen Ton heraus. Ich glaube, ich habe meinen Sohn noch nie so sprachlos erlebt. Dann beginnt er zu stottern.
„Das ... das ... ist ... MEIN Pferd? Ganz für mich?"
Hannes nickt, nimmt Jakob an der Hand und führt ihn zu Lustig. Der strahlt über beide Backen, schaut seinem Pferd tief in die Augen und streichelt seinen Hals.
„Hallo, Lustig. Wollen wir ganz viel üben, damit wir eines Tages Hannes auf Hurtig überholen können?"
Schallendes Gelächter von allen Seiten unterbricht ihn. Lustig schaut nur seelenruhig zu Jakob – und senkt dann den Kopf, als wolle er nicken und antworten.
„Klar machen wir!"
Jakob umarmt sein Pferd und sieht aus, als wolle er nie wieder loslassen.

Derweil nimmt Hannes Susanna bei der Hand und führt sie zu der etwas kleineren Stute.
„Schau mal, Susanna. Wenn du das möchtest, dann soll dieses hübsche Pferdemädchen dir gehören."
Ganz vorsichtig greift Susanna nach dem Tier und streichelt es.
„Sie heißt Lieblich, weil sie ein wunderbar sanftes Wesen hat. Sie ist immer ruhig, zu jedem freundlich und hat endlos Geduld. Wenn du auf Lieblich reiten lernst, musst du wirklich nie Angst haben, dass sie dich abwirft."
Stumm nickt Susanna. Sie hat große Ehrfurcht vor dem für sie doch recht großen Tier. Aber auch ihre Augen strahlen vor Glück.
„Konrad wird eure beiden Tiere genauso gut versorgen wie Hurtig und wird euch alles beibringen, was ihr wissen müsst, damit es euren Tieren gutgeht. Ab jetzt seid ihr dafür verantwortlich."

„Ich hab aber jetzt keine Zeit zum Reiten, Hannes. Soll ich Lustig zu Hurtig auf die Weide bringen?"
Konrad beugt sich zu ihm runter.
„Das ist eine gute Idee, Jakob. Kommt, ich helfe euch. Und dannngehen wir feiern."
Er hebt die beiden Kinder in die beiden kleinen Sättel, drückt ihnen die Zügel lose in die Hand und führt die beiden Tiere auf Klaasens Weide. Susanna ist das nicht ganz geheuer, und sie greift nach Konrads Ärmel. Da springt schnell der kleine Jasper zu ihr, läuft neben ihr her und hält ihre Hand, damit sie sich sicher fühlt.

Wir werden in der Zwischenzeit zum Dorfplatz geführt, wo inmitten von vielen, vielen bunt geschmückten Tischen eine festliche lange Tafel steht für uns und unsere Ehrengäste. Hannes führt mich zu meinem Platz, an meiner anderen Seite bleibt mein Vater stehen. Als Clara an Ludwigs Arm an mir vorüber geht, flüstert sie mir etwas zu.
„Bei der nächsten Hochzeit feiere ich auch auf dem Dorf."
Hannes und Ludwig müssen das wohl gehört haben, denn sie beide brechen auf der Stelle in schallendes Gelächter aus. Clara und ich schauen sehr irritiert.
„Ist das grade so ein Bruder-Ding?"
Als Antwort bekommen wir nur ein Nicken.

Karl kommt zu uns und fragt nach dem Grund des Gelächters. Clara kann ihren Satz gar nicht zu Ende sprechen, da ist auch er schon schier vor Lachen zusammengebrochen. Doch nun wird Clara energisch.
„Ludwig, du kommst heute Nacht nicht ins Bett, bevor du mir DAS erklärt hast!" Jetzt breche ich in Gelächter aus.
Ich glaube, ich träume. Innerhalb von nicht mal einem Jahr habe ich einen Vater, einen Mann, eine Schwägerin und zwei Schwager dazugewonnen. Und sie alle sind einfach wunderbar.

Ich schaue mich um. Zum Glück sind alle Dorfbewohner so damit beschäftigt, Essen aufzutragen oder ihren Platz zu finden, dass uns keiner zugehört hat. Birgitta sammelt grade alle Kinder um sich, Konrad und der Kleine Jasper kommen mit Jakob und Susanna auf den Schultern angetrabt, Linde und Grete setzen sich mit dem Peterle in unsere Nähe. Auf alle Tische werden Getränke gestellt, und ich genieße jeden Augenblick in vollen Zügen, weil ich es so gewohnt bin – und so schnell nicht wieder erleben werde.

