Kapitel 4.1 - Grübchen-Lächeln

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Kurz nach dem Wochenende hatte mich der Arbeitsalltag wieder eingefangen – und dieser Mittwoch schien endlos zu sein – obwohl ich jetzt nicht mehr nur Säume nähen musste, immerhin. Jetzt waren es Falten. Falten legen, Falten bügeln, Falten zusammennähen und wieder bügeln. Selbstredend musste ich wieder alles Giselle zeigen und natürlich war sie niemals zufrieden. Ihre immer währenden Tiraden flossen inzwischen einfach über mich hinweg, meistens zumindest. Statt ihr zuzuhören, dachte ich viel lieber an andere Dinge – und am allerliebsten an Zac: An seine grau-blauen Augen, die mich manchmal so geheimnisvoll ansahen, an seine muskulösen Arme, die die schweren Holzbretter künftiger Schränke wie nichts zu tragen schienen und seine geschickten Hände, die das Holz auf der Werkbank zielsicher bearbeiteten, an seinen starken Rücken, der sich deutlich unter seiner Arbeitskleidung abzeichnete.... Erst recht, seid ich ihm vor ein paar Tage die Maße abgenommen hatte, um ein paar neue Hemden für ihn zu schneidern. Einen Moment lang geisterte dabei auch eine andere Erinnerung durch meinen Kopf – wie ich Trell vermessen hatte, der ebenfalls um ein paar Hemden gebeten hatte. Es war wirklich schräg gewesen... doch das verdrängte ich rasch, indem ich wieder an Zacs Lächeln dachte.

Das hatte mich schon vom ersten Moment an in den Bann gezogen hat. Ich seufzte leise und lächelte ebenfalls – direkt in Giselles Gesicht. Mir wurde erst klar, was ich da tat, als ich das verwirrte Blinzeln ihrer großen Augen sah und die skeptisch hochgezogenen, perfekt gezupften Augenbrauen.

„Bist Du blöd oder was?"

„Das ist aber unhöflich...", antwortete ich zu unser beider Überraschung das Erste, das mir in den Sinn kam. Aber anscheinend hatte ich damit wirklich einen Nerv getroffen, denn über ihre Wangen zog sich plötzlich ein zarter Rotton, der jedoch nicht über das wütende Glitzern ihrer Augen hinwegtäuschte. Sie holte gerade Luft, um etwas zu sagen, als wir beide das leise Klimpern des Glockenspiels hörten, das über der Ladentür hing. Kundschaft. Wir blickten uns einen Herzschlag lang an, dann zischte mir Giselle etwas Unverständliches zu und eilte nach vorn, wobei ihr praktischer, aber wie üblich perfekt sitzender, Zopf hin und her schwang. Meisterin Thoran war heute nicht da und so war es an Giselle, die Kunden zu bedienen – und an mir, weitere Faltenwürfe einzunähen und zu bügeln. Ich seufzte und nahm den Gardinenstoff wieder in die Hand, an dem ich gerade arbeitete, als ich den bekannten, ruhig fließenden Sprechrhythmus einer vertrauten Stimme hörte. Einer Stimme, bei deren Klang, sich ein Schwarm von Schmetterlingen in meinem Bauch erhob. Wie eine Kompassnadel sich nach Norden richtet, so flog mein Blick nun auch zur Tür, hinter der sich der Geschäftsraum befand, während ich konzentriert den Stimmen von Giselle und Zac lauschte.

„Senga? Senga ist hinten in der Werkstatt. Warum? Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?"

„Nein, nein – ich bin nur hier, um sie abzuholen. Ich musste noch einmal mit Herrn Richter über die Maße eines Schrankes sprechen, den er in Auftrag gegeben hat und dachte, dass ich sie auf dem Rückweg gleich mitnehmen könnte..."

Ich lächelte traurig. Bestimmt hatte Papa ihn geschickt, mich abzuholen, damit ich nicht allein ging, solange Irrlichter durch die Wälder geisterten. Seid klar war, dass Tribald von ihnen angegriffen worden war, durfte ich nach Feierabend nur in Ausnahmefällen allein nach Hause gehen – und auch nur, wenn ich früher Schluss machen durfte. Immer hatte mich irgendwer abgeholt und wohlbehalten zu Hause abgesetzt, als wäre ich drei und nicht siebzehn. Ob er Zac alles erzählt hatte? Ich hoffte nicht – ich wollte nicht, dass er mich so sah... so wie alle anderen.