Doch bevor der Ochse angeschnitten wird, erhebt sich Hannes mit seinem Glas in der Hand. Es wird ganz still. Langsam schaut Hannes nacheinander jedem Lütgenhusener in die Augen.
„Ich kann euch nicht sagen, wie glücklich ich bin, hier zu sein und hier zu feiern. Ich verdanke euch mein Leben und noch so viel mehr. Halb tot und ohne Namen kam ich hierher. Morgen gehe ich fort mit meinem Namen, mit meiner Verantwortung, mit neuer Erkenntnis, mit dem Herzen voller Freunde und – mit einer ganzen Familie. Mit großer Dankbarkeit lege ich Annas Leben, mein Leben, euer aller Leben in Gottes segensreiche Hand und bitte um Bewahrung, solange Gott uns leben lässt. Denn das ist es, was ich hier erfahren habe: Bewahrung, die Bedeutung von 'zu Hause sein', Vergebung und Neuanfang. Sollte ich jemals einen von euch schlecht behandeln, dann dürft ihr mich absetzen. Ich schlage dann Klaas oder den kleinen Jasper als Nachfolger vor. Auf euch alle!"
Unter schallendem Gelächter erheben alle ihre Gläser und Becher, prosten uns zu und trinken auf unser Wohl.

Hannes steht noch.
„Gibt es hier jemand, der keinen Hunger hat? Passend in die völlige Stille hinein knurrt sehr laut ein Magen. Lachend eröffnet Hannes das Mahl. Schnell flüstere ich ihm ins Ohr.
„Du musst den Ochsen anschneiden."
„Ich?"
Er stellt sein Glas ab, zieht seine Jacke aus, krämpelt seine Ärmel hoch und geht auf das Feuer zu. Der Schmied reicht ihm ein kunstvoll gedrehtes großes Messer an und erklärt ihm, wo er anfangen soll mit Schneiden. Und schon legt Hannes los.

Im Nu stehen alle Lütgenhusener mit ihren Tellern oder Brotscheiben in einer langen Reihe und bekommen jeder von ihm ein Stück Fleisch angereicht. Ein paar Leute bringen als erstes volle Teller zu unseren Ehrengästen, damit die nicht Schlange stehen müssen, Karl war allerdings schneller und steht mit Klaas zusammen in der Reihe. Dann bringen alle ihre „Beute" zu ihrem Platz. Bald schon ist fröhliches Schmausen und Trinken, Singen und Feiern um uns herum. Erst nach einer ganzen Weile kommt Hannes mit zwei Tellern zu mir und gibt mir den einen.
„Lass es dir schmecken, Anna."

Ich schaue mir an, wie viele Platten und Schüsseln mit den verschiedensten Gerichten herumgereicht werden und muss schmunzeln.
„Wie du siehst, Hannes, ging dein Wunsch nach einem Ochsen in Erfüllung. Aber glaub nicht, dass die Dörfler nicht genauso viel Essen auffahren können wie deinbnobler Stadtkoch."
„MEIN nobler Stadtkoch. Und er hat gebettelt, mitkommen zu dürfen, weil er wohl geglaubt hat, wir müssten hier verhungern. Aber ich befürchte eher, ich werde nach Hause rollen, wenn diese drei Tage rum sind. Und dann muss ich eine Hungerkur machen, und mein Koch stirbt an Vernachlässigung. Warum machen wir eigentlich dieses ganze Brimborium in der Stadt?"
Genüsslich schiebt Ludo sich noch ein Stück Fleisch in den Mund.

Doch dann stutzt er, denn Jakob steht vor ihm und antwortet ihm, laut und ungefragt.
„Mutter hat gesagt, du musst das so machen, weil dich sonst die Leute in deinem Land nicht ernstnehmen. Dafür musst du schon ein bisschen angeben, Onkel Ludwig."
Ich möchte vor Scham im Boden versinken.
Warum nur kann sich dieses schlaue Kind einfach alles merken, was man ihm einmal sagt?

„So. Ein bisschen angeben muss ich. Na, du hast ja ein schönes Bild von mir, oh meine Schwägerin."
Ludwig zwinkert mir zu. Ich werde knallrot und ziemlich kleinlaut.
„Ich wusste nicht, wie ich es ihm besser erklären sollte."
Und schon setzt Jakob noch einen drauf.
„Das macht doch nichts, Mutter. Ich bin nur froh, dass Vater kein ganzes Land hat und deshalb nicht angeben muss. So ist es viel gemütlicher."
Mit diesen Worten krabbelt er unter unserem Tisch durch, nimmt Hannes und mich in die Arme und flitzt wieder zu seinem Platz.

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12.6.2020

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