„Das ist ja nett von Ihnen. Aber sie muss noch eine halbe Stunde arbeiten, bevor sie Schluss hat."

Giselles bisher honigsüße Stimme klang plötzlich so, als würde sie von jemanden Sprechen, der die Pest hätte und der deshalb für jede kleinste Aufmerksamkeit unglaublich dankbar sein sollte. Miststück.

„Das macht nix. Ich kann so lange warten."

„Na dann – kann ich Ihnen etwas zu Essen anbieten? Oder zu trinken?"

„Haben Sie Wasser? Und bitte – nennen Sie mich Zac, so alt bin ich noch nicht."

„Nur, wenn du mich Giselle nennst..."

Nur, wenn Du mich Giselle nennst", äffte ich leise ihre Klein-Mädchen-Stimme nach, während ich wütend auf den Stoff in meinen Händen starrte. Hatte sie nichts anderes zu tun, als in so abgedroschener Weise um Zac herumzuschlawänzeln? Offensichtlich nicht, denn in diesem Moment kam Giselle mit betont wiegenden Hüften durch die Tür geschwebt, mich geflissentlich ignorierend, direkt in die Küche. Wenig später kam sie da auch wieder herausgeschwebt, an mir vorbei, direkt zurück in den Laden, ein fröhliches Lächeln auf ihrem Gesicht platziert, Wohl-weißlich genau richtig, um ihre Grübchen zur Geltung zu bringen, jedoch ohne zu viele Zähne zu zeigen. Plötzlich waren auch ihre Haare offen. Mit ihrem perfekten Grübchen-Lächeln, ihren perfekten, dunklen Seidenhaaren und ihrem perfekten Wiege-Schwebeschritt sah Giselle einfach umwerfend schön aus. Ich hasste sie aus tiefsten Herzen dafür, während ich verbissen Nadelstich um Nadelstich setzte und hoffte, dass Ende meiner Arbeitszeit würde endlich kommen.

Zeit war da wirklich schon sehr merkwürdig. Die letzte halbe Stunde zog sich, als würde sie drei Tage dauern bis ich endlich offiziell entlassen war. Sofort ging ich nach vorn in den Ladenbereich, wo es sich Giselle und Zac auf ein paar Stühlen bequem gemacht hatten und die letzte halbe Stunde gemütlich verplauderten, während ich arbeitete. Ich hatte irgendwann aufgehört zuzuhören, mir hatte Giselles Mädchenlachen, das ab und an zu mir herüber geschwebt war, völlig gereicht. Als ich jetzt sah, wie dicht sie bei Zac saß – den Oberkörper weit nach vorn, zu ihm hin, gelehnt und mit einer ihrer Haarsträhnen spielend – ich hätte schon wieder schreien können. Die beiden hätten sich auch gemeinsam auf einen Stuhl setzen können, es hätte kaum einen Unterschied gemacht. Was für ein Scheißtag heute doch war.

Mit zusammengebissenen Zähnen schluckte ich alles herunter, was mir sonst noch auf der Zunge lag, stattdessen lächelte ich aufgesetzt: „Ach Zac, Du hättest doch nicht warten müssen. Das ist doch nur Zeitverschwendung für Dich."

„Das macht doch nichts. Außerdem hatte ich nette Gesellschaft."

Giselles Gesicht hellte sich auf und ich war kurz davor zu fragen, warum sie sich nicht irgendwo ein Zimmer genommen hatten, aber ich ermahnte mich selbst zur Ruhe. Zac und ich waren schließlich nicht zusammen oder so was. Also ignorierte ich das hohle Gefühl in meinem Bauch und schritt mit erhobenem Kopf an den beiden vorbei. „Na gut. Dann können wir ja jetzt gehen. Schönen Feierabend, Giselle."

Sie ignorierte mich und starrte stattdessen zu Zac. „Wenn Du wieder in der Gegend bist, komm doch vorbei. Ich würde Dir gern das Bild zeigen, an dem ich gerade arbeite. Es ist der kleine See hier in der Nähe, wo auch unser Erstbaden stattfindet... nur eben im Winter..."

Diese Hure.

Und das Schlimme war, dass dieses verdammte Bild vermutlich genau so schön sein würde, wie die anderen, die hier in der Werkstatt hingen. Zac erwiderte Giselles Lächeln auf eine Weise, dass ich mich innerlich kalt und verloren fühlte. „Das klingt verlockend. Ich werde daran denken... kommst Du, Senga?"

Als wir den Laden verließen, schwieg ich. Ich wusste auch nicht, was ich nach dieser Situation sagen sollte. Zac schien jedoch nichts von all dem zu bemerken... Männer. Nach ein paar Augenblicken wandte er mir den Kopf zu. „Sag mal, was ist eigentlich dieses Erstbaden von dem Giselle grad gesprochen hat?"

Ich seufzte leise, als ich Giselles Namen hörte. Aber immerhin sprach er nicht von ihr – über sie reden war jetzt echt das Letzte, was ich wollte. „Ach – das ist so eine Lokaltradition, könnte man sagen, immer am erste Samstag nach Frühlingsanfang. Dann treffen sich... äh... fast alle am See und starten die Badesaison, indem sie darin baden. Zumindest die, die wollen. Dazu gibt es viel zu Essen und noch mehr zu trinken."

Zac grinste. „Klingt witzig... apropos: Was hältst Du davon, wenn wir noch kurz bei Rhegis vorbeischauen? Er hat uns doch letztens eingeladen..."

Einen Moment lang zögerte ich – ich hatte gar nicht mehr daran gedacht, weil ich nicht vorgehabt hatte, da hinzugehen, genauso wenig wie zu den meisten anderen Feiern in den letzten zwei Jahren. Obwohl ich schon gern... Ich seufzte, als meine Vernunft der Versuchung widerstand. „Nein, danke. Es wird sowieso bald dunkel und ich will rechtzeitig zu Hause sein."

Zac schnaubte und sah enttäuscht aus. „Ach komm schon, Senga! Das wird lustig! Du hast doch keine Angst im Dunkeln nach Hause zu gehen, oder?"

Sein Ton klang so spöttisch herablassend, dass es mir zu jeder anderen Zeit einen Stich versetzt hätte. Nun aber, hatte ich noch immer Giselles Grübchen-Lächeln vor Augen und es war mir egal.

„Doch", sagte ich kühl und warf ihm einen vernichtenden Blick zu, ehe ich an ihm vorbei- und weiterging.

Zac sah aus, als hätte ich ihn geohrfeigt. „Oh." Dann beeilte er sich aufzuholen. „Senga, es tut mir leid.... Ich wollte nicht..."

„Ist schon gut. Lass uns einfach gehen."

„Okay. Lass uns nach Hause gehen"

Er klang so betreten, dass mir meine harsche Antwort schon wieder leid tat. Außerdem schien er sich wirklich auf die Feier gefreut zu haben. Kein Wunder – so viel passierte in den paar Dörfern hier in der Gegend auch nicht. Vielleicht war er auch nur deswegen gekommen, um „mich abzuholen", weil er eigentlich auf die Geburtstagsfeier wollte? Und ich ließ an ihm meinen Frust über diese Schnepfe aus...

„Ach weißt Du – wir können vor dem Heimweg ja kurz vorbeischauen", Ich wollte nicht, dass er sich wegen mir schlecht fühlte. Und plötzlich strahlte sein Gesicht wie die Sonne.

„Du, wir müssen nicht...", setzte er noch an, sah aber gleichzeitig so glücklich aus, dass ich erst recht nicht nein sagen konnte.

„Doch, doch – das passt schon..."

„Danke! Wir müssen ja auch nicht lange bleiben..."

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Lichtis Quatschecke:

Hey Ho... Na? Wie hat euch das Kapitel gefallen?

Mir hat es seeeeeehr viel Spaß gemacht, es zu schreiben, insbesondere der Teil, der dann nächste Woche kommt. Ich hoffe, ihr habt Freude daran! :D

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